859 - StuRa Uni Freiburg

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859 - StuRa Uni Freiburg
berta
Magazin der Studierendenschaft
02.02.2015 - 43. Jahrgang
#859
Kein Vergeben,
kein Vergessen!
Die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers
Auschwitz in Polen jährte sich am 27. Januar
zum 70. Mal.
Gefährliche
Ignoranz
Geschlechter in
Bewegung
Studentisches
Theater
An der Uni Bonn wurde
zum Wintersemester die
Henry-Kissinger-Stiftungsprofessur eingerichtet.
Biologismen normieren
menschliches Verhalten
und Aussehen nach
Geschlechterkategorien.
Das Literaturhaus Freiburg
befindet sich auf Kollisionskurs mit der Studierendenbühne.
Inhalt #859
3
In der Uni und um die Uni herum
4
Eindrücke aus dem
Raumschiff
5
Autonomous Department for International Students
6
Gefährliche Ignoranz
8
Konsequenzen
70 Jahre nach Auschwitz
12
Eine Tat, ein Toter, keine Täter?
14
Geschlechter in
Bewegung
16
Überwachte Freiheit
18
Seehofersche Denkschule und diffuse Wut
20
Literaturhaus Freiburg auf Kollisionskurs
21
Kultur
22
Let´s talk about sex
24
Service
Liebe Menschen,
Am 27. Januar jährte sich die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers im polnischen Auschwitz zum 70. Mal. Wir wollen in
dieser Ausgabe an die Verbrechen des NS-Regimes erinnern - aber
auch an die vielen Opfer rechter Gewalt nach 1945. Zum Beispiel
wurden die rassistischen Morde an Laye-Alama Condé oder Oury
Jalloh bis heute nicht abschließend aufgeklärt. Die Verantwortlichen
sind auch 10 Jahre danach noch nicht zur Rechenschaft gezogen
worden. In einer Timeline listen wir die Todesopfer rechter Gewalt
auf - und dass es beim Layouten extrem schwierig war sämtliche
Namen unterzubringen ist dabei sehr bezeichnend.
Apropos Layout. Die vorliegende berta hat ein Update erfahren.
Weniger Bleiwüste, mehr Abwechslung, Infokästen und neue Themen. Wir hoffen das Layout gefällt euch! Über Feedback freuen wir
uns.
Damit die berta nicht nur hübsch aussieht, sondern auch das sein
kann, was sie sein soll - nämlich ein Magazin von uns allen für uns
alle - suchen wir weiterhin Autor*innen, Fotograf*innen und Menschen, die sich in die Redaktion einbringen wollen. Sprecht uns an
oder schreibt eine Mail!
— Die Redaktion
Über liberale Demokratien
Die Quadratur des Kreises. Das Ende einer schier endlosen theoretischen
Kontroverse, so alt wie die Demokratie selbst. Nichts weniger ist dem Britischen Premierminister David Cameron unlängst gelungen. Da stritten sich
über Jahrhunderte Menschen über die Frage, wie Sicherheit und Freiheit
auszutarieren seinen. Cameron ist es nun zu verdanken: jener gordische
Knoten ist gelöst. Liberale Demokratien, so wissen wir nun seit knapp
zwei Wochen, müssen die Kommunikation ihrer Bürger*innen überwachen
können. Jeder Schutz vor staatlichen Behörden in Form verschlüsselter
Onlinekommunikation, er soll verboten sein. Briefe könnte man ja wenigstens
öffnen, Telefongespräche abhören, so Cameron. Während in Deutschland
noch darüber gestritten wird, ob die DDR wegen der STASI ein Unrechtsstaat sei, ist man in London nun so frei, ähnliche Methoden mit dem
Modell der freiheitlichen Demokratie unter einen Hut zu bringen. Freiheit
stirbt mit Sicherheit? - Vergessen wir es.
Warum geschlechtsneutral?
Die berta als PDF
stura.org/gremien/referate/presse/
wise1415
Die berta tritt ausdrücklich für die konsequente Verwendung geschelchtsneutraler Formulierungen ein (z.B. das große „I“ ode den Gender-Star).
Wir sehen dies als unverzichtbares, wenn auch nicht hinreichendes Mittel,
um die tatsächliche Gleichberechtigung von allen Menschen in der Gesellschaft zu erreichen. Autor*innen, die von einer entsprechenden Schreibweise abweichen, sind dafür ausschließlich selbst verantwortlich.
HoPo
In der Uni und
um die Uni herum
Von der Vernetzung Freiburger Studierendenvertretungen und Öffentlichkeitsarbeit.
— Euer Vorstand berichtet
D
as Jahr 2014 neigte sich vor einigen Wochen dem Ende entgegen
und die letzten Tage vor Beginn der
Winterpause ergaben vor allem zwei
erwähnenswerte Ereignisse: Die offene Winterfeier der Studierendenvertretung im Studierendenhaus und die
Freiburger-Asten-Konferenz (FAK).
Zur Winterfeier waren alle Studierenden eingeladen und so füllte sich an
diesem Abend der Konferenzraum 1
des Studierendenhauses unter rosafarbenem Tannenbaum, sodass in großer
Runde auf die verbleibende Zeit bis zu
den freien Tagen geblickt werden konnte. Nachdem das Haus am nächsten
Tag wieder zugänglich gemacht wurde (Danke an die Helfer*innen!), fand
zwei Tage nach der Feier die FAK statt.
Alle Hochschulen Freiburgs außer der
Katholischen Hochschule waren vertreten und so wurden Themen wie das
Freiburger und das landesweite Semesterticket, eine gemeinsame Studierendenzeitschrift, Kooperationsvereinbarungen und einiges mehr besprochen.
Außerdem warben die Vertreter*innen
der Pädagogischen Hochschule darum, das Bündnis #aufwerten zu unterstützen. Dabei handelt es sich um
ein Solidaritätsbündnis der Sozial- und
Erziehungsdienste. 2015 wird es Verhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Land Baden-Württemberg
geben. Das Bündnis #aufwerten steht
Verdi sehr nahe, steht gegen die drastische Unterbezahlung in Sozial- und
Erziehungsdiensten und versucht Möglichkeiten zu finden, mit der schwierigen Streiklage dieser Berufsgruppen
umzugehen (Eltern, die darauf angewiesen sind, dass ihre Kinder am Vormittag untergebracht werden können).
Der StuRa wird nun demnächst entscheiden müssen, ob sich auch die Studierendenvertretung der Uni Freiburg
an diesem Bündnis beteiligen möchte.
Im neuen Jahr angekommen, sind auch
wir als Vorstand mittlerweile wieder
aus unseren Winterhöhlen gekrochen
und haben uns im Alltagsgeschehen
der Arbeit innerhalb der Studierendenvertretung eingefunden. So haben
wir uns dieses Jahr schon mit drei
Pressemitteilungen (PM) an die Öffentlichkeit gewandt. Es ging um die AntiPegida-Demonstration am 23. Januar,
die mehr als 15.000 Teilnehmer*innen
hatte. Teilweise sind auch Zahlen von
20.000 Teilnehmer*innen zu hören. So
manch eine*r erklärte sie zur größten
Demonstration der Freiburger Stadtgeschichte. Insbesondere wurde hier auf
die Freiburger Asylpolitik und die erst
kürzlich abgeschobenen 140 Menschen
aus Baden-Württemberg aufmerksam
gemacht. Unter diesen war auch eine
Mutter mit sechs Kindern aus Freiburg.
In einer weiteren PM, kritisieren wir
gemeinsam mit der Juso-Hochschulgruppe, die Art und Weise, wie an der
Universität die Lehramtsreform durchgeführt wird, ohne betreffende Studierende mit einzubinden. So sahen sich
Studierende in der Konzeption des Bachelorstudienganges mit Lehramtsoption oft erst in Gremien mit den Entwürfen konfrontiert, in denen es nur
noch darum ging, diese endgültig abzustimmen. Inhaltliche Diskussionen
waren zu diesem späten Zeitpunkt
oftmals nicht mehr möglich. Mittlerweile wissen wir, dass E-Mails mit
Einladungen zu den entsprechenden
früheren Treffen an veraltete u-astaReferatsadressen anstatt an die aktuellen Kommissionsmitglieder versandt
wurden.
In einer dritten PM drückten wir unsere Ablehnung der Durchführung des
„Studentenballs“ der Burschenschaft
Allemania im Peterhof keller, in Universitätsräumen, aus. Die Studierendenvertretung steht weiterhin für Vielfalt
an unserer Universität und gegen Sex-
Im neuen Jahr angekommen, sind auch wir als
Vorstand mittlerweile
wieder aus unseren
Winterhöhlen gekrochen.
ismus und reaktionäre Gruppen ein,
woraus sich eine Ablehnung gegenüber
Verbindungen und Burschenschaften
ergibt. Wir forderten die Universität
auf, ihre eigene Grundordnung ernster
zu nehmen, in der sie sich Chancengleichheit und Vielfalt unabhängig von
z.B. Geschlecht, sexuelle Identität oder
Herkunft auf die Fahnen schreibt. Wir
forderten die Universität auf, aktiv
gegen Sexismus vorzugehen, sich für
Vielfalt einzusetzen und somit obigen
Gruppen keinen Raum zu bieten.
Alle drei PMs können auch auf der Seite der Studierendenvertretung (www.
stura.org) nachgelesen werden.
Außerdem möchten wir noch auf drei
freie Stellen innerhalb der Studierendenvertretung aufmerksam machen:
Es werden zurzeit Personen für das Beratungsangebot gesucht. Es handelt
sich um folgende Stellen: psychologische Beratung (37,5h im Jahr), Bafög-Beratung (75h im Jahr), Studieren
mit Kind (37,5h im Jahr). Die Aufwandsentschädigung beträgt 8 Euro
pro Stunde. Die genaueren Stellenbeschreibungen lassen sich auch auf der
Seite der Studierendenvertretung finden. Sollten noch Fragen offen sein
oder Interesse bestehen, habt keine
Scheu, euch einfach direkt an uns als
Vorstand zu wenden!
3
HoPo
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Eindrücke aus dem
Raumschiff
Die neue UB soll nach der geplanten Fertigstellung im Sommer 2015 Platz für über 2.000
Studierende bieten. In dem Gebäude sollen auch eine Cafeteria, die Bibliothek des juristischen Seminars und ein geräumiger Fahrradkeller untergebracht werden. Ob der Betrieb im WiSe 15/16 tatsächlich aufgenommen werden kann, wird sich zeigen.
— Von Aljoscha Hartmann
A
m Donnerstag den 15. Januar fand
eine Führung für den Studierendenrat durch die Baustelle der neuen
UB statt. Damit unsere Eindrücke von
der Dauerbaustelle nicht nur bei einzelnen ankommen, will ich hier einen
kleinen Überblick geben über das, was
uns gezeigt wurde.
Wo ist Was?
Das Erdgeschoß bietet zwei Drehtüren
als Haupteingänge, welche Zugang
zum 24h Buchverleih, sowie 2500
Spinde und einen großen Informationsschalter bietet. Am Nordende wird
eine Cafeteria untergebracht sein, mit
einem Außenbereich in Richtung des
Platzes der Alten Synagoge. Ein neuer
Sitzungssaal für 200 Menschen wird
im 1. OG, direkt über der Cafeteria
sein. Über dem Erdgeschoss ist das
Gebäude insgesamt in zwei große Bereiche aufgeteilt. Im Norden erstreckt
sich das Parlatorium, während die südliche Hälfte die Lesesäle beherbergt.
Beide Bereiche erstrecken sich über
alle Stockwerke.
Das Parlatorium bietet in relativ offener
Bauweise viele Gruppenarbeitsplätze
(1200 Menschen sollen Platz haben),
für die auch gemütliche Sessel angedacht sind sowie große Bildschirme, an
denen mensch sein Laptop anschließen
kann. Ganz praktisch: Man darf seine
Getränke in diesem Bereich mitnehmen! Die Lesesäle bieten 700 einzelne
Arbeitsplätze. In den Winkeln sollen
gemütliche Sessel stehen. In den Untergeschossen finden sich schließlich
der Freihandbereich wie auch eine
große Fahrradtiefgarage.
Was ist Wie?
Im gesamten Gebäude wird die Lichtstärke dynamisch an die Personenzahl
in einem Raum angepasst. Im gesamten Bereich über dem Erdgeschoss wird
versucht die Akustik zu dämpfen. Der
Boden wird bedeckt von einem durchgängigen Vliesteppich. Diese werden
ergänzt durch dämpfende Paneele an
der Decke und zwischen den Fenstern
der Fassade. Angenehmer Nebeneffekt: Der raue Sichtbeton wird dadurch
immerhin etwas versteckt.
Das ganze Gebäude ist Lüftungstechnisch als Kamin gebaut, wodurch
ein Luftdurchzug sichergestellt wird.
Durch einen Doppelboden wird auch
die zufuhr von Frischluft in höheren
Die Technologie zeugt
von einem sehr überlegten und modernen
Konzept.
Stockwerken sichergestellt. Die Luftschächte im Dach dienen gleichzeitig
als Entrauchungssystem für den Brandfall. Auf dem Dach selber befindet sich
eine flache Photovoltaikanlage zur
Stromerzeugung.
Durch die Stahlfassade bildet das Gebäude ein faradayschen Käfig, was für
die Studierenden bedeutet, dass es
kein Handyempfang gibt (womit sich
die Schilder “Handys bitte Ausschalten” erübrigen). Kleiner Trost am Rande: Wie in der gesamten Universität
gibt es überall WLAN.
Raumabtrennungen im Innenbereich
bestehen hauptsächlich aus Glastrennwänden, wodurch das ganze Gebäude
tagsüber lichtdurchflutet sein sollte.
Eine Durchschnittstemperatur von
~22°C soll über die Passivbauweise sichergestellt werden, welche ohne eine
Heizung zurechtkommt. Wie gut das
klappt und wie warm oder kalt die UB
tatsächlich sein wird werden wir wohl
oder übel erst nach der Inbetriebnahme feststellen.
Und wie geht es weiter?
Nach der (baulichen) Fertigstellung
müssen wir noch auf den Umzug der
UB von der Stadthalle in das neue
Gebäude warten, bevor diese dann
geöffnet werden kann. Angeblich soll
der Umzug dann in einer großen Aktion innerhalb einer Woche stattfinden,
nachdem vorher die UB-Verwaltung
schon in ihre Räume im 5. OG eingezogen sein wird.
Nach der UB steht die Renovierung des
KG2 an, wozu dieses komplett geräumt
werden muss. Wie genau Ersatzräume
geschaffen werden sollen, konnte uns
bisher niemand erklären. Allerdings
wird darüber spekuliert, ob das Audimax nicht in die Stadthalle ziehen
könnte. Wie sich das gestalten soll,
wenn so viele Studierende alle zwei
Stunden die Straßenbahn überfüllen
bleibt dabei eine offene Frage. Als nette kleine Info wurde uns erzählt, dass
die Pläne für ein KGV hinter den Gebäuden der Werthmannstraße vom
Bauamt schon formuliert werden. Wie
sich das weiterentwickelt ist besonders
für die Studierendenvertretung spannend, da davon auch das Studierendenhaus in der Belfortstrasse betroffen
sein wird.
Zahlen zur UB
Planungsstart: 2006
Geplante Fertigstellung: Sommer 2015
Geplante Kosten: 49. Mio
Tasächliche Kosten: bis zu 53 Mio.
1900 Arbeitsplätze
2500 Spinde
HoPo
Autonomous Department
for International Students
The Autonomous Department for International Students at the Alberts-Ludwigs-University tries to help international students to orientate around university and in their new
everyday life. Additionally, we want to encourage them to an active take part in the studentsÕ representation and shape our community.
— Written by the Autonomous Department for International Students
W
e are a group of students of the
ALU Freiburg who come from
different faculties and nationalities. We
appreciate the diversity of the studentsÕ community and wish to engage ourselves in it. Especially, we value the
input coming from international students but also recognise the obstacles
studying abroad in another university
structure might bring to them.
Therefore, we want to share our experiences with students from different
backgrounds to help them find their
way around university, as well as in
their every day life. As it can be quite
overwhelming to enter a new educational system, we want to provide
support with administrational tasks.
On the other hand, we would like to
offer practical support for international students to start off and manage
their everyday life outside the university more easily. For example, we could
accompany them if they want to open
a bank account and need someone to
translateÉ Additionally, we are happy
to share information on how to spend
free time with activities other than
university in and around Freiburg. But
there is still more to it! Depending on
our ideas and capacities, we could for
example create an event that allows for
all interested students to mingle and
get to know more about the different
nationalities and cultural backgrounds
present at the university!
As another important component of
our work, we represent the interests
and concerns of international students in the AStA, the executive body of
the students´ representation. But it is
not only important to us to represent
them, but we want to encourage international students to actively participate in the students´ representation
Names on picture left to right: Katharina Sontheimer, Shyam Neupane, Pia Kolb
and give voice to their opinions and
needs themselves!
If you appreciate our diverse students´
community, feel that you would like to
help international students in their everyday (university) life, are an international student yourself and want to give
voice to your experiences at ALU, or
generally have creative resources that
demand to be used, please contact us!
Our meetings take place once a week
to every two weeks and are held in English. Email us, if you would like to receive more information or join our next
meeting. Or have a look at our website! There you can find an overview
on how the students representation
works, how you can get involved, as
well as an interesting collection of
links regarding education, finance,
housing, getting around Freiburg, and
more!
Contact
E-Mail:
[email protected]
Website:
www.stura.org/gremien/referate/
auslaendischestudis
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HoPo
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Henry Kissinger als US-Außenminister (1973)
Gefährliche Ignoranz
An der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität wurde zum laufenden Wintersemester die „Henry-Kissinger Stiftungsprofessur für Governance und Internationale Sicherheit“ eingerichtet. Der AStA in Bonn spricht von einer unlauteren Einflussnahme auf die
zivile Hochschullandschaft. Den Verantwortlichen ist das allerdings völlig egal.
— Von Sebastian Balzert
Z
um Anlass des 90. Geburtstages
von Henry Kissinger gaben Verteidigungsminister Thomas de Maizière
und Außenminister Westerwelle 2013
bekannt, zu Ehren des US-Politikers
eine Stiftungsprofessur an der Universität Bonn zu gründen. Nun ist sie da.
Und sie stößt auf viel Unmut. Nicht nur
AStA und freier Zusammenschluss der
Studierendenschaften, sondern auch
viele Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und NGOs
kritisieren die Professur. Selbst im
Ausland lösten die inzwischen realisierten Pläne Irritationen aus. Verschiedene lateinamerikanische Medien be-
richteten über die „Ehrung“ Kissingers
und ein offener Brief des internationalen Attac-Netzwerkes bezeichnete die
Namensgebung als „schlichtweg inakzeptabel“. Die Unterzeichner*innen
forderten die Bundesregierung dazu
auf, die Kritik aus der Studierendenschaft ernst zu nehmen und auf die
Benennung nach Henry Kissinger zu
verzichten.
Tatsächlich befasste sich der Bundestag jüngst mit der Stiftungsprofessur.
Abgeordnete der Linkspartei wiesen
darauf hin, dass der Name Kissinger
„maßgeblich für eine geostrategisch
motivierte aggressive Außenpolitik,
Destabilisierung politisch missliebiger
Staaten, expansive exterritoriale Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA,
Unterstützung gewaltsamer Regime
Changes, menschenrechtsverletzender
Diktaturen und völkerrechtswidrige
Invasionen“ steht. Dies konnte die Regierungsmehrheit im Bundestag allerdings nicht sonderlich beeindrucken.
Der Vorschlag stattdessen eine NelsonMandela-Professur einzurichten überzeugte ebenso wenig.
Nun ist also ein Politiker, der sich damit profilierte, das Völkerrecht mit
Füßen zu treten, Namensgeber einer
HoPo
„Professur für Völkerrecht und internationale Beziehungen“. Das ist zynisch
und geschmacklos. Inzwischen hat das
auch die Universität Bonn eingesehen
und sich großzügig zu einer phänomenalen Änderung durchringen können.
Jetzt heißt es „Henry Kissinger-Professur für Governance und Internationale
Sicherheit“. Und hier endet dann auch
das Entgegenkommen der Uni - und
ihre Gesprächsbereitschaft. Der Pressesprecher verweist auf die Vereinbarungen mit den Geldgebern und versucht der leidigen Diskussion ein Ende
zu setzen: Die Namensgebung stehe
„nicht zur Disposition“.
Selbstverständlich werden die Ministerien nicht zulassen, dass sich die Lehre zu weit von den Grundsätzen der eigenen Politik entfernt.
gie. Hacke befürwortet die Kissinger- Betätigungsfelds der Geldgeber und
Professur. Als Beirat des „Zentrums dem Forschungsgegenstand der Stiffür Militärgeschichte und Sozialwis- tungsprofessur umso gefährlicher wird.
senschaften der Bundeswehr“ ist er
in den Augen des Rektors scheinbar Wie so oft lässt die Kritik die Verantbestens geeignet, die Debatte um die wortlichen kalt. Wie so oft werden BeStiftungsprofessur mit seiner „unab- denken gehört, wird Verständnis bekunhängigen“ Analyse zu bereichern und det und am Ende doch durchgeprügelt,
was von vornBesagte Geldgeherein geplant
Die Verdienste Henry Kissingers
ber sind Gegenwar. „Wir hastand des zweiben schon das
ten
zentralen
Gefühlt, dass
Der US-Politiker Kissinger sei „als Identifikationsfigur für eine an rechtsstaatlichen GrundKritikpunkts an
wir gehört wersätzen und dem Völkerrecht ausgerichtete akademische Einrichtung nicht geeignet“ heißt
der Stiftungsproden, es wird
es im Antrag der Fraktion die.Linke. Warum eigentlich?
fessur.
Daniel
nur ignoriert“,
Gaittet, Vorstand
berichtet Alena
Vielleicht wegen seiner ausdrücklichen Zustimmung zur Invasion Osttimors durch Inim freien ZusamSchmitz,
Presdonesien mit schätzungsweise 183.000 Toten. Vielleicht auch wegen seiner Rolle bei der
menschluss der
s e s p r e ch e r i n
Ermordung des chilenischen Generalstabschefs René Schneider durch die CIA und dem
St udierendendes AStAs. Die
darauffolgenden Putsch in Chile? Vielleicht wegen seiner Zusammenarbeit mit der argentischaften, sieht in
Uni Bonn habe
nischen Militärjunta, die bis zu 30.000 Menschen ermordete, was in den Augen Kissingers
der
ausschließscheinbar kein
laut Zeitgenoss*innen vielmehr die „schnelle Lösung eines Terrorismusproblems“ darlichen
FinanInteresse
an
stellte. Oder wegen seiner Verantwortung für die völkerrechtswidrige Bombardierung des
zierung
durch
einer
Zusamneutralen Kambotschas im Vietnamkrieg, bei der etwa 200.000 Menschen – ganz überden Bund einen
menarbeit mit
wiegend Zivilist*innen – getötet wurden, nachdem sein Präsident Nixon im Wahlkampf
Angriff auf die
der
Studierennoch das Ende des Krieges versprochen hatte. Vielleicht wegen seiner Äußerung gegenzivile Hochschuldenvert ret ung,
über Nixon: „Wenn sie die Juden in der Sowjetunion in die Gaskammern schicken, ist das
landschaft. „Das
wenn es um
(...) kein amerikanisches Problem.“ Vielleicht weil sich selbst sein ehemaliger Mitarbeiter
Auswärtige Amt
Fragen mit hoRoger Morris mit den Worten zitieren lässt: „Wenn wir Henry Kissinger nach den gleichen
und das Bundeshem KonfliktMaßstäben beurteilen, wie wir es mit den anderen Staatschefs und Politikern in anderen
ministerium der
potenzial geht.
Gesellschaften getan haben, (...) dann wird er sicher irgendwann als Kriegsverbrecher verVerteidigung beKonflikte, deurteilt werden.“ - tatsächlich bestehen mehrere gerichtliche Vorladungen in verschiedenen
dienen sich hier
nen die Uni aus
Ländern, denen er allerdings bis heute niemals nachgekommen ist.
eines kreativen
dem Weg zu
Novums, um dem
gehen versucht,
Immerhin ist er Träger einer schon seit langem gänzlich wertlos gewordenen Auszeichnung,
w i s s en s cha ftindem sie ganz
die in letzter Zeit mit Vorliebe folternden Präsidenten und rassistischen Staatenbündnissen
lichen
Diskurs
einfach autoriär
zuerkannt wird: 1973 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.
die ministeriale
entscheidet.
Meinung aufzuDoch diese Takdrücken.“, warnt
tik könnte ihr
er. Nicht umsonst gebe es gesonderte der „offensichtlichen Einseitigkeit“ der zum Verhängnis werden. Denn wenn
Hochschulen der Bundeswehr, die sich Kritik der Studierenden eine differen- die existenten Partizipationsmöglichbezeichnenderweise auch darüber be- zierte Alternative entgegenzusetzen.
keiten zur Farce werden, müssen anschwerten, dass die Professur an einer
dere Wege gefunden werden, um den
zivilen Uni eingerichtet wurde.
Dass es bei dem erklärten Ziel, die so- Interessen der Studierenden nicht nur
genannte sicherheitspolitische Debatte Gehör zu verschaffen, sondern sie auch
Die Bonner Universität, die ihrerseits – wieder an die Uni zu tragen und junge durchzusetzen. Es ist ist davon auszudas sei nur am Rande erwähnt – nach Menschen dafür zu begeistern, zu Inte- gehen, dass in Betracht kommende Aleinem reaktionären Monarchen be- ressenskonflikten kommen wird, ist al- ternativen keine Begeisterungsstürme
nannt ist, interessiert das wenig. Die lerdings nicht zu vermeiden. Selbstver- im Rektorat auslösen werden. Dann
Ministerien seien demokratisch legi- ständlich werden die Ministerien nicht wird es plötzlich die Uni sein, die ernst
timiert und der Kontrolle des deut- zulassen, dass sich die Lehre zu weit genommen werden will.
schen Bundestages unterworfen. In von den Grundsätzen der eigenen Poeiner Stellungnahme weist der Rektor litik entfernt. Schon der Begriff „SichAudio
die Kritik der Studierendenschaften erheitspolitik“ ist ein Produkt dieser
mit Nachdruck zurück. Die Ausfüh- Politik und stellt eine Einschränkung a
rungen seien einseitig und pauschali- priori dar. Die alleinige Finanzierung
Interview mit Alena Schmitz, Pressesierend. Größtes Vertrauen hat Rektor durch Verteidigungsministerium und
sprecherin des AStAs der Uni Bonn:
Fohrmann hingegen in die Expertise auswärtiges Amt führt zwangsläufig
rdl.de/beitrag/unlautere-einflussnahmevon Dr. Christian Hacke, Professor für zu einer Abhängigkeit, die durch die
auf-die-zivile-hochschullandschaft
politische Wissenschaft und Soziolo- starke Überschneidung des politischen
7
8
Schwerpunkt
70-Jahre später
Die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz in Polen jährte sich am 27. Januar zum 70. Mal. Auschwitz ist das Sinnbild für die Zeit des Nationalsozialismus und insbesondere die geplante Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen. Dies ist Anlass für uns die Zeit seit 1945 genauer zu betrachten und auch die juristische und
gesellschaftliche Aufarbeitung in den Blick zu nehmen.
Todesopfer rechter Gewalt
nach 1945
1974
Entschärfung einer
Bombe
Funktionär der JN
1980
22. August
Brandanschlag
Deutschen Aktionsgruppen
26. September
Oktoberfestattentat
am Haupteingang des
Oktoberfests
19. Dezember
Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann
1981
1. Januar erschlagen
Motorradclubs „Stander
Greif“
1982
Mai
erstochen
Juni
erschlagen
ein Feuerwerker
Ngoc Nguyen
Anh Lan Do
Hamburg
13 Menschen,
211 wurden verletzt,
68 davon schwer
München
Shlomo Lewin
Frieda Poeschke
Sydi Battal Koparan (44)
Kreis Ludwigsburg
indischer Nachbar
Garbsen
Tevik Gürel (26)
Norderstedt
24. Juni
Amoklauf in Nürnberg
(erschossen)
16. Oktober
erschlagen
HSV Fanclub „Die
Löwen“
1984
7. Januar
Brandanschlag
Gruppe Ludwig
1985
25. Juli
erschlagen
24. Dezember
erschlagen
1988
16. Dezember
Brandanschlag in Schwandorf
Nationalistische Front
1989
12. Mai
erstochen
1990 (7 Tote)
7. Januar
erschlagen
William Schenck
Rufus Surles und
Mohamed Ehap
Adrian Maleika
Hamburg
Corinna Tatarotti (20)
München
Mehmet Kaymakcı (29)
Hamburg
Ramazan Avcı (26)
Hamburg-Hohenfelde
Osman Can (49),
Fatma Can (43),
Mehmet Can (11) und
Jürgen Hübener (47)
Ufuk Sahin
Märkischen Viertel
Mahmud Azhar (40)
Berlin
7. Oktober
erstochen
24. November
erschlagen
50 bis 60 Skinheads
11. Dezember
Sprung aus dem Fenster
Andrzej Fratczak Lübbenau
Amadeu Antonio Kiowa
(28)
Eberswalde
Klaus-Dieter Reichert
(24)
Berlin-Lichtenberg
erstochen
Nihad Yusufoglu (17)
Mitglied der Kamerad- Hachenburg
schaft „Taunusfront“
31. Dezember
wohnungsloser Mann
erschlagen
(31)
Flensburg
31. Dezember
Alexander Selchow (21)
erstochen
Rosdorf
zwei FAP-Mitglieder
1991 (8 Tote)
6. April
Jorge João Gomondai
aus einer Straßenbahn (28)
gestürzt
Dresden
8. Mai
Matthias Knabe (23)
überfahren
Gifhorn
4. Juni
wohnungsloser
erstochen
Helmut Leja (39)
Gifhorn-Kästorf
Schwerpunkt
16. Juni
erstochen
Konsequenzen
— Von Rebekka Blum
Im Jahr 2015 jährt sich zum 70. Mal
das Ende des Zweiten Weltkrieges und
des Nationalsozialismus, was häufig
auch als Befreiung vom Naziregime
bezeichnet wird. Dieser Begriff vermittelt jedoch den Eindruck, dass die
Mehrheit der deutschen Bevölkerung
nicht hinter Hitler und der gesamten
Naziideologie gestanden habe und
nur darauf gewartet habe, endlich befreit zu werden, was so allerdings nicht
haltbar ist. Dieses Jahr wird es also
viele Gedenkveranstaltungen zum
Thema Befreiung von und Ende des
Nationalsozialismus geben. Deshalb
wollen wir das 70-Jährige Jubiläum der
Befreiung von Auschwitz, welches als
Vernichtungs- bzw. Konzentrationslager auf jeden Fall befreit wurde, und
als das Symbol der systematischen
Vernichtung von Jüdinnen und Juden,
Sinti*ze und Rom*nja sowie politischer Gegner*innen der Nazis, Menschen mit Behinderung und Menschen
mit einer Lebensführung die den Nazis
nicht passte (diese wurden dann im
Nazisprech meist als „Asozial“ bezeichnet), gilt.
Natürlich jähren sich auch die AlliiertenBombardierungen einiger deutscher
Städte zum 70. Mal, wie beispielsweise die Bombardierung Freiburgs
im November 1944. Interessant ist
hierbei festzuhalten, dass viele Städte sich nun mit den Bombardierungen
auseinandersetzen und diese „aufarbeiten“, wie dies auch in Freiburg passiert ist. So gab der Rombach-Verlag
einen Gedenkband zu diesem Ereignis
heraus, indem viele Zeitzeug*innen
zu Wort kamen und in der Badischen
Problematisch ist, dass
die Erzählung aus dem
politischen Zusammenhang gerissen wird.
Zeitung gab es viele Artikel zu diesem
Thema, die meist die Opferperspektive der deutschen Bevölkerung stark
machten. Problematisch an solch einer
Aufarbeitung historischer Ereignisse
ist, dass die Erzählung aus dem politischen Zusammenhang gerissen wird
und ein einseitig, eindimensionales
Geschichtsbild produziert wird. Solch eine Herangehensweise kennt man
oft nur von Nazis die Jahrestage von
Bombardierungen von Städten oft dafür nutzen Naziaufmärsche, die als Gedenkveranstaltungen gelabelt werden,
durchzuführen. Doch eines ist ja wohl
klar, die Bombardierung deutscher
Städte ist ohne die Naziverbrechen
nicht zu betrachten.
Juristische Aufarbeitung
Doch wie sah die juristische Verfolgung der Nazi-Täter*innen nach 1945
aus? Hier denkt man natürlich sofort an
die Nürnberger Prozesse, die vom 20.
November 1945 bis zum 14. April 1949
stattfanden. Diese Prozesse richteten
sich gegen die Hauptkriegsverbrecher
(es waren tatsächlich nur Männer angeklagt). Insgesamt waren 209 Menschen
angeklagt, wobei einige freigesprochen, einige zu lebenslanger Haft und
wieder andere zum Tod verurteilt wurden. Doch waren in diesem Prozessen
nur die oberste Riege der Naziverbrecher angeklagt. Erst 1963 begann mit
den Auschwitz-Prozessen in Frankfurt
die Verfolgung der SS-Auschwitz-Täter
(in der SS konnten nur Männer Mitglied sein, Frauen waren formal nicht
Mitglied der SS, sondern dann im SSGefolge und damit Zivilangestellte der
SS). Auch bei diesen Prozessen wurde
nur ein Bruchteil der Täter*innen angeklagt. Insgesamt wird von über 8000
Auschwitz-SS-Tätern ausgegangen. Von
diesen wurden lediglich 800 angeklagt, wobei einige der SS-Täter sogar
frei gesprochen wurden. Außerdem begann ab 1969 in der deutschen Rechtsprechung die Zeit der kalten Verjährung. Dies bedeutet, dass Beihilfe zum
Mord, wie sie von den so
19. September
Brandanschlag auf ein
Flüchtlingswohnheim
13. November
erschlagen
1. Dezember
erschlagen
12. Dezember
erschossen
Mitglied der Wehrsportgruppe „I.
Werwolf-Jagdeinheit
Senftenberg“
1992 (27 Tote)
5. Januar
erschlagen
31. Januar
Brandanschlag auf
Flüchtlingswohnheim
15. März
erschlagen
18. März
erschlagen
19 März
Ertrunken im Hafen
4. April Brandanschlag auf das
Asylbewerberheim
24. April
erstochen
der DVU nahe
9. Mai
erschlagen
1. Juli
erstochen
Agostinho Comboio
(34)
Friedrichshafen
Samuel Kofi Yeboah
(27)
Saarlouis
Mete Ekşi (19)
Berlin
Gerd Himmstädt (30)
Hohenselchow
Timo Kählke (29)
Meuro
Mann (18)
Gransee
drei Familienangehörige
aus Sri Lanka
Lampertheim
Dragomir Christinel (18)
Saal
Gustav Schneeclaus
(52 - 53)
Buxtehude
Ingo Finnern (31)
Flensburg
Erich Bosse
Hörstel
Nguyễn Van Tu (24-29)
Berlin-Marzahn
Thorsten Lamprecht(23)
Magdeburg-Cracau
Wohnungsloser
Emil Wendtland (50)
Neuruppin
8. Juli
erschlagen
Sadri Berisha (56)
Ostfildern-Kemnat
1. August
erstochen
Wohnungsloser
Dieter Klaus Klein Bad Breisig
3. August
erschlagen
Ireneusz Szyderski (24)
Stotternheim
24. August
Amoklauf (erschossen) Wohnungsloser
Skinhead der „DeutFrank Bönisch (35)
schen Front Coblenz
Koblenz
(DFC)“
29. August
Wohnungsloser Günter
erschlagen
Heinrich Hermann
Anhänger des Ku-Klux- Schwannecke (58)
Klans
Berlin-Charlottenburg
11. Oktober
Waltraud Scheffler
erschlagen
Geierswalde
7. November
Wohnungsloser
erschlagen und angeRolf Schulze (52)
zündet
Lehnin
„Nationale Offensive“
und „Nationalistische
Front“
13. November
Karl Hans Rohn (53)
geschlagen, erstickt und Wuppertal
angezündet
„Nationalistische Front“
21. November
Shoa-Überlebende
Geschlagen, Herzinfakt Alfred Salomon (92)
Ein Obersturmführer
Wülfrath
der Organisation Todt
21. November
Silvio Meier (27) erstochen
Berlin
23. November
Bahide Arslan (51),
Brandanschlag in Mölln Ayse Yilmaz (14) und
Yeliz Arslan (10)
15. Dezember
Bruno Kappi (55)
erschlagen
Siegen-Weidenau
18. Dezember
Hans-Jochen Lomerschlagen
matsch (51)
Oranienburg
9
Schwerpunkt
10
27. Dezember
überfahren
1993 (16 Tote)
18. Januar
geschlagen und überfahren
24. Januar
erstochen
20. Februar
erschlagen
9. März
Mit Waffe bedroht,
Herzanfall
zwei REP-Mitglieder
26. April
erschlagen
8. Mai
Spätfolgen des Angriffs
26. Mai
überfahren
29. Mai
Brandanschlag in
Solingen
5. Juni
erschlagen
16. Juli
erschlagen
28. Juli
vor S-Bahn geworfen
7. Dezember
erstochen
1994 (8 Tote)
18. Februar
erschossen
5. April
ertrunken
28. Mai
erschlagen
23. Juli
erwürgt
26. Juli
ertrunken
6. August
erschlagen
6. November
erstochen
20. November
erstochen
1995 (4 Tote)
5. Februar
erstochen
3. Juni
erschlagen
16. Juli
erschlagen
Nazi Thomas Lemke
7. September
ertrunken
1996 (17 Tote)
18. Januar
Branntanschlag auf
ein Flüchtlingsheim in
Lübeck
2. Februar
erstochen
Nazi Thomas Lemke
15. Februar
erschlagen
15. März
erschossen
Nazi Thomas Lemke
8. Mai
erstochen
Sahin Calisir (20)
Meerbusch
Karl Sidon (45)
Arnstadt
Mario Jödecke (23)
Schlotheim
Mike Zerna (22)
Hoyerswerda
Mustafa Demiral (56)
Mülheim/Ruhr
Matthias Lüders (23) Obhausen
Belaid Baylal (35)
Belzig
Jeff Dominiak (25)
Waldeck
Gürsün Ince (27), Saime
Genç (4), Hatice Genç
(18), Gülüstan Öztürk
(12) und Hülya Genç (9)
wohnungslose Horst
Hennersdorf (37)
Fürstenwalde
wohnungsloser Mann
(33)
Marl
Hans-Georg Jacobson
(35)
Strausberg
Bakary Singateh (19)
Buchholz
Ali Bayram (50)
Darmstadt
Eberhart Tennstedt (43)
Quedlinburg
Klaus R. (61)
Leipzig
Beate Fischer (32)
Berlin-Reinickendorf
Jan W. (45)
Berlin
Gunter Marx (42)
Velten
Piotr Kania (18)
Rotenburg
Michael Gäbler (18)
Zittau
Wohnungsloser Horst
Pulter (65)
Velbert
Peter T. (24)
Hohenstein-Ernstthal
Dagmar Kohlmann (25)
Altena
Klaus Peter Beer (48)
Amberg
Maiamba und Nsuzana
Bunga, Françoise, Miya,
Christelle, Legrand und
Jean-Daniel Makodila,
Rabia El Omari und
Sylvio Amoussou
Patricia Wright (23)
Bergisch Gladbach
Sven Beuter (23)
Brandenburg/Havel
Martin Kemming (26)
Rhade (Dorsten)
Bernd G. (43)
Leipzig-Wahren
13. Juli
Boris Morawek (26)
erschlagen
Wolgast
19. Juli
Werner Weickum (44)
erschlagen
Eppingen
1. August
Andras Götz (34)
erschlagen
Eisenhüttenstadt
23. Oktober
Achmed Bachir (30)
erstochen
Leipzig
1997 (10 Tote)
31. Januar
Phan Van Toau (42)
erschlagen
Fredersdorf
7. Februar
Frank Böttcher (18)
erstochen
Magdeburg
13. Februar
Antonio Melis (37)
geschlagen und ertrun- Caputh
ken
19. Februar
Stefan Grage (34)
erschossen
Kreis Herzogtum
Lauenburg
22. April
Horst Gens (50)
erschlagen
Sassnitz auf Rügen
8. Mai
Augustin Blotzki (59)
erschlagen
Königs Wusterhausen
23. September
Matthias Sch. (39)
erstochen
Cottbus
23. September
wohnungsloser
erschlagen
Erich Fisk (39)
Angermünde
27. September
Georg V. (46)
Nazi, der Matthias Sch. Cottbus
erstochen hat
14. Oktober
Josef Anton Gera (59)
erschlagen
Bochum
1998 (2 Tote)
26. März
Jana Georgi (14)
erstochen
Saalfeld
Juli
Nuno Lourenco
Leipzig
1999 (12 Tote)
13. Februar
Farid Guendoul (28)
verblutet
Guben
17. März
Egon Effertz (58) erschlagen
Duisburg
9. August
wohnungsloser Peter
erschlagen
Deutschmann (44)
Eschede
15. August
Carlos Fernando (35)
erschlagen
Kolbermoor
3. Oktober
Patrick Thürmer (17)
erschlagen
Hohenstein-Ernstthal
6. Oktober
Kurt Schneider (38)
erschlagen
Berlin-Lichtenberg
8. Oktober
Hans-Werner Gärtner
erschlagen
(37)
Löbejün
1. November
Daniela Peyerl (18),
erschossen
Karl-Heinz Lietz (54),
16-jähriger Martin
Horst Zillenbiller (60),
Peyerl
Ruth Zillenbiller (59)
Bad Reichenhall
29. Dezember
Jörg Danek (39)
erschlagen
Halle-Neustadt
2000 (14 Tote)
31. Januar
wohnungsloser
erschlagen
Bernd Schmidt (52)
Weißwasser
29. April
Helmut Sackers (60)
erstochen
Halberstadt
25. Mai
Dieter Eich
erstochen
Berlin-Pankow
31. Mai
Falko Lüdtke (22)
überfahren
Eberswalde
11. Juni
Alberto Adriano (39)
erschlagen
Dessau
14. Juni
Thomas Goretzky (35),
erschossen
Yvonne Hachtkemper
Mitglied DVU und REP (34), Matthias Larisch
von Woitowitz (35)
Dortmund und Waltrop
genannten NS-Schreibtischtäter*innen
reihenweise geschah, ohne Nachweis
niederer Beweggründe schon nach 15
Jahren, also schon bevor dieses Gesetz in Kraft trat, verjährt war. Dies
führte unter anderem dazu, dass reihenweise Nazi-Verbrecher*innen nicht
verurteilt wurden und die juristische
Aufarbeitung lediglich die oberste
Führungsriege der Nazis betraf. Doch
wen wundert diese Rechtsprechung.
Schließlich bedeutete das Ende der Nazizeit nicht, dass automatisch nun ein
Bruch in der Zivilgesellschaft und vor
allem in den Institutionen stattfand.
Zahlreiche Menschen übten unbehelligt nach 1945 die gleichen Berufe aus
wie zur Nazi-Zeit. Was bedeutete, dass
Verfolgte des Nazi-Regimes Tür an Tür
mit Nazi-Täter*innen lebten, sich bei
diesen ärztlich behandeln lassen mussten oder Täter*innen Gesetze erlassen
(wie beispielsweise die Grundlage der
kalten Verjährung) bzw. Rechtsprechen
konnten.
Ein Bruch in der bisherigen (Nicht-Verfolgung) von Nazis ereignete sich 2011,
als die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltung zur Auf klärung nationalsozialistischer Verbrechen (Ludwigsburg) ein Vorermittlungsverfahren
gegen John Demjanjuk einleitete. John
Demjanjuk war im Vernichtungslager
Sobibor als Teil der Totenkopf-Einheit
der SS tätig gewesen. Vom Münchner Landgericht wurde er als „Teil der
Vernichtungsmaschinerie“ der Nazis
verurteilt (das Urteil wurde jedoch nie
rechtskräftig, da Revision eingelegt
wurde und Demjanjuk vor dem Revisionsprozess verstarb). Laut Urteil
machte sich jede*r mitschuldig der in
einem Vernichtungslager Dienst tat.
Mit dieser Urteilsbegründung wurde
nun eine Verfolgung der noch lebenden
Nazi-Täter*innen ermöglicht.
Am 19. Februar 2014 gab es daraufhin
bei 30 ehemaligen SS-Wachmännern in
ganz Deutschland Razzien. Darunter
auch bei einem SS-Täter in Freiburg.
Doch viele dieser Verfahren sind schon
eingestellt oder werden dies vermutlich bald. Von einer konsequenten juristischen Aufarbeitung der Nazizeit
kann in Deutschland also keine Rede
sein.
Zu juristischer Aufarbeitung gehört
auch erwähnt, dass die strafrechtliche
Verfolgung von Homosexualität 1945
nicht endete. Noch in der Bundesrepublik wurden Homosexuelle strafrechtlich verfolgt. Die rechtliche Grundlage
hierfür bot der § 175. Dieser wurde erst
1994 gänzlich aufgehoben. Doch um
die Anerkennung vieler Homosexueller als Opfer des Nationalsozialismus
muss auch heute noch gekämpft werden, wie dies beispielsweise auch das
Schwerpunkt
Regenbogenreferat tut.
Gesellschaftliche Aufarbeitung
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird
in Bezug auf das Ende des Zweiten
Weltkriegs und insbesondere des Naziregimes von der „Stunde Null“ gesprochen, also ein Bruch zwischen Nazizeit und Nachkriegszeit suggeriert.
Von solch einem klaren Bruch kann
allerdings nicht die Rede sein, gerade
wenn man bedenkt, dass viele Menschen ohne strafrechtliche Verfolgung
unbehelligt weiter leben konnten und
oft noch die gleichen Berufe ausübten.
Hans Filbinger, auf den wir als badenwürttembergische Studierendenvertretung natürlich immer gerne verweisen,
da er die offiziellen Studierendenvertretungen 1977 abschaffte, ist nur ein
Beispiel von vielen. Er war während
des Nationalsozialismus Nazirichter
und NSDAP-Mitglied und später der
Ministerpräsident
Baden-Württembergs. Er schockierte mit dem Ausspruch „Was damals Rechtens war, das
kann heute nicht Unrecht sein.“ Doch
mit diesem Geschichtsverständnis und
eindeutigem Unwille zur Aufarbeitung
der Nazizeit war Filbinger eindeutig
nicht alleine. Die Ausrede, die deutsche Bevölkerung habe von all dem
doch nichts gewusst, war lange Zeit
anerkannt (und ist es in einigen gesellschaftlichen Kreisen und Familien
wohl noch heute). Dies veränderte sich
erst allmählich mit der 68er Generation. Diese fragten als Kinder ihre Eltern
was sie in der Nazizeit gemacht hatten,
warum sie Täter*innen wurden und
prangerten die Täter*innen dafür an.
Doch viele Menschen halten die Aufarbeitung der deutschen Nazigeschichte
auch heute noch für übertrieben, unnötig oder meinen „jetzt ist doch mal
gut“. Hier möchte ich gerne als Antwort das Känguru zitieren, als ihm
vorgeworfen wird es habe, als aktive*r
Antifaschist*in ein gestörtes Verhältnis
zur deutschen Geschichte: „»Sechzig
Millionen Tote. Naja Schwamm drüber« – das nenn ich ein gestörtes Geschichtsverständnis.“
Gerade in Zeiten wie der jetzigen, in
der sich menschenfeindliche Hetze verstärkt zu etablieren beginnt, ob vom
Front National in Frankreich, der Goldenen Morgenröte in Griechenland
oder „Besorgter Eltern“ und PEGIDA
in Deutschland, um nur einige Beispiele zu nennen, darf die Gesellschaft
nicht schweigen. Hier gilt es sich klar
gegen Homophobie, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Antiziganismus
und andere menschenfeindliche Aussagen, Einstellungen und Übergriffe zu
wehren. Nie wieder Faschismus!
24. Juni
erschlagen
9. Juli
erschlagen
27. Juli
erschlagen
Wohnungsloser KlausDieter Gerecke
Greifswald
Wohnungsloser
Jürgen Seifert (52) Wismar
Wohnungsloser
Norbert Plath (51)
Ahlbeck
Enver Şimşek (38)
Nürnberg
9. September
erschossen
„Nationalsozialistischer
Untergrund“ (NSU)
12. September
Wohnungsloser
erschlagen
Malte Lerch (45)
Schleswig
erschlagen
Wohnungsloser
Eckhardt Rütz (42)
Greifswald
2001 (11 Tote)
25. März
Willi Worg (38)
erschlagen
Milzau
26. März
Fred Blanke (51)
erschlagen
Grimmen
22. April
Mohammed Belhadj
geschlagen
(31)
und ertrunken
Jarmen
13. Juni
Abdurrahim Özüdoğru
erschossen
(49)
NSU
Nürnberg Langwasser
27. Juni
Süleyman Taşköprü (31)
erschossen
Hamburg Bahrenfeld
NSU
9. August
Klaus-Dieter Harms (61)
erschlagen
Wittenberge
9. August
Wohnungsloser
erschlagen
Dieter Manzke (61)
Dahlewitz
17. August
Dorit Botts (54)
erstochen
Fulda
als Ritual der „Deutschen Heidenfront“
29. August
Habil Kılıç (38)
erschossen
München Ramersdorf
NSU
24. Mai
Axel Obernitz (27)
erschlagen
Bad Blankenburg
6. November
Ingo B. (36)
Geschlagen, Herzinfakt Berlin
2002 (5 Tote)
4. Mai
Kajrat Batesov (24)
erschlagen
Wittstock
15. Mai
Klaus Dieter Lehmann
erschlagen
(19)
Neubrandenburg
1. Juni
Ronald Masch (29)
erstochen
Neu Mahlisch
12. Juli
Marinus Schöberl (17)
erschlagen
Potzlow
9. August
Ahmet Sarlak (19)
erstochen
Sulzbach
2003 (13 Tote)
25. Januar
Hartmut Balzke (48)
erschlagen
Erfurt
21. März
Andreas Oertel (40)
erschlagen
Naumburg
29. März
Enrico Schreiber (25)
erschlagen
Frankfurt/Oder
20. April
Günter T. (35)
erschlagen
Riesa
10. Juli
Wohnungsloser
erschlagen
Gerhard Fischhöder (49)
Scharnebeck
7. Oktober
Hartmut Nickel (61),
erschossen
Mechthild Bucksteeg
(53), Alja Nickel (26)
Overath
6. Dezember
Petros C. (22),
Brandanschlag
Stefanos C. (23)
Kandel
20. Dezember
erstochen
2004 (3 Tote)
21. Januar
erschlagen
30. Januar
erschlagen
25. Februar
erschossen
NSU
2005 (5 Tote)
28. März
erstochen
1. Juli
erschlagen
9. Juni
erschossen
NSU
15. Juni
erschossen
NSU
26. November
erstochen
ehemals NPD-Mitglied
2006 (8 Tote)
4. April
erschossen
NSU
6. April
erschossen
NSU
5. Mai
geschlagen
und angezündet
2007 (2 Tote)
25. April
erschossen
NSU
14. Juli
erschlagen
ehemals NPD-Mitglied
2008 (6 Tote)
26. April
erstochen
22. Juli
erschlagen
23. Juli
erschlagen
1. August
erschlagen
13. August
erstickte in seinem
eigenen Blut
24. August
erstochen
2009 (1 Toter)
1. Juli
erstochen
2010 (1 Toter)
24. Oktober
erstochen
2011 (2 Tote)
27. März
erstickte in seinem
eigenen Blut
27.Mai
erschlagen
2012 (2 Tote)
16. Juni
erschlagen
30. September
erstochen
Tochter und ihr Freund
Viktor Filimonov (15),
Aleksander Schleicher
(17), Waldemar Ickert(16)
Heidenheim
Oleg Valger (27)
Gera/Bieblach-Ost
Wohnungsloser
Martin Görges (46)
Burg
Mehmet Turgut (25) Rostock
Thomas Schulz (32) Dortmund
Mann (44)
Essen
Ismail Yaşar (50)
Nürnberg
Theodorus Boulgarides
(41)
München Westend
Tim Maier (20) Bad Buchau
Mehmet Kubaşık (39)
Dortmund
Halit Yozgat (21)
Kassel
Wohnungsloser
Andreas Pietrzak (41)
Plattling
Michèle Kiesewetter
(22)
Heilbronn
M. S. (17)
Brinjahe
Peter Siebert (40)
Memmingen
Bernd Köhler (55)
Templin
Wohnungsloser KarlHeinz Teichmann (59)
Leipzig
Wohnungsloser HansJoachim Sbrzesny (50)
Dessau
Rick Langenstein (20)
Magdeburg
Marcel W. (18)
Bernburg
Marwa El-Sherbiny (31)
Dresden
Kamal Kilade (19)
Leipzig
Wohnungsloser
Duy-Doan Pham (59)
Neuss
Wohnungsloser
André Kleinau (50)
Leipzig
Klaus-Peter Kühn (59)
Suhl
Karl Heinz L. (59) Butzow
ausführliche Informationen unter
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de und
bei der Amadeu Antonio Stiftung
11
Schwerpunkt
12
Eine Tat, ein Toter,
keine Täter?
Am 27. Dezember 2004 wurde Laye-Alama Condé am Sielwalleck in Bremen von zwei
Zivilpolizist*innen unter Verdacht des Drogenbesitzes ins Polizeirevier Bremen Vahr gebracht. Die „Beweismittelfeststellung“ endete mit seinem Tod.
— Von Lea Maleen Steding
Rassismus tötet - Laye-Alama Condé und
Amir Ageeb
Erstickt am 28. Mai 1999 im Zuge seiner Abschiebung
Beamten gefesselt und geknebelt wurde.
N’deye Mareame Sarr
Erschossen am 16. Juli 2001 in Aschaffenburg von eine
schen Ehemann, der die gemeinsamen Kinder entführ
Achidi John
Getötet am 9. Dezember 2001 durch einen zwangswe
Dominique Kouamadio
Erschossen am 14. April 2006 unter ungeklärten Ums
mund durch zwei schnell hintereinander abgegebene
Christy Schwundeck
Erschossen am 19. Mai 2011 durch die Polizei unter un
nach einem Streit mit ihrem Sachbearbeiter.
In all diesen Fällen wurden die Ermittlungsverfahren g
antwortlicher zur Rechenschaft gezogen.
Laye-Alama Condé
L
aye-Alama Condé wurde an Händen und Füßen gefesselt. Zur „Beweismittelfestellung“
wurde
ihm
vom Polizeiarzt Igor Volz gewaltsam
Brechmittel verabreicht und literweise
Wasser über eine Nasensonde in seinen Bauch gepumpt. Der Einsatz von
Brechmittel wurde in Bremen routinemäßig eingesetzt, obwohl dies häufig
zu Komplikationen führte, wie auch
im Fall Condé. Ein Notarzt musste hinzugezogen werden. Er stellte fest, dass
die Werte des Patienten in Ordnung
seien und wollte gehen, wurde aber
gebeten zu bleiben. Unterstützt von
den Polizeibeamt*innen legte der Polizeiarzt erneut eine Magensonde. Der
Patient wehrte sich heftig, drehte den
Kopf, die Sonde rutschte mehrfach he-
raus. Schließlich füllte der Polizeiarzt
weiter große Mengen Wasser ein. Auf
besorgte Nachfrage des Notarztes erklärte er, er wolle den Magen so lange füllen, bis der Patient erbräche. Das
geschah, der Vorgang wurde mehrfach
wiederholt. Nachdem der Patient vier
Kokain-Pakete erbrochen hatte, stellte
ein Polizist Atemprobleme fest. Der
Notarzt schritt ein, konnte zu diesem
Zeitpunkt das Leben des Patienten
aber nicht mehr retten.
Koma fiel. Ihm wurde solange Wasser
in den Körper gepumpt bis seine Lungen überflutet wurden und er letztlich
erstickte. Laut der Feststellungen des
Gerichts waren dabei auch die beiden
anwesenden Polizist*innen, die den
Einsatz eigenmächtig angeordnet hatten, aktiv tätig, indem sie während der
Tortur den Kopf und einen Arm von
Laye Condé festhielten. Laye Alama
Condé ist in den Räumen der Bremer
Polizei grausam gequält und regelrecht
ertränkt worden. Er fiel ins Koma und
Die Prozedur, die Laye-Alama das Le- wurde dann am 07.01.2005 für tot erben gekostet hat, wurde mindestens klärt.
90 Minuten vollzogen und weder gestoppt als Conde einige Heroinpäck- Die Tötung von Laye-Alama Conde
chen erbrach, noch als er in einen le- war kein »bedauerlicher Einzelfall«,
thargischen Zustand und später ins sondern Ergebnis einer langjährigen,
Schwerpunkt
Die Tötung von LayeAlama Conde war kein
»bedauerlicher Einzelfall«, sondern Ergebnis
einer langjährigen, rassistischen Polizeipraxis
te Prozess begann am 9. April 2013
und wurde am 1. November 2013 gegen Auflagen eingestellt, weil der Angeklagte verhandlungsunfähig war. Er
muss nun 20.000 Euro an die Familie
von Laye Condé zahlen. Nach der Einstellung des Verfahrens sind jegliche
weitere Rechtsmittel ausgeschlossen –
der Prozess ist für immer beendet.
Verdächtigen geringfügige Vergehen
gegen das Drogenverbot nachzuweisen. Kein Gericht in Bremen hat diese
Beweise je abgelehnt, die auf Kosten
der Gesundheit der Betroffenen und
unter Missachtung deren Menschenwürde erbracht worden waren. Der
Europäische
Menschengerichtshof
bezeichnete die Brechmittelprozedur
2006 als Folter, seitdem ist sie endlich,
auch in Bremen, verboten.
Dass eine weitreichende Auf klärung
und das zur Rechenschaftziehen der
politischen Verantwortlichen nicht Die Verantwortlichen für die Anwengewollt war, zeigt sich nicht zuletzt dung der Folter durch Brechmittel wurdaran, dass die Mittäter*innen und den in Bremen nie zur Rechenschaft
rassistischen Polizeipraxis, die in Bre- Auftraggeber*innen von damals nie gezogen und sitzen teilweise bis heute
men nach dem Willen von Justiz und auf der Anklagebank saßen. Das ist in politischen Ämtern. Auch wenn die
Politik über 12 Jahre lang hundertfach jedoch kaum überraschend, schließlich Brechmittelprozedur mittlerweile verauf die gleiche Weise angewendet wur- war es doch die Bremer Staatsanwalt- boten ist, bleibt auch aktuell der strukde. Außer dem Polizeiarzt Igor Volz schaft selbst, die die Anwendung der turelle Rassismus und die rassistischen
wurde dafür niemand jemals zur Re- Brechmittelprozedur durch die Bre- Polizeikontrollen mit anderen MethoOury Jalloh sind keine Einzelfälle!
aus Frankfurt a.M., bei der er von Bundesgrenzschutz-
em Polizisten während eines Einsatzes bei ihrem deutrt hatte.
eisen Einsatz von Brechmitteln in Hamburg.
ständen von einem Polizisten vor einem Kiosk in Dorte Schüsse in Bein und Herz.
ngeklärten Umständen im Jobcenter in Frankfurt a.M.
gegen die Täter eingestellt, es wurde niemals ein Ver-
Demontration am 11.06.2013 gegen die Einstellung des Verfahrens vor dem Bremer Landgericht
chenschaft gezogen. Zweimal hat das
Bremer Landgericht den Angeklagten
freigesprochen, zweimal hat der Bundesgerichtshof den aus seiner Sicht
»fast grotesk falschen« Freispruch
wegen »durchgreifender Rechtsfehler«
wieder kassiert. Der Bundesgerichtshof hatte dann 2010 moniert, dass in
Bremen weder gegen die »bisher unbehelligten Nebentäter« ermittelt wurde, noch das »Organisationsversagen«
der beteiligten Institutionen rechtliche
Konsequenzen nach sich gezogen hatte.
mer Polizei angeordnet hatte. So sagte den bestehen.
der Innensenator Thomas Röwekamp Menschen nicht weißer Hautfarbe und/
kurz nach der Tat: „Wenn er stirbt, oder nicht deutscher Herkunft sind
hat es nichts mit der Verabreichung durch deutsche Polizist*innen und
von Brechmitteln zu tun“, er halte es Vertreter*innen
der
Institutionen
für „völlig gerechtfertigt mit unnach- ebenso wie durch Rassist*innen auf
giebiger Härte“ gegen „solche Leute der Straße täglich Diskriminierungen
vorzugehen“. Der heutige SPD Senator und Verfolgungen ausgesetzt und mit
für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer, dem Tode bedroht.
vermerkte damals als Justiz Staatsrat
unter Henning Scherf lapidar zum polizeilichen Tötungsakt, es gebe »keine
Weitere Informationen
Anhaltspunkte, dass die was falsch gemacht haben.«
Die Staatsanwaltschaft wartete daraufhin mit einer Anklageprüfung so Auf die gleiche Art und Weise wie bei
lange, bis die Taten anderer Beteiligter Laye Condé wurden in mehreren hunaus ihrer Sicht verjährt waren. Der drit- dert Verfahren Beweise gesichert, um
Initiative in Gedenken an Laye-Alama
Condé :
initiativelayeconde.noblogs.org
13
Gesellschaft
14
Geschlechter in Bewegung
«Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken: Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen» - der Titel dieses vor über 10 Jahren erschienenen Bestsellers reiht sich ein in eine Schwemme von Publizistik, die unter dem
Deckmantel naturwissenschaftlicher Objektivität Unterschiede zwischen Männern und
Frauen festschreibt. Durch solche Biologismen wird menschliches Verhalten und Aussehen nach Geschlechterkategorien normiert und Abweichung hiervon als abnormal oder
krankhaft abgestempelt.
— Von Paul Brettel
vereinbar sind. Zum anderen stimmt
das genetische Geschlecht bei einigen
Menschen nicht mit weiteren biologischen Merkmalen überein, die zur
Bestimmung des Geschlechts herangezogen werden. Dies sind die inneren
sowie äußeren Geschlechtsorgane, die
maßgeblich für die Fortpflanzungsfähigkeit sind, sowie der Hormonspiegel
an Androgenen und Östrogenen. Auch
das soziale Geschlecht kann von einigen oder allen genannten Merkmalen
abweichen. Menschen, bei denen die
genannten Merkmale nicht übereinstimmen werden als Intersexuelle bezeichnet.
Trotz dieser anerkannten Faktenlage,
scheint die biologische Geschlechterforschung stetig darauf hinzuarbeiten,
die bipolare Geschlechterordnung festzuschreiben. Dies mag zum Einen in
der individuellen Motivation der Forscher_innen begründet liegen, die die
entsprechenden Studien anfertigen.
er Differenzforschung stehen ge- tiven zur bipolaren Geschlechterord- Hier ist zu beachten, dass die Forscher_
schlechterdekonstruktive Ansät- nung lassen sich daher nur auf dem innen und damit auch ihre Fragestelze gegenüber. Der deutsche Begriff Stand der (natur-)wissenschaftlichen lungen vom hegemonialen GeschlechGeschlecht wird im Englischen in sex Erkenntnis in den Diskurs einbringen.
terbild geprägt werden.
(biologisches Geschlecht) und gender
(soziales Geschlecht) unterschieden. Männlichkeitsgen im Schaltkreis
Zum Anderen stärken politische und
Dekonstruktive Ansätze zeigen, dass Entgegen verbreiteter Annahmen gesellschaftliche Mechanismen dieser
zunächst gender – und weiterhin auch ist das biologische Geschlecht eines Forschung den Rücken: In den Medisex – keine natürlichen Gegebenheiten Menschen nicht immer eindeutig zu- en lassen sich gefundene Unterschiede
darstellen, sondern erst gesellschaft- zuordnen. Die verschiedenen Merk- besser verkaufen als die Gleichheit der
lich erzeugt werden.
male, die zur Geschlechtsbestimmung Geschlechter. Dient dies in populärherangezogen werden, stimmen nicht wissenschaftlichen Zeitschriften einer
Die biologische Ebene der Konstruk- notwendig überein. So treten bei den Sensationslust, die die Verkaufszahlen
tion von Zweigeschlechtlichkeit wird Geschlechtschromosomen
Abwei- steigert, ist es in Fachzeitschriften die
dabei nur selten inhaltlich kritisiert. chungen von der üblichen Zuordnung Notwendigkeit, ein «signifikantes» ErGenau diese ist es jedoch, die mit (XX: weiblich, XY: männlich) auf: gebnis zu präsentieren. Werden keine
Schlagzeilen in populärwissenschaft- Zum einen existieren pathologisierte Unterschiede gefunden, so ist die Anlichen Magazinen und Fernsehsen- Kombinationen, wie das Klinefelter- nahme der Forscher_innen widerlegt
dungen eine immense gesellschaftliche (XXY) und das Turner-Syndrom (XO), und der Ansatz wird als «gescheitert»
Wirkmächtigkeit entfaltet. Alterna- die ohne weiteres mit dem Leben betrachtet.
D
Gesellschaft
Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Ansätze entwickelt, um die
Entwicklung von Geschlecht und Geschlechtszuschreibungen auf eine biologisch überprüf bare Basis zu stellen.
Ein Meilenstein schien hier das Auffinden des SRY(sex-determining region
Y)-Gens zu sein, das ab 1990 als das
Gen gehandelt wurde, das eine männliche Entwicklung verursacht. Bald
stellte sich heraus, dass von dieser Erklärung zahlreiche Abweichungen existieren. Wissenschaftliche Modelle, die
die Geschlechtsentwicklung genetisch
erklären sind heute erheblich komplexer. Allein die Komplexität der genetischen Schaltkreise verdeutlicht, dass
eine Einteilung in die zwei Endprodukte «Mann» und «Frau» unterkomplex ist. Trotzdem wird das SRY-Gen
in der Populärwissenschaft weiterhin
als geschlechtsdeterminierendes Gen
gehandelt.
Bunte Bilder von grauen Zellen
Durch den zunehmenden Fortschritt
im Bereich medizinischer Bildgebung
haben in den vergangenen Jahren Studien in der Hirnforschung an Bedeutung gewonnen. Weite Verbreitung hat
beispielsweise die These gefunden, die
Gehirnhälften des weiblichen Gehirns
seien besser vernetzt als bei Männern.
Auch die einleitend angeführte These,
dass Frauen aufgrund ihres biologisch
veranlagten mangelnden räumlichen
Vorstellungsvermögens schlechter Autos einparken könnten stammt aus dieser Denkrichtung.
In den zugrundeliegenden Untersuchungen der Hirnforschung lassen
sich jedoch oft massive methodische
Schwächen aufzeigen. Experimente
werden mit der Vorannahme der Zweigeschlechtlichkeit gemacht. Die Testpersonen werden den zwei Kategorien
«Mann» und «Frau» zugeordnet und
Ergebnisse nur in Gegenüberstellung
dieser beiden Kategorien beurteilt.
Unterschiede innerhalb einer Gruppe werden unter den Tisch gekehrt,
obwohl die breiten Varianzen ein
deutlicher Hinweis darauf sind, dass
andere Gründe als Ursache für die gefundenen Unterschiede herangezogen
werden müssten.
Die so gefundenen Messwerte werden
dann gemittelt in knallbunten Bildern
dargestellt, die deutliche Ergebnisse
suggerieren. Hier haben die Forscher_
innen eine enorme Freiheit, die Parameter und Farbwahl bei der Darstellung so zu wählen, dass das von ihnen
gewünschte Ergebnis erkennbar wird.
Der zentrale Kritikpunkt an den experimentellen
Methoden der Hirnforschung liegt jedoch in der
Diskrepanz zwischen ihrem Anspruch und ihrer
tatsächlichen Aussagekraft.
te es das Ehepaar Shaywitz 1995 mit
einer Studie an lediglich 19 Männern
und 19 Frauen auf die Titelseite des renommierten Fachjournals Nature1. Die
Untersuchung wird bis heute als Beweis für die stärkere Bilateralität des
weiblichen Hirns angeführt, obgleich
sie sich ausschließlich auf die Aktivität bestimmter Bereiche des Hirns bei
der Reimerkennung bezog und deutliche statistische Schwächen aufweist.
Spätere Studien2 und Metaanalysen3
konnten keine signifikanten Unterschiede feststellen.
Embodying – Körper in der Gesellschaft,
Gesellschaft im Körper
Der zentrale Kritikpunkt an den experimentellen Methoden der Hirnforschung liegt jedoch in der Diskrepanz
zwischen ihrem Anspruch und ihrer
tatsächlichen Aussagekraft: Ihr Anspruch ist oft, naturgegebene und unveränderliche Unterschiede zwischen
Männern und Frauen festzustellen.
Tatsächlich werden jedoch Momentaufnahmen der Gehirne von Menschen
gemacht, die einen bestimmten individuellen Erfahrungshintergrund in einer Gesellschaft haben, in der sie von
Geburt an in ihrer Geschlechterrolle
sozialisiert wurden.
In den letzten Jahren wurde immer
deutlicher, dass das menschliche Gehirn eine hohe Plastizität aufweist –
dass es sich also durch äußere Einflüsse
verändert. Diese Tatsache gilt in ähnlicher Weise auch für andere Körperteile, seien es Muskel- und Knochenbau, die Aktivität von Hormondrüsen
oder die Aktivierung und Deaktivierung von Genen in den einzelnen Zellen. In den letzten Jahren wurde von
feministisch orientierten Forscher_innen das Konzept des Embodiment
entwickelt. Dieses kann beschrieben
werden als «die Konstituierung des individuellen Körpers, seiner Strukturen
und Funktionen in einem Netzwerk gesellschaftlicher und kultureller Praxen
»4. Noch einen Schritt weiter geht der
Ansatz des Embodying, der verstärkt
auf die Wechselwirkung körperlicher
Weiterhin wurden Experimente, die und gesellschaftlicher Prozesse eineine große gesellschaftliche Bedeu- geht: Nicht nur gesellschaftliche Eintung erlangten, oft mit sehr geringen flüsse schreiben sich in unseren Körper
Stichproben durchgeführt. So schaff- ein, auch unsere Körper beeinflussen
unser Denken und Handeln und wirken so zurück auf gesellschaftliche
Prozesse5.
Unzweideutige Geschlechter
Hier zeigt sich, dass auch in der biologischen Forschung ein simples bipolares Geschlechterbild nichtmehr
haltbar ist und alternative Ansätze
entwickelt werden. Obgleich Forschung, die auf den Nachweis der
Zweigeschlechtlichkeit in der aktuellen
Wissenschaftswelt und der populärwissenschaftlichen Verbreitung strukturelle Vorteile genießt, lohnt es sich,
auch innerhalb dieser Forschungszweige darum zu kämpfen, dass emanzipatorische Forschungsansätze gehört
werden.
Eine pauschale Ablehnung von lebenswissenschaftlicher Forschung, wie
sie in Teilen der Linken verbreitet ist,
behindert genau dies: Eine kritische
Analyse der gesellschaftlich wirkmächtigen Forschung wird verhindert, und
das Feld wird rückschrittlichen Medien und Forscher_innen überlassen, die
um der Sensation Willen die naturgegebenen Gegensätze zwischen den
(zwei) Geschlechtern belegen wollen.
Eine kritischer Umgang mit Geschlechterforschung erfordert deshalb neben
einer theoretischen Kritik auch einen
tieferen Blick auf die (natur-)wissenschaftlichen «Erkenntnisse», die in populären Wissenschaftsmedien zur Aufrechterhaltung
normierender
Zweigeschlechtlichkeit angeführt werden. Dazu muss das Expert_innentum
und die vermeintliche Objektivität der
beteiligten Wissenschaftler_innen in
Frage gestellt werden. Vor allem aber
müssen die Umstände und Ziele der
Forschung offen thematisiert werden,
um die Ergebnisse als das zu verstehen, was sie sind: Ergebnis gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, in die
es zu intervenieren gilt.
Online
Der Artikel erschien zuerst leicht abgewandelt in der Zeitschrift tendenz und ist
online abrufbar unter:
linksnet.de/de/artikel/27983
15
Gesellschaft
16
Überwachte Freiheit
Anlässlich des Attentats auf die Redaktion von Charlie Hebdo beschworen europäische Politiker*innen einhellig die Errungenschaft der Pressefreiheit in westlichen Demokratien. Auch in Deutschland fand sich auf Seiten der Parlamentarier*innen und
Spitzenpolitiker*innen niemand, der dem widersprechen wollte. Tatsächlich aber finden
auch in der Bundesrepublik immer wieder massive Eingriffe in die doch so hoch gehaltene Pressefreiheit statt: Durch Verfassungsschutz, Landeskriminalämter, Staatsanwaltschaften, Polizei. Die Politik weiß oftmals davon.
— Von Eric Steinsberger
dass nun auch in den Reihen der SPD
die Bereitschaft zunimmt, die gegen
EU- und Bundesrecht verstoßende
Überwachung umzusetzen. Die Folge
wäre, dass Behörden künftige ohne
jeglichen Verdacht flächendeckend
Informationen über das Kommunikationsverhalten in Deutschland, insbesondere im Internet oder per Telefon,
speichern könnten. Zwar ist der Nutzen
von diesen sogenannten Metadaten,
werden sie unfokussiert eingesetzt
höchst umstritten, doch lassen sich bei
der Beobachtung von Einzelpersonen
detaillierte Kontakt und Bewegungsprotokolle erstellen.
A
llein in Paris waren es über eineinhalb Millionen Menschen. Dass
heute noch derart viele Menschen im
westlichen Europa für die Pressefreiheit auf die Straße gehen würden, hätte man sich vor dem Anschlag auf die
Redaktion von Charlie Hebdo kaum
ausmalen können. Die Ermordung
der zwölf Journalist*innen durch die
beiden Attentäter* steht allein in der
jüngeren europäischen Geschichte. Dabei ist die in Westeuropa per Gesetz
gewährte Pressefreiheit selbst eine erfreuliche Ausnahme, wie sich an der
gewaltvollen Strafe des islamkritischen
Bloggers Raif Badawi zeigt. Die ersten
seiner insgesamt 1000 Peitschenhiebe
musste dieser fast zeitgleich mit der
in Paris stattfindenden Solidaritätsdemonstration in Saudi-Arabien erleiden.
Und doch, trotz millionenfacher Solidaritäsbekundungen, trotz medien-
wirksamer Inszenierung der europäischen Regierungschefs, muss heute
die Frage gestellt werden, ob es nicht
nur die Bluttaten islamistischer Terroristen sind, welche in Europa massive
Auswirkungen auf die Pressefreiheit
haben. Nein, weder töten europäische
Behörden im Namen eines Gottes oder
des Rechtsstaats Journalist*innen,
noch peitschen sie sie nicht langsam
zu Tode. Doch so einhellig, wie die
allseits hörbaren Worte ‚Satire dürfe
alles‛ verlauten lassen, verhält es sich
nicht im Handeln der Politiker*innen,
die die Anschläge in Paris als Angriff
auf die demokratische Gesellschaft titulieren.
Nicht umsonst erklingt nun wieder
von Seiten der CDU das Echo nach
der massenhaften Speicherung von
Nutzer*innendaten, bekannt als Vorratsdatenspeicherung. Neu ist nur,
Doch bereits jetzt ermöglicht die sogenannte Regelung für Bestandsdatenauskunft Polizei, Geheimdiensten und
Zoll ohne Verdachtsmomente auf Passwörter, PINs, IP Adressen, Rufnummern, Anschriften und Namen von
Nutzer*innen von Netzanbietern abzufragen. Diese sind sind seit Juli 2013
dazu verplichtet, die Daten standartmäßig zu speichern. So lässt sich einerseits feststellen, mit welcher Person
sich die*der Beobachtete zu welchem
Zeitpunkt auf welche Weise kommuniziert hat. Fügt man jene Informationen mit der bei Handys feststellbaren
Angabe zusammen, an welchem Ort
das Handy benutzt wurde, lassen sich
ganze Tages- und Wochenabläufe rekonstruieren. Zudem ermglicht es die
detaillierte Überwachung der Nutzung
von Smartphones. Verknüpft mit Daten aus der elektronischen Verkehrsüberwachung sowie der routinemäßigen
Flugdatenspeicherung fügen sich präzise Bilder vom Verhalten jeder beliebigen Person zusammen. Zwar möchte
die Bundesregierung im Fall der Vor-
Gesellschaft
ratsdatenspeicherung noch auf offizielle Weisungen der EU Kommision
warten. Doch zeigen die Erfahrungen
mit den Überwachungsprogrammen
der NSA, dass die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten
im dann rechtlich vorgesehenen Rahmen auch in Deutschland zumindest
geheimdienstlich schon längst gängige
Praxis sein könnte.
Der Schutz von Informant*innen, welcher unerlässlich für journalistisches
Arbeiten ist, kommt hier faktisch,
wenn auch von den Betroffenen im
konkreten Fall nicht wahrnehmbar
unmittelbar an seine Grenzen. Auch
selbst verschlüsselte Emails enthalten die sichtbare Information, wer mit
wem kommuniziert. So wurde 2013,
dass der Verfassungsschutz von Seiten
der CIA zwei Anfragen bezüglich des
als freien Journalisten für den NDR sowie die Süddeutsche Zeitung aktiven
Stefan Buchen erhielt. Buchen beschäftigte sich zu diesem Zeitpunkt eingehend mit islamistischem Terrorismus.
Auch musste der niedersächsische Verfassungsschutz bekanntgeben, insgesamt sieben Journalist*innen, welche
sich mit der linken Szene oder Neonazis beschäftigten, über Jahre ausspioniert zu haben. Dasselbe gilt nach
Berichten des SPIEGELS wohl auch für
sieben weitere Journalist*innen, welche der Verfassungsschutz dem autonomen Spektrum zuordnete.
Das wohl prominenteste Opfer staatlicher Überwachung der vergangenen
Jahre stellt Andrea Röpke dar. Bis
2012 wurde die Journalistin über insgesamt sechs Jahre vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet.
Als die als Kennerin der rechten Szene
bekannte Journalistin 2012 Einsicht in
die über sie gesammelten Daten erbat,
gab die Behörde an, es bestünden keine Daten. Erst im Nachhinein stellte
sich heraus, dass die Daten erst nach
der Anfrage Röpkes gelöscht worden
waren um deren Einsicht zu verhindern.
Bis heute wartet sie auf Einsicht in die
inzwischen wieder zumindest teilweise rekonstruierten Daten.
Auch das 2012 in Kraft getretene Gesetz
zur Pressefreiheit hat an dem Schutz
von Journalist*innen in Deutschland
wenig verbessert. Einerseits sieht das
Gesetz zwar vor, dass Journalist*innen
künftig nicht mehr wegen Beihilfe zum
Geheimnisverrat verurteilt werden
können. Auch sollen Redaktionsräume künftig nur noch bei dringendem
Verdacht an der Beteiligung an einer
Strafttat durchsucht und Gegenstände
beschlagnahmt werden. Andererseits
zeigt jedoch die Praxis, wie unsicher
sich jener rechtlich gewährte Schutz
gegenüber staatlichen Ermittlungsbehörden darstellt.
Zum Einen handelt es sich nach wie vor
um eine Straftat, zum Geheimnisverart
anzustiften. Für die journalistische
Arbeit bedeutet dies, dass bereits die
Frage nach als geheim eingestuften
Material als Straftatbestand gegen
die Journalist*innen angebracht werden auch. Zu Andern wurden wenige
Monate nach in Krafttreten des Gesetz
zur Pressefreiheit bereits am sechsten
Februar 2013 bei insgesamt acht freien
Fotograf*innen Hausdurchsuchungen
statt, bei denen zahlreiche Bilder be-
Der Schutz von
Informant*innen, welcher
unerlässlich für journalistisches Arbeiten ist,
kommt hier faktisch an
seine Grenzen.
schlagnahmt wurden. Ziel der Razzien
war es, Bilder einer Demonstration im
März 2012, bei der ein Polizist Verletzungen erlitt, zu finden, um Ermittlungen gegen Demonstrant*innen
einzuleiten. Denn sind zwar Redaktionsräume nun vor polizeilichen Ermittlungen, so gilt dies für Büros und
Wohnräume für freie Journalist*innen
nicht. Gerade unkommerzielle und
linke Berichterstattung erscheint so
besonders leicht verletzlich, arbeiten
viele Journalist*innen in diesem Bereich von zu Hause aus.
Doch auch große Tageszeigungen sowie die die Deutsche Presseagentur
(DPA) gerieten in den vergangenen Jahren mehrfach ins Visier der ermittelnden Behörden. Ebenfalls 2013 versuchte
die Frankfurter Staatsanwaltschaft die
Presseagentur per Gerichtsbeschluss
dazu zu zwingen, Fotos einer Demonstration an die Behörde herauszugeben.
Erst das Landgericht widersprach der
Maßnahme auf Beschwerde der DPA
hin. Auch wurden die Räume der Augsburger Allgemeinen durchsucht, um
die Daten eines Forumusers zu identifizieren. Dieser sollte einen Lokalpolitiker in dem Forum beleidigt haben. Im
Nachhinein stellte ein Gericht schließlich fest, dass die Durchsuchung rechtswidrig war. Ähnlich verlief es, als die
Stuttgarter Staatsanwaltschaft über
Monate den gesamten Emailverkehr
eines Redakteurs der taz aufzeichnete.
Auch hier befand das Amtsgericht die
Handlungen der Staatsanwaltschaft
erst in Nachhinein als rechtswidrig.
So ziehen sich rechtswidrige Praktiken seitens Staatsanwaltschaft und
anderer ermittelnder Behörden in Bezug auf Medien und Journalist*innen
erschreckend kontinuierlich durch die
vergangenen Jahre. Zwar sehen die Behörden in der Regel davon ab, wie in
andern Staaten üblich Journalist*innen
zu verhaften und Medienhäuser zu
schließen, dennoch sind die Folgen
für die Pressearbeit enorm. Gerade
kritische Berichterstatter*innen und
Medien sehen oftmals von Polizei und
Behörden unter Druck gesetzt, die Namen von Informant*innen herauszugeben. Wenn nicht, bedienen sich die
Behörden Hausdurchsuchungen und
Überwachung der Journalist*innen.
Gerade das für investigativen Journalismus unerlässliche Vertrauen seitens
der Informant*innen darauf, dass ihre
Identitäten verborgen bleiben, kann
so kaum gewahrt werden. Oftmals berichten Reporter*innen ebenfalls von
Behinderungen ihrer Recherchen und
Beobachtungen durch die Polizei.
Wie weit gefehlt dabei die Annahme
ist, die Einschränkungen der Pressefreiheit seien alleinig Sache von Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften, zeigt der aktuelle
Skandal um die verdeckte Auf klärerin
Iris P. . Über insgesamt fünf Jahre war
sie als „Iris Schneider“ um das autonome Kulturzentrum Rote Flora und
das freie Radio FreiesSenderKombinat
(FSK) aktiv. Sowohl für das Landeskriminalamt Hamburg wie auch für die
Bundesanwaltschaft ermittelte sie in
verschiedenen Rollen sowie mit verschiedenen Rechtsbefugnissen in dem
Radiosender. Dabei nahm sie über Jahre an den Plena des FSK teil und gestaltete selbst eine Sendung.
Wie mittlerweile durch einen Ausschuss des Hamburg Landesparlaments auf Initiative der Partei die Linke sowie Bündnis90/die Grünen
bekannt wurde, war diese Praxis nicht
nur dem Landeskriminalamt bekannt.
Vielmehr, so zeigte sich in den Ausschusssitzungen, herrschte über den
gesamten Zeitraum im Innenministerium kein Interesse, die Ausspähung des
FreienSenderKombinats zu beenden –
sowohl von Seiten der CDU als auch
der ab 2008 mit dieser koalierenden
Grünen. Auch heute scheint es, als
hielte sich das Interesse der aktuellen
Regierung der SPD um Olaf Scholz an
der Auf klärung des Falls überschaubar.
So verzichtete sie darauf, einen mit
weitreichenderen Kompetenzen ausgestatteten Untersuchungsausschuss einzurichten. Auch die letzte Ausschusssitzungen des aktuellen Ausschusses,
bei welcher es sich um die letzte vor
der Pause zur neuen Legislaturperiode
handelte, wurde von der Abgeordneten von SPD, CDU und FDP höchst
pünktlich beendet.
17
Gesellschaft
18
Seehofer’sche Denkschule
und diffuse Wut
Was ist eigentlich dieser diffuse Frust von dem alle sprechen und was sind dessen Ursachen? Was bedeutet Diffusität überhaupt? Im öffentlichen und politischen Diskurs gibt es
auf diese Fragen durchaus Antworten. Diese werden näher beleuchtet und wir begeben
uns auf die Suche nach der ihnen zu Grunde liegenden Logik. Doch soll es auch um die
eigene Befindlichkeit zum Thema PEGIDA gehen. Welche Ursachen verbergen sich dort?
— Von Felix Fink
A
ch wie schön war doch die Weihnachtszeit! – Ein Rückblick:
Ich sitze im trauten Elternhaus am
Frühstückstisch und lese, wie’s sich in
Karlsruhe gehört, die Badischen Neuesten Nachrichten. Es geht um PEGIDA
(Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes): Auf der
Titelseite wird von einer „Anti-IslamBewegung“ gesprochen, die gegen eine
„vermeintliche Überfremdung“ mobilmacht, „Fremdenfeindlichkeit und
Ausgrenzung“ forciert und das Ganze
aus „diffusen Ängsten vor sozialem
Abstieg“. So weit, so die oberflächlichen „Wir-sind-alle-gegen-PEGIDA“Mindestanforderungen erfüllt.
Ich blättere weiter. Auf der nächsten
Seite ein Kommentar, betitelt mit „Diffuser Frust“. Nach gesichtsverzerrender Lektüre der folgenden Zeilen verspüre ich einen leichten Würgreiz im
rechtsunteren Magenviertel, der nicht
den zwei Kilo verschlungener Kekse von gestern Abend entspringt. Da
peitsch mir doch einer mein Rentier
durchs Tal unausgegorener, halbgedachter Meinungen! Schnell blättere
ich weiter. Früh morgens um halb
zehn (!) ist das eindeutig zu viel für
Im europäischen Vergleich der angenommenen Asylanträge rangiert Deutschland auf
den hinteren Plätzen
mich. Doch der Artikel lässt mich nicht
los: „Vermeintliche Islamisierung“,
überforderte PolitikerInnen, „diffuser
Frust“ und Seehofer, der weise „Instinktpolitiker“. Seehofer: Endlich mal
einer, der die Sorgen des „Volkes“
ernst nimmt und deshalb skandiert:
„Eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Länder und
eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen in Deutschland!“.
Moment mal, habe ich was verpasst?
Ging es nicht gerade eben noch um
diffuse Ängste und jetzt sind eigentlich halt‘ scho‘ die Ausländer schuld,
gell? Wenn Seehofers Empfehlung in
Sachen PEGIDA tatsächlich lautet, die
Bearbeitung von Asylanträgen zu beschleunigen und die Verteilung von
Asylsuchenden gerechter zu gestalten, faktifiziert und bestätigt er damit
doch nur die verquerte Wahrnehmung
vermeintlicher Ursachen, welche er
kurz zuvor selbst noch als diffus
bezeichnet. Die Sorgen ernst nehmen ist hier wohl gleichbedeutend
mit „für bare Münze“ nehmen.
Scheinbar haben die PEGIDADemonstrierenden doch eher
konkrete als diffuse Ängste
und Frust: Die bösen Muselmänner und am besten gleich
der ganze Rest der Ausländer sind schuld daran, dass
ich nachts nicht einschlafen
kann! Der Vordenker Seehofer schlussfolgert ganz
logisch: Ausländer raus!
Asylsuchende wo anders
hin und wenn schon
hier, dann bitte nur für
kurz! Deutschland befindet sich übrigens,
was Asylanträge überhaupt und insbesondere
angenommene
Anträge im Verhältnis
zur
Bevölkerungsanzahl und zum Brutt o i n l a n d s p r o d u kt
angeht, im europäischen Vergleich
auf den hinteren
Rängen.
Mensch darf wohl
von
einer
Revolution
des
Denkens sprechen. Die
Seehofer’sche
Logik
bricht Bahn zu völlig
neuen Erkentnissen: 1=4
und diffus=wahr! Nach
dessen letzten zwei
überaus
erfolgreichen Vorh a -
Gesellschaft
Diffuse Gefühlszustände lassen als solche keine
Rückschlüsse auf konkrete Ursachen zu.
ben, der „Ausländer-Maut“ und der
„Deutschlandpflicht“, pardon „-Motivation für Ausländer“ kann ich voller
Überzeugung sagen: Herzlichen Glückwunsch Herr Seehofer! Sie haben einfach Instinkt, Sie wissen genau, wie
sich den „Rechtsradikalen, die ihr politisches Süppchen kochen wollen“ der
Wind aus den Segeln nehmen lässt.
Für ihre ehrenwerten Dienste am Ausländer möchte ich Sie deshalb voller
Stolz für den Integrations-BAMBI nominieren!
Oh, oh, genug des SeehoferBashings. Zurück zu dem
BNN-Kommentator,
der
die Seehofer’sche Logik
offensichtlich schon vor
Erscheinen des dazugehörigen
Sachbuches
„Denken wie Seehofer“
ganz und gar durchdrungen hat. Nochmal zum
Mitschreiben: Diffus bedeutet „unklar, ungeordnet,
konturlos, verschwommen“.
Im Kontext von Angst lassen
sich sowohl ihre Ursachen
oder auch ihre Ziele, Objekte als „diffus“ bezeichnen. Also bedeutet
das doch, den
PEGI-
DA-AnhängerInnen sind entweder die
Gründe für ihre Ängste oder das Ziel,
auf das sie diese richten wollen respektive sollen, eben NICHT klar. Bei solch‘ einer Unklarheit wäre es doch logischerweise absolut unvernünftig und
ebenso unmöglich die „Islamisierung
des Abendlandes“ oder gar gleich eine
vermeintliche „Asylflut“ als Ursache
für Ängste oder Frust auszumachen.
Warum folgen die AnhängerInnen der
Seehofer’schen Denkschule also dieser
instringenten, irrationalen und feindbildschaffenden Projektion? Sind sie
etwa selbst nur süppchenkochende
Rechtsradikale, die eben diese diffusen
Gefühle, dieses freiwerdende Potential
ausnutzen wollen?
Ich würde gerne einen Hassbrief
schreiben. Einem Brief an Herrn Seehofer prognostiziere ich nicht viel Erfolg. Dem Kommentator aus der BNN
könnte ich jedoch tatsächlich schreiben. Auf meine Tastatur eindreschend
postuliere ich meine Entdeckung der
Seehofer’schen Denkschule und deren Auswirkungen auf den Qualitätsjournalismus der BNN. Zum Schluss
lese ich mir das Geschriebene durch
und versuche mir vorzustellen, ob
dieser Mensch über Zeile drei meiner
Schimpftiraden hinauskommen wird dann lösche ich wieder alles, versuche
mich zu beruhigen und schreibe aufs
Neue los.
Seehofer den Integrations-BAMBI
posthum verleihen? Doch halt, eigentlich wollte ich meiner Wut auf den
Grund gehen. Speist sie sich vielleicht
aus dem Frust, gegen die immer gleichen rassistischen, jeder sachlicher
oder logischer Grundlage entbehrenden Meinungen ankämpfen zu müssen? Ist es vielleicht die Angst mit der
eigenen Meinung bald allein auf weiter
Flur stehen zu bleiben? Die Angst, den
Kampf gegen den Rassismus zu verlieren?
Diese Wut beim Schreiben
kann durchaus hinderlich
sein, schwer zu bremsen
und schwer einzugrenzen.
Gleichzeitig fällt es mir
schwer eine genaue Ursache, eineN SchuldigeN
für diese zu finden oder
die Wut in konstruktive
Bahnen zu leiten. Fast
eine Art diffuse Wut!
Vielleicht sollte meine
diffuse Wut auch von
eineR
geistreichen
PolitikerIn ernst genommen und Seehofer sowie dieser
BN N-Men s ch
sollten
abgeschoben werden?
Oder
Wie also umgehen mit dieser, meiner
Wut? Wie lässt sich diese Wut in etwas Sinnstiftendes gießen? Wie wär’s
mit einer DEGIDA? „Denkende EuropäerInnen gegen die Idiotisierung des
Abendlandes“? Denkende EuropäerInnen aller (europäischen, versteht
sich) Länder erhebet euch! Auf das
wir nicht alleine und wütend auf weiter Flur stehen müssen! Denn eines
ist sicher: Von selbst werden sich die
Seehofer’sche Denkschule und ihre
Spielarten nicht auflösen.
Womöglich alles verständliche Ängste,
genauso wie es bestimmt verstehbare
Ängste bei den PEGIDA-AnhängerInnen zu hören gäbe, würden diese
konkret reflektiert und geäußert, anstatt nur diffus gestreut werden. Ängste per se sind nichts Schlimmes, sie
tun keinem weh‘, sie hetzen nicht gegen Menschen. Diese Ängste jedoch
anzuerkennen, ernst zu nehmen, vielleicht sogar zu lösen ist etwas völlig
anderes, als sie vor dem Hintergrund
der eigenen Meinung zu kanalisieren,
ihnen erst Ursachen oder Ziele anzudichten und das so entstehende Potential für politische Agitation im eigenen
Interesse zu missbrauchen. Soweit
geschehen bei Seehofer, PEGIDA und
GesinnungskameradInnen in anderen
Städten. Solches Pseudo-Verständnis
ist grundlegend abzulehnen.
Dem Kommentator der BNN habe ich
inzwischen eine moderate Ausführung
meiner Einwände zukommen lassen
und freue mich auf seine Antwort!
19
Kultur
20
Literaturhaus Freiburg auf
Kollisionskurs
Im August haben Rektor Schiewer und Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet, mit der sie bis Ende 2014 die Einrichtung des
Literaturhaus Freiburg im Theatersaal der Alten Universität vertraglich abschließen wollen. Bislang war der Saal vor allem die Heimat der studentischen Theatergruppen an der
Universität.
— Von Charlotte Großmann und Christopher Seiberlich
D
as Freiburger Literaturhaus wird in
seiner geplanten Form die Studierendenbühne aus der Mitte des kulturellen Zentrums von Universität und
Innenstadt verdrängen. Mit Einzug des
Literaturhauses wird es dann nach vielen Jahrzehnten zum ersten Mal keinen
gemeinsamen Platz für studentisches
Theater mehr geben. Ziemlich wahrscheinlich bedeutet dies das Aus für
viele der bestehenden Theatergruppen.
Theatergruppen nutzen den Saal zu beinahe 100 Prozent
Momentan wird der Saal intensiv von
den studentischen Theatergruppen der
Uni genutzt. Der Grund: Er ist als einziger Raum in der Universität aufgrund
seiner Größe und Infrastruktur für diesen Zweck geeignet. Die Planung sieht
zwar die „gemeinsame Nutzung“ durch
Literaturhaus und Universität vor, doch
durch die angedachten baulichen Maßnahmen sowie die organisatorischen
Veränderungen und Forderungen des
Literaturhauses werden Aufführungen
dort künftig nur noch mit drastischen
zeitlichen und räumlichen Einschränkungen möglich sein.
Vergleichbare Ausweichräume, in denen die Studierenden ihre kulturelle
Arbeit dauerhaft fortsetzen können,
stehen in der Universität nach aktuellem Erkenntnisstand nicht zur Verfügung und werden derzeit sogar außerhalb der Universität gesucht. Bislang
wurde jedoch noch keine adäquate Alternative gefunden.
Literaturhaus nicht das eigentliche Problem
Die studentischen Theatergruppen
begrüßen die Einrichtung des Literaturhauses an der Universität Freiburg,
befürchten aber, dass die stark veränderten Bedingungen dort in absehbarer
Zeit das Ende für die meisten Gruppen
darstellen. In einem verspäteten Brief
an die Theatergruppen, die selbst erst
durch die Presse auf die geänderte
Standortplanung aufmerksam wurden,
lobte Rektor Schiewer deren Arbeit als
hoch geschätzten Beitrag zum kulturellen Leben an der Universität Freiburg. Gleichzeitig stellt die Bereitstellung des Theatersaals in der Alten Uni
aber auch die einzige Unterstützung
der Universität für die Theatergruppen dar. Die Finanzierung ihrer Arbeit
leisten die Gruppen vollständig selbst
– durch das Engagement der Mitwirkenden und über Einnahmen aus den
Aufführungen. Mit der Vergabe dieser wichtigen räumlichen Ressource
an eine andere Institution wird den
Theaterschaffenden an der Universität
Freiburg die zentrale Grundlage ihrer
Arbeit entzogen.
Literatur vor Theater
Die Stadt und das Literaturbüro fordern eine prioritäre Nutzung des Theatersaals durch das Literaturhaus, das
überdies zusätzliche Räume im Arkadenbau der Alten Universität erhält.
Die Studierenden wurden auf Nachfrage in die Planungsgespräche eingebunden, rechnen aber aufgrund des
aktuellen Standes der Verhandlungen
zwischen Stadt, Literaturbüro und Uni
mit drastischen Verschlechterungen
der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit.
Aktuell ist ein Nutzungsverhältnis von
60:40 für den Theatersaal der Alten
Uni zu Gunsten des Literaturhauses
angepeilt – sofern sich die Lage nicht
noch verschlechtert. Denn die neuen
Nutzer werden den Raum vor allem
zu eben den Zeiten besetzen, die den
Studierenden in der Regel neben ihrem
Studium als freie Zeit für die Theaterarbeit bleibt: an Nachmittagen und
Abenden. Ob die verbleibenden 40%
der Nutzungszeit tatsächlich in vollem
Umfang für die Theatergruppen nutzbar sind, ist fraglich. Die Studierenden
brechen die Situation deshalb auf eine
einfache Formel herunter: 60% weniger Theatersaal = 60% weniger Theatergruppen.
Viel mehr Theater als gedacht
Zurzeit gibt es acht studentische Theatergruppen an der Universität, darunter
sowohl fächerübergreifende wie auch
fremdsprachige. Die Gruppen sind
ein Anziehungspunkt für Studierende
und Kulturinteressierte aller Fachrichtungen und Nationalitäten. Viele Gruppen zeigen pro Semester mindestens
ein Stück an jeweils mehreren Aufführungswochenenden und locken damit
jährlich über 4000 Zuschauer in den
Theatersaal der Alten Universität. Die
Probenzeiten und Aufführungskontingente sind aufgrund der großen Anzahl
an Gruppen bereits unter den jetzigen
Bedingungen rar. In regelmäßig stattfindenden Koordinierungssitzungen
des Freiburger Interessenverbundes
für Studentisches Theater (FIST) organisieren die Theatergruppen bislang
selbst die Aufteilung der Proben- und
Aufführungszeiten im Theatersaal der
Alten Uni.
Alle beteiligten Studierenden stecken
ihr gesamtes Herzblut in die Aufführungen, Organisation und Proben ihrer
Theatergruppen. Von Bühnenbild über
Technik bis Regie – alles läuft in Eigenverantwortung der Studierenden. Wer
eine Aufführung gesehen hat, der
weiß, wie viel Arbeit und Leidenschaft
jeder der Studierenden in die Produktionen einbringt. Wer die Gruppen noch
nicht kennt, hat ab Mitte Januar während der nächsten Aufführungswochen
noch einmal die Chance, sich selbst ein
Bild zu machen – vielleicht zum letzten
Mal.
Kultur
Supernatural (Tanztheater)
Libido Sciendi (Tanztheater)
Simone Aughterlony & Antonija Livingstone – Tanz auf queerem Terrain
Pascal Rambert – Eine Choreografie der
Körper
Angenommen: Menschliche und nicht-menschliche Akteure versammeln sich für eine
Nacht auf heißem rosa Terrain unter einem stoischen Himmel. Mit Äxten, Holz, Geige, Elektronik und dem schieren Körper unternehmen Aughterlony, Livingstone und Rowe eine
Recherche über queere Terrains. Mit Meditation und Choreografie werden die Hierarchien
des Denkens und Fühlens neu ausgerichtet. Wiedererkennbare menschliche Verhaltensmuster erfahren eine Umdeutung über Beiläufigkeiten und kommen dann als etwas daher, das Tanz sein könnte, das wie Musik klingt. Eine Vielfalt von menschlichen und nicht
menschlichen Akteur*innen, deren Zusammenwirken jegliche Hierarchien aufhebt. Das
queere Leben weiß , dass ein Spiel mit Maskeraden die Auflösung der normativen Muster
von Identitäten zur Folge haben kann. Im Bereich des Übernatürlichen – »Supernatural«
heißt das Stück – ist es nicht länger notwendig, irgendetwas zu maskieren.
LIBIDO SCIENDI bedeutet wortwörtlich
»ich lerne durch Sexualität« und in der
Tat bleibt der geschlechtliche Zuschauerblick nicht aus. Allerdings versetzt
uns der beinah skulpturale Umgang der
Choreografie mit den beiden Körpern in
einen kontemplativen Zustand und wirft
die intime Frage auf: Wie blicke ich auf
den Anderen und was hat es mit mir zu
tun?
FREITAG, 06.02.15 - 20:00 Uhr II SAMSTAG, 07.02.15 - 18:00 Uhr
SAMSTAG, 07.02.15 - 16:30 Uhr
Stadttheater Freiburg, kleines Haus
Stadttheater Freiburg, Winterer-Foyer
Emilia Galotti (Theater)
Castanha (Film)
Volker Pispers (Kabarett)
Gotthold Ephraim Lessing
Regie: Davi Pretto, Brasilien 2014
...bis neulich
João Carlos Castanha, 52, Schauspieler
und Transvestit, hat seine besten Jahre
schon hinter sich. Er ist krank, hat Liebhaber und Weggefährten verloren und
wirkt müde, setzt seinen Lebenswandel
indes unbeirrt fort. Auf vielschichtige
Weise verbinden sich dokumentarische
Beobachtung, Inszenierung und fiktive
Elemente zu einer Erzählung über Leben
und Tod.
Das Programm spiegelt den Zustand
der Republik: Das Immerneue im
Ewiggleichen. Denn während uns
der Medienzirkus mit seinen Sprechblasenjongleuren
vorgaukelt,
daß
ständig etwas passiert, tut sich bei
den grundlegenden Problemen so gut
wie nichts.
Pispers ist der freundliche und scheinbar harmlos daherredende Conférencier
geblieben, der – eben noch lächelnd –
plötzlich hundsgemein werden kann.
„Wollen Sie mir freie Hand lassen, Prinz?
Wollen Sie alles genehmigen, was ich
tue?.“
Als Thriller im Kinoleinwandformat spielen wir Lessings rasanten Klassiker um
Liebe und Mord. Dafür steigen wir hinab
in Emilias Seelenlabyrinth und folgen den
verschlungenen Irrwegen bis ins Herz der
Finsternis.
Noch bis zum 07.03.15
Theater der Immoralisten
Ferdinand-Weiß-Str. 9-11
SAMSTAG, 07.02.15 - 21:30
SONNTAG, 08.02.15 - 19:30
MITTWOCH, 11.02.15 - 21:30
Kommunales Kino, Urachstr. 40
FREITAG, 27.02.15 - 19:30 Uhr
Stadttheater Freiburg, Großes Haus
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Let´s talk about...
Let*s talk about
SEX!
Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlich anwendbaren Verhütungsmitteln, die mit einer
hohen Wahrscheinlichkeit vorm schwanger werden schützen. Doch die meisten Verhütungsmittel bieten keine sicheren Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Bevor
ihr euch also entschließt mit einer oder mehrerer Personen Sex ohne Kondom zu haben,
lasst euch auf sexuelle Krankheiten testen, um sicher zu gehen, dass ihr euch und andere
nicht ansteckt. Die AIDS-Hilfe Freiburg bietet zum Beispiel zweimal im Monat einen AIDSSchnelltest an. Aber auch andere sexuell übetragbaren Krankheiten lassen sich testen.
und Beratungsangebot oder fragt bei Ärzt*innen nach weiteren Informationen.
Von der let*s talk about Redaktion
Die Verhütungsmittel, die hier kurz
erläutert werden, sind Methoden, die
im Vorhinein angewendet werden. Die
sogenannte Pille danach oder Spirale
danach sind Möglichkeiten im Notfall
nach ungeschütztem Sex eine Schwangerschaft zu verhindern. Sie gelten
aber nicht als Verhütungsmittel und
sollte nicht regelmäßig angewendet
werden.
Barrieremethoden:
Barrieremethoden verhindern physisch, dass Spermien zum Ei in den Eileiter gelangen.
Kondome:
Kondome sind ca. 17 cm lange dünne
Gummihüllen mit einem geschlossenem und einem offenen Ende. Sie
sind das einzige Verhütungsmittel das
auch Schutz vor sexuell übertragbaren
Krankheiten bietet. Kondome können
nur einmal benutzt werden.
Das äußere Kondom:
In der Packung sind äußere Kondome
aufgerollt, so dass sie vor dem Sex
über dem steifen Penis abgerollt werden können. Äußere Kondome sind das
einzige Verhütungsmittel, das an der
Person mit Penis angewendet wird. Ein
äußeres Kondom kostet ca. 0,50 Euro
bei einer Packung von 8 - 12. Latexfreie
äußere Kondome sind teurer und etwa
ab 1,20 Euro pro Stück erhältlich.
Das innere Kondom:
Das innere Kondom ist im Gegensatz
zum Äußeren deutlich breiter. Es hat 2
runde, biegsame Ringe an den Enden.
Mit dem geschlossene Ring wird das
innere Kondom tief in der Vagina plaziert und der äußere Ring liegt flach an
der Öffnung. Innere Kondome kosten
ca. 12 Euro pro Dreier Packung.
Das Diaphragma:
Das Diaphragma ist eine runde 6 - 9
cm große Kappe aus Silikon. Zur Verhütung wird vor dem Sex eingeführt
und fungiert in der Vagina als zusätzliche Wand und lässt so keine Spermien zur Gebärmutter durch. Auf das
Diaphragma wird vorher ein Verhütungsgel aufgetragen, das ein Spermizid enthält. Nach dem Sex muss es
noch 8 Stunden in der Vagina bleiben.
Ein gut gepflegtes Diaphragma hat ein
Haltbarkeit von ca. 2 Jahren und kostet
ca. 35 - 50 Euro.
Die Portiokappe:
Portiokappen sind je nach Produkt 2 5 cm große Kappen, die den Gebärmutterhals bedecken und so verhindern,
dass Spermien in die Gebärmutter gelangen. Wie das Diaphragma muss die
Portiokappe nach Anwendung noch
einige Zeit in der Vagina bleiben und
ebenfalls mit einem Verhütungsgel zusammen verwendet werden. Die Kosten liegen bei ca. 50 Euro.
Hormonelle Methoden:
Es gibt zwei Sexualhormone, die mit
unterschiedlichen Methoden eine Verhütung nach Anwendung gewährleisten können. Östrogen und Gestagen
verhindert den Eisprung. Gestagen
wirkt noch zusätzlich so, dass der
Schleim im Gebärmutterhals verdickt
und so verhindert wird, dass Spermien in die Gebärmuttter gelangen. Die
unterschiedlichen hormonellen Verhütungspräparate enthalten verschiedene
Arten von Östrogen und/oder Gestagen
in unterschiedlicher Dosierung. Davon
Abhängig sind auch die jeweiligen Nebenwirkungen und Verträglichkeiten
der Präparate. Generell kann Östrogen
ein erhöhtes Thromboserisiko hervorrufen, vor allem beim Personen über
35 Jahren, Raucher*innen und einer
langjährigen Einnahme.
Die Pille:
Die Pille ist ein Hormonpräparat in verschiedenen Zusammensetzungen von
Östrogen und Gestagen, je nach Produkt, was täglich oral eingenommen
werden muss. Die Einahme soll über
21 - 24 Tage erfolgen und dann kann
...SEX!
eine Pause von 4 - 7 Tagen eingelegt
werden, in der der Empfängnisschutz
weiterhin vorhanden ist. Je nach Präparat und Packungsgröße kostet die Pille
5 - 21 Euro im Monat.
Der Vaginalring:
Der Vaginalring ist ein flexibler dünner
Kunstofffring mit einem Durchmesser
von 54 mm. Er wird wie ein Tampon
in die Vagina eingeführt, wo er über
21 - 28 Tage bleibt und kontinuierlich
Östrogen und Gestagen frei setzt. Es
kann eine 7 tägige Pause folgen, bevor
ein neuer Vaginalring eingesetzt wird.
Die Kosten für drei Monate betragen
ca. 48 Euro.
Das Verhütungspflaster:
Das Verhütungspflaster ist ein 4,5 cm x
4,5 cm großes Pflaster, dass Östrogen
unf Gestagen über die Haut abgibt. Es
wird für 7 Tage aufgeklebt und nach
3 Wochen kann wie bei der Pille und
dem Vaginalring eine Pause von 7 Tagen eingelegt werden. Dei Kosten betragen ca. 40 Euro für 3 Monate.
Das Implantat/Stäbchen:
Das Implantat ist ein weiches, biegsames Kunstoff-Stäbchen und 4 cm
lang und 2 mm dick. Es wird am Oberarm unter der Haut plaziert und gibt
dort für 3 Jahre kontinuierlich Gestagen ab. Es kostet inklusive Einlage ca.
300 - 350 Euro.
Die Mini-Pille:
Die Mini-Pille enthält im Gegensatz
zur (Kombinations-)Pille nur Gestagen
als Wirkstoff. Es gibt Präparate, die
eine sehr regelmäßige Einnahme benötigen, und eine maximale Verzögerung von 3 Stunden und nicht wie bei
der (Kombinations-)Pille von bis zu 12
Stunden, zulassen. Außerdem darf die
Einnahme nicht nach 3 Wochen für 7
Tage unterbrochen werden. Die MiniPille kostet ca. 6 - 17 Euro pro Monat.
Die Hormonspirale:
Die Hormonspirale ist ein T-Förmiges
Kunststoff-Träger, ca. 3 cm lang und
breit. Sie wird in die Gebärmutter eingelegt, wo sie bis zu 5 Jahre bleiben
kann und Gestagen abgibt. Die Kosten
betragen samt Einlage ca. 250 - 400
Euro.
Die Depot-Spritze:
Die Depot-Spritze ist ein Langzeitverhütungsmittel. Es enthält das Hormon
Gestagen in hoher Dosis und wirkt
ca. 8 - 12 Wochen. Wegen der hohen
Dosierung darf die Depot-Spritze laut
Bundesgesundheitsamt nur in Ausnahmefällen von Ärzt*innen verschrieben
werden, wenn andere Mittel nicht vertragen werden. Sie kostet ca. 31-35 Euro
pro Spritze.
Peral-Index
Der Pearl-Index sagt aus, wie viele von
100 Personen schwanger wurden, nachdem sie das Verhütungsmittel ein Jahr
lang angewendet haben.
Hormonimplantat: 0 – 0,08
Sterilisation: 0,1 – 0,3
Pille: 0,1 – 0,9
Hormonspirale: 0,16
Kupferspirale: 0,3 – 0,8
Depotspritze: 0,3 – 0,88
Vaginalring: 0,4 – 0,65
Mini-Pille: 0,5 – 3
Verhütungspflaster: 0,72 – 0,9
Basaltemperaturmethode: 0,8 – 3
Diaphragma: 1 – 20
Äußeres Kondom: 2 – 12
Chemische Verhütungsmittel: 3 – 21
Inneres Kondom: 5 – 25
Portiokappe: 6
Keine Verhütung: 85
die Hormonspirale. Die Kupferkette
besteht aus 4-6 Kuperzylindern, die an
einem Nylonfaden hängen, der an der
Gebärmutterwand befestigt wird. Die
Spirale kostet ca. 120 - 200 Euro, die
Kupferkette ca. 200 - 330 Euro.
Sterilisation:
Als Sterilisation wird die operative
Durchtrennung der Samen- bzw. Eileiter bezeichnet. Damit ist eine dauerhafte Unfruchtbarkeit hergestellt.
Die Sterilisation kann nur sehr schwer
rückgängig gemacht werden. Die Kostenliegen zwischen 300 - 1200 Euro.
Warnehmungsmethoden:
Es gibt die Möglichkeit anhand von Beobachtungen des Körpers den Verlauf
des Zyklus wahrzunehmen und so auf
die fruchtbaren Tage zu schließen. An
diesen Tagen kann dann eine Barrieremethode eingesetzt werden oder auf
Sex verzichtet werden. Für die Wahrnehmungsmethode wird die Körpertemperatur täglich um die gleiche Zeit
gemessen und die Beschaffenheit des
Gebärmutterschleims beobachtet und
beides notiert. Zusätzlich kann die
Öffnung des Gebärmutterhalses in die
Berechnung der fruchtbaren Tage mit
eingezogen werden. Als Verhütungsmethode ist dies sehr schwierig und
sehr unsicher.
Quelle: Pro Familia
Chemische Verhütungsmittel:
Chemische Verhütungsmittel gibt es in
Form von Zäpfchen, Tabletten, Schaum,
Gels oder Cremes. Der Wirkstoff ist ein
Spermizid, das Spermien abtötet oder
hemmt. Die alleine Anwendung von
chemischen Verhütungsmitteln ist sehr
unsicher, daher nur in Kombination mit
dem Diaphragma oder den Portiokappen zu empfehlen.
Links
Pro Famila:
Kupferkette/-spirale:
Die Kupferkette/-spirale wird wie die
Hormonspirale in die Gebärmutter eingelegt und wirkt dort 3 - 10 Jahre. Das
Kupfer wird in kleinen Mengen von
der Spirale bzw. Kette abgeben, was
die Spermien hemmt und den Auf bau
der Gebärmutterschleimhaut stört. Die
Kupferspirale hat die gleiche Form, wie
profamilia.de/erwachsene/verhuetung.
html
Planned Parenthood:
plannedparenthood.org/all-access/mymethod
Aids-Hilfe Freiburg:
aids-hilfe-freiburg.de
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www.stura.org/service
Asta-Service
Sekretariat
Hannes Hein, Rebekka Blum, Vincent Heckmann
[email protected] (203-2032)
Mo-Fr, 11:00-14:00h
Anna Tenberg, Till Oßwald
[email protected]
Nach Vereinbarung
BAföG-Beratung
[email protected]
Nach Vereinbarung
Rechtsberatung
[email protected]
Nach Vereinbarung
EDV www.stura.org/gremien
StuRa
StuRa-Präsidium
Christiane Conrad, Jona Winkel
AStA
Konferenz der AStA-Referate AStA-Vorstand Aljoscha Hartmann, Anna-Lena Osterholt, Kevin Hättig, Tatjana Kulow
WSSK
Wahl-, Satzungs- und Schlichtungs-
kommission
Mittwoch, 11. Februar
Burschenschaften und völkischer Terror in
Südtirol/Alto Adige
Veranstaltung des Referats für Politische
Bildung mit Bernhard Weidinger
20:00ct, KTS, Baslerstr. 103
Mittwoch, 11. Februar
Gremien
Studierendenrat
Must gos!
[email protected]
Di, 18:00h
[email protected]
Nach Vereinbarung
[email protected] Mi, 14:00h
[email protected] (203-2033)
Nach Vereinbarung
[email protected]
Nach Vereinbarung
www.stura.org/mitmachen/referate
Referate
Referate arbeiten inhaltich zu verschiedenen Themen. Außerdem übenehmen sie strukturelle Arbeit im AStA, in dem sie durch die gewählten Referent*innen vertreten werden.
CSD Themenabend
Das Regenbogen-Referat und der CSD Freiburg laden gemeinsam zu einem Info- und
Diskussionsabend ein.
19:00ct, KG III, HS 3118
Freitag, 13. Februar
Global Divestment Day
Infostand des Umwelt-Referats auf dem Platz
der weißen Rose
Montag, 23. Februar
Proteste gegen den Naziaufmarsch in Pforzheim (Infos: nichtlangefackeln.tk)
Impressum
berta #859, 3.2.2015, 43. Jahrgang, 24 Seiten, Auflage: 1000
Stück
V.i.S.d.P.: AStA Uni Freiburg
Antidiskriminierungs-Referat
Paul Brettel
Druck: Druckwerkstatt im Grün
referat-antidiskriminierung
@stura.org
Nach Vereinbarung
[email protected]
Nach Vereinbarung
Radaktion und Layout: Aljoscha Hartmann, Anna Tenberg, Anna-Lena Osterholt, Eric Steinsberger, Julian Zimmer, Kevin Hättig, Rebekka Blum, Sebastian Balzert, Tatjana Kulow
[email protected] Do, 15:00h
Kontakt: berta c/o AStA, Belfortstra. 24, 79085 Freiburg, Telefon:
0761-2032035, Fax: 0761-2032034, [email protected].
Thomas Seyfried
[email protected] (203-9648)
Nach Vereinbarung
[email protected] Mo, 20:00h, KG4: ÜR1
[email protected]
Noch offen
internationale-studierende
@stura.org
Noch offen
Außen-Referat
Nicht besetzt
Datenschutz-Referat
Vincent Heckmann
Finanz-Referat Gender-Referat
Rebekka Blaum
HoPo-Referat Nicht besetzt
Internationale Studierende
Katharina Sontheimer
Kultur-Referat
Nicht besetzt
Lehramt-Referat Nicht besetzt
Presse-Referat (berta) Sebastian Balzert
[email protected] Noch offen
referat-kulturstura.org
Noch offen
[email protected]
Di, 17:00h
[email protected]
Nach Vereinbarung
Referat für Erasmus und Auslandsstudium Nicht besetzt
Referat für politische Bildung Anna Tenberg
Referat gegen Faschismus Nicht besetzt
Regenbogen-Referat Fabian Wenzelmann
Studieren ohne Hürden Andreas Hanka
Tierrechts-Referat
Matthias Hauer
Umweltreferat Janine Heitzmann
Bildnachweise: alle CC o. PD
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Kommunikation und Wissenssicherung
Julian Zimmer
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Redaktion / des AStAs wieder. Die Redaktion behält sich bei
allen Manuskripten das Kürzen und den Zeitpunkt der Veröffentlichung vor.
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Nach Vereinbarung
referat-politische-bildung@
stura.org
Nach Vereinbarung
[email protected]
Fr, 14:00h
[email protected]
Mo, 20:00h, Rosa Hilfe
[email protected]
Nach Vereinbarung
[email protected]
Nach Vereinbarung
[email protected]
Mi, 19:00h

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