~ Die Kündigung des Lehrvertrags
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~ Die Kündigung des Lehrvertrags
Verschiedenes Divers ~ Die Kündigung des Lehrvertrags In dieser Ausgabe seiner Serie beginnt Prof. M. Rehbinder* mit der Diskussion der Kündigung des Lehrvertrags. Die Kündigung des Lehrvertrages während der Probezeit 1. Dauer der Probezeit Jedes Lehrverhältnis beginnt mit einer Probezeit. Das ist notwendig, weil die Parteien sich auf lange Zeit fest binden. Die Probezeit darf nicht weniger als einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen (OR 344 a II, 2. Hs.). Abwei- Die Probezeit muss 1 bis 3 Monate dauern. Sie kann auf 6 Monate verlängert werden. chend von den übrigen Arbeitsverhältnissen (OR 335 b II) ist damit eine Verkürzung oder gar Wegbedingung ausgeschlossen. Haben die Parteien die Probezeit nicht festgelegt, so beträgt sie im Geltungsbereich des BBG abweichend von den übrigen Arbeitsverhältnissen (OR 335bI,2.,Hs.:l Monat) drei Monate (BBG 211). Die nach OR 344 a II, 2. Hs. bestehende Höchstdauer von drei Monaten kann im Geltungsbereich des Der Besuch von Einführungskursen wird bei der Probezeit nicht mitgerechnet. BBG auch bis zu deren Ablauf durch Abrede der Parteien ausnahmsweise bis auf 6 Monate verlängert werden, wenn das kantonale Berufsbildungsamt dem zustimmt (BBG 21II). * Adresse dos Autors: Lehrstuhl für Arbeitsrecht. Cäcilienstrasse 5,8032 Zürich SGAB SRFP Panorama Die Probezeit berechnet sich nach der Ausbildungszeit im Lehrbetrieb (BBG 211). Der Besuch von Einführungskursen wird also nicht mitgezählt. Konnte eine Ausbildung wegen Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht auf Seiten des Lehrlings oder des Lehrmeisters nicht erfolgen, so ist nach OR 335 b III auf die effektive Präsenzzeit abzustellen. Dabei ist unglücklich, dass diese Vorschrift, die die Berechnung der Probezeit anhand der effektiven Präsenzzeit anordnet, von Verkürzung und Verlängerung der Probezeit spricht. Denn hier wird lediglich definiert, dass unter Probezeit im Falle der genannten Umstände die Zeit effektiver Erprobungsmöglichkeit zu verstehen ist. 2. Kündigungsfrist Liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor, kann auch während der Probezeit ohne Beachtung einer Kündigungsfrist, d.h. mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Andernfalls können beide Seiten in der Probezeit auch ohne berechtigten Anlass kündigen, wenn sie die nach OR 346 I vorgeschriebene Kündigungsfrist von 7 Tagen beachten. Nur darf die Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich sein, will der Kündigende sich nicht einer Entschädigungspflicht aussetzen (OR 336 ff.) Während der Probezeit findet die Sperrfrist von OR 366 c keine Anwendung. Das Lehrverhältnis kann daher auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden, selbst wenn dies 47 für den Lehrling zur Unzeit erfolgt. Geht hingegen die Kündigung zwar während der Probe- Die Kündigungsfrist beträgt während der Probezeit in der Regel 7 Tage. zeit zu, läuft die Kündigungsfrist von 7 Tagen aber über die Probezeit hinaus und tritt nach Ablauf der Probezeit ein Grund ein, der die Auflösung des Lehrverhältnisses als Auflösung zu Unzeit im Sinne von OR 336 c erscheinen lässt (unverschuldete Krankheit, Unfall, Militärdienst usw.), dann kommt der Lehrling in den Genuss eines zeitlichen Kündigungsschutzes in Form einer Fristerstreckung nach OR 336 c II2. Hs., desgleichen hat er einen Lohnfortzahlungsanspruch nach OR 324 a, sofern das Lehrverhältnis drei Monate gedauert hat. In diesem eng umgrenzten Umfang erlangen die Sperrfristen, die grundsätzlich nur auf unbefristete Arbeitsverträge Anwendung finden, auch für den Lehrvertrag Beachtung. 3. Wirkung Ohne wichtigen Grund ist das Lehrverhältnis nur während der Probezeit kündbar. Kantonales Berufsbildungsamt und Berufsschule sind im Geltungsbereich des BBG von der Kün- Die Kündigung ist auf Verlangen schriftlich zu begründen. digung unverzüglich schriftlich zu benachrichtigen (BBG 21III). Nr. 21 / März / Mars 1993 Verschiedenes Divers nicht mehr einseitig, d.h. durch Kündigung aufheben; es sei denn, der Kündigende kann sich auf einen wichtigen Grund berufen. Ein solcher liegt vor, wenn die Fortsetzung des Lehrverhältnisses dem Kündigenden oder beiden Vertragspartnern nicht mehr zugemutet werden kann (OR 337II). Darüber entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, wobei eine unverschuldete ArbeitsOhne wichtigen Grund ist verhinderung (OR 324 a) diese Voraussetzung nicht erfüllen das Lehrverhältnis nur kann (OR 337III). Während während der Probezeit beim unbefristeten Arbeitsverkündbar. hältnis die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sich auf den Zeitraum bezieht, der bis digung gleichwohl gültig. Allenzum Ablauf der Frist im Falle falls in einem Prozess um die einer ordentlichen Kündigung Rechtsmissbräuchlikeit der Künverstreichen muss (nach der digung kann die fehlende Begründispositiven Vorschrift von OR dung zum Nachteil der die Be335 c I also maximal 3 Mogründungspflicht verletzenden nate), bezieht sich der wichtige Partei gewürdigt werden. Die Grund beim Lehrverhältnis als ordentliche, nicht rechtsmisseinem befristeten Arbeitsverbräuchliche Kündigung während hältnis, das nach Ablauf der der Probezeit löst keine SchadenProbezeit nicht mehr kündbar ersatzansprüche aus. Die Kosten, ist, auf den Zeitraum bis zur die der Lehrmeister durch die obBeendigung der Lehrzeit. Die ligatorischen Einführungskurse Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Rechtsverhältnisses steht mithin in Relation zur Die Kosten des Einführungskurses können auch beiRestdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses. Je weiter das Kündigung nicht auf den Ende der Lehrzeit liegt, desto Lehrling abgewälzt werden. schwerer kann sich ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien auswirken. und den während der EinfühFerner ist das Ziel des Lehrverrungskurse gezahlten Lohn (BBV hältnisses, nämlich eine fach14IV) zu tragen hatte, kann er gemässe und geordnete Ausbilnicht auf den Lehrling abwälzen, Die Kündigung ist auf Verlangen der gekündigten Partei schriftlich zu begründen (OR 335 II ist hier analog anzuwenden, da das Lehrverhältnis ein befristeter Arbeitsvertrag ist, für die Kündigung befristeter Arbeitsverträge jedoch infolge miserabler Gesetzgebungsarbeit eine eigenständige Vorschrift fehlt). Wird die Begründung verweigert, ist die Kün- sollte er nicht eine absichtliche Schädigung durch diesen nachweisen können (OR 41II). Doch dann dürfte in der Regel eine rechtsmissbräuchliche Kündigung vorliegen, die die Folgen von OR 336 a (Entschädigungspflicht) auslöst. Die Kündigung des Lehrvertrages aus wichtigem Grund 1. Voraussetzungen Nach Ablauf der Probezeit lässt sich das Lehrverhältnis Panorama Erscheint das Ausbildungsziel nicht mehr erreichbar, so fehlt die Grundlage zur Fortsetzung des Lehrverhältnisses. düng, in die Würdigung des Kündigungsgrundes mit einzubeziehen. Erscheint das Ausbildungsziel nicht mehr erreichbar, so fehlt die Grundlage zur Fortsetzung des Lehrverhält48 nisses. Andererseits bietet die obligatorische Probezeit im Regelfall ausreichende Gelegenheit, die gegenseitigen Schwächen kennenzulernen. In der Jugend erfahrungsgemäss In der Jugend erfahrungsgemäss auftretende Entwicklungsprobleme dürfen nicht zum Anlass genommen werden, sich leichtfertig von missliebigen Lehrlingen zu lösen. auftretende Entwicklungsprobleme dürfen nicht zum Anlass genommen werden, sich leichtfertig von missliebigen Lehrlingen zu lösen. OR 346II zählt drei wichtige Gründe für die Auflösung des Lehrverhältnisses auf, verweist aber im übrigen («namentlich») auf die allgemeine Regel in OR 337. Grundsätzlich ist zu den wichtigen Gründen festzustellen, dass sie den Vertragszweck vereiteln müssen. Dazu gehört das Fehl verhalten eines Vertragspartners nur dann, wenn es objektiv geeignet ist, das gegenseitige Vertrauensverhältnis nachhaltig zu stören (sog. objektive Schwere), und wenn dadurch das Vertrauen der Gegenpartei auch tatsächlich zerstört worden ist (BGE 97II 145 f.). Ein Verschulden ist hingegen nicht erforderlich, doch ist dieses später bei den vermögensrechtlichen Folgen der ausserordentlichen Kündigung zu berücksichtigen. Die Abgrenzung, welche Gründe in diesem Sinne als wichtig anzusehen sind und welche nicht, kann im Einzelfall schwierig sein. So ist jeweils nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu prüfen, ob nicht eine weniger weitgehende Massnahme wie Verwarnung, Kürzung von Sozialleistungen und Entzug sonstiger Vorteile sowie Versetzung im Betrieb ausreichen würde. Je Nr. 21 /März /Mars 1993 Verschiedenes Divers Gründe für die Auflösung des Lehrverhältnisses a) Fehlen der notwendigen Fähigkeiten und Eigenschaften des Lehrmeisters Der Ausbildungserfolg hängt wesentlich von den fachlichen und persönlichen Qualitäten des Lehrmeisters ab. Daher macht BBG 10 I die Ausbildung von Lehrlingen davon abhängig, dass der Lehrmeister die erforderlichen beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften besitzt, einen Ausbildungskurs für Lehrmeister besucht hat und Gewähr für eine fachgemässe, verständnisvolle Ausbildung ohne gesundheitliche oder sittliche Gefährdung bietet. Dies ist Voraussetzung für die Genehmigung des Lehrvertrages nach BBG 20 II 3. Fallen die für die Ausbildung notwendigen didaktischen, pädagogischen oder berufsspezifischen Fähigkeiten oder die notwendigen persönlichen Eigenschaften wie charakterliche Integrität und Einfühlungsvermögen im Verlaufe der Lehre weg und ist dadurch der Ausbildungserfolg in Frage gestellt, so bleibt nur die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses durch ausserordentliche Kündigung übrig (vgl. KGer. NE JAR 1984, 266). Das ist insbesondere bei sittlichen Verfehlungen des Lehrmeisters angezeigt. Über betont patriarchalisch-autoritären Umgangsstil als Grund für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses siehe GSGer. JAR 1982, 242 f. b) Körperliche oder geistige Voraussetzungen oder gesundheitliche oder sittliche Gefährdungen des Lehrlings Der Grund für die fristlose Auflösung des Lehrverhältnisses kann auch in Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Lehrlings liegen, wenn diese dem Lehrmeister die Weiterführung des Lehrverhältnisses unzumutbar machen. Diese zur Ausbildung notwendigen Voraussetzungen können von Anfang an gefehlt haben oder erst während der Lehre weggefallen sein. Dann kann der Lehrmeister wegen eines subjektiven Auflösungsgrundes ausserordentlich kündigen. Will hingegen der Lehrling aus diesen Gründen, etwa wegen unverschuldeter Krankheit oder Unfall kündigen, muss er sich auf den objektiven Auflösungsgrund gemäss OR 346 II lit. c stützen. Mit den körperlichen oder geistigen Anlagen sind nur die elementaren Voraussetzungen für die Erlernung des Berufes gemeint. Darüber hinausgehende spezifische Fähigkeiten bilden sich erst im Laufe der Ausbildung heraus. Darf aber ein Maurerlehrling wegen eines Rückenleidens keine Lasten tragen oder ist ein Grafikerlehrling farbenblind, so ist der Vertragszweck nicht erreichbar. Das gleiche gilt bei Fehlen der zur Ausbildung erforderlichen Intelligenz. Meist ist hier auch eine Irrtumsanfechtung des Vertrages denkbar. Blosse Disziplinlosigkeit, Faulheit oder Desinteresse rechtfertigen hingegen eine fristlose Auflösung des Lehrvertrages nicht, da von einem Jugendlichen nicht die Arbeitsmoral eines Erwachsenen verlangt werden kann (BezGer. Hinwil, nicht publiziertes Urteil vom 15.8.1985). Wurde hingegen der Lehrling deswegen wiederholt verwarnt und auf die Folgen seines Verhaltens aufmerksam gemacht, kann auch hier eine fristlose Ent- SGAB SRFP Panorama 49 lassung vorgenommen werden, wenn zuvor das Gespräch mit dem gesetzlichen Vertreter sowie dem Berufsbildungsamt gesucht wurde. Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, ist mit der gesundheitlichen oder sittlichen Gefährdung nicht der ungünstige Einfluss des Lehrmeisters gemeint, sondern das Verhalten des Lehrlings selbst. Das Verhalten in der Freizeit berechtigt aber nur dann zur Kündigung, wenn es Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz, d.h. die Erreichung des Lehrzieles hat. Verhalten am Arbeitsplatz und Privatleben sind daher prinzipiell zu trennen (anders noch GSGer. SJZ 1953, 366, wo einer «störrischen» Lehrtochter u.a. eine Liebschaft vorgehalten wurde). Im übrigen: besondere Sittenstrenge ehrt ihren Verfechter, ist aber kein gültiger Rechtsmassstab. Dieser ist vielmehr dadurch geprägt, dass die Gesamtgesellschaft entsprechend unserer freiheitlichen Verfassung einen permissiven Charakter angenommen hat. c) Unmöglichkeit eines vertragsgemässen Abschlusses der Lehre Kann die Ausbildung nicht oder nur unter wesentlich veränderten Verhältnissen zu Ende geführt werden, liegt ein objektiver Hinderungsgrund vor, der jede Partei zur fristlosen Auflösung des Lehrverhältnisses berechtigt. Doch müssen drei Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: (1) Die Änderung der Rahmenbedingungen der Ausbildung müssen gravierend sein; sie dürfen (2) von keiner Seite verschuldet und sie dürfen (3) bei Vertragsschiuss nicht vorhersehbar gewesen sein. OR 346 II lit. c ist mithin ein Sonderfall der Anpassung des Vertrages an veränderte Verhältnisse. Anwendungsfälle sind zum einen Auswirkungen höherer Gewalt wie die Zerstörung des Ausbildungsbetriebes, ferner Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen der Parteien wie Schwangerschaft, Heirat oder Krankheit des Lehrlings, durch den Tod des Vaters entstandene Notwendigkeit, dessen Betrieb weiterzuführen, alters- oder konjunkturbedingte Geschäftsaufgabe des Lehrmeisters oder Wechsel in der Person des Lehrmeisters (nicht publiziertes Urteil des KGer. AR vom 6.5.1987). Kein Entlassungsgrund ist hingegen Kurzarbeit, da hier die vorübergehend ausfallende Arbeitszeit im Betrieb mit theoretischer Ausbildung überbrückt werden kann. Dasselbe gilt für den Streik. Auch die Geschäftsaufgabe oder Veränderung im Lehrbetrieb kann den Lehrmeister von der Erfüllung des Lehrvertrages nur dann befreien, wenn zwingende Gründe diesen Schritt unumgänglich machen. Die Auflösung des Lehrvertrages ist hier nur als letzte Möglichkeit gegeben und setzt voraus, dass sich die Parteien vorgängig über die Möglichkeiten der Fortführung der Lehre in veränderter Form absprechen. Über die Möglichkeit des kantonalen Berufsbildungsamtes, das Lehrverhältnis bei Unmöglichkeit der Erreichung des Ausbildungszieles seinerseits durch Widerruf der Genehmigung aufzulösen, siehe BBG 25 II, 24 III. Nr. 21 / März / Mars 1993 Verschiedenes Divers nach den Verhältnissen des Einzelfalls wiegen gleiche Sachverhalte unterschiedlich schwer. Typische wichtige Gründe sind aber die beharrliche Arbeitsverweigerung und die Nichtgewährung des Lohnes trotz Abmahnung. Nach OR 337 a, der auch auf den Lehrvertrag Anwendung findet, kann der Lehrling fristlos kündigen, wenn ihm der Lehrmeister bei Zahlungsfähigkeit nicht für den Lehrlingslohn Sicherheit leistet. Typische wichtige Gründe sind ferner die Begehung von Straftaten, insbesondere gegen die andere Vertragspartei, unsittliche Anträge oder sexuelle Belästigung im Betrieb, Konkurrenzierung oder andere Arten des Vertrauensmissbrauchs. Leichtere Verfehlungen wie verspätetes Erscheinen, unentschuldigte Arbeitsunterbrüche, Beschädigung von Einrichtungen und Material sowie vergleichbare Formen unkorrekten Verhaltens am Arbeitsplatz können nur zu wichtigen Gründen werden, wenn sie vorher abgemahnt wurden. Die in Abs. 2 beispielhaft aufgezählten wichtigen Gründe für die Auflösung des Lehrverhältnisses betreffen nicht subjektive Verfehlungen der einen oder anderen Vertragspartei, sondern das objektive Fehlen der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung. 2. Ausübung des Kündigungsrechts Die Auflösung des Lehrverhältnisses aus wichtigem Grund ist jederzeit möglich, auch während der Probezeit (OR 3371). Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung während der Probezeit braucht keine Frist beachtet zu werden. Dennoch kann der Kündigende, der ein Recht zur fristlosen Entlassung hat, die Kündigung auch mit einer Frist aussprechen SGAB SRFP Panorama (BGE 93 II18). Die Kündigung kann schon vor Antritt der Lehre erfolgen und wird auch durch die Sperrfrist in OR 336 c nicht beschränkt (OGer. SO SJZ 1976,266). Da längeres Zuwarten als Duldung oder Verzeihung verstanden werden kann, muss die Erklärung der Kündigung aus wichtigem Grund umgehend erfolgen (KGer. VS JAR 1984,164). Eine vorgängige Verwarnung ist nur bei leichten Verfehlungen erforderlich, die für sich allein die Fortführung des Lehrverhältnisses nicht unzumutbar machen würden (KGer. JU JAR 1984,192 ff). Die ausserordentliche Kündigung des Lehrvertrages ist auf Verlangen der Gegenpartei schriftlich zu begründen (OR 337 1,2. Hs.). Doch auch bei Verstoss gegen die Begründungspflicht bleibt die Kündigung rechtswirksam. Dieser ist lediglich bei der Beweiswürdigung und der Kostentragungspflicht in einem allfälligen Prozess über die Rechtsmissbräuchlichkeit zu berücksichtigen. Das früher anerkannte Nachschieben von Kündigungsgründen (BGE 92II184,187; BezGer. AI JAR 1988,284, 289) ist auch nach der gesetzlichen Einführung der Begründungspflicht erlaubt, jedoch nur insoweit, als der Gekündigte nicht in seinem berechtigten Vertrauen auf die schriftliche Begründung zu schützen ist. Es trifft zwar zu, dass Gründe, die nach der Auflösung entdeckt werden, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht schon vor ihrer Entdeckung subjektiv unzumutbar gemacht haben können (Botschaft Kündigungsschutz BB1. 1984II611). Doch urteilt das Gericht über die Unzumutbarkeit (objektiv) ex post und nicht (subjektiv) ex ante. Einer Berufung des Gekündigten auf die Unkenntnis eines an sich bestehenden Aufhebungsgrun50 des auf seiten des Kündigenden steht das Verbot des Rechtsmissbrauchs (ZGB 2 II) entgegen. Bei schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, insbesondere bei Straftaten zum Nachteil des Vertragspartners, kommt ein Vertrauensschutz des Gekündigten nicht in Betracht. Es geht daher mit Sicherheit zu weit, wenn die heute vorherrschende Literaturmeinung ein Nachschieben von Kündigungsgründen jetzt generell für unzulässig hält; denn damit würde ein doloses Verhalten des Gekündigten geschützt. Wird das Lehrverhältnis durch ausserordentliche Kündigung aufgelöst, hat im Geltungsbereich des BBG der Lehrmeister (und nur dieser) sofort das kantonale Berufsbildungsamt sowie die Berufsschule zu benachrichtigen (BBG 25 11). Ein Verstoss gegen diese Benachrichtigungspflicht hat auf die Wirksamkeit der Kündigung keinen Einfluss. Über diese entscheidet nur der Richter. Das Berufsbildungsamt soll aber als Schlichter und Vermittler auftreten (BBG 25 1 2). Dafür wird es nach Ausspruch der Kündigung meist zu spät sein. Deshalb sollte der Kontakt zum Amt bereits früher gesucht werden. Lässt sich an der Auflösung des Lehrverhältnisses nichts mehr ändern, hat die Behörde nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass der Lehrling die begonnene Ausbildung andernorts ordnungsgemäss beenden kann (BBG 25 III). In der letzten Folge dieser Reihe (Panorama 20) wurde die Feriendauer nicht korrekt angegeben: Nach OR 345 a III beträgt sie bis zum 20. Altersjahr 5 Wochen. Der Jugendurlaub wird gemäss OR Art. 329e bis zum 30. Aitersjahr gewährt. Nr. 21/März/Mars 1993