drei-sterne-koch heinz reitbauer (steirereck wien)
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Drei-Sterne-Koch Heinz Reitbauer (Steirereck Wien) Meister der Gemüse-Küche Rehbock vom Hochschwab mit Blütenkohl und Kohlrabi. Heinz Reitbauer mit Gattin Michaela. Die Frau des Spitzenkochs wurde von Relais & Chateaux mit dem Titel «Gastgeberin des Jahres 2010» ausgezeichnet. 34 5I2013 Food & Beverage / Küchenporträt W er im Steirereck in Wien isst, macht Bekanntschaft mit den Innereien von Gemüse, etwa mit einem Rübenherz oder mit Artischockenmark. Und er entdeckt vegetarische Zutaten, von denen er noch nie gehört hat. Spitzenkoch Heinz Reitbauer vom Steirereck, Platz 11 auf der Liste der weltbesten Restaurants und mit drei MichelinSternen ausgezeichnet, beschäftigt sich seit Jahren mit der Zubereitung von Gemüse auf SterneNiveau. Und liegt damit voll im Trend. Denn: Noch nie waren vegetarische Zutaten ein so heiss diskutiertes Thema in der Spitzengastronomie wie heute – auch in der Schweiz. Dass man damit Erfolg haben kann, zeigt Reitbauer im Steirereck, idyllisch mitten im Stadtpark in Wien gelegen. Artischockenböden werden hier in feinste Scheiben geschnitten und gerollt. Die Schwarzwurzel gart in KamillenZiegenmilch. Von der gelben Rübe liegt das Herz Herr Reitbauer, Sie leisten in der Spitzengastronomie Pionierarbeit. Wie sind Sie überhaupt aufs Gemüse gekommen? Meine Familie hat selber eine kleine Landwirtschaft in der Steiermark, die zu einem zweiten Restaurantbetrieb gehört. Von daher hatte ich schon immer diesen respektvollen Zugang zum Essen. In meiner Küche war die Gemüsebeigabe immer ein wichtiger, sehr komplex gedachter Teil. Im Steirereck haben wir diesen akzentuiert. War das schwierig? Bei den Gästen gar nicht, die haben das verstanden. Die Fachwelt hat uns aber schnell in die Gemüseschublade gedrängt, was ich nicht so mag. Bei uns gibt es ja durchaus auch exzellenten Fisch, ausgezeichnetes Fleisch. Was bringt das Gemüse der Gourmetküche? Beim Fleisch ist die Vielfalt wesentlich kleiner als beim Gemüse. Wenn Sie beim Fleisch eine gewisse Vielfalt wollen, landen Sie schnell mal bei einzelnen Rinderrassen. Das ist geschmacklich ein schwieriges Thema. Ich kenne wenige, die zwischen einem Limousinund einem Angusrind unterscheiden können. Ich selbst würde mir bei einem Blindtest wahrscheinlich auch die Finger verbrennen. Beim Gemüse ist das etwas anderes: Zwischen einer Beta-Sweet-Karotte und einer süssen Violetten etwa gibt es klare geschmackliche Unterschiede. Er ist ein Pionier – und einer der erfolgreichsten Köche Europas. Heinz Reitbauer, Chef im besten Restaurant von Wien (Steirereck) kocht nur mit lokalen Produkten. Er besitzt einen Bauernhof in der Steiermark, wo er sein eigenes Gemüse, Obst und Fleisch produziert. Damit nicht genug: Kein anderer Spitzenkoch setzt derart konsequent auf die vegetarische Küche. Und das auf Drei-Sterne-Niveau. auf dem Teller. Und Puntarelle, die Herzen einer Chiccorée-Art, stehen stramm im Teller, nachdem sie blanchiert und mit Estragon und Nussbutter sautiert wurden. Ein Genuss, optisch wie geschmacklich. Im Steirereck wird Gemüse so behandelt, als wär 's ein Rindsfilet oder ein Chateaubriand. 5I2013 Woher nehmen Sie Ihre Ideen für aussergewöhnliche Gemüsekreationen? Die Inspiration entsteht vor allem aus der Zusammenarbeit mit Produzenten. Ich arbeite seit über 20 Jahren mit Gemüsebauern zusammen, gemeinsam handeln wir uns immer wieder ein Stückchen weiter. Neulich habe ich etwa zwei Früchte aus Südamerika erhalten, deren Steine ich nun einem Produzenten gebe, um zu sehen, ob die Pflanzen hier wachsen. In Ihren Menüs begegnet man vielen unbekannten Zutaten. Die Schwarzwurzel etwa wird mit Crackers von Samen der ChiaPflanze serviert. Wie haben die Chia-Samen zu Ihnen gefunden? Auch da war ein Produzent im Spiel. Er hat mir Chia-Samen in einer Probepackung geschickt. Wir experimentierten hier damit und sind bei › 35 Orangerie Schönbrunn. Food & Beverage / Küchenporträt den Crackers gelandet. Chia-Samen quellen schnell, wenn man sie aufweicht, man presst sie, lässt sie danach einfach trocknen und brät sie an. Ganz simpel, eigentlich. Die Crackers schmecken leicht nussig und sind für den Gast eine spannende Entdeckung, die neugierig macht. Chia-Samen gewinnt man von einer Salbeipflanze, die ursprünglich aus Mexiko stammt und heute hauptsächlich in Zentral- und Südamerika angebaut wird. Von dort stammen auch die Litschi-Paradeiser, die im Puntarelle-Gericht für einen knallroten Farbtupfer sorgen. Die Litschi-Paradeiser sind wider Erwarten keine Tomaten, sondern kleine Früchte, mit der Physalis verwandt. Reitbauer bezieht diese Exoten aus Oberösterreich, wo sie mittlerweile kultiviert werden. Heinz Reitbauer lässt nicht nur pflanzen, er pflanzt auch selber an. Rund 100 verschiedene Kräuter wachsen in der warmen Jahreszeit rund ums Steirereck und auf der Dachterrasse in Töpfen. Die Topfpflanzen werden nicht etwa vom Gärtner, sondern von der Küchenmannschaft selber gepflegt. Warum stellen Sie keine Gärtner an? Nein, das würde ich nie wollen, lieber ein Mitglied in der Küchenmannschaft mehr. Wenn man das Lebensmittel selber zieht, hat man einen ganz anderen Zugang dazu, als wenn man es einfach kauft. Das versuche ich mit allem, was ich tue, zu vermitteln. Hat der Trend hin zu vegetarischen Zutaten auch mit modernen Zubereitungsmethoden zu tun? Ja, sicher! Wir können Gemüse heute ganz anders zubereiten als früher. Sous-vide-Garen, also im Vakuum kochen, setzen wir sehr oft ein – aber das ist ja nichts Neues. Auch das Vakuum-Infusieren ist wichtig (eine moderne Art des Marinierens). Davon lesen Sie jedoch auf unseren Kärtchen, auf denen die Menüs für die Gäste beschrieben sind, nichts. Denn wir wollen die Produkte in den Mittelpunkt stellen. Sie arbeiten auch mit Fermentation, etwa mit Milchsäuregärung, die man hauptsächlich vom Sauerkraut oder auch von asiatischen Zutaten wie Misopaste oder Sojasauce kennt. Nun belebt die Spitzenküche diese Methode neu. Vieles ist fermentiert. Es fängt beim Wein an. Fermentation ist ein Thema, das den Geschmack der Küche sehr bereichert, manches ist asiatisch inspiriert. Bei uns hält das Fermentieren von Lebensmitteln immer stärker Einzug. Natürlich fehlt uns teilweise noch das Wissen. Wie gehen Sie das an? Kontrolliert, mit einem guten Grundverständnis fürs Produkt. Je nachdem, ob wir Saft fermentieren oder das Gemüse selber, haben wir spezielle Bakterienkulturen in Gär-Behältnissen. Wir fermentieren zwei bis maximal sechs Wochen. › Sechs Steinpilze mit Meeres-Kopfsalat und marinierter Gänseleber. Mispeln, Veilchen und Frittaten. Das Resultat der Experimente im Steirereck ist dann etwa ein fermentierter Rübensaft, der, angereichert mit Leindotteröl, ein Gericht als Sauce begleitet. Solche Kreationen bringt Reitbauer nicht nur auf die Teller, um seine Gäste zu überraschen. Er will auch den Alltag seines Teams bereichern. Man müsse ja auch Spass haben, und ohne Veränderungen bleibe ja ganz einfach nur noch die Arbeit. Trotzdem ist Reitbauer konstant in der Sache. Nicht nur ist er Vorreiter für innovative Gemüsezubereitung. Er setzte auch sehr früh auf lokale Produkte. Als Küchenchef im zweiten Familienbetrieb in der Steiermark bezog er Lebensmittel schon in den 90er-Jahren ausschliesslich von lokalen Anbietern. Regionale Produkte sind neben Gemüse ein weiterer Küchentrend. Wird das anhalten? Es ist schon sehr, sehr richtig, was wir damit praktizieren. Aber ich sage seit acht, neun Jahren: Was kommt danach? Die Gefahr ist ja, dass sich die Gäste irgendwann langweilen, der Sache überdrüssig werden. Und sich abwenden. Wo sehen Sie Potenzial für eine Weiterentwicklung in der Spitzengastronomie generell? Ein wesentlicher Punkt, um eine neue Küche zu etablieren, ist, dass man auch neue Produkte etabliert, um damit auch wieder einen neuen Geschmack zu etablieren. Das können Sorten sein, die in Vergessenheit geraten sind. Und auch Produkte, die klimatisch vielleicht passen, uns aber bisher nicht erreicht haben. Denkbar ist auch, dass wir durch den klimatischen Wandel neue Produkte in H unserem Land etablieren können. Java-Kaffee, Sud mit gelben Datteln, Zwetschgen. Die Autorin Esther Kern ist Journalistin und Buchautorin und arbeitete für Annabelle, Tages Anzeiger, Sonntags-Zeitung, Beobachter, Blick und die Süddeutschen Zeitung. Im Fona-Verlag ist ihr Buch «Salz & the City» (Kochen für Freunde) erschienen. Das hier publizierte Interview mit Heinz Reitbauer ist im Februar 2013 im «Tages Anzeiger online» veröffentlicht worden. 38 5I2013 Food & Beverage / Küchenporträt Von-Oben-Herabitis Eine Krankheit, die’s bei uns nicht gibt. Wer ist Heinz Reitbauer? Der Spitzenkoch wurde am 23. August 1970 in Wien geboren. Einige Monate zuvor, am 1. Januar 1970, hatten seine Eltern das Steirereck im Stadtpark eröffnet. Nach Abschluss der Hotelfachschule in Altötting/Bayern begann er eine Koch-Lehre im elterlichen Betrieb. Nach Abschluss der Lehre bekam er die Möglichkeit, bei Alain Chapel in Mionnay bei Lyon zu arbeiten. Alain Chapel war einer der ersten Drei-Sterne-Köche Frankreichs und galt als einer der Wegbereiter der «Nouvelle Cuisine». Heinz Reitbauer setzte ein Jahr später seine Auslandserfahrung bei Anton Mosimann in London fort. Es folgten Praktika bei Joel Robuchon & Laurent in Paris. Nachdem er 1992 in den elterlichen Betrieb zurückgekehrt war, erfolgte der Erwerb der «Gast & Landwirtschaft» auf dem Pogusch, in der Heimatgemeinde von Heinz & Margarethe Reitbauer, in Turnau. Nach einer dreijährigen Planungs- und Bauphase wurde das Wirtshaus Steirereck am Pogusch im Mai 1996 eröffnet. Heinz Reitbauer fungierte dort von Beginn an als Küchenchef. Die Küchenphilosophie von Heinz Reitbauer spiegelt den Respekt und die Wertschätzung am Produkt wider und hat unter Einbeziehung der eigenen und regionalen Landwirtschaft eine eigene Identität erlangt. Diese besteht in erster Linie aus immer wieder neuen Überraschungsmomenten, wo mit Akribie und Entdeckungsfreude nach bislang unbekannten oder fast schon wieder vergessenen Zutaten gefahndet wird. 2001 übergaben die Eltern die Geschäftsleitung des «Steirereck» an ihren Sohn. 2002 erwarb die Familie die Meierei im Stadtpark (ehemalige Milchtrinkhalle der Stadt Wien). Mit dem Erwerb und Umbau der Meierei im Stadtpark und der Übersiedlung im Januar 2005 wechselten Heinz Reitbauer und seine Frau vom Pogusch nach Wien. Seit dem Frühjahr 2005 fungiert Heinz Reitbauer im Steirereck im Stadtpark als Küchenchef. Er wird dabei von einer 35köpfigen Brigade unterstützt. Heinz Reitbauer ist verheiratet und Vater von drei Kindern. 2010 wurde er mit dem Titel «Hotelier des Jahres in Österreich» ausgezeichnet. Gault/Millau Österreich verlieh ihm 19 Punkte und vier Hauben, im Guide Michelin ist Reitbauer mit drei Sternen aufgeführt. Das österreichische Magazin «Falstaff» ehrte in mehrfach mit dem Titel «Bestes Restaurant Österreichs». In der aktuellen Liste der «50 weltbesten Restaurants» erzielt Reitbauer den 11. Platz. www.steirereck.at Wir wissen, was KMUs brauchen. Zum Beispiel eine Versicherung, die mit ihren Kunden auf Augenhöhe kommuniziert. So wie wir. ÖKK – die Richtige für KMUs. www.oekk.ch Restaurant Steirereck im Wiener Stadtpark. Hier kocht Heinz Reitbauer auf Drei-Sterne-Niveau – zusammen mit einer 35-köpfigen Brigade. In der Liste der «50 weltbesten Restaurants» liegt er derzeit auf Platz 11. 5I2013