Ausgabe 1969 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Ausgabe 1969 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
H Ö H ENZOLLERISCHE
HEIMAT
19. Jahrgang 1969
Nr. 1
4P 382 8
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Qeschichtsverein
in Verbindung mit den
Staatlichen Sdiuiämtern Hechingen
und Sigmaringen
WALTER KAUFHOLD
Hofmaler Richard Lauchert
Leben und Werk
ingen zur Welt. Mit seinen sechs Brüdern besuchte er das
Gymnasium in Sigmaringen.1 Zwei Brüder wählten den
Priesterberuf, Adolar starb als Stadtpfarrer und Dekan
1897 in Sigmaringen, der überaus sensible Kaplan Friedrich wurde in jungen Jahren geisteskrank. Karl schlug die
militärische Laufbahn ein und wurde Oberst, Gustav war
Arzt und Emil Kaufmann. Joseph trat in fürstl. Dienste
und wurde wie der Vater Hofkammerrat. Die einzige
Schwester Mathilde blieb bei den Eltern. Richards künstl.
Veranlagung stammte wohl von seiner Großmutter,
Anna Maria Wetz, Schwester des Sigmaringer Malers Johann Fidelis Wetz, die seinen Großvater Joseph Lauchert
aus Ennetach am 22. Juii 1783 heiratete. 2 Während sich
das Leben der meisten Bewohner Sigmaringens vor hundert Jahren in der kleinen Residenz abspielte, zog es
Richard Lauchert in die großen Städte. Schon mit 16
Jahren verließ er Sigmaringen.
H o f m a l e r Richard Lauchert, gemalt von Michael Echter
München, um 1848. Im Besitz des K a u f m a n n s Max Frick,
Sigmaringen.
Die politische und kulturelle Ausstrahlung historischer
Persönlichkeiten bleibt durch vielfältige Formen des Gedenkens lebendig. Zum 100. Todestag des Hofmalers
Richard Lauchert am 27. Dezember 1968 soll dieses Gedächtnisblatt über sem einmaliges Leben und künstlerisches Schaffen berichten. Der Einwohner und Besucher
der Stadt ! .gmaringen beachtet die in Kupfer getriebene
Erinnerungstafel an seinem Geburtshaus (heute Südwestbank) kaum; nie oxydierten Buchstaben und das kleine
Medaillon des Kopfes werden leicht übersehen. Die Inschrift lautet: „Am 2. Februar 1823 wurde in diesem
Haus der Hofmaler Richard von Lauchert geboren. Er
starb in Berlin am 28. Dezember 1868." Die Daten
weichen von dem Eintrag n Famiiienregister der Stadtpfarrei Sigmaringen ab: Richard kam am 4. Februar als
Sohn des Hofkammerrats Joseph Lauchert und seiner
Frau Maiia Waldburga geb. Guttenberg aus Donauesch-
Der kunst" :bende Erbprinz Karl Anton ermöglichte im
Jahre 1839 Lauchert durch ein Stipendium den Besuch
der Kunstakademie in München.3 Sein erster Lehrer war
der bekannte Peter Cornelius, der bei König Ludwig
von Bayern iu Ungnade gefallen, bereits am 22. April
1841 München verließ. Er war vor allem Freskomaler
und an der titanenhaften Ausmalung der Ludwigskirche
in München gescheitert. Seine Schüler lernten wohl z chnen aber n ht malen, da Cornelius sie sofort ans Fresko
führte. 4 Schon bald spezialisierte sich der junge Richard
Lauchert b f ! Joseph Bernhardt, dem namhaften Porträtmaler am Bayerischen Königshof. Bernhardt hatte sich aus
autoc.daktischen Anfängen emporgearbeitet und unterhielt eine eigene Malerschule »n München. Aus ihr gingen
neben Lauchert noch andere Künstler hervor: Paul Martir, Jos. Miller, Ludwig Neustätter, Pankraz Körle und
Jos. Resch. Porträtmaler unterliegen stark der Mode und
dem Geschmack der Auftraggeber Das erfuhr auch Laucherts Lehrer, den '.ie Maler Albert Gräffle und Erich
Correns verdrängten Bernhardt erh ,1t e ne Ehrenstelle
als Schloßverwalter in Aschaffenburg. Der Tod ereilte
den unermüdlichen Arbeiter an der Staffelei. 5 Lauchert
verehrte sein erstes Bild, Porträt der Rose Neebauer,
Tochter eines Münchner WenSbierwirts aus der Ama"enstraße 12, seinem Gönner, dem Erbprinzen Karl Anton
von Hohenzollern zum Geburtstag am 7. September
1843. In dem Begleitschreiben versichert Lauchert, er
werde auf der " . . . eingetretenen Bahn mit Fleiß und
Ausdauer nach dem Vollkommenen streben." 6 Auf die
anerkennenden Worte des Erbp-inzen antwortet Lauchert: „Das allergnädigste Schr"iDen, mit dem mich Euer
Zum neuen Jahr
Der Mensch lebt und bestehet
Nur eine kleine Zeit.
Und alle Welt vergehet
Mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig
Und an allen Enden
Und wir in seinen Händen.
Matthias Claudius (1740—1815)
Übersichtsplan
Albstollen
ALLEN UNSEREN LESERN
U N D MITARBEITERN EIN
GLÜCKLICHES JAHR 1969.
VERLAG U N D
SCHRIFTLEITUNG.
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
herausgegeben v o m „Hohenzollerischen Geschichtsverein" in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: Buchdruckerei Adter O H G .
7487 Gammertingen, T e l e f o n 0 7 5 7 4 / 2 0 5 .
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Die
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dieser
Nummer:
Roswitha und Werner Häberle
78 F r e i b u r g — St. G e o r g e n , H ä g e
M s g r . D r . Walter K a u f h o l d
Fürstlidier Museumsdirektor
748 S i g m a r i n g e n , im Schloß
T e l e f o n 0 7 5 7 ' 603
D r . Ulf K o e r n e r , beim G e o l .
Landesamt Ba/Wü
7471 H a r t h a u s e n / S c h e r
Stollenbauleitung der B W V
Johann A d a m Kraus, Pfarrer
u n d E r z b . A r c h i v a r i. R.
78 F r e i b u r g - L i t t e n w e i l e r , B a d s t r a ß e
D r . R u d o l f Seigel, A r c h i v r a t
74S S i g m a r i n g e n , K a r l s t r a ß e 32
J o h a n n e s W a n n e n m a c h e r , Schulrat
7487 G a m m e r t i n g e n , G o e t h e s t r a ß e
5 a
2
a. D .
586
— —«-
= Stollentrasse
1. Variante
Der
Bericht über die
DENKMALPFLEGE
1968
in Hohenzollern
kann
aus
redaktionellen
Gründen
erst in der nächsten
Nummer
erscheinen.
Wir bitten
unsere Leser um
Verständnis.
Die
Schriftleitung.
2
M = 1:200 000
Abb. 1
Z u m A r t i k e l „ D e r A l b s t o l l e n " i m I n n e r n des Blattes.
15.11.1968
Durchlaucht beglückten, schmeichelte mir um so mehr, als
mir Euer Durchlaucht deren hohe Zufriedenheit angedeihen zu laßen geruhten, die mir mein warmes Streben
nach dem weit entfernten Ziele zur Gluth anfachte."
Am 1. November 1843 finanzierte Erbprinz Karl Anton
für Laudiert eine Reise nach Italien und 1845 nach Paris.
Hier lernte er die duftigen und leuchtenden Farben der
französischen Maler und Porträtisten, z. B. eines Ingres,
kennen. Schon bald werden die Bildnisse Laucherts in
der Kunstwelt beachtet. Bereits 1848 waren auf der
Stuttgarter Kunstausstellung zwei Studienköpfe „Judith" und „Tambourinschlägerin" zu sehen. „Das Mädchen mit dem Schmetterling", durch den Stahlstich von
Christoph Preisel verfielfältigt, wurde in München in
das König-Ludwig-Album aufgenommen.'
Strebsam und rastlos bildete sich Laudiert als Porträtmaler weiter. Es ist verständlich, daß Fürst Karl Anton,
sein begeisterter Mäzen, ihm die ersten größeren Aufträge gab. Die 1849/50 datierten und signierten Aquarelle des Erbprinzen Leopold, der Prinzen Karl und Anton und der Prinzessin Stephanie sind im Blauen Salon
von Schloß Sigmaringen zu sehen. Die einst kräftigen
Farben sind durch den Lichteinfall etwas verblaßt. Doch
das zarte Colorit der Gesichter und Haare, die geschickt
verteilten Lichter auf den Kleidern und die exakten Details der Augen lassen die hohe Meisterschaft des Porträtisten erkennen. Der seelische Ausdruck und die Charakterzüge der Fürstenkinder sind gut und unterschiedlich
herausgearbeitet. Wohl aufgrund dieser Arbeiten ernennt
Karl Anton seinen Schützling, der ihm inzwischen zum
Freund geworden war, am 4. Februar 1850 zum Hofmaler der Fürstlichen Familie. Die eigenhändig von Karl
Anton verfaßte Ernennung lautet:
„Von Gottes Gnaden Wir Carl Anton . . .
haben Uns in gerechter Würd.gung des Hohen
künstlerischen Berufs und der im Gebiete der Kunst
sehr anerkennenswerten Leistungen des Mahlers Richard Laudiert von Sigmaringen und in Rücksicht
seiner Uns und Unserem Fürstlichen Hause stets bewährten Gesinnung der unwandelbarsten Treue und
Ergebenheit gnädigst bewogen gefunden, denselben
zu Unserm Fürstlichen Hojmabler in Gnaden zu ernennen und behufs geeigneter Führung des ihm verliehenen Ehrenpradicats dieses von Uns höchsteigenhändig vollzogene Decret ausfertigen und zustellen
zu lassen.
So geschehen Sigmaringen 18. Februar 1850
Karl Anton" 8
Fürst Karl Anton war nach der Abtretung der Souveränitätsrechte an die Krone Preußen mit seiner Familie
zunächst nach Neiße an der Oder übersiedelt. An das
Weihnachtsfest im Jahre 1850, das Laudiert im Kreise
der Fürstlichen Familie in Neiße erlebte, erinnerte er sich
zeitlebens. Hier malt er die Fürstliche Familie en pied
und bewies mit diesen Porträts, daß die Ernennung zum
Hofmaler des Fürsten zu Recht bestand. Nadi den Festtagen reist Laudiert nach Berlin und schreibt von dort
an Karl Anton: „In Berlin versuche ich eine neue Laufbahn, ob mit Glück oder nicht wird die Zukunft lehren,
beides wird meinem eifrigen Streben nicht hemmend entgegentreten, da ich dafür zu ehr' hst die Kunst liebe".
Laudiert muß 1850 schon in Räuden beim Herzog von
Ratibor gewesen sein, denn im gleichen Brief berichtet
er: „Für den Augenblick habe ich in hohem Auftrag des
Fürsten von Fürstenberg Copien der Bilder in Räuden
zu machen . . . " Mit Hingabe arbeitet er in Berlin an
den in Neiße begonnenen Porträts der Fürstlicnen Fami-
Fürst K a r l A n t o n von H o h e n z o l l e r n (1811-1885), gemalt
Richard L a u d i e r t 1852, L a n d h a u s Krauchenwies.
von
lie. „Ich habe noch nie ein Bild mit solcher Liebe und
Sorgfalt und Gewißenhaftigkeit zu Ende gebracht, als
diese mir von Eurer Hoheit so gnädig anvertrauten. Ich
erkannte darin die überaus große Fluid und Gnade, die
mir Euer Hoheit schon seit meiner Kindheit in so hohem
Maße angedeihen laßen, und erkannte die Unmöglichkeit ohne diese hohe Beschützung je an die unbedeutendste Stufe künstlerischer Ehre gelangt zu sein." Mit
dem natürlichen Jugendbild der Prinzessin Marie, die
mit Blumenkorb und großem Sommerhut aus einem
Garten kommt und dem Porträt des Fürsten Karl Anton
stieg der Stern Laucherts als Porträtist. Er übergab beide
Bilder der Kunstausstelung in Berlin; König Friedrich IV. äußerte den Wunsch, das Bild seines Freundes
zu sehen. Maler Kaulbach lobte die en pied gemalte Gestalt des Fürsten und schlug Laudiert eine reiche Ausstattung des Bildes vor: Kaminverzierung, schildtragende
Karyatiden, Vorhang, Stuhl und Tisch und Fernblick auf
die Burg Hohenzollern.
Laudiert hatte auf Schloß Räuden in Oberschlesien bei
Herzog Viktor von Ratibor außer dessen Porträt eine
„Legion" Bildnisse zu malen, u. a. den Fürsten von Fürstenberg. Hier lernte Laudiert die Schwester des Herzogs, Prinzessin Amalie von Hohenlohe-Schillingsfürst,
der er Malunterncht gab, kennen und lieben.9 In den
Jahren 1852—1857 erhält Laudiert zahlreiche Aufträge
an Fürstenhöfen und reist von Schloß zu Schloß. In Wei3
mar malt er das Jugendbild des Erbgroßherzogs und der
Erbgroßherzogin als Kniestücke10 und in Heiligenberg
die Bildnisse des Fürsten Carl Egon II. und der Fürstin
Amalie von Fürstenberg, einer Prinzessin von Baden.11
Die Bildnisse zeigen eine höfische Darstellung. Laudiert
gestaltete meisterhaft die Porträts der Fürstlichkeiten in
Haltung, prachtvoll wiedergegebenen Gewändern und
höfischen Interieur. Fürstin Amalie steht in seitlicher Stellung auf der Schloßterrasse. Das herbe Gesicht wird durch
die vom Scheitel fallenden Straußenfedern anmutig. Es
ist hell herausgearbeitet und hebt sich von der dunklen
Wolke ab. Schwungvoll und elegant fällt das Hermelincape von den Vorderarmen um den bauschigen Faltenrock. Im Hintergrund ist der von der Sonne beschienene
Bodensee mit den umliegenden Höhen zu erkennen. Gut
charakterisiert ist Fürst Carl Egon. Das lebensnah gemalte Gesicht mit den großen Augen und dem damals
modischen Backenbart deutet ganz geheim den frohen und
schlagfertigen Gesellschafter an. Er befindet sich in einem
Salon vor einem gechnitzten Sessel. Die linke Hand mit
Schnupftabakdose liegt auf einem mit gerollten Blättern
und Büchern belegten Tisch, auf dem noch eine kleine
Ritterfigur und eine chinesische Vase stehen. Ein zweites
Bild des Fürsten von Fürstenberg schuf Laudiert nach
dessen Tode 1854. Es stellt den Fürsten en pied in brokatbesticktem Prachtmantel dar. Am Großherzoglichen
Hof in Karlsruhe malt Laudiert das Porträt der Prinzessin Wasa, der älteren Schwester der Fürstin Josephine
von Hohenzollern.
Auf Einladung der Fürstin Katharina von Hohenzollern
weilte Laudiert im Sommer 1853 sieben Wochen auf
Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n , vermählt 18. M a i 1858 mit
Peter V. König von P o r t u g a l , gemalt von Richard Laudiert
Landhaus Krauchenwies.
4
1852,
Schloß Bistritz. Das dort geschaffene Bild der Fürstin
Katharina erwarb 1884 die Neue Pinakothek in München, leider ist es seit 1945 verchollen.12 In Bistritz malte
er auch den Fürsten Karl von Hohenzollern, dessen Bildnis er nochmals für _e Ahnengalerie im Schloß Sigmaringen ausführte. Am 20. Dezember 1856 schreibt Laudiert aus Sigmaringen an den Fürsten Karl Anton nach
Düsseldorf: „Das Bild des Höchstseligen Fürsten von
Fürstenberg ist noch nicht fertig, ich bin oft aufgehalten
durch das Trocknen, und habe mir nun, um diese Ze:t
auszufüllen, und länger noch hier bleiben zu können, den
alten Wunsdi Euer Hoheit und das Bedürfnis der Ahnengallerie zu Herzen genommen und endlich das Bild
des Höchstseligen Fürsten und Vaters zu malen begonnen, indem i :h theils das Gedächtniß, mein früheres Bild,
theils auch das von Maler Hartmann zu Hülfe nehme.
Ich glaube damit Euer Hoheit nicht entgegen zu handeln,
besonders da ich vielleicht nicht so bald wieder auf so
lange Zeit hier sein kann".
Lauchert mußte die Porträts oft zwei und drei Mal anfertigen, denn es war höfische Sitte, Porträts an Verwandte zu verschenken. Diese Kopien gestaltete er meist
kleiner und oft oval. So hängt auch im Schloß Sigmaringen eine Zweitanfertigung des Porträts der Prinzessin
von Wasa. Schon vor hundert Jahren griff die Technik
in die Kunst ein. Die Porträts wurden von Stahlstechern
und Lithographen auf Platten übertragen. Auch Laucherts Porträts wurden auf diese Art vervielfältige Bekannt ist die Lithographie von Leon Noel nach dem
1855 geschaffenen Porträt der Kronprinzessin Karola
von Sachsen. In London versuchte Lauchert für die
Fürstin Josephine von Hohenzollern eine Lithographie
des von Winterhalter gemalten Porträts ihrer Schwester,
der Herzogin von Hamilton, zu besorgen. Auch in Ölfarbendruck wurden Laudiere Porträts oft in Originalgröße ausgeführt, u. a. der Herzog von Sachsen-CoburgGotha im Jagdkostüm von der Firma Lichtenberg in
Beriin,13 Aquarelle ließen sich feiner durch Chromolithographien wiedergeben.
Am 10. November 1856 fährt Lauchert über Paris und
London nach Windsor; der Aufenthalt dauerte nur drei
Tage, es ist n :ht bekannt, ob er hier ein Porträt geschaffen hat. Sir George Couper, ein bei der Herzogin von
Kent attachierter Herr, vermittelt Lauchert eine Begegnung mit Prinzessin Amalie. Bei dieser Gelegenheit legten beide den Hochzeitstermin für das kommende Frühjahr in Herbsleber, fest. Der Wille der Liebenden überwand den Standesunterschied und die Bedenken wegen
einer ungesicherten Zukunft. Der Widerstand der Fürstlich Hohenloheschen Familie gegen die Heirat bekundete
sich in sehr energischer Weise. Schon am 2. November
1855 hatten die Brüder und Verwandten der Prinzessin
an Lauchert ein Schreiben gerichtet mir der Aufforderung, die Verbindung zu lösen und erklärt, daß sie nie
ihre Einwilligung zur Heirat geben werden. „Für den
Fall aber, daß gegen Erwarten die Prinzessin Amalie und
Herr Lauchert dennoch auf ihrem Vorhaben bestünden
und auch gegen den Willen der fürstl. Familie und ohne
Zustimmung derselben diese Verbindung eingehen würden, sehen sich die Unterzeichneten in die traurige
Nothwendigkeit versetzt zu erklären, daß sie die Prinzeß Amalie nicht mehr bei sich empfangen, jeden Verkehr mit ihr abbrechen und sich in Beziehung auf alle
pecuniaire Unterstützung lediglich an die desfallsigen
Bestimmungen der Hohenloheschen Hausgesetze halten
würden." Diese Erklärung war unterzeichnet von Viktor Herzog von Ratibor, Chlodwig Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst, Ernst Fürst von Hohenlohe-Langen
bürg und Egon Fürst von Hohenlohe-Waldenburg. 14
sönlichkeiten, u. a. den früheren württembergischen Minister Prinz Heinrich von Hohenlohe-Kirchberg, der bereits 30 Jahre in Petersburg lebt. Vor allem aber freundet er sich mit Dr. Heyfelder, Professor an der Universität Petersburg, an. Dieser war 1833 Leibarzt des
Fürsten Karl in Sigmaringen und Medizinalreferent der
Fürstlichen Regierung. Er erwarb sich in Rußland große
Verdienste durch die Bekämpfung der Cholera. Ein
Porträt Heyfelders schenkte Lauchert dem Fürsten Karl
Anton. In Sigmaringer Privatbesitz befinden sich Studienköpfe russischer Bauern aus der Petersburger Zeit.16
Aus Rußland zurückgekehrt errichtet Lauchert in Berlin
eine „Stadtpraxis" wie er selbst seine Arbeit nennt. Am
9. April 1862 schreibt er an Karl Anton: „Ich kann Euer
kgl. Hoheit die Versicherung geben, daß ich wahrlich ein
geplagter Mensch bin, daß jetzt ganz Berlin von mir gemalt sein will und ich den Schluß ziehen muß, daß ich
jetzt Mode geworden bin . . . so weiß ich wirklich
nicht wie ich immer neue Kräfte sammeln soll". Er malte
Dutzende von Bildern u. a.: das Kronprinzenpaar von
Preußen, Graf Stillfried als portugiesischen Grande, den
neuen portugiesischen Gesandten von Armin und die
Gräfin Blücher geb. Fürstin Lobkowitz.
Im Januar 1863 wird Lauchert am Hof in Kopenhagen
als Abgesandter der Königin von England freundlich
empfangen. Im Thronsaal des Schlosses malt er den
Prinzen und die Prinzessin von Dänemark. Zahlreiche
Aufträge vor allem aus Adelsfamilien in Berlin während der Jahre 1864 bis 1868 führte Lauchert gewissenhaft und vollendet aus. Diese Arbeiten gingen über seine
Kräfte; er starb am 27. Dezember 1868 mitten in seinem
erfolgreichen Schaffen.
Marie Prinzessin
von H o h e n z o l l e r n ,
v e r m ä h l t 25. 4.
1867
mit Philipp Graf von Flandern, gemalt von Richard Laudiert 1852,
Landhaus Krauchenwies.
Die standhafte Liebe der Prinzessin Amalie kehrte sich
nicht an diesen Einspruch. Sie schreibt an den Fürsten
Karl Anton: „Ich bitte Gott aus Grund meines Herzens,
daß er mir beistehe meinem geliebten Laudiert wirklich
das seyn und werden zu können, was er von mir erwartet und ihn so glücklich werden zu laßen, als es sein
treues, vortreffliches Herz verdient. Es wird dieß mein
eifrigstes Bestreben seyn. Und, glauben Sie nicht, verehrter Fürst, daß wenn wir Beide so ernst1 ich und aufrichtig gegenseitig dieses Streben haben, wir muthig all
den uns prophezeihten und angedrohten Gefahren
trotzen können, die unsere Vereinigung zur Folge haben
soll, nach dem Urthe ; ' der Welt?" 15
Nach anfänglichen Bedenken des Fürsten Karl Anton
fand Laucnert in ihm durch briefliche und persönliche
Aussprachen einen treuen Helfer in dieser schwierigen
Angelegenheit. Auch der Herzog von Coburg-Gotha bemühte sich die Hindernisse zu beseitigen. Am 30. April
1857 erfolgte tre Trauung nach evangelischem Ritus in
Herbsleben und nach katholischem am folgenden Tage
in Gotha. Lauchert konnte mit gutem Gewissen eine
Familie gründen, er besaß 1855 schon ein Vermögen von
10.000 Gulden, das durch seinen Fleiß weiter angewachsen war. Der erste Wohnsitz war Darmstadt, dann Gotha und schließlich Berlin.
Das glückliche Familienleben beflügelte Laucherts Arbeitseifer. Von Oktober 1857 bis April 1858 besuchte er
mit seiner Frau auf Empfehlung der Großfürstin Michael den Hof in Petersburg und malt dort Mitglieder der
Zarenfamilie und an Weihnachten den Kaiser. Von
Petersburg war Lauchert so begeistert daß er vorhatte,
nochmals dorth i zu fahren. Er trifft bedeutende Per-
Es ist leider nicht mehr möglich alle Arbeiten Laucherts
zusammenzustellen. Die Kriegswirren und die politischen
Verhältnisse zerstreuten viel Kunstgut. Die Porträts im
Raum um Sigmaringen und die in seinen Briefen und in
der Literatur erwähnten Arbeiten werden in Nummer 2
dieser Zeitschrift in einem Werkverzeichnis publiziert.
Mit Sigmaringen, der Landschaft und den Menschen der
Heimat war Lauchert zeitlebens eng verbunden. Besonders dankbar erzeigte er sich stets dem Fürsten Karl
Anton und nahm lebhaften Anteil an dem Schicksal der
Fürstlichen Familie, an dem frühen Tod der Königin
Stephanie von Portugal (f 1859) und des Prinzen Anton
(t 1866 nach der Schlacht bei Königgrätz). Den Geburtstag des Fürsten am 7. September hat Lauchert nie vergessen und mit den Glückwünschen oft ein Bild übersandt. Jedes Jahr besuchte er, später mit Frau und
seinen fünf Kindern, die Heimatstadt. Er war ein treusorgender Sohn und Bruder: der Tod der Eltern und der
Verlust des Vaterhauses erschütterten ihn aufs tiefste.
Sein Selbstbildnis (1859) im großen Sitzungssaal des
Rathauses in Sigmaringen und seine Porträts in den
Salons von Schloß Sigmaringen und im Landhaus Krauchenwies und zahlreiche Bildnisse Sigmaringer Bürger im
Privatbesitz erinnern heute noch an diesen bedeutenden
Sohn der Stadt Sigmaringen, der über allem Erfolg die
Heimat nie vergessen und sie immer gern besucht hat, l r
Anmerkungen
1
J u g e n d b r i e f e u n d Zeugnisse Richard Laucherts b e w a h r t das Sigmaringer Stadtarchiv.
2
Gustav Hebeisen, D e r H o f m a l e r Richard Lauchert von Sigmaringen
u n d SEitid H e i r a t mit der Prinzessin Amalie von H o h e n i o h e Schiilingsi'ürst. Aus dem V o r t r a g am 17. J a n u a r 1928. H o h e n zollerisdies H e i m a t b l a t t , 1, (1928) N r . 1 u n d 2.
3
Ulrich Thieme und Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Küns :r von der A n t i k e bis zur G e g e n w a r t , 37 Bände,
Leipzig 1907—1950, hier: Band 22, S. 431 f.
Allgemeine Deutsche Biographie, Band 18 (Leipzig 1883), S. 25.
4
Thieme-Becker,
Band 7, S. 432 ff.
r>
Thieme-Becker,
Band 3, S. 457.
5
ULF KOERNER
Der Albstollen
Geologische Grundlagen und Voruntersuchungen beim Bau der zweiten Leitung
der Bodenseewasserversorgung
Vortrag, gehalten bei der Jahresversammlung
des Hohenzollerischen
Geschichtsvereins am 28. Okt. 1968
in Sigmaringen
Nach der Abhandlung, von Dr. Frii.t Schmidt, techn.
Direktor der Bodenseewasserversorgung, „Das Beispiel
der Bodenseewasserversorgung, ein exemplarisches Modell" (HH 18, 1968, S. 19—21) liegt nun mit diesem
Fachaufsatz der geologische Teil des Gesamtberichts über
den Bau der 2. Leitung der Bodenseewasserversorgung
vor. Beide Teile wollen dem Lehrer eine wissenschaftlich
fundierte Handreichung sein für den heimatkundlichen,
wie geologisch-erdkundlichen
Unterricht.
Die Schriftleitung.
Aufgabe und Ziel der Geologie sind die Untersuchungen
zur Gescl :hte der Erde, und insofern ist auch der Geologe Historiker. Auch die Erdgeschichte hat ihre Beziehungen und Auswirkungen auf die Gegenwart ebenso
wie die Menschheitsgeschichte, deren Erforschung sich
auch der Hohenzollerische Geschichtsverein zur Aufgabe
gemacht hat. Schon seit jeher war die Geologie von Bedeutung bei der Suche nach den natürlichen Rohstoffen
wie Erz, Kohle und Erdöl. In neuerer Zeit haben die
Fortschritte der Ingenieurwissenschaften die Voraussetzungen für größere und schwierigere Bauvorhaben geschaffen, zu deren Ausführung die Kenntnis des tieferen
Untergrunds unabdingbare Voraussetzung ist. Die Inangriffnahme eines größeren Stollen- oder Tunnelbaus
würde heute ohne die Kenntnis über die zu durchfahrenden Gesteinsschichten mindestens zum finanz :llen Mißerfolg führen, wenn nicht sogar schwerwiegendere Folgen
eintreten könnten. Täglich erlebt man auf der Baustelle,
wie schon kleine Überraschungen oder Unterschiede gegenüber den erwartenden Gebirgsverhältnissen zu erheblicher Minderung der Vortriebsleistung und Kostensteigerung führen. Gerade bei modernen Bauvorhaben
der Gegenwart und Zukunft gelangt eine historische
Wissenschaft wie die Geologie zu einer unerwarteten
Aktualität. Dies ist der Grund, daß auch der Zweckverband der Bodenseewasserversorgung (BWV) schon
seit jeher geologische Beratung bei der Planung und
Ausführung seiner großvolumigen Wasserleitungen in
Anspruch nimmt.
Die 2. Leitung der
Bodenseewasserversorgung
Bekanntlich versorgt die Bodenseewasserversorgung schon
seit 1958 große Städte in der Baar, im östlichen Schwarzwald, im Neckartal und nicht zuletzt den Großraum
und die Landeshauptstadt Stuttgart mit Trinkwasser
aus dem Bodensee. Dieses Wasser wird bei Sipplingen
60 m unter dem Seespiegel entnommen und durch das
Seepumpwerk auf den Sipplinger Berg gepumpt. Dort
wird das Rohwasser zu Trinkwasser aufbereitet und von
einem zweiten Pumpwerk zum Scheitelbehälter Liptingen
bei Tuttlingen gefördert. Von dort fließt das Wasser in
eigenem Gefälle bis nach Stuttgart. Bei der Fertigstellung
1958 war natürlich nicht zu erwarten, daß nur ein Jahrzehnt später die Kapazität dieser Leitung nicht mehr
ausreichen würde und der Bau einer zweiten Leitung
sich als notwendig erweise. Bereits 1963 mußte mit den
Voruntersuchungen zum Bau der 2. Leitung begonnen
werden. Die Wassermangelgebiete der Baar und ihrer
Umgebung können durch die 1. Leitung ausreichend versorgt werden, sodaß für die 2. Leitung der Plan, sie der
Luftlinie folgend zu verlegen, wieder aufgegriffen wurde. Außerdem sollten diesmal die dauernden Pumpkosten
der 2. Förderungsstufe vom Sipplinger Berg nach Liptingen eingespart werden. Durch das Projekt Albstollen
kann diese technische und wirtschaftlich bedeutende
Forderung erfüllt werden, da in diesem Fall das Wasser nicht über die Höhen der Zolleralb gepumpt werden
muß. Bei Veringendorf im Landkreis Sigmaringen erreicht die erdverlegte Leitung den Stolleneinlauf in der
Büttnau, und 24 km nördlich davon endigt der Stollen
am Auslauf in Talheim, Kreis Tübingen. Von dort wird
die Leitung wieder wie im Südabschnitt in erdverlegten
Stahlrohren bis Stuttgart bzw. bis Heilbronn weitergeführt. Vor Erreichen des Albstolleneinlaufs in der
Büttnau mußten noch einige geographische Engstellen im
Laucherttal durch insgesamt 5 Vorstollen von 100 bis
1 200 m Länge überwunden werden. In diesem Stadium
der Planung wandte sich der ZV BWV an das Geologische Landesamt in Freiburg, um die geologischen
und hydrologischen Voraussetzungen durch gemeinsame
Untersuchungsarbeiten zu klären.
Fortsetzung von voriger Seite:
6
Die zitierten Briefe sind entnommen aus: Fürstl. H a u s - und Domänenarchiv, Neuer Zuwachs, R u b r i k 53, 12, U F 10.
Friedrich von Boetticher, M a l e r w e r k e des 19. J a h r h u n d e r t s , Dresden 1895, Band 1, S. 813.
8
FAS, N Z , 53, 12, U F 10.
" D i o s k u r e n , Berlin 1857, S. 91.
10
Gedcnkschrift zur Erinnerung an den G r o ß h e r z o g Carl Alexander
und Führer durch die aus A n l a ß seines 100. Geburtstages vom
24. J u n i bis 15. O k t o b e r 1918 im Großherzoglichen Museum zu
W ' n a r veranstaltete Gedächtnisausstellung, N r . 3, 4 und 5.
11
A u s k u n f t von Frau D r . H u b e r , H o f b i b l i o t h e k , Donaueschingen.
12
Mitteilung von D r . J o h a n n Georg P r i n z von H o h e n z o l l e r n ,
München, P i n a k o t h e k .
13
Dioskuren, Berlin 1862. S. 174.
14
Eigenhändige Abschrift des Fürsten K a r l A n t o n , FAS, N Z , 53,
12 U F 10.
15
FAS, N Z , 53, 12, U F 10.
1H
Im Besitz des K a u f m a n n s M a x Frick, Sigmaringen.
17
Die P o r t r ä t s der Eltern Laucherts befinden sich durch Schenkung
des K a u f m a n n s M a x Frick sen. im R a t h a u s Sigmaringen.
Bildnachiueis:
F o t o - N o l t i n g Sigmaringen.
7
6
Die geologischen Grundlagen
und
Voruntersuchungen
Die Schwäbische Alb ist der Südrand des SchwäbischFränkischen Schichtstufenlandes und gleichzeitig das höchste Gebirge dieser geographischen Einheit. Der rasche
Wechsel der Gesteinsschichten im Juragebirge und besonders der Fossilreichtum derselben haben schon seit
Jahrzehnten die Geologen zu intensiven Untersuchungen
und Kartierungen dieses Gebiets angeregt. Die relativ
klare und einfache Schichtlagerung hat die gründliche
Durchforschung sehr begünstigt, und so stand von Anfang an fest, daß der Stollen bei Veringendorf in den
schichtungslosen Massenkalken des Oberen Weißjua beginnen und bis Talheim die Mergelstein- und Kalksteinstufen des Unteren Weißjura sowie die höchsten Doggertone (Ornaten-Ton) durchfahren würde. Außerdem war
bekannt, daß im Südabschnitt des Stollens zwischen
Veringendorf und Freudenweiler, Gemeinde Neufra, das
Massenkalkgebirge durch tektonische Randstörungen des
Laudiert- und Hohenzollerngrabens beeinflußt ist. Diese
Grabenbrüche sind besonders durch die mit ihnen in
Verbindung stehende seismische Aktivität der Zollernalb
auch allgemein bekannt. Weiter war zu erwarten, daß
sich die weit fortgeschrittene und tief reichende Verkarstung
des Kalksteingebirges sehr erschwerend auf den Stollenvortrieb auswirken dürfte. Es bestand die berechtigte
Befürchtung, durch den Stollenvortrieb könnten wasserwirtschaftlich sehr bedeutende Karstquellen im Fehlaund Laucherttal nachhaltig geschädigt werden, und andererseits könnten beim Stollenbau Menschenleben durch
starke Wassereinbrüche gefährdet werden. Während der
langen Zeiträume, in denen die Albhochfläche Festland
war, leisteten die Oberflächengewässer intensive Lösungsund Erosionsarbeit. Auf der Hochfläche bildeten sich
Täler und in diesen später Dolinen, d. h. Schlucklöcher,
in denen das Oberflächenwasser versitzt. Im Berginnern wurden kleinere und größere Hohlräume ausgewaschen, die später durch nachbrechendes Gebirge oder
Lehmeinschlämmungen zum Teil wieder verfüllt wurden.
Einige dieser Hohlräume sind als Karsthöhlen der Alb
weit bekannt und berühmt, besonders diejenigen am
nördlichen Albrand. Im Südabschnitt des Albstollens war
zu erwarten, daß ein Teil dieser Hohlräume auch mit
Karstwasser gefüllt sein dürfte. Ein Anschneiden derselben beim Stollenvortrieb hätte dann die genannten Gefahren heraufbeschworen.
Aufgrund dieser Vorkenntnisse und der befürchteten
Gefährdungen kam man überein, die Stollentrasse durch
eine größere Anzahl von Kernbohrungen genau zu untersuchen. Aufgabe dieser Kernbohrungen sollte sein:
1. Erkundung von Einfallen und Mächtigkeit der nach
Südosten abtauchenden Juraschichten
2. Untersuchung der Ausw 'kungen und des Verwerfungssinns von Klüften und Störungen der tektonischen Grabensysteme (Hohenzollern- und Lauchcrtgraben) im Bereich der Stollentrasse
3. Feststeilung des Umfangs und der Tiefe der Verkarstung des Massenkalkgebirges, sowie die laufende
Karsiwasserspiegelmessung während der gesamten
Bauzeit.
D:e Ausführung des Albstollens als geradlinige Verbindung zwischen Einlauf Buttnau und Auslauf Talheim
schied von vornherein aus, da in diesem Fall die Quellen
und Brunnen des Kreiswasserwerks Hednngen bei Burladingen unterfahren worden wären. Dies hätte schlimmstenfalls eine bleibende Schädigung dieser w-htigen
Quellen zur Folge haben können. Es wurden 15 Aufschlußbohrungen auf eine Stollentrasse angesetzt, mit der
das gestörte Gebirge im Hohenzollemgraben östlich umfahren werden sollte. Sie verlief vom Einlauf Büttnau in
nördlicher Richtung bis zum Wolfental bei Neufra und
von dort nach einem Richtungsbruch nach Nordwesten
bis zur europäischen Wasserscheide westlich von Burladingen (siehe Abb. 1). Die Auswertung der Kernbohrungen ließ jedoch erkennen, daß der Stollen auf dieser
Strecke fast 9 km seichten Karst, d. h. in Stollennineau
stark wasserführendes Kalksteingebirge, durchfahren
müßte. Außerdem war das Gebirge auch auf dieser
Strecke sehr stark zerrüttet, verlehmt und mit Hohlräumen durchsetzt. Bei direkter Querung des Hohenzollerngrabens waren keine schlechteren Gebirgsverhältnisse zu
erwarten. Außerdem war als großer Vorteil zu werten,
daß auf einer westlich davon verlaufenden geradlinigen
Verbindung von Einlauf Büttnau und dem Richtungsbruch bei Burladingen (an der Wassersch de) ne Verkürzung der Stollenstrecke im verkarsteten Massenkalk-
gebirge um 1,7 km und der gesamten Stollenlänge um
1 km erreicht werden könnte. Außerdem würde das
Einzugsgebiet der Karstquellen im Laucherttal weiter im
Westen — also in größerer Entfernung von den Quellenaustritten — gequert. D se Vorzüge wogen die Bedenken gegenüber der tektonischen und seismischen Gefährdung des Leitungsstollens bei einer direkten Durchfahrung des Hohenzollerngrabens bei weitem auf. Deshalb wurde diese westliche geradlinige Verbindung zwischen Einlauf Büttnau und Burladingen als neue Stollentrasse gewählt (siehe Abb. 1) und auf ihr 7 Kernbohrungen niedergebracht. Diese bestätigten die Erwartungen und ermöglichten die graphische Darstellung
eines geologischen Schnitts entlang der Stollentrasse
durch die Zolleralb, auf dem die Länge der einzelnen
Stollenabschnitte in den verschiedenen Schichtgliedern des
Abkürzung
und
Wächtigkeit
Schichtbezeichnung
vorherrschende
G e s t e r ¡ad
Druckfestigkeit Durchlässigkeit
ir Wasser
unCj
Kalkgefealt
massige Kalksteine
-
* Er,
z.T. dolomitische
«uf KlüPer.
Kalksteine
dolomitischer
Kalkstein
(mit Glaukonit)
und
Hohlräumen
stark
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IT PO
massiger Kalkstein
mit
durchlasse
auf Kluften
und
Hrhlräumtri
gut
durchlässig
Scheren und Laqen
massige Kalksteine
i\aiKSien,L JJ nKe ui.o Schwammkalke mit Merqelsteinbänken
Mergelsteine
W J
mit einzelnen
70-80 m
Kalksteinbänken
KalksteinBärike
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mit dünnen
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45-50 m
vgl.
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Kalksteinbänke mit fi jgi i1
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Kalksteinbänke mit
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Mergelsteine
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Abb. 2 Gesteinsaufbau im Stollenbereicn
nach dem Gutachten des Geol. "Landesamtes.
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Weißen und Braunen Juras ausgewiesen werden konnten
(siehe Abb. 3).
Die Auswertung der Kernbohrungen ließ folgende Voraussagen bezüglich Gebirgsverhältnissen und Streckenlängen
in den einzelnen Jurastufen zu: Vom Stolleneinlauf in
der Büttnau bei Veringendorf durchfährt der Stollen
auf einer 6 km langen Strecke nach Nordwesten ungeschichteten Weißjura-Massenkalk, in dem mit längeren
Zonen von zerrüttetem und gebrächem Gebirge gerechnet werden muß. Genauere Angaben über die Ausdehnung dieser Zonen konnten nicht gemacht werden, denn
im verkarsteten Massenkalk wechseln die Gebirgsverhältnisse sehr rasch und unmittelbar. Standfester massiger Kalkstein wird dort häufig dicht neben stark zerklüftetem und verlehmten Gebirgsstrecken angetroffen.
Zusätzliche Erschwernisse waren auf dieser Strecke vom
zusitzenden Karstwasser zu erwarten, über dessen Menge
nur größenordnungsmäßig Angaben gemacht werden
konnten, da noch niemals ein vergleichbares Untertagebauwerk in Mitteleuropa in ähnlichen Gesteinsschichten
erstellt wurde. Den einzigen Anhaltspunkt für das zu
erwartende Karstwasser bilden die großen Quellen im
Laucherttal, deren größte — die Gallusquelle bei Hermentingen — maximal 2000 1/sec. spendet und die
jahreszeitlich bedingten Schüttungsschwankungen im Verhältnis von 1 : 20 unterworfen ist. Dementsprechend
mußte auch b i der Stollenauffahrung zur Schneeschmelze
oder nach Perioden mit hohen Niederschlägen mit Zuflüssen von einigen Hundert 1/sec. gerechnet werden.
Zusätzliche Zonen mit nachbrüchigem Gebirge waren an
den Grabenrändern des Hohenzollerngrabens nordöstlich
von Harthausen und südöstlich von Freudenweiler zu erwarten. Am nördlichen Grabenrand erreicht der Stollen
infolge der relativen Hebung der nördlichen Gebirgstafel
die liegenden Schichtstufen unter dem Massenkalk, die
mittleren Malm-Mergel (Weißjura Gamma), Von hier ab
nach Norden waren wesentlich bessere Gebügs Verhältnisse zu erwarten, da das 60—70 m mächtige Schichtpaket t ieser Mergel als wasserstauende Schicht wirkt
und dadurch das tiefere Eindringen der Verkarstung
ver ändert. Nach 1,5 km in diesen Mergelsteinen folgen
nach Norden gut geschichtete Kalkstiinbänke, die sogenannten wohlgeschichteten Bankkalke, die trotz ihres
hohen Gehalts an Kalziumkarbonat nicht verkarstet sind,
da sie durch die Mergelsteinschichten im Hangenden vor
Verkarstung bewahrt werden. Lediglich an den Störungen des Hohenzollerngrabens kann Wasser in diese Tiefen einsickern und dann auf Klüften des spröden Bank-
Geologischer Längenschnitt
Nach dem Gutachten des Geologischen Landesamtes
1
Ol
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c
c
ä
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55
-700
Stollen km
Gesamt Km
Abb. 3
8
kalkgesteins zirkulieren. Demzufolge waren auch hier geringe Mengen von Wasserzuflüssen beim Stollenvortrieb
zu erwarten. Nach weiteren 3 km verläßt dann der
Stollen endgültig die Kalksteinschichten und damit auch
das Hartgestein. Es folgen auf weiteren 4 km Mergelsteinschichten des untersten Malms, in denen nur noch einzelne Kalksteinbänke eingelagert sind. Auch diese Mergelsteinschichten sind wasserundurchlässig, weshalb hier
Wasser nur auf einzelnen frischen Klüften zusitzen kann,
aber kaum zu erwarten war. Vom Richtungsbruch beim
Schacht Burladingen bis zum Auslauf Talheim folgen auf
9 km weiche, dunkelgraue Tonsteinschichten des Oberen
Doggers, die lediglich etwa in der Mitte bei Ringingen
von einer nicht zusammenhängenden Kalksteinlage
durchsetzt werden. Diese laibförmigen Kalksteine sind
sehr hart und enthalten sogen. Eisenoolithe (ein aus konzentrisch-schaligen oder radialfaserigen Kügelchen aufgebautes Gestein). Als Makrocephalenoolith bildet diese
Schicht einen wichtigen geolog. Leithorizont, der trotz seiner geringen Mächtigkeit durch das ganze Jurageuirge verfolgt werden kann. Als zusätzlichen Aufschluß zum Studium der weichen Ton- und Mergelsteinschichten wurden 3
kurze Versuchsstollen bei Killer im Ornatenton desBraunjura, bei Hausen i.K. in den unteren Weißjuramergeln und
bei Burladingen in den mittleren Weißjuramergeln aufgefahren. Wegen ihres hohen Tongehaltes und wegen
der nur geringen Verfestigung zerfallen diese Gesteine
an der Oberfläche unter dem Witterungseinfluß sehr rasch
und sind dann nicht mehr vergleichbar mit ihrer Beschaffenheit im tieferen Untergrund. In diesen Untersuchungsstollen konnten mechanische Messungen über
das Verhalten eines Stollens in diesen Gesteinsschichten
durchgeführt werden. Wegen ihrer geringen Tiefe waren
die Einflüsse durch Oberflächenwasser und Hangklüftung
in diesen Stollen noch sehr stark, sodaß die Messungsergebnisse nur beschränkt für oberflächennahe Strecken
des Albstollens Aussagewert hatten.
Der
Stollenbau
1. Das Profil
Wegen den starken Wasserzuflüssen, die im Karstgeb'rge
zu erwarten waren, wurde vom ursprünglichen Plan
abgeraten, den Stollen mit gleichbleibendem Gefälle von
Süden nach Norden aufzufahren. In diesem Fall hätte
ein überraschender Karstwassereinbruch durch den wenigstens 18 km langen Stollen nach Norden abgeleitet
werden müssen. Entsprechende technische Veränderungen
ern " glichten die Ausführung des Stollens als Dachprofil, dessen Scheitelpunkt in der Schachtfußkaverne
Freudenweiler liegt. Nach diesem Plan wird der
Stollen von Süden durch den verkarsteten Massenkalk
und den Hohenzollerngraben bis Freudenweiler mit
einer Steigung von o,7 °/oo und von Norden (Talheim)
bis zum selben Punkt ebenfalls mit einer Steigung von
1 °/oo aufgefahren. Auf diese Weise werden auch die
wasserwirtschaftlichen Forderungen nach Wahrung der
bestehenden Abflußverhältnisse erfüllt: Die der Laudiert
bzw. der Donau zufließenden Karstwasser bleiben diesem Flußsystem erhalten.
2. Die Schächte
Wegen der hohen Überdeckung über der gesamten Stollentrasse konnten zusätzliche Vortriebsmöglichkeiten nur
durch den Bau von senkrechten Schächten gewonnen
werden. Aus karsthydrologischen Gründen wurde der 1.
Schacht (Harthausen) an den Südrand des Hohenzollerngrabens — etwa in der Mitte der verkarsteten Massenkalkstrecke — gelegt. Er sollte als erster abgeteuft werden, um Aufschlüsse über die Menge des zusitzenden
Wassers im Niveau unter dem Karstwasserspiegel zu erhalten. Der 2. Schacht (Freudenweiler) wurde am Nordrand des Hohenzollerngrabens und zugleich am Scheitelpunkt des Dachpiofils vorgesehen. Wegen des Neigungsunterschieds zwischen südlicher u. nördlicher Stollenstrecke
ist er auch künftig für den Betrieb des Albstollens von
Bedeutung. Der letzte Schacht wurde am Richtungsbruch
bei Burladingen angelegt. Diese Stelle bot sich wegen des
Taleinschnitts und der daraus folgenden geringen Mächtigkeit des Deckgebirges an. Außerdem durchschneidet
der Stollen dort die Weißjura-Braunjuragrenze, d. h. die
weichen Doggertongesteme werden nach Süden von härteren Mergelsteinschichten mit Kalksteinbänken abgeiöst.
3. Die
Auffahrungsmethoden
Aus der Lange und der Gesteinsbeschaffenb.;it der einzelnen Stollenabschnitte in den verschiedenen Jurastufen
ergaben sich die Möglichkeiten für den wirtschaftlichen
Einsatz von Stollenfräs- und -bohrmaschinen bezüglich
Modell und Fabrikat. Besonders geeignet für eine derartig moderne Auffahrungsmechode erschienen die wasserfreien, weichen und ziemlich homogenen Ton- und
Mergelgesteine des Oberen Doggers und des Unteren
Malms im Nordabschmtr. Außerdem zeigten die Voruntersuchungen, daß die Stollenabschnitte in diesen
Schichten besonders lang werden. Dagegen mußte im
Weißjura-Massenkalk wegen der Verkarstung emsch iel
den vom Ei lsatz von Vortriebsmaschinen abgeraten werden, da ein wechselhaftes, lehmdurchsetztes Gebirge, das
außerdem noch große Mengen von Karstwasser führt,
dieser Vortriebsmethode fast unüberwindliche technische
Schwierigkeiten entgegengesetzt. Entsprechend den Voruntersuchungen konnte die maschinelle Auffahrung für
die Strecken von Talheim bis Burladingen und unter
günstigen Gebirgsbe^ingungen bis Freudenweiler vorgesehen werden. Zwischen Freudenweiler und Einlauf
Büttnau ist auf jpien Fall die herkömmliche Sprengmethode entschieden vorzuziehen, da bei ihr eine rasche
Umstellung von Vortriebs- auf Sicherungsarbeiten leicht
möglich ist, wenn schlechte Gebirgszonen oder Wassereinbrüche dies notwendig machen.
4. Die
Ausbaumethoden
Auch für die Ausbaumethoden waren die Voruntersuchungen von Bedeutung. In den Strecken mit dichtem
Ton- und Mergelgestein ist es ausreichend, wenn das
2,8 m hohe Ausbruchsprofil lediglich mit einem etwa
20 cm starken Schalbeton ausgekleidet wird. Im Karstbereich muß dagegen die Betonröhre gegen das Eindringen von Karstwasser oder gegen ein Entweichen von
aufbereitetem Trinkwasser abgedichtet werden. Diesem Zweck soll auf der Strecke zwischen der Büttnau und
Harthausen eine mehrere mm dicke Plastikfolie dienen,
während auf der Strecke durch den Hohenzollerngraben
diese Aufgabe ein elastisch gebettetes Panzerrohr übernimmt. Dieser Ausbau ist in der Lage, tektonisch bedingte Scherbewegungen des Gebirges bis zu einem Verschiebungsbetrag von 1 cm bruchlos aufzunehmen.
T. Die Gefährdung durch
Erdbebentätigkeit
Die Beobachtungen der seismischen Aktivität auf der
Zollernalb in den letzten Jahrzehnten haben gezeigt,
daß die alten Störungszonen am Hohenzollerngraben in
jüngster Zeit nicht mehr aktiv waren. Feinnivellements
vor und nach dem Beben von 1911 über die Grabenzone hinweg zeigten keine Differenzen, die auf 1 s zur
Oberfläche wirksame Verschiebungen in der Erdkruste
hinwiesen. Aus diesem Grund erscheint die Querung des
Hohenzollerngrabens durch eine gepanzerte Leitung ohne
besonderes Kisiko. Bekanntlich ¿ind unterirdische Bauwerke für Beschädigungen durch Erdbebenerschütterungen weniger anfal' : g als Bauwerke oder auch Leitungen
an der Oberfläche. Resonanzbedingte Aufschaukelungen
n Lockergesteinen und große Bodenklassenunterschiede
Westliche Variante
Endgültig vorgeschlagene Trasse
70 km
9
im Baugrund — z. B. Sprengfels neben tonigem Lehm —
führen bei Erschütterungen zu so verschiedenen Beanspruchungen, daß erhebliche Beschädigungen der Bauwerke oder Rohrleitungen auftreten können. Es empfiehlt
sich, gerade in Erdbebengebieten Rohrleitungen mit
großem Durchmesser durch Stollen zu verlegen, da dies
die beste Sicherung gegen seismisch bedingte Beschädigungen darstellt.
6. Das Karstwasser
Als weiteres Ergebnis der Aufschlußbohrungen konnte
dargelegt werden, daß sich der Spiegel des ruhenden
Karstwassers nach Südosten absenkt. Bezogen auf die
benachbarten Vorfluter Büttnau, Laudiert und Fehla
konnte aus den Wasserständen in den Pegelbohrungen
geschlossen werden, daß beim Stollenvortrieb von Süden
nach Norden auf dem ersten km der Karstwasserspiegel
angefahren und auf dem zweiten km unterfahren werden dürfte. Nach Norden steigt er dann bis auf 40 m
über die Stollenachse an. Das bedeutet, daß auf der
Stollenstrecke im Karstgebirge im ungünstigsten Fall
Wasser mit einem Druck von etwa 3 atü zusitzen kann.
Andererseits war den Bohrkernen (siehe Abb. 2) zu entnehmen, daß in tieferen Zonen — etwa 20 m unter
dem Karstwasserspiegel — das Kalksteingebirge nur
gering angelöst und mit wasserführenden Klüften oder
Gerinnen durchsetzt ist. Dies bestärkte die Hoffnung,
daß dort trotz des höheren hydrostatischen Drucks im
tieferen Massenkalkgebirge keine katastrophale Beeinträchtigung des Vortriebs durch lokale und mengenmäßig hohe Wasserzuflüsse zu erwarten ist. Allein aufgrund der Kernbohrungen konnten keine Aussagen über
die Quantität der zu erwartenden Wasserzuflüsse gemacht werden. Diese Bohrungen hatten nur einen Durchmesser von 100 mm; das ist zu eng, um einen Pumpversuch durchzuführen, der Rückschlüsse auf die gewinnbaren Wassermengen zuläßt. Auch die Schüttungsmengen der benachbarten Karstquellen lassen sich nicht ohne
weiteres mit den Zuflüssen im Stollen vergleichen, denn
erstens sind die Durchmesser der Karstgerinne, die zu
den Quellen führen, unbekannt, aber sicher geringer als
die Stollenröhre, und zweitens als jahrhundertealte Wasserwege sehr leistungsfähig. Im Gegensatz dazu ist die
Stollenröhre nur eine kurzfristig wirksame Drainage,
die nach dem Ausbau wieder völlig dicht sein muß. Ihr
Durchmesser ist aber um ein Vielfaches größer als der
natürlicher Karstgerinne. Überschlägig konnte nur geschätzt werden, daß auf der 7 km langen Karststrecke
sicher mit mehreren 100 1/sec. an Wasserzuflüssen gerechnet werden muß. Außerdem sind sie auch — wie die
Karstquellen — jahreszeitlich bed: gten Schüttungsschwankungen unterworfen. Ob allerdings die Relationen dieser Schwankungen gleich sind wie bei den Karstquellen (1/10 — 1/20) konnte nidit vorausgesagt werden.
Nach dem Abteufen wurden die Aufschlußbohrungen
verrohrt und an der Basis mit einem Filter versehen.
Die Bodenseewasserversorgung wurde verpflichtet, einen
Meßdienst einzurichten, durch den wöchentlich die Wasserstände in den Bohrpegeln und die Schüttungsmengen
der durch die Stollenauffahrung gefährdeten Quellen
gemessen werden. Auch einige Quellen außerhalb des
Einflußbereiches des Albstollens werden zum Vergleich
gemessen, damit im Fall der Schädigung einer Quelle
Vergleichsdiagramme von unbeeinflußten vorliegen. Zusätzlich werden die Niederschlagsmessungen der Wetterwarten Harthausen, Veringenstadt und Burladingen
festgehalten und auf Diagramme aufgetragen. Aufgrund
dieser Unterlagen kann die Höhe des Wasserverlustes
einer Quelle abgeschätzt werden, falls eine Schädigung
durch den Stollenbau auftritt. Dieser Meßdienst wird
über die gesamte Planungs- und Bauzeit des Albstollens
durchgeführt und kann künftig als einzigartige Unterlage
bei der Untersuchung karsthydrologischer Fragen dienen.
Zur Sicherung der Wasserversorgung der Zollernalbgruppe installierte die Bodenseewasserversorgung eine
ständig einsatzfähige Notversorgung, falls die Wasserspende der Gallusquelle infolge des Stollenvortriebs
unter die Mindestspende von 130 1/sec. absinken sollte.
Inzwischen hat sich am Albstollen schon allerhand
getan. Heute sind von der gesamten Stollenlänge
mehr als 20 km aufgefahren und man wird mit Recht
fragen: Sind die geologischen Voraussagen auch alle eingetroffen? — Prinzipiell ist diese Frage mit ja zu beantworten. Dabei muß man berücksichtigen, daß auf
größeren Stollenstrecken keine Untersuchungsbohrungen
niedergebracht wurden, und deshalb in diesen Gebieten
kleinere Veränderungen gegenüber den Erwartungen
eingetroffen sind. Trotz aller Untersuchungen bleibt der
Vortrieb ins Berginnere immer ein Vorstoß in unbekanntes Neuland.
RUDOLF SEIGEL
Die Herrschaft Achberg im 18. Jahrhundert
Seit dem 1. Januar 1969 gehört die Sigmaringer Kreisgemeinde Achberg zum Kreis Wangen. Zweifellos hat
man sich im Wangener Landratsamt inzwischen einen
Überblick verschafft über die Verhältnisse in der neuen
Kreisgemeinde. Bereits zu Beginn der Herrschaft des
Deutschen Ordens in Achberg wurde zu Verwaltungszwecken ein Überblick angefertigt. Er ist zwar noch
weit entfernt von der modernen Statistik, aber — inzwischen zur Geschichtsquelle geworden — zeigt er uns
die Verhältnisse in der Herrschaft Achberg am Anfang
des 18. Jahrhunderts.
Der Deutsche Orden hatte Achberg 1691 erworben. Mittelpunkt und Sitz der Herrschaft war die über der Argen erbaute Burg Achberg, nach der sich ihre ersten
geschichtlich nachweisbaren Herren, die Herren von Achberg, nannten. Sie treten am Ende des 12. und in der
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf. Erst 1335 wird
10
Achberg wieder erwähnt, als es von den Truchsessen von
Waldburg an die Herren von W olpertshausen übergeht.
Hans von Wolpertshausen trug 1352 die Herrschaft Achberg dem Haus Österreich zu Lehen auf, und von da an
blieb Achberg bis 1806 österreichisches Lehen. Schon
1366 ging die Herrschaft an die vorarlbergische Familie
Öder und von dieser durch Heirat einer Erbtochter 1412
an die Herren von Königsegg zu Königseggerberg, die
die Herrschaft über ein Jahrhundert lang besaßen. Hans
Dionysius, der Letzte des Geschlechts von Königsegg zu
Königseggerberg, gab 1530 das Lehen an Österreich zurück; sein Schwiegersohn, Hans Ulrich von Surgenstein,
wurde noch im gleichen Jahr von Erzherzog Ferdinand
mit der Herrschaft Achberg belehnt. 1691 verkaufte Johann Franz von Sürgenstein die Herrschaft Achberg an
den Deutschen Orden, der im Jahre 1700 von den Grafen von Montfort auch die hohe Gerichtsbarkeit, Forst-
und Geleitsrecht über die Herrschaft Achberg erwarb.
Über hundert Jahre lang war dann der Deutsche Orden Herr über Achberg, das dem Landkomtur der Bailei
Elsaß-Burgund in Altshausen unterstand. Nach dem
Preßburger Frieden (1805) nahm zunächst Bayern von
Achberg Besitz. Doch bei der Bildung des Rheinbundes
(1806) wurde die Herrschaft dem Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen zugesprochen. Die Herrschaft bildete weiterhin einen eigenen Verwaltungsbezirk
als
Obervogteiamt Achberg, das in preußischer Zeit (1854)
zum Oberamt Sigmaringen kam. Am 1. Januar 1969 endigte die nun 162jährige Zugehörigkeit Achbergs zu
Hohenzollern}
Die archivalischen Quellen zur Geschichte Achbergs sind
in Sigmaringen, Ludwigsburg und Altshausen überliefert.
Der umfangreichste Bestand befindet sich im Fürstlich
Hohenzollernschen Haus- und Domänenarchiv in Sigmaringen. Einen großen Teil dieses Bestandes nehmen
die Lehenakten und -urkunden und die Rechnungen ein,
die wichtiges Material zur Verwaltungs- und Sozialgeschichte enthalten. Das Staatsarchiv Sigmaringen besitzt gleichfalls einen Bestand Herrschaft Achberg, in
dem vor allem die Urkunden über die landesherrlichen
Rechte enthalten sind. Die Uberlieferung, die beim
Deutschen Orden, Achbergs Landesherr im 18. Jahrhundert, entstanden ist, befindet sich an zwei Stellen:
Das Staatsarchiv Ludwigsburg besitzt die Bestände
Deutschordensballei
Elsaß - Schwaben - Burgund
und
Deutschordenskommende
Altshausen. Ein kleinerer Bestand Kommende Altshausen liegt im Archiv des Hauses Württemberg in Altshausen; er enthält die besonders
wichtigen Protokolle der Kommende
(Konferenzprotokolle), die von 1666 bis 1806 reichen.2 Für die Geschichte Achbergs im 19. Jahrhundert befindet sich die
Überlieferung wohl ziemlich geschlossen in Sigmaringen:
Bestände Obervogteiamt Achberg und Oberamt Sigmaringen m Staatsarchiv, Bestände Rentamt und Oberförsterei Achberg im Fürstlichen Archiv.
Die im Manuskript 8 Seiten umfassende Beschreibung
der Herrschaft Achberg liegt im Bestand Herrschaft
Schloß Adlberg um das J a h r 1824.
Zeichnung v. R. Wiedmann (Fürstl. Sammlungen
Achberg des Fürstlich Hohenzollernschen
Haus- und
Domänenarchivs.3
Wie man schon aus der Gliederung
erkennt, hat sich der ungenannte Verfasser (vermutlich
war es der damalige Achberger Obervogt) bemüht, den
topographischen, rechtlichen, kirchlichen und wirtschaftlichen Zustand der Herrschaft übersichtlich darzustellen.
Kurze beschreibung
über
die herrschaft Achberg de anno 1708
Situation
Das schloss und herrschaft ist anno 1693 von herrn
Landkommenthurn von Baden 4 ) an den hohen orden
erkauft, ganz neu auferpaut und nach und nach die
aigentumbliche verschuldete güter samenthaft, ausser
etlichen an das Gottesfhaus] Langnau 5 gehörigen, mithin dan lösung der hierauf gelegenen starken sdiuldposten kauflich an sich gebracht worden; hat hohe, nidere, forstliche und glaitliche obrigkeit von einem kleineu bezürch,stost an das Algewer vorgebürg, gränzt
rings umb an das hochgräfliJie haus von Montforth, 2
stund von der stat Lindaw am Boodensee und so vil
auf Wangen.
Kürchen
In disem schloss ist ein Capellen von denen Freiherren
von Königpergg 6 fundiert, so mit satsamben paramentin wohlversechen; deren capitalien seünd zerstrait, ohngewüss; tragen jährlich 45 fl züns, welche dem negst
anligenden herrn gaistlichen zue Sibertschweiler zue seinem bessern unterhalt überlassen und deswegen wöchentlich zue lesung einer heiligen mess hierinen obligat ist.
In der herrschaft seünd 2 Kürchel, das eine zue Sibertschweiler und das andere zue Essertschweiler, jedes
mit einem gaistlichen, ehrlichen 7 paramentin und ornat
versehen.
Hauss
Das auf einem bergel stehende schloss bestehet in einem
schönen neuaufgefüehrten gepeu, unterschidlichen zim-
Sigmaringen).
11
mern, kornschüttinen und zwei kellern, ringsumb mir
einem tobel und bergen umbgeben.
In dem inneren hof ist ein neuauferpautes ambtshaus,
in dem äusseren aber ein dergleichen sennhaus, scheuren
und Stallungen für s. v. 8 vich und pferd, sodann waschkuchl, züegelhüeten, brenn- und kalchofen, darin in dem
ersteren an unterschidlichen materialien bei 9 000 stück
in dem anderen aber 50 fässle 9 kalch mögen gebrannt
werden.
Ausser des anderen hofs stehet ein wohlerpaute seegen
und schleifmühl, so dermalen der Schmidt gegen erlag
jährlichen 7 fl züns im bestand.
Weiler und höf, sambt hoche und niderer 'Jurisdiction
Zue dem schloss Achberg gehören folgende Weiler:
Sibertschweiler, Essertschweiler, Pechtenschweiler, Dobentschweiler, Liebenweiler, Isigitweiler, Gundtertweiler,
Regnitz, Dutznaw, Bündt, Bahlings mit aliglicher jurisdiction.
Item drei einschücntige10) höf Bufflings, Engelitz und
Reuthi, deren ersteren beede ertrag zue des pfarrers zue
Essertschweiler competenz, der letztere aber gnediger
herrschaft sambt alliglicher jurisdiction gehören, alles in
einem bezürch.
Ausser der herrschaft seünd 3 zue dem schloss Achberg
gehörige höf zue Sachsenweiler **. zwei zue Reterschen 12
und einer zue Feüermos 13 unter dem haus Montfort
ligend, wohin dem besizer rr t gebott und verbott obligat.
Die erträgligkait von allen disen güetern ist an bestendigen
geltzünsen 874 fl 18 xr 4 h
kernen 5 Viertel 1 Viertele
veesen 98 Scheffel 4 Viertel 3 Imi 3 Viertele
haber 155 Scheffel 2 Imi
kuchelgefäll: hennen 84, hiener 226, aier 2 601
Obiges quantum aber ist das L.ndawer und zwar kl^iniste mess.
L .„' ohnbeständige gefäll gehn sehr unterschldlich zue
3, 4 und fünfhundert auch mehr und weniger.
Zue dem schloss gehört ein feldpau, der dermalen einem
beständer gegen 300 fl jährlichen zünses verliehen; diser
ist gleich alle güeter in der herrschaft rauch, müehesamb
und kostbar zue pauen; mögent hirrauf gewüntert und
gesommeret 14 werden bis . . . 1 5 stück unterschidliches s.
v. vichs, 4 pfert und so vihl s. v. schwein.
Waldung und Jägerei
befünden sich in tannen und etwas
so derzeit noch nicht durchgehends
rer teil jungholz und deswegen
warinnen das völlige jagen und
das schloss Achberg hat.
weniger buechwälder,
ausgemarkt, ist mehan pauholz mangel;
alligliche jurisdiction
Gross- und kleinzechend
Die zechenden werden denen herren gaistlichen zue der
competenz zue ihrem besseren unterhalt überlassen.
Jus patronatus
Dergleichen -jus hat die herrschaft zue Sibert- und Essertschweiler.
Weinertrag
Einen rebgarten zue Retterschen am Boodensee ' 2 2 stund
von hier und einen zue Marckdorf; der erstere gibt 6,
12 bis 16 fueder der andere aber IV2 fueder nachdem
die jahrgäng seünd; deren pauerlohn aber ist costpar.
Steuer
Ist collectabel zue der reichsritterschaft Algew und Boodensee vierteis; würt nach dem rosspau verlegt und
solche ohne entgeh gnediger herrschaft sondern denen
leibaignen Untertanen abgestattet. 16
Die von ihnen besazende güeter seünd, ausser wenigen
dem gotteshaus Langen 17 gehörigen höfen, dem haus
und nicht denen Untertanen aigentumblich; müessen
solche in allem gepeu und anderen ehren unterhalten
und auf des manns absterben gegen gewüss ehrschatz
auf lieb und lebenlang empfangen werden; geben auch
auf jeder beeder ehegemächts abschaiden den besten fal,
als vom mann das beste pfert und vom weib die beste
kue.
Activschulden
Dermalen befünden sich an dergleichen schulden bei
2 687 fl 30 xr. Ertragen jährlich zue ganz und halben
zünsen 129 fl 22 xr 4 h.
Passivschulden
seünd keine vorhanden.
Bestendige ausgaben
seünd erstlich eines beambten, unterbedienten und jägers
so sich ohngefähr belaufen an
gelt 181 fl 50 xr 4 h
veesen 31 Scheffel 1 Viertel
haber 50 Scheffel 2 Viertel 2 Viertele
roggen 8 Malter, kernen 6 Malter, gersten 3 Malter,
Zue unterhalt der gepeu und andere nötige tag- und
fuehrwerk
Dise gehen gar unterschidlich; und weilen der hof verliehen, kommen solche auf 5, 6 und 7 hundert gülden.
Wan aber die herrschaft solch selbsten anpaut, über die
helfte mehr. Dahero weilen die fruetus der ausgaab
nicht zuekommen mögen, ist man solichen zue verleihen
bemüessiget worden.
Anmerkungen
1
V e r g l . Friedrich
Eisele,
D i e e h e m a l i g e H e r r s c h a f t u n d jetzige
E x k l a v e Ä i h b e r g , S c h r i f t e n des V e r e i n s f ü r Geschichte des B o densees u n d seiner U m g e b u n g 50, 1922, S. 9 8 — 1 3 9 u n d D e r
K r e i s S i g m a r i n g e n , A a l e n - S t u t t g a r t 1963, S. 93 f.
2
Freundliche M i t t e i l u n g v o n F r ä u l e i n Staatsarchivassessoriii D r .
M a r g a r e t e Reichenmiller, S t u t t g a r t , die m i t d e r N e u o r d n u n g des
A l t s h a u s e n e r B e s t a n d e s b e a u f t r a g t ist.
3
S i g n a t u r : 75,22 —
D i e Schreibweise des hier wörtlich wiedergegeDenen T e x t e s w u r d e ,
so w e i t es möglich u n d zulässig w a r , m o d e r n e r Schreibweise a n g e p a ß t u n t e r A n w e n d u n g d e r „ R i c h t l i n i e n f ü r die ä u ß e r e T e x t g e s t a l t u n g bei H e r a u s g a b e v o n Q u e l l e n z u r n e u e r e n deutschen
Geschichte" ( B l ä t t e r f ü r deutsche L a n d e s g e s c h i d i t e 102, 1966, S.
Mühlinen
Ohnweit dem dörfel Sibertschweiler befündet sich ein
schupflehenmühl; gibt jährlich 36 fl züns, so aber unter
die bestendige güeter gerechnet.
Fischenz
In der herrschaft ligen zechen grosse und kleine Weiher
wie auch 2 fischgruben, warunder zwei laichweiher seünd,
deren besatzung ist mehrentail von 2, 4, 6 und des
grösten von 1 600 stück, welche von drei zue drei jähren
alternatim gefischt werden.
Flüessend wasser
ist die an dem schloss vorbeilüessende Argen, tragt
mehrentails barnen, forellen und aschen.
12
1 — 10). —
D a s M a n u s k r i p t u m f a ß t 3 D o p p e l b l ä t t e r ( = 12 Seiten). D e r T e x t
u m f a ß t S. 1—8, S. 9 — 1 1 sind leer, S. 12 t r ä g t d e n V e r m e r k :
„ P r a e s e n s s t a t u s d e r h e r r s c h a f t A d l b e r g " . D i e B l ä t t e r sind in d e r
M i t t e g e f a l t e t , auf d e r l i n k e n S e i t e n h ä l f t e stehen die Z w i s c h e n ü b e r s c h r i f t e n , rechts d e r H a u p t t e x t .
A b k ü r z u n g e n : fl = G u l d e n , x r = K r e u z e r , h = H e l l e r .
' D e r V e r k a u f an den Deutschen O r d e n erfolgte am 11. Mai 1691.
Wegen der Einsprüche von Mitgliedern der Familie der Fieiherren
von Sürgenstein zog sich das I n k r a f t t r e t e n des Vertrags bis zum
J a h r 1693 hin. A m 3. M ä r z 1693 w u r d e der endgültige Vertragsbrief ausgestellt; die Achbergischen U n t e r t a n e n h a t t e n bereits am
26. Februar 1693 dem neuen Landesherren gehuldigt, dem L a n d k o m t u r F r a n z Benedikt von Baden (Eisele, S. 110). — F r a n z
Benedikt von Baden e n t s t a m m t einem urspr. zähringischen M i nisterialengeschlecht, das im E l s a ß und Breisgau begütert w a r .
V e r g l . / . Kindler
von Knobloch,
Oberbadisches Geschlechter buch,
1. Bd., Heidelberg 1898, S. 27—31.
5 Kloster L a n g n a u (Gem. O b e r l a n g n a u , K r . T e t t n a n g ) 1122—1389
B e n e d i k t i n e r p r i o r a t , 1404—1786/87 P a u l i n e r p r i o r a t (Grablege der
G r a f e n von M o n t f o r t ) . Z u m Besitz des Klosters in der H e r r s c h a f t
Achberg vergl. Eisele, S. 113.
0
Diese Angabe bezieht sich w o h l auf die N e u d o t i e r u n g der Schloßkaplanei durch J o h a n n Dionysius von Königsegg 1542 {Eisele,
S. 128). P a t r o n ist der hl. O n u p h r i u s (Vergl. Edmund
Bercker,
Die Kirchen-, K a p e l l e n - und A l t a r p a t r o n z i n i e n im Kreis Sigmaringen, Sigmaringen 1967, S. 27. Arbeiten zur Landeskunde H o henzollerns 6).
JOHANNES
7 „ehrlich" hier im Sinne v o n „ordentlich".
8
„s. v . " = sit venia (Verzeihung! M i t Verlaub!)
9
Der gebrannte K a l k w u r d e in Fässer gefüllt.
10
„einschüchtig" — einzeln stehend. Fischer, Schwäbisches W ö r t e r buch, B d . 2, Sp. 638. Z u r Vereinödung in der H e r r s c h a f t Achberg
vergl. Eisele, & 133.
11
Sackweiher, G e m . Neukirch, K r . T e t t n a n g .
12
Retterschen, Gem. K r e ß b r o n n , K r . Tettnang.
13
Feurenmoos, Gem. T e t t n a n g .
14
„ w i n t e r n " , „sommern" — F ü t t e r u n g des Viehs im W i n t e r und im
Sommer.
15
Die A n z a h l ist nicht angegeben. Sie w a r dem Schreiber wohl nidit
b e k a n n t u n d w u r d e später vergessen einzusetzen.
16
Besitzungen, die — w i e Adlberg — einmal zur Reichsritterschaft
gehört h a t t e n , m u ß t e n auch nach ihrem Übergang an einen Reichsstand im reichsritterschaftlichen Steuerverband verbleiben.
Die Veranlagung nach dem R o ß b a u beruht auf der Bewertung der
Achbergischen H ö f e als 4, 3, 2, 1, l V z , und lV4-rossigen G ü t e r n .
I n h a b e r von 4-rossigen H ö f e n d u r f t e n 4 P f e r d e auf die Gemeindeweide treiben usf. Vergl. dazu Eisele, S. 126 f , 134.
17
L a n g n a u , s. Anm. 5.
WANNENMACHER
Ein Rangendinger Auswanderer
schreibt zu Neujahr 1854 aus den USA an seine Mutter und Geschwister in Rangendingen
Theodor Hang, ein Sohn des 1849 gestorbenen Seraphin
Hang, der 10 Kinder hatte, wanderte 1852 — im Alter
von 21 Jahren — mit noch mehreren Bürgerssöhnen
nach den USA aus. In einem Brief zu Neujahr 1854
schrieb er an seine Mutter und Geschwister in der Heimat. Das Schreiben zeigt nicht nur die große Anhänglichkeit des Theodor Haug an seine nächsten Angehörigen in Rangendingen, sondern gibt zugleich interessante
Einblicke in die damaligen Verhältnisse unserer Auswanderer und die wirtschaftlichen Zustände und Möglichkeiten in Arne: ka. — Der Inhalt des Briefes sei
nach unserer heutigen Rechtschreibung — wie folgt —
wiedergegeben.
Dunganaon, den 28. Nov. 1853
Vielgeliebte Mutter und Geschwister!
Euer letztes an mich übersendetes Schreiben traf mich
gesund und wohl, in gutem Fortkommen und fröhlichen
Mutes an. Aber noch freudiger machte es mich, als ich
aus dem Inhalt Eures Briefes vernahm, daß Ihr auch
alle gesund und wohl und im Frieden beieinander lebet
und daß mein an Euch übersendetes Geld bei Euch
angelangt ist, was ja mein innigster Wunsch gewesen ist,
sobald ich die Gelegenheit bekommen habe, Euch mit
ein paar Gulden zu erfreuen. Euren letzten Brief bekam
ich anfangs September, was ich gleich des Valentins
Buben1 zu wissen gemacht habe.
In meinem letzten Brief habe ich Euch zu wissen gemacht, daß ich nicht mehr bei den Bauern arbeite, sondern bei einem Küfer in die Lehre getreten bin. Ich
hätte sollen ein Jahr bleiben, was aber nicht geschehen
ist, denn mein Lehrmeister hat alles verkauft und ist
zu seinem Vater gezogen, und ich bin nur acht Monate
bei ihm gewesen, und in selbiger Zeit hatte ich soviel
gelernt, daß ich meinem Handwerk beistehen kann, daß
ich mich wirklich durchbringen kann, so gut, als wenn
ich meine Lehrzeit oder noch mehr ausgehalten hätte.
Am selbigen Platz hat es mir sehr gut gefallen, auch mit
Kost, Wasch und Flick, auch hatte ich viel Freiheit gehabt, aber immer hab ich müssen strenge arbeiten, was
mir aber nicht leidig war, denn wenn man gesund ist,
kann man auch hart arbeiten. Wir sind gut miteinander übereins gekommen jederzeit, und er hat mir,
als ich von ihm fort bin, meinen mir zugehörigen Lohn
richtig gegeben.
Nun bin ich dann zu einem anderen Küfer gegangen
im selbigen Städtlein, wo jetzt nun ein Lehrjunge bei
mir arbeitet, und dieser Platz gefällt mir sehr gut. Ich
arbeite wirklich beim Stück (In Akkord — der Verf.),
wo ich mich bei einer nicht so schweren und strengen
Arbeit bald im Monat auf 10 bis 12 Thaler freies Geld
kann arbeiten. Ich arbeite an Mehlfässern, wo ich im
Durchschnitt sechs Mehlfässer an einem Tag machen
kann, ein Stück zu 15 Cent, wo ich mich aber dann auf
eigene Kost verpflegen muß. Die Kost gibt mir der
Meister, welche kostet in der Woche einen Thaler und
50 Cent, wo ich auch sehr gute Verpflegung und ein
gutes Bett zum Schlafen habe. Die Wasch tut mir meine
Meisterin versorgen und kostet sechs bis zehn Cent ein
Hemd, wovon ich zwei Hemder die Woche hindurch
brauche, denn auf ein schön gewaschenes Hemd wird
mehr hingesehen als auf die anderen Kleider, und von
dem vielen Waschen sind sie auch bald zerrissen, denn
ich hatte seit dem Monat Mai schon sechs neue Hemder
gekauft, auch die übrigen Kleider, die ich in dieses Land
mitgebracht habe, sind schon alle zerrissen, denn alle
Kleider, die über die See kommen, zersticken und sind
in diesem Lande auch gar nicht Mode, kein einziges
Stück, am häßlichsten sind noch die Stiefel und Schuhe.
Da ich wohl denke, daß Ihr auch wissen wollt, wieviel
die Kleider hier kosten, so will ich Euch ein wenig kurz
darüber schreiben: ein Paar Stiefel, Werktagsstiefel für
midi kostet 3Vi Thaler, ein schönes Sonntagspaar kostet
mich 4 V2 bis 5 Thaler. Ein mittlerer Rock für Sonntag
kostet bald 7 bis 9 Thaler und Hosen das Paar zu 4 bis
5 Thaler. Eine Werktagshose kostet mich bald 1 und
einen halben Thaler, ein Hemd 75 Cent, ein schönes
Sonntagshemd IV2 Thaler.
Weil ich nun so weit von Euch fort bin, und ich weiß,
daß Ihr sehr viel an mich denkt und Euch bekümmert,
es möchte mir übel ergehen, so ersuche ich Euch — und
besonders die Mutter — mich mit Kümmernissen aus
den Gedanken zu lassen, denn wenn ich gesund bin so
ist es mir wöhler, als bei Euch der Reiche ist, denn was
man dort verdient, muß man ja das meiste den hungrigen Herren geben, was bei mir nicht der Fall ist, denn
was ich verdiene und nicht brauche, das ist alles ir>
meinem Sacke. Und Euch verlassen hätte ich jedenfalf
auch müssen, denn ich wäre vielleicht in dieser Zeit eii.
13
hungriger Mußpreußen-Soldat geworden, und ich hätte
dann mehr Peinen auszustehen gehabt, als ich denn
wirklich habe, denn ich bin frei von allem, wenn ich
treu handle und arbeite, so gewinnen mich die Leute
lieber als im Sklavenland. Und in dieser Zeit hatte ich
mehr Gelegenheit zur Kurzweil, denn die englische
Sprache ist mir ein wenig bekannt, soviel, daß ich mit
meinem Englischen ausmachen kann, was mir notwendig
ist, und gefällt es mir nicht an diesem Platze, so gehe
ich an einen anderen, denn überall kann man Arbeit
bekommen, wenn man bekannt ist.
Denkt nun nicht, ich würde mich nicht gut verpflegen,
weil ich die Kost selber bezahlen muß. Auch wenn ich
sonst etwas bedürftig bin und dies von meinem Meister
oder seiner Frau verlange, so haben sie mir schon oft
etwas unentgeltlich getan, und sollte ich auf das Krankenlager kommen, so hatten sie mir versprochen, mich so
gut zu pflegen, wie mir nötig sei — und wo ich auch
wohl denke, sie Werdens tun.
Und nun naht sich das zweite Neujahr, welches ich
nicht in Eurer Mitte zubringen kann, wo ich Euch
jetzt auf dieses Jahr wünsche ein glückliches, freuden-
reiches, friedliches und gesundes Jahr und wünsche,
was ich mir selber wünsche und hoffe, wir werden noch
viele Neujahr erleben und daß wir uns in diesem Leben
einmal wiedersehen werden, und die Mutter soll sich
in Hoffnung setzen, denn solange man hofft, so ist es
auch noch nicht ganz verloren. Auch weil Ihr mir so
dankbar gewesen seid für mein Euch zugesendetes Geld,
so danke ich Euch für die Dankbarkeit, denn ich hatte
es Euch zugesendet für die Mühe, die Ihr mir erwiesen
habt, als ich mich zugerichtet habe, als ich von Euch
fort ging.
Ich schließe mein Schreiben mit vielen herzlichen Neujahrswünschen an Euch, an Mutter, Geschwister und alle
insgesamt. Auch mein Meister und die Meisterin lassen
Euch grüßen und ebenso meine Kameraden.
Ich verbleibe Euer treuer Theodor Haug.
Anschrift: Theodor Haug, Dunganaon — Columbiana
— State of Ohio —
A n m e r k u n g : 1 Valentin Dieringer beim Adler w a r der letzte Veteran aus den Kriegen mit N a p o l e o n I. Er ist im Alter von 96
J a h r e n 1887 gestorben. Vier seiner Söhne sind in die U S A ausgewandert.
JOH. ADAM KRAUS
Gewässernamen
Wohl jedem ist schon aufgefallen, daß es bei uns und
anderwärts viele Bäche gibt, die Aach (Ah) heißen oder
auf -ach (-a) endigen. Es sei nur an die Ablach, Ostrach,
Seckach, Eyach, Fehla erinnert oder an die Zwiefalter
Aach und die Aach im Hegau. Selbst die Laudiert hieß
ursprünglich Loucha, die Starzel Starzila und die Schmeie
Schmiecha. Diese Ach-Namen sind schon sehr alt, denn
seit dem 13. Jahrhundert ist dafür die Bezeichnung
„Bach" im Vormarsch. Da manchmal auch Flurnamen
auf benachbartes Gelände übertragen erscheinen, darf
man wohl auch den Namen Ah für den waldigen Berg
zwischen Fehla und Laudiert nahe am Zusammenfluß
unterhalb Hettingens als ursprünglichen Wassernamen
auffassen. Der Berg wird in alten Beschreibungen umschrieben als „Birsch zwischen den Wassern", nämlich:
Freipirschgebiet im Gegensatz zu einem herrschaftlichen
Forst. Althochdeutsch (also vor dem Jahre 1000) hieß
die Wortform aha in der Bedeutung von Wasser, Bach,
Fluß, wässeriges Land (Der Name Stockach jedoch gehört wohl nicht hierher, bezeichnet vielmehr eine Stelle,
wo es viele Baumstümpfe gab). Das „h" in Aha wurde
bis um 1500 als „ch" gesprochen, ist demnach verwandt
mit den anderen Kehllauten g, k, q. Das Wort Aha ist
urverwandt mit dem lateinischen aqua
Wasser, gotisch ahwa, russisch oka. (Vgl. hierzu: H H 1959, S. 12
und H H 1955, S. 5).
Ein anderer Wassername begegnet uns, so merkwürdig
es auch klingen mag, in dem Burgnamen Werenwag
(1253 Werbinwac). Nach Michael Buck ist das althochdeutsche hwerbo gleich Wirbel, der Burgname bedeutet
somit eigentlich „Wirbelgumpen" und wurde von einer
Stelle in der Donau auf die Höhe hinauf übertragen.
Ein Gumpen ist im Schwäbischen ein Wassertümpel. Ein
Quelltopf bei Meldungen an der Laudiert heißt Waag
oder schwäbisch Woog. Der Wagrain bei Burladingen
zeigt allerdings keinerlei Wasser, wenigstens heute. Die
Ursprungstelle eines Baches heißt Spring, Urspring oder
auch Bachhaupt, daher der Ortsname Bachhaupten. Ein
Wassertümpel heißt oft Lache. Ein Weiher kann mittels
Fallstock oder „Stümpfel" abgelassen werden, der See
dagegen als natürliche Wasseransammlung nicht. Man
vergleiche hierzu das Seeheimer Tal bei Killer. Ein
14
Wassername ist auch Harrötze oder Röße,
Rooße,
Rausse. Die Rötze war ein Wasserloch, in dem man
Flachs (alt auch Har genannt) oder Hanf durch eine
Gärung mürbe machte, damit nach dem Trocknen die
harten Angeln oder „Aegna" sich leicht von den Fasern
lösten. In Ringingen gibt es neben der Flur Hanfgarten
auch eine Harlache, später Raißle genannt, unweit einer
ehemaligen Weedlache (von „waten"). Der Ort Steinhilben hat den Namen von ehemaligen Hülben oder
Hillen (künstliche Teiche, vom Wort „aushihlen" = aushöhlen). Auch Bittelbronn ist ein Wassernamc, vermutlich abgeleitet von Brunnen und iat. puetus = Grube,
Gumpen, Zisterne. Dazu gehört auch Buttenried — Ried
mit Gumpen. Der Ort Diessen ist nach dem Tosen des
Wassers benannt („Ich hört ein Wasser diessen und
sach die Fische fließen"). Furten durch die Bäche heißen
Furch oder Furcht oder Fara (vgl. Neu/r« = neue Furt).
Die Au (vom obigen gotischen ahwa) ist ein vom Wasser umflossener Grund. Jungnau bedeutet „Junginger
Au", weil hier aie Ritter von Jungingen (Killertal)
neben der älteren Burg Schiltau ihre Burg bauten.
Schiltau hatte im Bei :;mmungswort auf die sc lildformige Gestalt des Platzes hingewiesen. Ein (oft nur zeitweiliger) Wasserlauf kann Runs oder Rauns heißen (von
rinnen), vgl. Wasserrauns bei Ringingen. Wässerwiesen
heißen Brühl (alt brogil), verwandt mit dem norddeutschen „Bruch oder Sumpf' 1 . Der Federsee ist vermutlich nach den redern oder Schilfwedeln benannt,
obwohl M. Buck auch in Feder ein altes Wort für
Sumpf vermuten wollte Statt Moor sagt man im Oberdeutschen Moos, mit Moospflanzen bewachsenes Land
(vgl. Ortsname Todtmoos). Ein Ried ist mit Schilf und
Sumpfgras bewachsen, das auch Schlatt hieß. Auch Mott
in Mottschieß scheint Sumpf und Schlamm zu bedeuten
(mittelhochdeutsch Motter — Schlamm; Bachmuetter =
Schlamm im Bachbett). Auch Soppe gehört als gleichbedeutend dazu. Auch Faule, Feilen rechnen manche zu
faulem und daher stinkendem Sumpfwasser, doch ist in
der Ringinger Flur Feilen (Fäulen) überhaupt kein
Wasser mehr zu treffen! Man dachte daher an einen
Zusammenhang mit Feld — Weideland. Bittelschieß gehört wohl zu obigem puteus = Wassergumpen und
Schieß - - abschüssige Stelle.
Literatur (J. A. Kraus, Gewässernamen)
Michael R. Buck:
Oberdeutsches Flurnamenbuch. 2. Auflage Bayreuth
1931. S. 316.
Derselbe:
Hohenzollernsche Ortsnamen. Mitt. Hohenz. 5 (1871)
S. 87—119; 6 (1872) S. 67—99; 7 (1873) S. 1—42.
W. Keinath:
Württembergisches Flurnamenbüchlein. Tübingen 1926
Julius Miedel:
Oberschwäbische Orts- und Flurnamen. Memmingen
1906.
Josef Schnetz:
Flurnamenkunde. Bayrische Heimatforschung 5 (1952)
Remigius Vollmann:
Flurnamensammlung. 4. Auflage München 1926.
BUCHBESPRECHUNG
Sagen aus dem deutschen Südwesten
Franz Georg Brustgi: Sagen und Schwänke von der
Schwäbischen Alb.
Konstanz: Rosengarten Verlag 1966, 195 S.,
DM 14.50
Johannes Künzig: Schwarzwald-Sagen
Düsseldorf: Eugen Diederichs Verlag, 2. Auflage
o. J. (1965), 383 S., DM 19.80
Bernhard Möking: Sagen und Schwänke vom Bodensee.
Konstanz: Rosgarten Verlag, 3. Auflage 1964,
199 S., DM 14.50
Max Rieple: Sagen und Schwänke vom Schwarzwald.
Konstanz: Rosgarten Verlag 1965, 155 S.,
DM 12.50
Max R.iple: Die vergessene Rose. Die schönsten Sagen
aus Baden und Württemberg.
Stuttgart: Verlag Stähle & Friedel, 2. Aufl. o. J.
(1961), 228 S , DM 12.80
Friedrich Heinz Schmidt—Ebhausen: Schwäbische Volkssagen. Vom Scnwarzwald zum Allgäu — vom
Taubergrund zum Bodensee.
Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag o. J., 212 S.,
DM 14.80
Inzwischen ist im Rosengarten-Verlag ein weiterer Band
dieser Reihe erschienen, der aber in dieser Sammelbesprechung nicht mehr berücksichtigt werden konnte:
Karlheinz Schaaf: Sagen und Schwänke aus Oberschwaben. Konstanz: Rosengarten Verlag 1968, 192 S.
mit Zeichnungen von Franz Josef Tripp.
Ln. DM 14.50.
Bis vor wenigen Menschenaltern waren Sagen wirklich
noch das „Gesagte", das von Mund zu Mund Weitergetragene. Durch dauerndes Weitererzählen ständig verändert bildeten sie das Gedächtnis des Volkes. In ihnen
hielt es seine großen Natureindrücke, seinen Glauben und
seine historischen Erlebnisse fest und bewahrte sie durch
die Jahrhunderte. Phantasie und Wirklichkeit mischten
sich n ihnen in eigenartiger Weise. Die Menschen einer
Landschaft erzählten sich in ihren Sagen selbst.
Heute sind die Zeiten, in denen „Urgroßmütter lauschenden Kindern beim Kienspanncht oder im Schatten
einer bienendurchsummten Dorflinde" neben Märchen
auch Sagen aus der heimatlichen Umwelt erzählten, endgültig vorbei. Urgroßmütter haben heute anderes zu tun;
ihre Funktion haben Bücher übernommen. Einige von
ihnen, neuere Sagensammlungen aus Baden-Württemberg, sollen im folgenden vorgestellt werden.
Max Rieple hat unter dem Titel „Die vergessene Rose"
die bekanntesten und schönsten Sagen aus Südwestdeutschland gesammelt. Seine Absicht war es nicht, mit
wissenschaftliche: Sorgfalt jede — auch die kleinste —
Sage zusammenzutragen und sachlich wiederzugeben. Er
hat vielmehr versucht, jeden Landstrich des schwäbischalemannischen und des fränkischen Gebietes von BadenWürttemberg mit einer für ihn typischen Sage zu Wort
kommen zu lassen und diese in der Sprache der Gegenwart zu erzählen. Ergebnis seiner Bemühungen ist ein
Buch voller abenteuerlicher dramatischer Spannung, in
der sich Geschehnisse voll tragischen Ernstes, voll verschlagener Schalkhaftigkeit und heiterer Selbstverspottung abspielen, ein Werk, das seit seinem ersten Erscheinen schon fast zu einem „klassischen" Jugendbuch geworden ist. Es wird auch in der jetzt vorliegenden zweiten Auflage, die vom Autor beträchtlich vermehrt und
von Horst Schönwalter packend illustriert ist, viele begeisterte junge und erwachsene Leser finden.
Ebenfalls einen Querschnitt durch das Sagengut unseres
Landes bietet Friedrich Heinz Schmidt-Ebhausen in seinen „Schwäbischen Volkssagen". Sein Versuch scheint
aber nicht ganz geglückt (Schon der Titel ist irreführend,
beinhaltet das Buch doch nicht nur schwäbische, sondern
auch alemannische und fränkische Sagen, wie der Untertitel andeutet!). Schmidt-Ebhausens Absicht ist eine
andere als die Rieples: Er will kein reines „Lesebuch"
vorlegen wie dieser; sondern eine Sammlung von Sagen,
die auch dem Fachmann von Nutzen ist. Der bunten
Abfolge von Gestalten und Geschehnissen in Rieples
Buch entspricht deswegen bei ihm eine Anordnung der
Sagen nach Sachgruppen (etwa „Die wilde Jagd", „Riesen und Zwerge", „Wassergeister", „Verborgene Schätze",
„Haus- und Feldgeister", „Hexen und Zauberer", historische und Glockensagen). Diese Gliederung der ca. 200
Sagen birgt leicht die Gefahr in ich, daß das Interesse
des „normalen" Lesers bei der Lektüre von z- B. fünf —
inhaltlich ähnlichen — Geschichten über Muetes Heer
erlahmt, während dem Fachmann wiederum das Buch
nur bedingt von Nutzen ist, da z. B. praktisch der ganze
wissenschaftliche Apparat fehlt. Was die Auswahl der
Sagen angeht, so stört, daß neben sehr vielen interessanten Sagen, von denen manche hier zum ersten mal gedruckt vorliegen, sich auch handlungslose „KleinstSagen" finden, die der Vollständigkeit halber für eine
wissenschaftliche Arbeit sicher von Wert sind, in eine
Sagensammlung für breitere Leserkreise aber nicht aufgenommen werden sollten (z. B. der 7Va Zeilen-Bericht,
daß im Wald von Kusterdingen ein Mann mit nur einem
Pantoffel an den Füßen erscheine, der deswegen der
„Eintöffler" heiße). Auch die sprachliche Gestalt der
Sagen ist i^cht ganz zufriedenstellend. Ihre Form
schwankt zwischen Pathos, Versuchen ".n einer volkstümlichen Umgangssprache und der Nachahmung alten
Chronikenstils. Als kompletter Mißgriff ist wohi ciie
Bebilderung des Werkes zu bezeichnen; Neben 14 anscheinend ziemlich wilikürlicn ausgewählten — und vor
allem viel zu klein wiedergegebenen — Ansichten von
Burgen und Städten besteht sie aus 22 Holzschnitten aus
Thomas Lires „Schwäbischer Chronik" (Druck v. 1486).
Diese sehr schönen Schnitte stehen — trotz des Namens
der Chronik — in keinerlei innerem Zusammenhang zu
den erzählten Sagen (dargestellt sind z. B. ein Schottenkönig namens Lucius, der römische Kaiser Konstantin,
ein Herzog Romulus von Schwaben usw.). Sehr begrüssenswert ist es, daß der Autor nicht starr an den Landesgrenzen haltgemacht hat, sondern auch Sagen aus dem
bayrischen Schwaben zwischen Iiier und Lech berücksichtigt hat.
Besonders ansprechend schon in der äußeren Aufmachung
stellen sich die Sagen- und Schwanksammlungen des
Rosgartenverlages dar. Die originellen, den Text feinfühlig - humorvoll illustrierten Federzeichnungen von
15
Franz-Josef Tripp nehmen einen gefangen, bevor man
noch eine Zeile gelesen hat. Im Unterschied zu den oben
genannten Büchern sind die Sammlungen des Konstanzer
Verlages bestimmten Landschaften unserer Heimat gewidmet: Bernhard Möking legt eine Auswahl des Sagenund Schwankgutes vom Bodensee vor, Max Rieple trug
Sagen und Schwanke aus dem Schwarzwald zusammen,
Franz Georg Brustgi leistete das gleiche für die Schwäbische Alb.
Bernhard Mökings Werk ist die erste Sammlung, die das
volkstümliche Erzählgut der drei Uferstaaten des Bodensees zu dem von der Landschaft (und vom Menschenschlag!) her gewiesenen einheitlichen Ganzen zusammenfügt und somit eine Pionierleistung. Möking hat sein
Ziel, ein „vom Stofflichen vielfältig abgetöntes Unterhaltungsbuch für gelehrte und ungelehrte Leser" zu
schaffen, voll erreicht — vor allen Dingen dadurch, daß
er bei der Anlage seiner Sammlung die Eigenart und
Mannigfaltigkeit der Sagen gewähren ließ und statt einer
wissenschaftlichen Gliederung des Stoffes in Sachgruppen
die viel lebendigere örtliche Anordnung bevorzugte. Es
ist seiner kritischen Textgestaltung gelungen, die ausgewählten Sagen und Schwänke der meist blechern und
rührselig klingenden Form, die sie im Lauf der Zeit
erhalten hatten, zu entkleiden und sie sprachlich so zu
gestalten, daß — in uns heute verständlichen Worten —
ihr eigentliches Wesen, ihre ganze Frische wieder zum
Vorschein kommt. Eine kritische Bemerkung muß zum
Schluß aber gemacht werden: Möking hat eine (allerdings „entschärfte") Version der Sage vom „Ewigen
Juden" in sein Buch aufgenommen. Gehört ein mit so
vielen Ressentiments beladenes, in einen so bedrückenden
historischen Zusammenhang gehörendes Sujet in eine
Sammlung wie die seine?
Im Schwarzwald spielen Seen, Wälder und Berge, Erzgruben, Flüsse und Wege in der Sage eine besondere
Rolle. In ihm hat sich die mündliche Weitergabe der
Sagen bis in die Tage unserer Großväter gehalten und
mit ihr auch die Kunst, den Stoff in spannender und
ansprechender Weise mitzuteilen. Selbst der Humor
kommt in lustigen Geschichten von Schlaubergern und
Originalen zu seinem Recht. Auf diesen Grundlagen
aufbauend hat Max Rieple, in etwa nach den gleichen
Prinzipien wie Möking vorgehend, ein Sagenbuch voll
bunten Geschehens geschaffen, das durch die Lebendigkeit
und Eigenwilligkeit seiner Erzählweise gefällt. Es ist
besonders die gelungene Mischung von Sagen und
Schwänken, die sein Buch so liebenswert macht und
diesem bestimmt einen sehr großen Leserkreis sichern
wird.
Franz Georg Brustgis Buch stellt die z. Zt. e ~zige Sammlung von Sagen und Schwänken aus dem Landschaftsgebiet der Schwäbischen Alb und ihres Vorlandes dar.
Auch Brustgi konnte natürlich aus der Fülle des Uberlieferten nur eine Auswahl treffen, die — in der Anlage
ähnlich wie die Bücher von Möking und Rieple — aber
einen guten Überblick aber die einzelnen Sagenmotive
gibt und die verschiedenen Teile der Alb gebührend berücksichtigt (hohenzollerisches Gebiet in den Kapiteln
„Südwestalb", „Donautal" und „Zolleralb"). Brustgis
Methode ist es, bei der Behandlung seines Stoffes auf
die ältesten schri "tlichen Quellen zurückzugehen und
unter möglichster Wahrung der originalen Texte Sagen
und Schwänke -n einem „volkstümlich-natürlichen" Erzählton neu zu formen, der dem heutigen Sprachgefühl
entspricht. Dies ist ihm voll gelungen, so daß die ca.
170 Geschichten, die er ausgesucht hat, ein Buch voller
Vielfalt der Figuren und Ereignisse ergeben, das man
gefesselt in einem Zug ausliest, das aber auch dem ernst16
hafter Interessierten sehr von Nutzen sein kann.
Von ganz anderer Art als die bisher besprochenen Bücher
ist das Werk, das hier als letztes vorgestellt werden soll:
Die 1930 erstmals erschienenen und jetzt in zweiter Auflage vorliegenden „Schwarzwald-Sagen" von Johannes
Künzig haben zum Ziel eine umfassende quellenkritische
Darstellung der Sagenwelt des Schwarzwaldes und der
diesem vorgelagerten Landschaftsräume. In ausgedehnten
Vorstudien hat Johannes Künzig das gesamte Sagenmaterial des Schwarzwaldes untersucht und in einer Auswahl des Bezeichnenden und Wesentlichen für jede wichtige Sage mindestens ein typisches Bei.^ el in seine
Sammlung aufgenommen (ca. 1000 Sagen im vollen
Text, etwa die doppelte Anzahl in den Anmerkungen).
Künzigs Bemühung in der Behandlung seines Stoffes ist
es, das „unechte Wucherwerk der romantischen Sagennacherzählungen" auszuschneiden und weiter „alles, was
sich aus Volksglauben und Aberglauben älterer und jüngerer Zeit in Sagenform niedergeschlagen hat(te), mit
Behutsamkeit entwicklungsgeschichtlich zu sichten und zu
schichten". Er kommt so zu einer Einreihung des „Gesagten" (und früher Geglaubten) unter üie drei großen
Gesichtspunkte des urtümlichen Volksglaubens, des Einflusses des Christentums und des Nachwirkens der Geschichte. Jedem dieser Abschnitte ist eine Ubersicht vorangestellt, die eine ausgezeichnete Einführung in das so
nach sachlichen und historischen Gesichtspunkten angeordnete Material, insbesondere in die Fragen nach dem
Ursprung, dem Zusammenhang und der Weiterbildung
der Sagen und die hinter den stofflichen liegenden psychologischen Probleme, bietet. Durch ausgezeichnete Bildbeigaben illustriert, versehen mit einem ausführlichen
Quellen- und Literaturverzeichnis sowie sehr hilfreichen
Anmerkungen und Exkursen und einem deta' 1 lierten
Ortsverzeichnis, ist das Werk Künzigs für den Volkskundler Grundlage jeder Beschäftigung mit der Sagenwelt des Schwarzwaldes, für den Nicht-Fachmann aber
— trotz aller Wandlungen in den letzten fünf Jahrzehnten — auch heute noch verläßliche Einführung rn
die Eigenart des Schwarzwaldes, in das Denken, Fühlen
und Empfinden seiner Bewohner.
Zum Schluß sei ein BLck auf die „Zollerana" erlaubt.
Sucht man in der „Vergessenen Rose" und in den Sammlungen von Schmidt-Ebhausen und Brustgi nach Stoffen
aus Hohenzollern, so muß man sich mit einem sehr bescheidenen Ergebnis zufrieden geben: Alle drei Werke
zusammen enthalten genau 10 Sagen aus dem „Ländle".
Und dabei kann man nicht einmal alle von ihnen guten
Gew.ssens Sagen heißen, ganz besonders gilt dies für
die „Sage" von der Gründung des Klosters Beuron.
Andere wiederum, so z. B. die Sage von der vergeblichen
Belagerung des Zoller, sind Wandersagen und somit in
keiner Weise für unsere Heimat typisch.
Offenbart sich hier nicht ein Mangel? Wäre es nicht an
der Zeit, das reiche Sagengut unserer Heimat zu sammeln und kritisch zu sichten, bevor es in Vergessenheit
gerät? Ein Grundstock ist in Ludwig Eglers Büchern
vorhanden („Aus der Vorzeit Hohenzollerns. Sagen und
Erzählungen" Sigmaringen 1861 und „Mythologie, Sage
und Geschichte der Hohenzollerischen Lande" Sigmäfiflgen 1894), in der „Hohenzollerischen Heimat" (besonders in ihren ersten Jahrgängen) und an anderen Stellen
ist etliches weitere Material gesammelt, Martin Scharfe
hat in seinem Aufsatz „Das He igkreuz-Mirakel von
Hechingen" ( H H 15, 1965 S. 52ff) ein Beispiel für die
quellenkritische Analyse einer der bekanntesten hohenzollerischen Sagen geliefert. Könnte man hier nicht weiterarbeiten?
Freiburgl Breisgau
Roswitha und Werner Huberte
H Ö H ENZOLLERISCHE
4P 382 8
HEIMAT
19. Jahrgang 1969
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Geschichtsverein
in Verbindung mit den
Staatlichen Sdiulämtern
Hediingen
und Sigmaringen
Nr. 2
WALTER KAUFHOLD
Hofmaler Richard Lauchert
Leben und W e r k -
2. Teil
Der zweite Teil der Studie über den Hofmaler Richard
Lauchert ist seinem Werk gewidmet. Der Verfasser versuchte, das künstlerische Oeuvre, das vornehmlich aus
Bildnissen besteht, zusammenzustellen. Dieses Unternehmen war durch die freundliche Auskunft der ermittelten
Besitzer von Werken Laucherts sehr erfolgreich.18 Der
Verfasser ist sich der Mängel der Verzeichnisse bewußt.
Nicht alle, der in zahlreichen Familien zerstreuten Bildnisse, vor allem in Berlin und im Osten, wie auch in
außerdeutschen Schlössern, konnten ausfindig gemacht
werden. Diese Bildnisse sind, soweit möglich, der Literatur, dem Nachlaß und den Briefen Laucherts entnommen.19 Die Arbeiten sind in einem Werkverzeichnis aufgeführt. Dieses besteht aus fünf Abteilungen:
I. signierte und datierte Gemälde
II. unsignierte Gemälde
III. Lithographien
IV. Fotografien
V. Gemälde aus der Literatur und den Briefen
Laucherts erschlossen.
In dieser Zusammenstellung nimmt das Werk Laucherts
Gestalt an und ermöglicht auch die Übersicht über seine
Schaffensperioden. Laucherts Heimatstadt Sigmaringen
bewahrt den größten Teil seiner Bildnisse. Sein Mäzen
und ihn bevorzugende Auftraggeber war Fürst Karl
Anton von Hohenzollern. Im Schloß Sigmaringen verblieben viele Porträts von Angehörigen und Verwandten
des Fürstlichen Hauses.
Die Stadt Sigmaringen bemühte sich, das Andenken an
diesen berühmten Sohn in Ehren zu halten und seine
Arbeiten zu sammeln. Im Jahre 1938 erwarb das Bürgermeisteramt von Kunstmaler Steidle .ne Nachlaßmappe Laucherts. Diese kam von einem Herrn von
Lauchert aus Schloß Oppershausen bei Mühlhausen in
Thüringen an den Straßenmeister Ott in Hechingen und
von dort nach Sigmaringen. Der Nachlaß besteht aus
ca. 200 Blättern. 22 Lithographien zeigen Porträts, deren Originale zum Teil nicht erreichbar sind, z. B. das
Porträt des Kaisers von Rußland; 18 Fotografien aus
der Berliner Zeit, 1862 bis 1868, belegen Laucherts letzte
Schaffensperiode. Besonders wertvoll sind zahlreiche Bleistiftzeichnungen und Kohlenskizzen von Porträts und
Landschaften, Pastell- und ölstudien. (Abb.)
Das heimatkundliche Interesse des Kaufmanns Max
Frick sen. in Sigmaringen verdient erwähnt zu werden.
Mit sicherem Blick erkannte er den Wert der Gemälde
Lucherts und sammelte eifrig alle ihm erreichbaren
WerKe.20 Hier sei eine lokale Erinnerung festgehalten.
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Kopf einer Frau, Bleistiftstudie.
Bürgermeisteramt Sigmaringen.
Nachlaßmappe,
Eugen Müller, Sigmaringen, nahm sich der Arbeiten
eines anderen bedeutenden Sigmaringer Malers, Gustav
Bregenzers (f 1919), an. Er glaubte Werke des besseren
Malers zu sammeln und erklärte Frick, Lauchert könne
keine Hände malen, was die Brustbilder, meist ohne
Hände beweisen. Diese irrige Meinung wird durch die
Handdarstellungen auf den ganzfigurigen Porträts und
den Kniestücken widerlegt.
Anhand des umfangreichen Bestandes von 167 gesicherten Gemälden läßt sich Laucherts künstlerische Entwicklung verfolgen. 21 Deutlich lassen sich drei große Schaffensperioden abgrenzen:
1. das Studium und die Anfänge der Porträtkunst
bis 1850
2. die Wander jähre bis 1862
3. die „Stadtpraxis" 1862 bis 1868 in Berlin.
Aus der Studienzeit in München liegen großformatige
Zeichnungen griechischer und römischer Marmorfiguren
aus der Glyptothek vor und aus der Sammlung antiker
Gipsabgüsse. Die Blätter sind aus den Jahren 1840 und
1841 datiert. Laucherts Lehrer, Peter Cornelius, ließ die
Schüler zuerst am feststehenden menschlichen Körper
zeichnen und legte Wert auf genaueste anatomische und
plastisch realistische Wiedergabe des Vorbildes. Dieses
Studium belegen 20 Bleistiftzeichnungen, 107 x 86, u.a.
der Kopf des Laokoon oder der sterbende Gallier. Neben diesen Übungen am festverharrenden Original lernte
Laudiert das Aktzeichnen am lebenden Modell. Die
38 erhaltenen Aktzeichnungen aus den Jahren 1841 bis
1848, durchschnittlich 46 x 32 cm groß, geben den
menschlichen Körper in den verschiedensten Stellungen
wieder. Die unterschiedlichen Altersstufen und Körperformen der Modelle sind naturalistisch gezeichnet. Trefflich gelang dem Schüler auch der Gesichtsausdruck des
Modells, z. B. eines Mongolen.
Bereits um 1840 zeichnet Laudiert Porträts in Bleistift.
Er versucht laufend Personen in Bleistiftskizzen zu Papier zu bringen. Die erhaltenen Studien, z. B. das Brustbild eines Jungen, lassen bereits die Begabung erkennen.
Der Mund und die lebendigen Augen sind aus den noch
etwas unsicheren Umrißlinien des Gesichtes beseelt und
mit sicheren Strichen erarbeitet. Manche Skizze ist zum
Teil mißlungen und wurde verworfen. Die Studie eines
Mannes mit Lorbeerkranz trägt die Unterschrift: „Ist
nichts an ihm getroffen als der Lorbeerkranz". Bemerkenswert ist die genaue Ausführung der frühen Vorzeichnungen zu Porträts, z. B. die Bleistiftstudie zum
Ölbild der Charlotte Widmann. Die Skizzen in den
späteren Schaffensjahren, 1862 zum sitzenden Kind oder
1868 zum Porträt des Feldmarschalls von Steinmetz,
weisen oft nur flüchtig mehrere Variationen der Komposition auf. Die 233 erhaltenen Bleistiftzeichnungen in
sechs Skizzenbüchern und auf Einzelblättern veranschaulichen Laucherts Arbeitsweise.22 Er beschäftigt sich nicht
nur mit dem menschlichen Bildnis, sondern auch mit der
Natur, dem Tier und der Architektur.
Das früheste Porträt in ö l auf Leinwand, Mann mit
Guitarre, 1842, zeigt noch deutlich einen tastenden Versuch. Der Hintergrund setzt sich nicht gegen Kopf und
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
herausgegeben vom „Hohenzollerischen Geschichtsvcrein'* in Verbindung mit den S t a a t lichen Schulämtcrn Heehingen und Sigmaringen. Verlag: Buchdruckerei Acker O H G .
7487 G a m m e r t i n g e n , Telefon 07574/205.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat*
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern mit
der Geschichte ihrer H e i m a t vertraut machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschidite
unseres Landes. Sie enthält daneben einen besonderen Teil für die Schule und den Lehrer.
Bezugspreis:
halbjährlich 1.40 D M .
Bestellung
der Zeitsdirift kann erfolgen bei
jedem P o s t a m t oder beim Schriftleiter.
Gewand ab. Die Jacke ist verschwommen und Hände
und Guitarre grob gemalt. Nur die nach rechts gerichteten
Augen und die Spannung im belichteten Dreieck des
Gesichts zwischen Stirn, Auge, Nase, Mund und Kinn
spricht den Betrachter an. In dieser Frühzeit porträtiert
Laudiert öfters seine Eltern. Von diesen sind zwei große
ölporträts aus dem Jahre 1844 und zwei kleinformatige
Temperabildchen aus dem Jahre 1846 erhalten. Die damalige beschauliche Zeit wird durch die Beigaben von
Pfeife und Strickstrumpf und die modische Tracht des
Biedermeier betont.
Die ersten Aufträge als Porträtmaler erhielt Laudiert
vom Fürstlich Hohenzollernschen Hofe in Sigmaringen.
Aus dieser Frühzeit (1844 bis 1850) sind mehrere Bildnisse von Mitgliedern der Fürstlichen Familie im Schloß
erhalten geblieben. Laudiert war bestrebt, die hier vorhandene Porträtkunst der Konstanzer Malerin Marie
Ellenrieder fortzusetzen, 23 u. a. mit dem Bildnis der
Fürstin Antoinette von Hohenzollern-Sigmaringen, das
er nach dem Verzeichnis von 1878 im Jahre 1844 gemalt hat und das neben dem Porträt ihres Gatten des
Fürsten Karl von M. Ellenrieder hängt. 24 Er verzichtet
auf den Hintergrund. Das lebensgroße Brustbild ist eng
in den Rahmen gesetzt und durch lebhafte Farben festlich gehalten. Laudiert kopierte 1847, dem Todesjahr
der Fürstin, dieses Porträt. Gelöster und lebensfroher
malt Lauchert im gleichen Jahr das Bildnis des Marquis
Pepoli, des Gemahls der Prinzessin Friederike von Hohenzollern-Sigmaringen. Der Marquis stützt den Arm
am Kinn und hält in der linken Hand eine Schriftrolle
mit dem Text einer italienischen Comedia. Bei den
Porträts aus dem Jahre 1848, Prinz Friedrich von Hohenzollern-Hechingen, Prinzessin Caroline von Hohenzollern-Sigmaringen, Gemahlin des Erstgenannten und
Fürstin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen ist
der Gesichtsausdruck der Modelle in naturalistischer
Weise scharf durchgearbeitet. Der Maler verschönt und
idealisiert die charakteristischen Eigenheiten der Dargestellten. Diese Brustbilder wirken steif und gezwungen.
Lauchert bevorzugte in den 40er Jahren Temperafarben,
die seiner feinen und noch vorsichtigen Malweise entsprechen. Diese Technik verwandte der Künstler 1849
in den Porträts der Prinzessin Stephanie und der Prin-
Die mit N a m e n versehenen Artikel geben
die persönliche Meinung der Verfasser wied e r ; sie zeichnen f ü r den I n h a l t der Beitiäge
verantwortlich. Mitteilungen der Schriitleitung sind als solche gekennzeichnet.
M a n u s k r i p t e und Besprediungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.
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f ü r s t l i c h e r Museumsdirektor
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SCHLOSS
(vgl.
ACHBERG
Rudolf
Die
Herrschaft
HH
19, 1969,
wurde
versehentlich
der
säumt.
Wir
es gerne
Seigel,
1824
im 18. Jahrhundert,
mit
Die Mitarbeiter
dieser
Nummer:
Oscar Heck,
Landeskonservator
745 Hechingen, H ö l d e r l i n w e g 8
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Telefon 07571/9422
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G e r h a r d Deutschmann, H a u p t l e h r e r z. A .
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18
Zu
bedauern
nachholen:
Genehmigung
„Der
und
Kreis
Quellenvermerk
dies
sehr
Der
des Verlags
stellte
weise
zur
Betr.:
Zustellung
aus dem
der
Band
Heimat
1963.
das Klischee
Verfügung.
wollen
erfolgte
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Aalen/Stuttgart
uns
11)
ver-
und
Abdruck
Sigmaringen",
Wirtschaft,
Verlag
Achberg
Seite
Der
freundlicher-
Die
Schriftleitung.
Zeitschrift
„HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT"
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usw.
bei
dem
jeweils zuständigen P o s t a m t v o r z u t r a g e n und
nicht bei der Schriftleitung oder dem Verlag.
Lesender Beduine, Sepiazeidinung.
Bürgermeisteramt Sigmaringen.
Nachlaßmappe,
zen Leopold und Anton von Hohenzollern. Die medaillonförmigen Bildnisse der Köpfe heben sich vom leuchtend blauen Hintergrund kontrastreich ab. Die technischen Details der Augen, der Nase und des Mundes sind
gekonnt durchgeführt. Durch die gleiche frontale Ansicht wirken die Köpfe etwas formell. Der Kopf des
Prinzen Karl von Hohenzollern, ein Jahr später fertiggestellt, weicht sowohl durch eine neue Farblichkeit,
Grau und Braun, als auch durch seine seitliche bewegte
Haltung von den Geschwistern ab. In der gleichen Technik und in Grau malte Laudiert 1849 das Ovalporträt
der Stephanie de Beauharnais. In diese Frühzeit gehören
sicherlich 14 Sepiazeichnungen, die mit weißer Farbe
gehöht sind. Die großzügigen Gewandfalten lassen Studien am Modell vermuten. (Abb.)
Die Porträtaufträge am Sigmaringer Hof führte Laudiert geschickt durch. Deshalb empfahl Fürst Karl Anton
seinen Schützling den bekannten Adelsfamilien; es folgen für Laudiert die Wanderjahre von 1850 bis 1862.
Diese zweite Schaffensperiode bringt für Laudiert neue
und größere Aufgaben. Er beginnt 1850 in Neiße im
Auftrag Karl Antons mit den großformatigen und ganzfigurigen Porträts der Prinzessin Marie und des Fürsten.
Sehr gewissenhaft und über Jahre arbeitet Laudiert an
diesen Bildern. Er malte nur den Kopf nach dem Modell, den Körper und die Zutaten fügt er im Atelier
hinzu. Lauchert stellt die jugendliche Prinzessin in eine
Parklandschaft. Er bewältigt hier den weiten Raum, der
die zarte Gestalt hervorhebt. Das Mühen um die Gestaltung des Interieurs im ganzfigurigen Bildnis des
Fürsten spricht sowohl aus seinem Brief vom 4. September 1852, als auch aus den vier erhaltenen Vorzeichnungen mit verschiedenen Entwürfen. 25 Die beiden Kniestücke aus dem Jahre 1853, Carl Egon II. Fürst zu Fürstenberg und seine Gemahlin Amalie, zeigen deutlich
einen Fortschritt in Laucherts Darstellungsweise. Mit
großem Geschick fängt er die weite Bodenseelandschaft
als Hintergrund zui i Porträt der Fürstin ein; das Interieur auf dem Porträt des Fürsten ist nicht mehr so
gesucht und gestellt, sondern zweckgebundener und
selbstverständlicher.
Die Werke aus den Jahren 1854 bis 1857 zeigen Lauchert in einer neuen, sich um den psychologischen Ausdruck bemühenden Arbeitsphase. Er verzichtet auf nebensächliche Beigaben und konzentriert sich ganz auf
das Wesen der Persönlichkeit. Das Antlitz beherrscht
immer stärker und zentraler seine Bildkomposition. Es
gelingt ihm den seelischen Ausdruck in der intensiven
Spannung der Augen so zu konzentrieren und die lichterfüllten Teile der Stirn, Nase und des Mundes so
lebendig wiederzugeben, daß sie wirkliches Leben spüren und vergessen lassen, daß es nur ein Gemälde ist.
Das Bildnis der Malerin Alexandra von Berckholtz entstand in Karlsruhe aus der persönlichen Beziehung des
Meisters zu der Schülerin.26 Nach rechts sitzend wendet
sie den furchtlosen und gesammelten Blick zum Beschauer. Stärkere Schatten liegen auf der linken Hälfte
des selbstbewußten Gesichts. (Abb.) Aus dem Jahre 1859
stammt ein weiteres Selbstbildnis Laucherts. Das Gesicht ist gegenüber dem vollen Jugendbildnis schmal und
hart. Der energische Blick geht nach rechts. Ein männlicher Zug spielt um die Lippen und die ernstblickenden
Augen lassen das Ringen um das künstlerische Schaffen
erkennen. Die Augen und die Farbe des Gesichts sind
noch subtil ausgeführt, doch weisen die Haare den rasch
aufgesetzten breiten Pinselstrich auf. Betont ist nur
die rechte Gesichtspartie, die profilhaft die linke überschneidet.
Lauchert war am Ende der zweiten Schaffensperiode 39
Jahre alt. Trotz starker physischer Anstrengungen hatte
Alexandra von Berckholtz, P o r t r ä t u. Stillebenmalerin (1821 — 1899)1
D l auf Leinwand 1854. Ritterhaus-Museum, O f f e n b u r g .
19
immer weitergebildet und einen Ruf als Porträtmaler
an den deutschen Fürstenhöfen erworben.
Laudiert wählte zu Beginn seiner dritten Scbaffensperiode im Jahre 1862 Berlin als festen Wohnsitz. Hier
erreicht seine Porträtkunst einen reiferen, gelockerten
Stil bis zur künstlerischen Vollendung. Er gab sich nie
mit einem gelungenen Werk zufrieden; bescheiden bekennt er in einem Brief: „Es bleibt mein Streben das
Gleiche und die Mühe es besser zu machen meine
Sorge". 27 Sein Name war so bekannt geworden, daß
die meist adeligen Auftraggeber in seine „Stadtpraxis"
kamen. Laudiert ging auf die Wünsche seiner Besteller
nach einer, in der Fotografie vorherrschenden Pose, nicht
ein. Ihm gelingt die Umwandlung der realen Wirklich-
Einen neuen Stil und den Anschluß an die zeitgenössische Kunst des Impressionismus findet Laudiert in seinen Kinderbildnissen. Es gelingt ihm, die dem Kind
vertraute und geschlossene Welt in den verschiedenen
Altersstufen zu bewältigen und herauszuarbeiten. In
dem Rundbild des Prinzen Ferdinand und vor allem in
dem Kinderköpfchen (Abb.) lösen sich die Umrisse des
Kopfes im Licht unmerklich auf. Die farblichen Lichter
sind mit flächigem Pinsel großzügig über das Köpfchen
verteilt. Trotz Auflösung der Gesichtsumrisse wirken die
Farben einheitlich und lassen die strahlende Welt des
Kindes aufleuchten.
Der weite, von seiner Umwelt oft diktierte Weg vom
historisierenden und repräsentativen Porträt zum selbst
erarbeiteten, schöpferischen Bildnis des Menschen gelang Laudiert in seinen letzten Werken. Leider beendete
sein früher Tod diese hoffnungsvolle Schaffensperiode.
Sicher hätte er den Aufbruch der Kunst in den 70er
Jahren mitvollzogen, der in einem Maler wie Leibi dem
Porträt ganz konträre Welten erschloß mit seinen
Bauern und Wildschützen.28 Die künstlerische Kraft
Laudierts zeigt sich in der dauernden Wandlung seiner
Darstellung des Menschen, in der er nach jahrelangem
Ringen zum Wesentlichen fand. So wie sich Adolf von
Menzel in der Berliner Hofatmosphäre nicht vom Naturalismus lösen konnte, war auch Laudiert diesem lange
verhaftet; er machte sich erst in den letzten Lebensjahren von ihm frei.
Anmerkungen:
18
K i n d e r k o p f , ö l auf L e i n w a n d . D r . Alex Frick, T e t t n a n g .
Bildnachweis:
F o t o - N o l t i n g , Sigmaringen, Ritterhaus-Museum
O f f e n b u r g : S. M a g u n , Esslingen.
keit der Person zum einmaligen Kunstwerk des Porträts. Der jeder Persönlichkeit eigene Habitus ist im
Zusammenklang der Einzelheiten erfaßt und konzentriert dargestellt. Blick, Haarform und Haltung der
Hände und des Körpers schmelzen zu einer harmonischen Einheit zusammen, die das Wesen der Dargestellten vollendet ausdrückt. Der Blick richtet sich fast stets
zum Beschauer, zurückhaltend, zutraulich oder fragend.
Auf die meist weißen Gewänder fällt Licht, und
tiefe oder zarte Schatten bringen die Stofflichkeit plastisch zur Wirkung. Die Requisiten sind sehr sparsam
verwendet. Der Hintergrund ist meist das diffuse Licht
des Himmels, selten eine Wand oder ein Interieur. Erwähnt seien hier die beiden Bildnisse, Gräfin Radolinsky
und Fräulein Tümmel.
Einen Höhepunkt erfährt seine Porträtkunst durch die
Komposition von mehreren Personen. Laudiert studiert
intensiv die Möglichkeiten der figürlichen Stellungen.
Diese freie und naturgemäße Darstellung erforderte
zahlreiche Vorzeichnungen, die noch in seinen Skizzenbüchern vorhanden sind. Die Haltung der Gräfin Fürstenstein mit Töchterchen symbolisiert die beschützende
Mutter und das anschmiegende Kind. Das Wesen des
Offiziers ist in dem Porträt des am Pferde stehenden
Feldmarschalls von Steinmetz, der eine berittene Ordonanz empfängt, eingefangen.
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D e r Verfasser möchte hier allen herzlich d a n k e n , die nadi Veröffentlichung eines A u f r u f s in der Schwäbischen Zeitung und auf
briefliche A n f r a g e n freundlicherweise vom Vorhandensein eines
L a u d i e r : Bildnisses A u s k u n f t gaben:
Bürgermeisteramt, Hohenzollcrischer L a n d e s k o m m u n a l v e r b a n d
und Hohenzollerische Landesbank, Sigmaringen.
V o r allem K a u f m a n n M a x Frick, Frau Bischof, Friseurmeister
Gauggel, Fräulein Kreuzer, H e r r n M a ß und Frau T h o m m a , H e r r n
H o f r a t Georg Zimmerer, alle in Sigmaringen.
Ferner D r . Alex Frick, T e t t n a n g u n d Frau Wahle, D a r m s t a d t .
Außerdem d a n k e ich der Markgräflich Badischen H a u p t v e r w a l tung in Baden-Baden, der Fürstlidi Fürstenbergischen Sammlungsverwaltung in Donaueschingen, der N e u e n P i n a k o t h e k in
Mündien, dem Ritterhaus-Museum in O f f e n b u r g , der V e r w a l tung des ehemals Preußischen Königshauses in Bremen, dem
H e r z o g von R a t l b o r , dem Fürsten F r a n z Joseph von H o h e n l o h e Schillingsfürst und der Grällich Schönbornschen V e r w a l t u n g in
Wiesentheid.
Vgl. A n m . 6, 7, 9 und 10.
In pietätvoller Weise v e r w a h r t K a u f m a n n M a x Frick viele E r innerungsstücke an Lauchert: das F o t o seines Grabes in Berlin,
seine Malutensilien, einen Aquarellkasten und mehrere Paletten.
Vgl. Werkverzeichnisse.
N a c h l a ß m a p p e Bürgermeisteramt Sigmaringen; fünf
Skizzenbücher bei M a x Frick und ein Skizzenbuch bei K a r l M a ß , beide
in Sigmaringen.
Gedäditnis-Ausstellung M a r i e Ellenrieder aus A n l a ß ihres 100.
Todestages, Wessenberghaus K o n s t a n z vom 4. August bis 6.
O k t o b e r 1963.
E b e n d a , Abb. N r . 35.
Vgl. A n m . 6.
Thieme-Becker, Band 3, S. 377.
Brief vom 31. 12. 1862.
Emil Waldmann,
Wilhelm Leibi als Zeichner, München 1943.
FAS, H o f v c r w a l t u n g N V Z 15 656.
Vgl. A n m . 7.
Vgl. A n m . 10.
Gerda Franziska
Kircher, Z ä h r i n g e r Bildnissammlung im N e u e n
Schloß in Baden-Baden, S. 116—120.
Werkverzeichnis:
1. Signierte und datierte
Gemälde
1. M a n n mit L o r b e e r k r a n z . Brustbild ¡840. Bleistiftzeichnung.
20,5 x 15,5. M a x Frick, Sigmaringen, Großes Skizzenbudi.
2. M a n n mit G u i t a r r e . Kniestück 1842. ö l auf L n . 28 x 23.
D r . Alex Frick, T e t t n a n g .
3. Friederike Prinzessin von Honenzollern-Sigmaringen (1820 bis
1906). Brustbild, auf der Rückseite aufgeschrieben „gemalt von
4.
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35.
R. L a u d i e r t 1844". ö l auf Ln. 70 x 60. Schloß Sigmaringen,
B i l d e r k a m m e r . Lithogr. von J . Fertig.
L a u d i e r t Joseph, V a t e r des Malers. Brustbild 1844. ö l auf Ln.
70 x 60. P e n d a n t zu N r . 5. H e i n z Gauggel, Sigmaringen.
Laudiert W a l d b u r g a , M u t t e r des Malers. Brustbild 1844. ö l
auf Ln. 70 x 60. P e n d a n t zu N r . 4. H e i n z Gauggel, Sigmaringen.
Bärtiger M a n n . Brustbild Paris 10. 9. 1845. Bleistiftzeichnung
32 x 24. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
Laudiert Joseph, V a t e r des Malers. Brustbild 1846. Aquarell
mit Bleistift 36 x 27. P e n d a n t zu N r . 8. M a x Frick, Sigmaringen.
Laudiert W a l d b u r g a , M u t t e r des Malers. Brustbild 1846.
Aquarell mit Bleistift 36 x 27. P e n d a n t zu N r . 7. M a x Fridt,
Sigmaringen.
A n t o i n e t t e Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen (1793—1847).
Brustbild, auf der Rückseite aufgeschrieben „gemalt von R .
Laudiert 1847", ö l auf Ln. 70 x 62. Schloß Sigmaringen, Bild e r k a m m e r . Ein gleiches unsigniertes Bildnis im Blauen Salon,
Schloß Sigmaringen. I m Verzeidinis 1878 N r . 6234, (Anm.
29.) L i t h o g r . von J . Fertig.
Joachim N a p o l e o n Marquis Pepoli (1825—1881).
Kniestück
1847. ö l auf Ln. oval 69 x 59. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
W i d m a n n C h a r l o t t e . Brustbild 1847. ö l auf Ln. 25 x 17. M a x
Frick, Sigmaringen. Vgl. Bleistiftzeichnung im großen Skizzenbuch.
K a t h a r i n a Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen (1817—1893).
Brustbild 1848. ö l auf Ln. 71 x 61. Schloß Sigmaringen, Bilderk a m m e r . Lithogr. von J . Fertig.
Friedrich P r i n z von Hohenzollern-Hechingen (1790—1847).
Brustbild cop. 1848. ö l auf Ln. 71 x 61. Schloß Sigmaringen,
Bilderkammer. Lithogr. von J . Fertig.
Caroline Prinzessin von Hohenzollern-Sigmaringen.
Brustbild
1848. ö l auf Ln. 71 x 61. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
Buchhändler Tarreck, verst. Bräutigam von M a t h i l d e Laudiert.
Brustbild 1848. ö l auf Ln. 18 x 15. D r . Alex Frick, T e t t n a n g .
Stephanie Louise von Beauharnais (1789—1860). Brustbild 1849.
A q u a r e l l , oval 60 x 46. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n (1837—1859).
Kopf
1849. Aquarell oval 43 x 35. Sdiloß Sigmaringen, Blauer Salon.
Vgl. unsigniertes Pastell, Bürgermeisteramt Sigmaringen.
Leopold E r b p r i n z von H o h e n z o l l e r n (1835—1905). Kopf 1849.
Aquarell oval 44 x 34. Schloß Sigmaringen, Blauer Salon.
Anton P r i n z von H o h e n z o l l e r n (1841 — 1866). K o p f 1849.
Aquarell oval 44 x 34. Schloß Sigmaringen. Blauer Salon.
Carl P r i n z v o n H o h e n z o l l e r n (1839—1914). Kopf 1850. A q u a rell oval 42 x 36. Schloß Sigmaringen, Blauer Salon.
K a r l A n t o n Fürst von H o h e n z o l l e r n (1811—1885). Brustbild
1850. ö l auf Ln. 70 x 60. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
Lithogr. von J . Fertig.
Junge D a m e . Brustbild 15. August 1851. Bleistiftzeichnung
23 x 14,5. M a x Frick, Sigmaringen.
Mäddienbildnis. Kniestück „den 15ten Aug. 1851" Bleistiftzeichnung 21 x 13,8. A e n n y T h o m m a , Sigmaringen.
K a r l Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen (1785—1853j. G a n z figurig 1852. ö l auf Ln. 220 x 89. Schloß Sigmaringen,
Ahnengalerie.
Marie Prinzessin von Hohenzollern (1845—1912). Ganzfigurig
1852. ö l auf Ln. 209 x 141. Landhaus Krauchenwies.
Boetticher N r . 5. (Anm. 30).
Josephine Fürstin von H o h e n z o l l e r n (1813—1900). Brustbild
rückwärts aufgeschrieben „gemalt von R. Laudiert ¡m J a h r e
1852" ö l auf Ln. 73 x 62. Sdiloß Sigmaringen, Bilderkammer.
Lithogr. von J . Fertig.
Sitzender Franziskaner. Bleistiftzeichnung 1852. 14 x 12.
Bürgermeisteramt Sigmaringen.
M a n n und Frau am K l a v i e r . Bleistiftzeichnung 1852. 28 x 23.
M a x Frick, Sigmaringen. Großes Skizzenbuch.
J u n g e r M a n n . Brustbild 1852. Bleistiftzeichnung 29 x 23.
M a x Frick, Sigmaringen. Großes Skizzenbuch.
Cellospieler. Brustbild 1852. Bleistiftzeichnung 29 x 23.
M a x Frick, Sigmaringen. Großes Skizzenbuch.
Betende Frau. Kniestück 11. M ä r z 1853. Bleistiftzeichnung
25 x 19. D r . Alex Frick, T e t t n a n g .
K a r l Egon II. Fürst zu Fürstenberg (1796—1854). Kniestück
1853. ö l auf Ln. 137 x 127. P e n d a n t zu N r . 33. Gemäldesammlung Donaueschingen. Lithogr. von Leon Noel.
Amalie Fürstin zu Fürstenberg (1795—1869). Kniestüdc 1853.
ö l auf I,n. 137 x 127. P e n d a n t zu N r . 32. Gemäldesammlung
Donaueschingen.
Marie Fürstin zu Hohenlohe-Schillingsfürst geb. Prinzessin von
Sayn-Wittgenstein (1829—1897). Kniestück 1853. ö l auf Ln.
oval 101 x 85. Schloß Wiesentheid.
K a r l Fürst von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n . Brustbild, auf der
Rückseite: copiert v. R . L a u d i e r t den 5. Aug. 1853. ö l auf
Ln. 72 x 62. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer. Lithogr. von
J . Fertig.
36. K a t h a r i n a Fürstin von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n . Brustbild
oval 1853. ö l auf Ln. 70 x 59. München N e u e P i n a k o t h e k .
K a t . N r . 505, Wittelsbacher Ausgleichsfond N r . 485, seit 1940
verschollen. Boetticher N r . 6, Thieme-Becker Band 22 S. 431 f.
37. O t t Berta Elisabeth aus Sigmaringen. Brustbild 1853. ö l auf
Ln. M a ß e nicht b e k a n n t . Wahle, D a r m s t a d t .
38. von Berckholtz A l e x a n d r a , Schülerin Laucherts (1821—1891).
Kniestück 1854. ö l auf Ln. 105 x 80. O f f e n b u r g , R i t t e r h a u s Museum.
39. Alt Marie H e n r i e t t e geb. E h e b a l d t . Kniestück 1854. ö l auf Ln.
76 x 62. Lilli K r e u z e r , Sigmaringen.
40. K a r l A n t o n Fürst von H o h e n z o l l e r n . Ganzfigurig 1854. ö l auf
Ln. 220 x 89 Schloß Sigmaringen, Ahnensaal.
41. Carl August E r b g r o ß h e r z o g von Sachsen (1844—1894). J u g e n d bildnis 1854. ö l auf Ln. Gedenkschrift Saal I, N r . 3. (Anm. 31).
42. Louise Prinzessin Wasa geb. Prinzessin von Baden (1811—1854).
Brustbild 1854. ö l auf Ln. 48 x 39. Schloß Sigmaringen,
Blauer Salon.
Verzeichnis 1878, N r . 6349.
43. K a r l Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, Brustbild 1854.
ö l auf Ln. 72 x 62. Sigmaringen, Hohenzollerische L a n d e s b a n k .
44. Friedrich I. G r o ß h e r z o g von Baden (1826—1907). Kniestück
1854. ö l auf Ln. 157 x 125. Baden-Baden, Neues Schloß.
G. F. Kircher N r . 579 (B 568). (Anm. 32).
45. P r i n z von H o h e n z o l l e r n . Kniestück den 17. Aug. 1855, Bleistiftzeichnung 39 x 30. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
46. Sophie Großherzogin von Sachsen. Kniestüdc den 9. M ä r z 1855.
Bleistiftzeichnung 23 x 14,5. M a x Frick, Sigmaringen.
47. Sophie Großherzogin von Sachsen 1855. ö l auf Ln. G e d e n k schrift Saal I N r . 4.
48. C a r o l a Kronprinzessin von Sachsen (1833—1907).
Kniestück
1855. ö l auf Ln. 108 x 86. Schloß Sigmaringen, G r a u e r Salon.
49. C a r l Egon II. Fürst zu Fürstenberg. Brustbild 1855. ö l auf Ln.
oval 67 x 55. K o p i e von N r . 32, Ausschnitt. Schloß Sigmaringen, Bilderkammer.
50. Marie P a w l o n a G r o ß f ü r s t i n aller Reußen und Großherzogin
von Sachsen (1786—1859). Kniestück den 31. 12. 1856. Bleistiftzeichnung 23 x 14,5. M a x Fridc, Sigmaringen.
51. Luise Großherzogin von Baden (1838—1923). Brustbild 1856.
ö l auf Ln. 70 x 58. G e m ä l d e - K a t a l o g des P r e u ß . Königshauses
in Berlin I. 70. Königl. Palais N r . 36.
52. C a r l Alexander G r o ß h e r z o g von Sadisen (1818—1901). 1856.
Gedenkschrift Saal I. N r . 5.
53. J o a d i i m N a p o l e o n Marouis Pepoli. Kniestück 1856. ö l auf Ln.
oval. 70 x 56. Schloß Sigmaringen, B i l d e r k a m m e r .
54. Doris R a f f (1827—1912). Vermählt mit Tondichter Joachim
R a f f 1856. Bleistift. Gedenkschrift Saal I N r . 17.
55. Fricdridi I. G r o ß h e r z o g von Baden. Kniestück 1857. Bleistiftzeichnung oval 45,5 x 34. Baden-Baden, Neues Schloß.
G. F. Kircher N r . 581. P e n d a n t zu N r . 56.
56. Luise Großherzogin von Baden. Kniestück 1857. Bleistiftzeichnung oval 45,5 x 34. Baden-Baden, Neues Schloß. Kircher N r .
594, P e n d a n t zu N r . 55.
57. Laudiert Gustav. G a n z f i g u r i g 1857. Aquarell. 28 x 18.
K a r l Bisdiof, Sigmaringen.
58. Carl Egon II. Fürst zu Fürstenberg. Ganzfigurig 1857
(posthum). ö l auf Ln. 214 x 148. Schloß Heiligenberg.
59. Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Ganzfigurig 1857.
ö l auf Ln. 211 x 142. L a n d h a u s Krauchenwies.
60. L a u d i e r t Joseph, V a t e r des Malers. Brustbild 1857. ö l auf Ln,
oval 81 x 63. Bürgermeisteramt Sigmaring. P e n d a n t zu N r . 61.
61. L a u d i e r t W a l d b u r g a , M u t t e r des Malers. Brustbild 1857. ö l auf
Ln. oval 81 x 63. Bürgermeisteramt Sigmaringen. P e n d a n t zu
N r . 60.
62. Laudiert Adolar. Brustbild 1858. ö l auf Ln. 39 x 31. Max
Frick, Sigmaringen.
63. L a u d i e r t Joseph, Bruder des Malers. Brustbild 1858. Bleistiftzeichnung 35,5 x 25, 8. K a r l Bischof, Sigmaringen.
64. Marie Amalie Fürstin von Leiningen (1834—1899). Brustbild
1858. ö l auf Ln. oval 74 x 47. Baden-Baden, Neues Schloß,
Kirdier N r . 610 (K 130).
65. P r i n z von H o h e n z o l l e r n . Kniestüdc 1859. Bleistiftzeichnung
43 x 31. Schloß Sigmaringen, B i l d e r k a m m e r . Gleiche Art wie
N r . 45.
66. K a r l A n t o n Fürst von H o h e n z o l l e r n . Kniestück 1859. ö l auf
Ln. 127 x 95. Schloß Sigmaringen, P o r z e l l a n k a m m e r . Verzeichnis 1878 N r . 6383.
67. Laudiert Emil, Bruder des Malers. Brustbild 1859. ö l auf Ln.
82 x 66. Holienzollerischer L a n d e s k o m m u n a l v e r b a n d Sigmaringen, Landeshaus.
68. D r . Alt K a r l , p r a k t . A r z t in M a n n h e i m . Brustbild 1859. ö l auf
Ln. 76 x 62. Lilli Kreuzer, Sigmaringen, P e n d a n t zu N r . 39.
69. L a u d i e r t Richard, Selbstbildnis. Brustbild 1869. ö l auf Ln.
oval 80 x 65. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
f 0 . Sitzendes K i n d , Tochter des Malers, 1862. Ö l auf Ln. 62 x 75.
M a x Fridc, Sigmaringen. Vgl. zwei Bleistiftzeichnungen im
großen Skizzenbuch.
21
71. Frau von K a h l d e n . Brustbild 1864. ö l auf Ln. nach Foto.
72. Gräfin O p p e n d o r f . Kniestück 1866. ö l auf Ln. nach Foto.
73. K a r l König von W ü r t t e m b e r g (1823—1891). Ganzfigurig 1867.
ö l auf Ln. nach Foto. Boetticher N r . 16; S t u t t g a r t e r P o r t r ä t ausstellung 81.
74. Gräfin von der Schulenburg. K i n d e r k o p f 1867. ö l auf Ln.
nach Foto.
75. F e r d i n a n d P r i n z von H o h e n z o l l e r n (1865—1927). König von
R u m ä n i e n . K i n d e r k o p f 1867. ö l auf Ln. D m 31. Schloß Sigmaringen, B i l d e r k a m m e r .
76. K i n d mit K a t z e . 1868. ö l auf Ln. 47 x 41. Gemälde K a t a l o g
des P r e u ß . Königshauses in Berlin I 4902, I n v . Königsberg.
77. Feldmarschall von Steinmetz. Ganzfigurig 1868. ö l auf Ln.
206 x 128. Schlesisches Museum Breslau. Boetticher N r . 14.
78. Louise Prinzessin Wasa. Kniestück d a t i e r t nach Brief 4. Juli
1855. ö l auf Ln. Medaillon, oval 102 x 81. L a n d h a u s K r a u dien wies.
79. Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Kniestück, n u r signiert,
ö l auf Ln. 148 x 110. Wilhelmsbau, Schloßverwaltung.
II. Unsignierte
Gemälde
1. Bildnis der Familie Joseph Laudiert. Die Brustbilder der acht
K i n d e r i m Kreis um die Eltern. Bleistiftzeichnung 66 x 56.
Bürgermeisteramt Sigmaringen.
2. Kaiserin Augusta, 1811—1890. Ganzfigurig. Bleistiftstudie 58 x
35,5. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
3. Barbara Sdiweiggl von Ried im O b e r i n n t a l . Brustbild. Bleistiftzeichnung 26 x 20,5. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
4. Kopf eines bärtigen Mannes. Pastell 33 x 26. Bürgermeisteramt
Sigmaringen.
5. Mädchenbildnis. Brustbild. Pastell 47 x 32. Bürgermeisteramt
Sigmaringen.
6. Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Brustbild. Pastell 60 x
39,5. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
7. Josephine Fürstin von H o h e n z o l l e r n . Kniestüdc. Oel auf Ln.
136 x 86. Sdiloß Sigmaringen, Blauer Salon.
7.a Josephine Fürstin von H o h e n z o l l e r n Kniestück, Studie zu N r . 7.
Oel auf Ln. 31 x 22. L a n d h a u s Krauchenwies.
8. Wilhelm E r b p r i n z von H o h e n z o l l e r n . 1864—1927. R o n d o O e l
auf Ln. D m 31. Schloß Sigmaringen, B i l d e r k a m m e r .
9. K o p f eines russischen Bauern O e l auf Ln. 47 x 42. M a x Frick,
Sigmaringen.
10. Kopf eines russischen Bauern. Oel auf Ln. 46 x 35. D r . Alex
Frick, T e t t n a n g .
11. Brustbild eines Mannes. O e l auf Ln. 52 x 39. H e i n z Gauggel,
Sigmaringen.
12. A n t o i n e t t e Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen. Brustbild.
Oel auf Ln. 70 x 59. Blauer Salon, Schloß Sigmaringen.
Wie N r . 9 der datierten u n d signierten P o r t r ä t s . Verzeichnis
1878, N r . 6234, hier datiert 1844.
13. Friedridi I I I . K r o n p r i n z von Preußen. 1831 —1888. Kniestück.
Oel auf Ln. 127 x 90. Königl. Palais Berlin. G e m ä l d e - K a t a l o g
des P r e u ß . Königshauses N r . 76.
14. Viktoria Kronprinzessin von P r e u ß e n . 1840—1901.
Prinzeß
Royal von G r o ß b r i t a n n i e n und I r l a n d . Kniestück Oel auf Ln.
127 x 90. Königl. Palais Berlin. G e m ä l d e - K a t a l o g N r . 76 nach
Winterhalter.
15. Bildnis einer D a m e . Brustbild Oel auf Ln. 50,5 x 40. K a r l M a ß ,
Sigmaringen.
16. Mädchenbildnis. Brustbild Oel auf Ln. 44 x 39. D r . Alex Frick,
Tettnang.
17. Knabenbildnis. Brustbild Oel auf Ln. 41 x 31. D r . Alex Frick,
Tettnang.
18. K a r l A n t o n Fürst von H o h e n z o l l e r n . Vier Oelskizzen auf P a pier. 21,5 x 34. Bürgermeisteramt Sigmaringen.
19. Ältere D a m e . Kniestück O e l auf Ln. 140 x 100 M a x Frick,
Sigmaringen.
20. Laudiert A d o l a r . Brustbild O e l auf Ln. 39 x 31. M a x Frick,
Sigmaringen.
21. Weibliches Bildnis. Brustbild oval Oel auf Ln. 72 x 78.
München Bayerische Staatsgemäldesammlung I n v . N r . 8410.
22. Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Kniestück Oe! auf Ln.
148 x 110. Schloß Sigmaringen, Grüner Salon. Verzeichnis
1878, N r . 6362.
23. K a r l Fürst von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n . G a n z f i g u r i g O e l auf
Ln. 223 x 131. L a n d h a u s Krauchenwies.
24. K a r l Anton Fürst von H o h e n z o l l e r n . G a n z f i g u r i g Oel auf Ln.
223 x 131. L a n d h a u s Krauchenwies. Boetticher N r . 4.
25. Marie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Studie zum Oelbild in
Krauchenwies. Bleistiftzeichnung. 10,5 x 7,2. Schloß Sigmaringen, Kupferstichsammlung
26. C o n s t a n t i n P r i n z zu Hohenlohe—Schillingsfürst, 1828—1896,
Obersthofmeister in Wien. Kniestück. Oel auf Ln. 121 x 90.
Schloß Schillingsfürst.
27. G u s t a v P r i n z zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 1823—1896, K a r d i nal. Kniestück, ö l auf Ln. 110 x 80. Schloß Schillingsfürst.
22
III.
Lithographien
Acht Lithographien befinden sich in der Kupferstichsammlung der
H o f b i b l i o t h e k , Schloß Sigmaringen, die anderen im Bürgeimeistera m t Sigmaringen.
1.
2.
3.
4.
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8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
Friedridi P r i n z von H o h e n z o l l e r n - H e c h i n g e n von J . Fertig.
Friederike Prinzessin von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n v . J . Fertig.
K a r l Fürst von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n von J . F e r t : b
A n t o i n e t t e Fürstin von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n .
K a t h a r i n a Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen v. J . Fertig.
K a r l Anton Fürst von H o h e n z o l l e r n , unsigniert.
Josephine Fürstin von H o h e n z o l l e r n von J . Fertig.
M a r i e Fürstin von Leinmgen von C. Schultz.
Friedrich I I I . K r o n p r i n z von P r e u ß e n v o n Feckert.
Carl Egon I I . Fürst zu Fürstenberg von Leon N o e l .
A l e x a n d e r I I . Kaiser von R u ß l a n d 1818—1881 von Smirnoff
und Ullrich.
L a u d i e r t Richard, Selbstbildnis, unsigniert.
Stöger von W a l d b u r g von J . Fertig.
von N i e d e r m a y e r , O b e r s t l e u t n a n t , von F. W o e f f l e .
Duchesse d ' O r l e a n s von Leon N o e l .
Amelie H e r z o g i n von Ratiboi von Feckert, 1850.
Frau auf dem T o t e n b e t t von J . Fertig.
J u n g e D a m e von Leon N o e l .
Herrscherin.
J ü n g l i n g von Leon N o e l . 1856.
J u n g e r M a n n von Leon N o e l .
Brustbild eines Mannes von S. Meier, K a r l s r u h e .
K i n d e r g r u p p e im H i n t e r g r u n d Schloß Sigmaringen, von Freymann.
IV.
Fotografien
Es handelt sich n u r um Werke seiner Spätzeit von 1862—1868.
N a c h l a ß m a p p e Bürgermeisteramt Sigmaringen.
1. C a r l König von Württemberg. Ganzfigurig. S t u t t g a r t e r P o r trätausstellung 81- Boetticher N r . 16.
2. G r ä f i n O p p e n d o r f . Kniestück.
3. Frau von Treskow. Kniestück.
4. G r ä f i n Fü'stenstein mit K i n d . Kniestück.
5. Frau von G r ä v e n i t z . Kniestück.
6. G r ä f i n von der Schulenburg. Kinderbildnis. R u n d b i l d .
7. Frau von K a h l d e n . Brustbild.
8. Frau von T a l l e y r a n d . Kniestüdc.
9. Frau von Treuenfels. Kniestück.
10. H e r r von Treuenfels. Kniestück
11. Fräulein T ü m m e l . Kniestüdc.
12. C h a r l o t t e Prinzessin von Preußen (1860—1919). K i n d e r b l i d .
Ganzfigurig.
13. G r ä f i n Radolinsky. Brustbild. O v a l .
14. H e r r von Behr. Kniestück.
15. Frau von Behr. Kniestück.
16. Beatrice Prinzessin von England (1857—1944). Ganzfigurig.
17. Kaiserin Augusta. Ganzfigurig.
18. P o r t r ä t einer D a m e . Brustbild.
19. G r ä f i n von der Schulenburg, Kinderbildnis, R u n d b i l d .
V. Gemälde aus der Literatur
und den Briefen Laucherts erschlossen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
J u d i t h S t u d i e n k o p f . Boetticher N r . 1.
Tambourinschlägerin S t u d i e n k o p f . Boetticher N r . 2.
Mädchen mit dem Schmetterling. Aquarell. Boettidier N r . 3.
K r o n p r i n z u n d Kronprinzessin von P r e u ß e n . G a n z f i g u r i g f ü r
Fürst Putbus. Boetticher N r . 8 und 9.
Prinzessin K a r l von P r e u ß e n (1808—1877). Kniestück.
Boetticher N r . 11.
D a m e mit K i n d . Boetticher N r . 12.
Fürst Putbus. Boetticher N r . 13.
H e r z o g Friedrich von Schleswig-Holstein. Boetticher N r . 15.
H e r z o g Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha (1818—1893). Kniestück. Boetticher N r . 17; Dioskuren 1862, S. 174.
Junge D a m e in Weiß. Kniestück 91 x 77. Boetticher N r . 18.
Rose Neebauer. Pastell Brief 1843, O k t o b e r 22.
G r ä f i n von Bassewitz. Brief 1853, J a n u a r 26.
Großherzog von Sachsen-Coburg-Gotha. Kniestück. Brief 1855,
J a n u a r 1.
G r o ß h e r z c g i n von Sachsen-Coburg-Gotha (1820—1904). Kniestück. Brief 1855, J a n u a r 1.
Baronin von Wimmersberg Brief 1855, Juli 4.
Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . 1857, N o v e m b e r 26.
Professor D r . H e y f e l d e r , Petersburg. Brief 1862, April 9.
Graf Stillfried, Berlin. Brief 1962, April 9.
H e r r von Arnim, Berlin. Brief 1862, April 9.
G r ä f i n Blücher, Berlin. Brief 1862, April 9.
P r i n z und Prinzessin von D ä n e m a r k . Brief 1863, J a n u a r 6./7.
P r i n z A n t o n von H o h e n z o l l e r n (posthum gemalt) Brief 1866,
September 3.
OSCAR HECK
Die Denkmalpflege in Hohenzollern im Jahre 1968
Jahresbericht des Landeskonservators
Bei jeder denkmalpflegerischen Arbeit heißt begreiflicherweise die erste Frage: wie kann die Aufgabe finanziert
werden? Manche kunstgeschichtlichen oder historischen
Fragen, die vielen Landsleuten im Sinne liegen, könnten
längst beantwortet sein, würde man zu Beginn eines
jeden Jahres frei über gewisse Geldmittel verfügen, die
dann im Laufe der Monate dort verwendet werden müßten, wo Gefahr für den Bestand eines Bau- oder Kunstdenkmals droht. Könnte man, um nur ein Beispiel zu
nennen, einige Grabungen in mittelalterlichen Kirchen
anstellen, dann ließe sich wohl manche baugeschichtliche
Streitfrage klären und schlichten.
Begnügen wir uns also mit den bescheidenen Mitteln,
die unser Land zu geben imstande ist. Hier sei einmal in
aller Offenheit ausgesprochen, daß dem Landeskonservator der Kunstdenkmäler Hohenzollerns vom Landeskommunalverband keine wesentlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Landeskommunalverband
hat lediglich den recht spärlichen Betrag von 10 000.- DM
jährlich in seinem Haushalt für denkmalpflegerische
Zwecke zur Verfügung. Diese Summe reicht gerade hin,
um für die Instandsetzung von 10—12 Baudenkmalen
kleinere Zuschüsse zu verteilen. Angesichts dieses Minimums an Mitteln muß man also genauestens prüfen, ob
eine geplante Baumaßnahme einem Baudenkmal eher
hinderlich als förderlich ist, ob sie in der Hauptsache
einer ehrgeizigen Intention entspringt, oder ob lediglich
im Blick auf eine benachbarte Gemeinde gehandelt wird,
der man beim Geldausgeben nicht nachstehen möchte. In
solchen Fällen kann der Denkmalpfleger ohne Sorge in
seinen Zusagen bescheiden bleiben, denn es wäre nicht
gerechtfertigt, öffentliche Mittel unbedacht zu verschleudern. Wo aber ein Baudenkmalseigentümer oder eine
Kirchengemeinde ohne eigene Mittel ist und wo man erkennt, daß ein wertvolles Kunstdenkmal langsam aber
sicher zugrunde geht, sofern nicht das Notwendige zur
Rettung getan wird, da möchte man gern helfen und,
wenn möglich, kräftig helfen.
Mit den genannten Mitteln ist also leider nicht viel zu
helfen. Si.: bedeuten gegenüber dem Schwall von Aufgaben und Ausgaben, die auf den Denkmalpfleger zukommen, allzu wenig. Man kann nicht ohne weiteres
sagen, wieviel die Instandsetzung einer kleineren Dorfkirche kostet; das hängt von der Größe des Bauwerks
und von den Umständen ab. Mit 100 000.- DM kommt
man aber nicht weit, vor allem dann nicht, wenn von
der verwöhnten Kirchengemeinde ein gut heizbarer
Kirchenraum und bequemes Gestühl verlangt wird,
wenn die alte Kanzel nicht mehr genügt und wenn ein
neuer Zelebrationsaltar aufgestellt werden soll, wenn es
um neue, dem Raum angemessene Fenster oder um die
Anschaffung einer neuen Orgel geht. Der zur ländlichen
Kirche wohl passende Fußbodenbelag aus Sandsteinoder Ziegelplatten wird heute meistens abgelehnt. Wird
kein geschliffener oder gar polierter Natursteinbelag
verlegt, der leichter zu reinigen ist, dann droht der Mesner seinen Dienst aufzugeben. Vergessen wir also nicht,
daß der „Wohlstand" vor den Kirchentüren nicht halt
gemacht hat. Wohl oder übel müssen daher auch die
Denkmalpfleger sich daran gewöhnen, bei der Umge-
staltung von Räumen und deren Einzelheiten nachzugeben, sofern die Gesamtwirkung des Baudenkmals ungestört bleibt. Erfreulicherweise kann der Landeskonservator der Kunstdenkmäler Hohenzollerns in Sonderfällen noch auf eine andere Geldquelle zurückgreifen:
die staatlichen Mittel der Denkmalpflege. Dem Staatlichen Amt für Denkmalpflege in Tübingen stehen nämlich im Staatshaushaltsplan Gelder zur Verfügung, aus
denen auch jährlich ein Anteil für hohenzollerische
Bau- und Kunscdenkmäler abgespalten werden kann.
Der Landeskonservator der Kunstdenkmäler Hohenzollerns ist in der Lage, Anträge wegen Bewilligung
von Staatsbeiträgen nach deren gewissenhafter Prüfung
dem Denkmalamt Tübingen zur Entscheidung vorzulegen. Dort werden die hohenzollerischen Baudenkmale
an denen des Landes gemessen und gewertet. Offensichtlich werden sie nicht zu leicht befunden, denn im Jahre
1968 hat das Staatliche Amt für Denkmalflege Tübingen
für Hohenzollern insgesamt 215 700.- DM zur Verfügung gestellt, und aus diesem Betrag konnte manches
Bauvorhaben — wohlvermerkt: nur an eingetragenen
Baudenkmalen! — unterstützt werden.
Aber denken wir jetzt nicht immer nur an das Geld.
Läge nur dieses in der Waagschale, dann käme manches
denkmalpflegerische Vorhaben nicht zustande. Sind nicht
eher die Liebe zu dem alten Bauwerk und der Idealismus am Werk, wenn man daran geht, ein Kapellendach wieder dicht zu machen, ein zerrissenes Rippengewölbe zu sichern oder eine zutage gelangte Wandmalerei aus alter Zeit zu restaurieren? Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, daß die Mehrzahl der Denkmalpflegearbeiten von solchen Gesichtspunkten her gesehen, angefaßt, gefördert und beendet wird.
Denken wir jetzt an eine Reihe unserer hilfsbedürftigen
Bau- und Kunstdenkmale!
Was liegt dem in Hechingen ansäßigen Konservator
näher als die ehemalige Franziskanerkirche St. Luzen,
die, allzu vielen unbekannt, am nördlichen Rande der
Stadt gelegen ist? Am 23. Dezember 1967 stürzte ohne
erkennbaren äußeren Anlaß eine zentnerschwere Stuckrosette vom Gewölbe der St. Antoniuskapelle herab. Daraus ergab sich ein klares Bild der Gewölbekonstruktion.
Die Rippen wurden aus Holz ausgebildet. Am Zusammenschluß der vermorschten Rippen war die schwere
Stuckrosette mit einigen schmiedeeisernen Nägeln —
man darf wohl sagen: ziemlich leichtfertig — befestigt.
Wieviel Leichtfertigkeit in den übrigen Gewölbeteilen
beschlossen ist, wissen wir ohne Prüfung vom Gerüst aus
nicht zu sagen. Der Absturz der Rosette öffnete allen
zuständigen Stellen erst recht die Augen. Bei der Untersuchung des Bauwerks, die offenbar seit vielen Jahren
unterblieben war, kamen viele schwere Schäden zutage.
Insbesondere zeigte sich am Holzwerk des Dachstuhls,
daß der Schub der Hängesäulen und Sparren die Mauerkrone nach Messungen mit dem Lot um je 24 cm nach
außen gedrückt hatte, daß die starken Holznägel weggeschert und die Anblattung um 8 cm (senkrecht zum
Sparren gemessen) verschoben waren. Die Schäden an
den Dachbindern sind verschiedener Art und auch verschieden stark erkennbar. Entsprechend zeigen sich auch
23
die Risse im Stuck sehr wechselvoll. Verformungen an
anderen Dachbindern riefen Brüche in der Dachhaut hervor, so daß Regen, Schnee und Sturm eindringen können. Trotz aller Schäden wird man versuchen, die bestehenden Binder zu erhalten und zu verstärken und keine
neue Dachkonstruktion aufzubringen. Große Schwierigkeiten ergeben sich infolge der hohen Wandfeuchtigkeit,
der hauptsächlich mit einer Drainage begegnet werden
soll. Da der Stuck zwar mannigfache Risse aufweist, im
übrigen in seiner Substanz noch fest ist, werden gründliche Ausbesserungen notwendig sein: diesen wertvollsten Teil der Ausstattung wird man aber erhalten können und in die ursprüngliche Farbigkeit zurückführen.
Die genaue Oberprüfung des Bauwerks hat zahlreiche
Schäden ergeben, die bald behoben werden müsen, wenn
nicht katastrophale Folgen am Gewölbe hervorgerufen
werden sollen. Der soeben fertiggestellte Kostenanschlag,
den das Erzbischöfliche Bauamt in Konstanz aufstellte,
wird weit über die ersten Schätzungen, also weit über
eine Million, kommen. Werden die darin bezeichneten
Arbeiten aber sachgemäß ausgeführt sein, dann besitzt
Hechingen nicht nur wieder ein erstrangiges Kunstwerk,
sondern auch eine zweite, voll ausnutzbare Pfarrkirche.
Ohne den kirchlichen Stellen vorgreifen zu wollen, kann
man annehmen, daß sich mit der Restaurierung der St.
Luzenkirche der geplante Neubau einer zweiten Pfarrkirche auf lange Zeit hinausschieben läßt. Ist die Finanzierung der Instandsetzungsarbeiten geklärt und sind
auch die Eigentumsverhältnisse gesichert, werden die
eigentlichen Bauarbeiten mit einer archaeologischen Ausgrabung im Chor beginnen, die einzig zum Ziele hat,
die ursprüngliche Form der Chormauern klarzustellen.
Das wahre Alter der Kirche wird sich durch diese Untersuchung hoffentlich klar ergeben. Über die weiteren Arbeiten wird zu gegebener Zeit berichtet werden. Man
möge es der Bauleitung nicht verübeln, wenn die nicht
ungefährliche Situation, in der sich das Bauwerk z. Zt.
befindet, vorläufig allen Kirchenbesuchern versperrt
bleibt. Sobald die Gefahr behoben ist, werden die interessierten Einwohner von Hechingen rechtzeitig auf
den Plan gerufen. Als eine wichtige Vorarbeit macht ein
sehr erfahrener Baukundler, der Oberbaurat a. D. Dr.
Ing. Gemünd, genaue Aufmaße von der gesamten Kirche
und ihren Einzelheiten. Damit gelangen wir endlich
wieder in den Besitz maßstäblicher Zeichnungen. Herrn
Dr. Gemünd ist der Verfasser dieses Berichtes außerdem
dankbar für seine Mitteilungen über die statischen Verhältnisse im Dachstuhl. Um hinreichende Unterlagen
über den jetzigen Bestand zu haben, ließ der Unterzeichnete etwa 200 fotografische Aufnahmen vom Äusseren und Inneren der Kirche anfertigen. Sollte also das
Schicksal es so wollen, daß weitere Teile des Stucks oder
des Gewölbes einstürzen, so sind wir wenigstens in der
Lage, die Schadensstelle durch eine genaue Rekonstruktion auszubessern.
Außer der St. Luzenkirche gibt es nicht mehr viele Bauwerke von solcher Wichtigkeit und Schönheit im Lande
Baden-Württemberg. So sehr wir uns mit der Kirche
auch beschäftigen, so wenig dürfen wir aber das vergessen, was sonst noch geplant, gebaut, fertiggestellt oder
begonnen worden ist.
Da sind zunächst kleinere Kapellen, die aufgefrischt
worden sind oder werden sollen:
Ringingen, die Muttergotteskapelle
Neufra, die Hochbergkapelle
Weilheim, die Urbankapelle
Salmendingen, die Kornbühlkapelle
24
Inzigkofen, die Leonhards- und die Totenkapelle
Boll, die Kapelle Maria Zell.
Planungen bestehen für die Wendelinkapelle in Rangendingen und die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes
in Grosselfingen. An der Filialkirche in Starzein werden
im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Bundesstraße bauliche Veränderungen an der Vorderfont durchgeführt.
An Fachwerkhäusern in Hechingen, Gruol, Haigerloch,
Dießen, Trochtelfingen und Wessingen sind Instandsetzungsarbeiten ausgeführt worden, die zur Verbesserung des Ortsbildes beitragen.
Mit großem Interesse verfolgt man in Haigerloch die
Wiederherstellung der Kaplanei St. Anna. Jedermann
weiß, daß die Annakirche und die Kaplanei zu einer
baulichen Einheit zusammengewachsen sind, die eine
ganz besondere Sorgfalt verlangt. Es darf also nichts
geschehen, was diese Einheit stören könnte. Von besonderer Wichtigkeit wäre es, wenn man den Festsaal
in der ehemaligen Form wiederherstellen würde. Der
Denkmalpfleger legt hierauf ganz besonderen Wert.
Inzwischen sind die Wiederherstellungsarbeiten an den
Kirchen in Tafertsweiler, Trillfingen, Stein und Killer
ganz oder nahezu abgeschlossen worden. Der Innenraum der Pfarrkirche in Stein hat durch ein großes,
neuzeitlich gesehenes Deckenbild sehr gewonnen.
Dagegen sind die Arbeiten noch im Gange in der Pfarrkirche zu Glatt, wo im Langhaus noch gearbeitet wird.
Ein Detailbild vom Chorinneren soll einen Eindruck
von dem geben, was bereits vollendet ist. (vgl. 3 Abbildungen). An der südlichen Langhauswand sind Reste
nachmittelalterlicher Wandmalereien freigelegt worden.
Versuche, die geringfügigen Malereireste zu einem noch
heute wirksamen Wandbild zusammenzufassen, sind
leider gescheitert. Mit Rücksicht auf den Gesamtraum
wurden daher die Malereireste nach vorheriger fotografischer Aufnahme wieder zugetüncht. Der Chor der
Kirche in Glatt ist fertig; der neu aufgestellte Zelebrationsaltar darf jedoch nur als ein Provisorium gelten: er wird später in gültiger Form in Stein ersetzt. - Am
ehem. Schloß zu Glatt wurden weitere Ausbauarbeiten
vorgenommen. Hier ist eine Stätte der Erholung geschaffen worden, an der sich Fremde wie Einheimische
freuen werden.
Neue Planungen an kirchl. Bauten sind vorgesehen in Veringenstadt, Fischingen, Sickingen und Habsthal. In der
Pfarrkirche Habsthal weist die Decke über der Empore gefährliche Schäden auf. Auch die Decke über dem Schiff
hat sich gesenkt. Beide Veränderungen zwingen zu baldiger Sicherung der Decken, die wegen ihrer Ausstattung durch den Freskanten Gottfried Bernhard Götz
und den Stukkator Josef Anton Feuchtmayer von besonderer Bedeutung sind. — Im Kloster der Benediktinerinnen Habsthal mußte — wohl oder übel — einem
umfangreichen Dachausbau zugestimmt werden. Nun
folgt noch die farbliche Instandsetzung des Kapitelsaales.
Der Außenputz wurde weitgehend erneuert.
Überlegungen, die wesentliche Veränderungen im Chor
der Benediktinerkirche in Beuron zum Ziel hatten, —
sie hängen mit den Empfehlungen des 2. vatikanischen
Konzils zusammen — sind glücklicherweise zurückgestellt worden. Damit wurde vielleicht unbewußt ein
Beispiel gegeben, dem der Denkmalpfleger in manchen
anderen Fällen gerne folgen würde, wenn es ihm möglich wäre, ein entscheidendes Wort in Sachen der LiturgieReform zu sagen. Die Konservatoren müssen sich aber
in dieser Beziehung sehr zurückhalten, weil die Rechts-
grundlagen vorläufig ungesichert sind. Für uns gilt es,
empfindliche Beeinträchtigungen im Inneren von Kirchenräumen zu verhindern. Dies ist nicht immer leicht,
wenn es z. B. darum geht, in einem kleinen Chorraum
vor einem guten barocken Altar einen neuen Zelebrationsaltar zu errichten.
Nahezu beendet sind auch die Arbeiten in der Pfarrkirche zu Ostrach, wogegen man in Einhart erst vor
kurzem zu den notwendigen Entscheidungen gelangt ist;
hoffentlich finden die dort getroffenen Entscheidungen
später den Beifall der Kirchengemeinde; sie ließ sich
offensichtlich in weitem Maße einspannen für bauliche
Gedanken, die das altgewohnte Bild der Kirche wesentlich verändern werden. — Es ist sehr beglückend, daß
die zur endgültigen Freilegung der Wand- und Deckenfresken im Chor der Pfarrkirche zu Veringendorf erforderlichen Mittel vom Land Baden-Wüttemberg genehmigt worden sind. Der Restaurator ist seit einigen
Wochen an der Arbeit. Es ist zu hoffen, daß im Frühjahr 1969 die Kirche als eine der wertvollsten von
Hohenzollern im vollen Glanz der mittelalterlichen
Malereien vor uns stehen wird.
Eine ebenso schwierige wie erfreuliche Aufgabe bereitet
sich in Owingen vor. Auf dem dortigen Friedhof steht
ein fast lebensgroßes Kruzifix, das Johann Georg Wekkenmann zugeschrieben und mit 1755 datiert wird. Ich
fand im Mai letzten Jahres das Kreuz noch in einem
geradezu unwürdigen Zustand vor. Seine gesamte Oberfläche war etwa 2 cm hoch vermoost. Diese höchst
störende Zugabe der Natur nahm der Plastik alles, was
sie offensichtlich besaß, aber nicht zu zeigen vermochte:
die feine Weckenmannsche Zeichnung und Oberflächengestaltung. Schon vor Jahren machte ich meinen Vorgänger auf die Notwendigkeit aufmerksam, das Steinkreuz vom Moos zu befreien. Aus mir unerklärlichen
Gründen unterblieb dies aber. In der Gemeinde hielt
25
sich die Überzeugung, von denkmalpflegerischer Seite sei
jegliche Behandlung des Steinkreuzes verboten worden.
Ich konnte diese angebliche Meinung meiner Vorgänger
nicht teilen und empfahl, das Moos zu entfernen. Die
danach hergestellten Fotos zeigen die hervoragende Qualität der Plastik, daneben aber auch schwere Risse im
Corpus, die nach meiner Ansicht keinen weiteren Winter
mehr ertragen. Irgendwann würde das Kreuz in sich
zusammenbrechen. Dies trat nach Entfernung des Mooses
klar zutage. Nun blieb nur noch, das Original sofort
und mit aller Vorsicht in die Werkstatt des Steinbildhauers geschafft wurde, wo eine genaue Copie hergestellt werden soll. Die Finanzierung des Vorhabens ist
gesichert (vergl. auch „Hohenzollerische Zeitung" Hechingen, Nr. 253 vom 31. 10. 1968).
In mehreren Fällen hatte ich mich zu geplanten Werbeanlagen in Altstädten zu äußern. Ich muß dazu gestehen,
daß ich mich höchst ungern dazu hergebe, die abendliche
Stille im Rahmen einer Altstadt durch mehr oder
weniger unnütze Lichteffekte stören zu lassen. Aber ich
verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die
Geschäftswelt für meine hemmenden Bestrebungen kein
großes Verständnis aufbringt. — Schon im letzten Jahresbericht wurde etwas vom Umbau der alten Burg in
Straßberg gesagt (vgl.HH 18, 1968, S. 11). Im Jahr 1968
ist dort — wohl aus wirtschaftlichen Gründen — nicht
allzu viel geschehen. Garagen-Neubauten waren an mehreren Orten zu beurteilen, weil Beeinträchtigungen von
Baudenkmalen zu befürchten waren. Ob das alte —
angeblich größte — Mühlrad in Bärental-Ensisheim (vgl.
H H 18, 1968, S. 31) gerettet werden kann, halte ich für
zweifelhalft. Bei meinem Besuch in Ensisheim fand ich
nur noch elende Trümmerstücke des Rades vor. Der
Landeskonservator war auch beteiligt bei einer Besprechung der Umbaupläne der Donaustraße bei Thiergarten.
Da keine bedeutsamen Baudenkmale auf dem Gebiet der
hohenzollerischen Exklave stehen, konnte ich die Entscheidung auf die rüstigeren Schultern des Herrn Kollegen vom Naturschutz verlegen.
In Gauselfingen, wo ein Kirchenneubau entstanden ist,
konnte man sich nicht dazu entschließen, die alte, unter
Denkmalschutz stehende Kirche neben der neuen zu
erhalten. Der Altbau wurde daher abgebrochen. In ähnlicher Weise wird Sigmaringendorf um ein Baudenkmal, das Fachwerkhaus Nr. 32, ärmer. Es ist in hohem
Maße baufällig und die beträchtlichen Mittel, die zur
statischen Sicherung des Hauses notwendig wären, fehlen.
Auch im Hüttenwerk Laucherthal soll ein reizvolles
klassizistisches Bauwerk abgebrochen werden; doch sind
hierüber noch keine Entscheidungen getroffen worden.
In Inzigkofen ist geplant, das Innere der Pfarrkirche
und die große Klostermauer instandzusetzen. Für das
zweitgenannte Bauwerk ist eine Teilsumme bereit gestellt worden. An drei Orgelwerken — in den Kirchen
Fischingen, Kaiseringen und St. Luzen in Hechingen —
sind Instandsetzungsarbeiten notwendig. Der Orgelsachverständige wird sich zu den einzelnen Objekten äußern.
Die Wiederherstellung des Inneren der Pfarrkirche in
Liggersdorf ist fast beendet. Die stukkierte Langhausdecke erhielt ihre ehemalige Farbigkeit zurück. Auch
das Äußere der Kirche wurde instandgesetzt.
Lines der größten Bauobjekte wird in Diessen bei Horb
z. Zt. behandelt. Diessen soll dem Fremdenverkehr eingegliedert werden. Die stattliche Burgruine, deren aufgehendes Mauerwerk meterhoch im Trümmerschutt
steckte, wurde wieder freigelegt. Schon jetzt zeigt die
Burg ein weitaus stattlicheres Äußeres. Es ist zu hoffen,
daß das wiederhergestellte Baudenkmal zu seinem Teil
dazu beitragen wird, das „Ansehen" der Gemeinde
Diessen so zu steigern, daß es gern von Erholungsbedürftigen aufgesucht wird.
Endlich sei die katholische Pfarrkirche in Gammertingen
erwähnt, in der seit Jahresfrist gearbeitet wird. Es sei
zugegeben, daß der Raum sehr einfach ausgestattet war
und daß es an typischen Architekturdetails aus der klassizistischen Erbauungszeit fehlte. Trotzdem wäre es zu
begrüßen, wenn dem Raum etwas von seiner stillen
Haltung bewahrt bliebe. Nicht jede überfarbige Fensterverglasung paßt in einen Bau vom beginnenden 19.
Jahrhundert. Man möchte also wünschen, daß die Verantwortlichen sich in ihren Wünschen dem anpassen, was
auf uns überkommen ist.
Pfarrkirche
mit
26
Glatt.
schmiedeeiserner
Steinernes
Tür.
Sakramentshaus
(ISSO)
Im Kloster Wald wollen die Arbeiten nicht zu Ende
gehen. Dort scheinen die baulichen Wünsche ohne Grenzen zu sein. Seit den Sommermonaten sind Stukkateure
und Restauratoren dabei, die barocke Kapelle, deren
schwere Stuckdecke herabzufallen drohte, wieder zu
festigen und den gesamten Raum zu tünchen. Auch der
Pfarrkirche
Neuneck
Glatt.
umgeben
Kreuz),
von
von
rina (Rad
Dr.
des Sakramentshauses.
Der halbkreisförmige
den
drei
mit Schwert).
H.
wurden
Hell,
Aufsatz
Ritterordenswappen
St. Jago di Compostella
(Die 3 Klischees
weis:
— Aufsatz
gestiftet.
Das Ganze
von
gehört
der Gemeinde
741 Reutlingen,
Außenputz der Kapelle wird erneuert. Was dem Kloster
aber nicht weniger am Herzen liegt, ist der Plan für
den Neubau eines Wirtschaftsgebäudes, in dem u. a.
der Speisesaal für die Schülerinnen untergebracht werden
soll. Dieser Neubau ist in der heutigen Bauform gedacht;
ich glaube aber, daß man ihn deswegen nicht ablehnen
kann.
Der Landeskonservator nahm auch 1968 an den Vierteljahresbesprechungen der badisch-württembergischen Denkmalpfleger teil. Sie fanden in Stuttgart, Ulm, Rottweil
und Karlsruhe statt. Ein weit größeres Gesprächsfeld
ergab sich bei der diesjährigen Tagung des Kunstvereins
der Diözese Rottenburg in Bad Buchau und bei einer
einwöchigen Jahrestagung der Landeskonservatoren der
Bundesrepublik Deutschland in Westfalen.
Endlich seien einige Bemerkungen über die Hohenzollerische Landessammlung angefügt. Wie bereits im vergangenen Jahr ausgeführt, war ich schon bei der Übernahme meiner Amtsgeschäfte der Meinung, daß der
Untergeschoßraum unter der evangelischen Kirche auf
der Burg Hohenzollern für die Aufbewahrung von
Kunstgegenständen nicht geeignet sei. Trotz des Hinweises auf Messungen und Tabellen fühlten sich die
Kunstwerke klamm an. Ich hätte es nicht verantworten
mögen, die Sammlung in dem feuchten Raum zu belassen. Durch den plötzlichen Tod der Prinzessin Kyra von
Preußen sah sich Prinz Louis Ferdinand im Frühjahr
gezwungen, eine Ruhestätte für die verstorbene Prinzessin zu schaffen. Hierfür schien ihm der für die Landessammlung ausersehene Raum als sehr geeignet. Mit
Zustimmung des Landeskommunalverbandes gab die
Hohenzollerische Landessammlung den Raum frei; er
vom
(Muschel
Der
trägt
Hl.
Beschriftung
in Relief
Grabe
(Kreuz
vor zwei gekreuzten
zu den besten
Glatt
Arbeiten
freundlicherweise
Richard-Wagner-Straße
nach
die Halbfigur
1550
bewinkelt
Sceptern),
von
Reinhard
Gottvaters
von
mit der
je einem
sowie von
der Frührenaissance
zur Verfügung
der Hl.
in
gestellt.
von
Taube,
kleinen
Katha-
Hohenzollern.
—
Bildnach-
4).
wurde seitdem zu einer griechisch-orthodoxen Kapelle
umgestaltet und hat die Urne der verstorbenen Prinzessin aufgenommen. Die gesamten Kunstwerke der Landessammlung — sie befanden sich bis dahin getrennt an
7 (!) verschiedenen Orten (Altes Schloß, vorgeschichtliche Sammlung; Altes Schloß, Depotraum; Landesbank,
Depotraum; Hohenzollern, Untergeschoß der evangelischen Kapelle, sowie drei Depoträume) — wurden nach
Hechingen geschafft und bis zum Erhalt geeigneter Museumsräume in einem allseits abgeschlossenen Raum untergebracht, d. h. deponiert.
Was jetzt zuerst notwendig ist, sind passende Räume.
Es ist gedacht an einen vorzüglich gelegenen, repräsentablen Bau, dessen Mittelteil sich für die Aufstellung
der Sammlung eignen würde. Hier muß aber zuerst
noch eine Wohnung geräumt werden. Gelingt dies, dann
wird man an die Instandsetzung der Räume, an die
Auswahl der guten Kunstwerke und an die Aufstellung
eines Inventars gehen können. Aber zu all dem werden
Zeit benötigt, Zeit und Geld, Hilfskräfte und Geduld.
Zum Schluß bleibt mir nur noch übrig, allen Stellen zu
danken, die mich in meiner letztjährigen Tätigkeit unterstützt haben: dem Landeskommunalverband der Hohenzollerischen Lande, dem Fürstlichen Hause Hohenzollern, dem Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg und seinem rührigen Bauamt in Konstanz, allen Herren Geistlichen, dem Staatlichen Amt für Denkmalpflege in Tübingen, den Herren Landräten und Bürgermeistern und
— last, not least — den immer fleißig und aufmerksamen Herren Architekten, Restauratoren, Malern, Bildhauern und Kunsthandwerkern.
27
J O H A N N JERG
Schulwanderungen im oberen Donautal
Das obere Donautal ist mit Recht ein beliebtes Wandergebiet, bietet es doch mit seinen Wäldern, Felsen,
Höhlen, Burgen und Ruinen einmalige Blicke in die
romantische Landschaft. Kein Wunder, daß es auch bei
Schulwanderungen bevorzugt wird. Besondere Gefahren
für die Jugendlichen sind die Felsen, zumal die Schüler
oft aus Gegenden stammen, in denen keine Felsen vorkommen. Der verantwortungsbewußte Lehrer wird deshalb vor der Schulwanderung die genaue Wegstrecke
abgehen, damit er die Gefahrenpunkte kennt und die
erforderlichen Belehrungen und Sicherheitsmaßnahmen
durchführen kann. Auch an kleinen Felsen ist das Klettern für Ungeübte lebensgefährlich. Deshalb ist es erforderlich, auf Schulwanderungen genau wie das Badeverbot das Kletterverbot strengstens einzuhalten. Wohl
sind die wichtigsten und gefährlichsten Aussichtspunkte
durch Geländer gesichert, aber alle Felsen abzuschranken ist unmöglich. Ein bewährter Grundsatz der Wanderer ist es, mindestens drei Meter vom Felsenrand zurückzubleiben. Auch das Abrollen von Felsbrocken an
den Hängen bringt für die Nachfolgenden Gefahren
mit sich. Am besten hält sich der Wanderer an die Wegemarkierungen, dann verläuft er sich nicht. Auf alle Fälle
muß gerade im Donautal der Wanderführer an der
Spitze bleiben und darf ein Vorpreschen nicht dulden.
Für Schulwanderungen auf ausreichend markierten Wanderwegen und mit einer reinen Wanderzeit von etwa
drei Stunden werden folgende Vorschläge gemacht.
1. Gutenstein — Aussichtspunkt Teufelslochfelsen —
Rabenfelsen — Bröllerfelsen — Thiergarten, (2Vä
Stunden). Höhenunterschied 100 m, Markierung roter
Beuron,
vom
enUiommen.
28
Petersfelsen.
— Das
(Das Bild ist der Festschrift
Klischee
stellte
der
Dreiblock; ab Teufelsloch ist die Markierung in der
Wanderkarte nicht eingetragen.
Der Aufstieg zum Aussichtspunkt (AP) Teufelslochfelsen,
von der Landstraße an der Donaubrücke in Gutenstein
aus, ist sehr bequem. Einmalig schön und romantisch ist
es, direkt vor dem ersten Straßentunnel westlich von
Dietfurt aufzusteigen. Der Teufelslochfelsen ist nicht
nur ein schöner Aussichtspunkt, sondern auch ein idealer
Rastplatz. Der Wanderweg führt dann über den Gutensteiner Berg auf dem Stettener Weg zum tiefer liegenden
Rabenfelsen, gegenüber dem Thiergarter Hof. Direkt an
der Rabenfelsenwand ist Vorsicht geboten; jedes Gedränge muß vermieden werden. Von hier ab benutzen
wir einen romantischen Jägerpfad, der einen km lang
oberhalb dem Bröllerfelsen durch echten Urwald führt.
Hier wird kein Baum gepflanzt oder gefällt. Bei der
Ruhebank am Weg haben wir einen herrlichen Blick auf
die doppelten Umlaufberge Falkenstein und Mittelberg.
Der Abstieg nach Thiergarten führt auf bequemen Waldwegen mit schönen Ausblicken auf die Thiergarter Felsen und die zurückgelegte Wegstrecke.
2. Oberneidingen — Tobelweg durch den „Fall" —Ruine Hausen — Werenwag — Hausen im Tal,
(3 Stunden). Höhenunterschied insgesamt 200 m.
Alle Wegstrecken sind markiert mit roter Raute,
rotem Dreieck und rotem Dreiblock.
Der Aufstieg erfolgt von der Kapelle in Oberneidingen
durch den Tobel zum Höhenweg. Auf diesem erreichen
wir die Ruine Hausen, die nicht nur ein schöner Aussichtspunkt, sondern auch ein idealer abgeschrankter
zur Hundertjahrfeier
Landeskommitnalverband
der Hohenzollerischen
der Hohenzollerischen
Feuerversicherungsanstalt
Lande freundlicherweise
zur
1955
Verfügung.)
Rastplatz ist. Vom Forsthaus streben wir dann auf ebenen Waldwegen die Minnesängerburg Werenwag an.
Das Schloß kann nicht besichtigt werden. Ein sehr schöner und abgeschrankter Aussichtspunkt ist der Schreyfelsen, der innerhalb des Gebäudekomplexes von Werenwag liegt. In einem Privathaus vor der Burg gibt es
Erfrischungen. Der Abstieg zum Bahnhof Hausen i. T.
bietet keinerlei Schwierigkeiten.
3. Beuron — Wildpfad — Eichfelsen — Rauher Stein
— Beuron, (3 Stunden). Höhenunterschied insgesamt
190 m, Wegemarkierung roter Dreiblock und rote
Raute.
Unser Wanderweg führt über den Betonsteg am Sonnenhaus vorbei in den romantischen Wildpfad. Der sehr
bequeme und ebene Weg hat seinen Namen von dem
Revierförster Wild und führt zwischen Fluß und Land
Straße durch zwei Felsentunnel in Richtung St. Maurus.
Etwa 200 m vor St. Maurus biegen wir links auf das alte
Sträßchen ein, überqueren die neue Landstraße und
steigen bequem zum Eichfelsen auf. Es ist ratsam, wegen
der Enge und Absturzgefahr den AP Vögelesruh zu
meiden. Das freie Feld gleich dahinter bietet eine herrliche, wenig bekannte Aussicht talabwärts in Richtung
Eichfelsen und Werenwag. Der Eichfelsen — alte
Schreibweise Aichfelsen — hat seinen Namen nicht von
den Eichen, sondern von der stärksten Quelle des Donautales, dem sogenannten Schmidenbrunnen am Fuß
des Felsens, einer Karstquelle, die die Hohenberggruppe
mit Wasser versorgt. Mit Recht gilt der abgeschrankte
Eichfelsen als der schönste Aussichtspunkt des oberen
Donautales, zeigt er doch einmal den Donaudurchbruch
durch die Alb bis hinunter zu den Schaufelsen. Auf der
Wiese daneben ist ein idealer Rastplatz. Eben und bequem erreicht man von hier aus in einer halben Stunde
den AP Rauher Stein, der 150 m vom gleichnamigen
Wanderheini entfernt liegt. Am Aussichtspunkt selbst
befindet sich ein gut gesicherter Rastplatz mit Spielund Liegewiese. Zum Abstieg nach Beuron kann man
entweder noch vor Irrendorf links durch das Hirschental abzweigen, oder den Weg durch das Unterdorf nehmen und an der Kapelle auf dem Fahrweg das Endziel
erreichen. Ein weiterer, etwas schwierigerer Weg führt
über den einmalig schönen Aussichtspunkt Spaltfels (mit
Rastplatz) nach Maria Trost und Beuron. (Sehr lohnend ist es, anfangs vom Wildpfad aus die ganz nahe
gelegene St. Mauruskapelle zu besuchen — vgl. Wandervorschlag 4).
4. Beuron — Wildpfad — St. Maurus — Donausteg •—
Tobelweg — Wildenstein — Altstattfels — ehemaliger Steighof — Alpenblick — Beuron, (372 Stunden). Höhenunterschied insgesamt 200 m, alle Wegstrecken sind markiert mit rotem Dreiblock und
rotem Dreieck.
Die Wanderstrecke bis St. Maurus ist bereits unter Nr. 3
beschrieben. Durch den Bau der neuen Landstraße sind
das Käpfle und St. Maurus zu den ruhigsten und besinnlichsten Punkten im Donautal geworden. Die stets
geöffnete St. Mauruskapelle ist das einzige Bauwerk in
reinem „Beuroner Stil" mit Fresken seines Begründers,
des Paters Desiderius Lenz. Hier lohnt sich wirklich eine
eingehende Besichtigung und längere Rast, in der überwältigenden Landschaft am Fuße des Wildensteins. Auf
dem alten Sträßchen führt uns die Wanderung weiter
über den neuen Donausteg durch den Tobelweg hinauf
zur Burg Wildenstein. Tobel ist im alemannischen Raum
der Name für Schlucht. Dieser Tobelweg führt auch den
Namen Einwaidweg nach seinem Erbauer, dem Forstmeister Einwald. Direkt am Fuße der Burg ist Vorsicht
geboten. Schilder mit der Aufschrift: „Am Drahtseil festhalten" weisen darauf hin. Möglichkeiten zum Rasten
bietet die Burgwiese. Von hier aus ist der Abstieg auf
dem Hangweg (1 Stunde) nach Beuron möglich. Wir
wählen den weiteren Weg auf der Höhe zum AP Altstattfelsen, von dem aus man einen herrlichen Ausblick
auf die Erzabtei und das Tal hat. Der Altstattfelsen war
eine frühgeschichtliche, wahrscheinlich keltische Fliehburg,
daher der Name Altstatt-Fels. Die Abschnittsbefestigung
(Wall) ist heute noch auf einer Länge von 200 m sichtbar. Auf der Höhe wandern wir weiter an Aussichtspunkten vorbei durch den ehemaligen Steighof über den
Alpenblick hinunter nach Beuron. Wir können auch
kurz vor dem Steighof in 20 Minuten auf der alten Steig
(rotes Dreieck) direkt nach Beuron bequem absteigen.
5. Fridingen — Stiegelesfels — Sperberloch — Jägerhaus — Beuron, (3 Stunden). Höhenunterschied insgesamt 170 m, Wegemarkierung gelbes Dreieck, später rotes Dreieck.
Der Anstieg erfolgt vom alten Städtchen Fridingen aus
über Burgsteig — Einsiedlerkapelle — ehemaliger Burgstall zum Naturschutzgebiet und AP Stiegelesfels, gegenüber von der Ruine Kallenberg. Einmalig schön ist
der Blick in diesem Talabschnitt, der weder durch
Straße noch Bahn gestört ist. Leider führt hier die
Donau meist kein Wasser mehr, da die letzten Versickerungsstellen nur 2 km oberhalb bei Bergsteig liegen.
Wir wandern zunächst auf der Höhe weiter und steigen
auf Waldwegen erst kurz vor dem Jägerhaus, am
Sperberloch vorbei, ab und durchwaten die seichte oder
ganz trockene Donau (Springsteine!). Beim Jägerhaus ist
auch ein Kahn für die Uberquerung bereit, falls es notwendig ist. Beim Jägerhaus finden wir einen idealen
Rastplatz mit Einkehrmöglichkeiten. Das frühere Jagdschlößchen Bronnen ist zur Zeit leider nicht zugänglich.
Auf dem Talweg (rotes Dreieck) erreichen wir bequem
in 40 Minuten Beuron. Wir können aber auch einen
kleinen Umweg in Richtung Gallushof durch das bekannte Liebfrauental mit seiner Lourdesgrotte nach
Beuron machen.
Selbstverständlich können noch viele, genau so schöne
Schulwanderungen im oberen Donautal gemacht werden.
Falls es gewünscht wird, kann die Hohenzollerische Heimat weitere Wandervorschläge bringen. Hier sei noch
erlaubt, auf handliche Taschenbücher hinzuweisen, aus
denen der Lehrer weitere Vorschläge und Hinweise entnehmen und z. T. auch weitergehendes Vorbereitungsmaterial geschichtlicher und kunstgeschichtlicher Art finden kann:
Alfons
Kaspar,
K u n s t w a n d e r u n g e n kreuz u n d quer der D o n a u ,
Band I I I , 1. Aufl., Eigenverlag Bad Schussenried 1964, 168 Seiten,
84 Abb., k a r t . D M 6.—: Mühlheim — Beuron — Sigmaringen —
M e ß k i r d i — Kloster W a l d — H a b s t h a l — Bingen — Laucherttal
bis Veringenstadt •— Wilflingen — H e i l i g k r e u z t a l — H e u n e b u r g
bis Riedlingen.
Werner Schmidt,
R u n d w a n d e r u n g e n Schwäbische Alb, 3. Auflage,
J . Fink Verlag S t u t t g a r t 1966, 116 Seiten mit vielen Landschaftsm o t i v e n u n d 50 maßstäblichen Wegeskizzen, D M 7.80 ( D o n a u t a l
S. 98—103).
Hermann
Streng, R u n d w a n d e r u n g e n Südwestalb, J . Fink Verlag
S t u t t g a r t 1967, 112 Seiten, ebenfalls mit Landschaftsmotiven und
45 maßstäblichen Wegeskizzen, D M 7.80. ( D o n a u t a l S. 46—65.)
Wanderkarten:
Oberes D o n a u t a l , Blatt Spaichingen L 7918 u n d
Blatt Sigmaringen L 7920, M a ß s t a b 1 : 50 000 mit Wegebezeichnungen des Schwab. Albvereins. Preis je D M 3.—.
29
Oberlehrer i. R. Josef Schäfer, Trillfingen — verstorben
Nachruf von Josef Siegel
„Was einer ist, was einer war,
beim Tode wird es offenbar."
Als die überraschende Nachricht von dem plötzlichen
Ableben des Oberlehrers i. R. Josef Schäfer am 31. 1.
1969 in seinem Wohnort Trillfingen und darüber hinaus
in den Kreisen Hechingen und Sigmaringen bei den
vielen Kollegen, die ihn kannten und schätzten, bekannt
wurde, wußte man, daß einer in die ewige Heimat abberufen worden war, der die irdische Heimat zutiefst
geliebt und erforscht hatte. Noch konnte man es gar
nicht fassen, denn er hatte bis in seine letzten Tage lebendigen Anteil am pädagogischen Geschehen genommen und hatte an allen Veranstaltungen der Lehrerschaft noch als Ruheständler teilgenommen. Mit Oberlehrer Schäfer ging eine von den markanten Lehrerpersönlichkeiten von uns, die es als eine Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit ansehen, daß sich der berufene Lehrer auch mit der Heimatgeschichte und -forschung befaßt.
Sein Lebens- und Berufsweg fiel in eine bewegte Zeit,
die von ihm viel abverlangte. Am 23. März 1900 in
Empfingen geboren, mußte er bereits in jungen Jahren
seine Lehrerausbildung an der seinerzeitigen Präparandenanstalt in Hechingen unterbrechen, um sich dem
Militärdienst von Juni bis Dezember 1918 zu unterziehen. Anschließend absolvierte er das Lehrerseminar in
Boppard, wo er im März 1921 die I. Dienstprüfung
mit gutem Erfolg ablegte; der II. Dienstprüfung konnte
er sich erst im Juli 1931 — ebenfalls mit gutem Erfolg
— unterziehen, da er viele schwere Jahre der Stellenlosigkeit ertragen mußte. Nur kurze Zeit war er im
Jahre 1922 in Empfingen tätig; erst am 20. 10. 1927
konnte er dann wieder in den Schuldienst zurückkehren.
Zwei Jahre war der Junglehrer nun in Trillfingen. In
dieser Zeit, im Jahre 1928, schloß Josef Schäfer die Ehe
mit Berta, geb. Grumann.
Vom April 1929 bis März 1937 war Lehrer Schäfer in
Levertsweiler. Zehn Jahre, vom April 1937 bis 31.
August 1947 war er in Stein tätig und am 1. September
1947 wurde Trillfingen sein fruchtbarer Wirkungsort.
Fast 20 Jahre, bis zum 31. März 1965, hat der Verstorbene in Trillfingen, wo er auf 1. Juli 1953 zum Oberlehrer ernannt wurde, wirken dürfen, als lebendiger,
erfolgreicher Lehrer.
Oberlehrer Schäfer hat während seiner nahezu 40-jährigen Wirkens als Lehrer und Erzieher einer großen Schar
von Kindern nicht nur die Quellen der Bildung erschlossen und sie zu tüchtigen Gliedern der menschlichen Gesellschaft in Ehrfurcht vor Gott und in Liebe zur Heimat erzogen; er war darüber hinaus seinen Kollegen
und insbesondere den Junglehrern ein stetes Vorbild
für unentwegtes Streben nach Fortbildung, um die zeitgemäßen pädagogischen Strömungen in seiner Schulstube
verwirklichen zu können. Es war daher eine glückliche
Fügung, daß er durch viele Jahre als Leiter der Lehrerarbeitsgemeinschaft Haigerloch seine pädagogischen Ansichten, sein Wissen und Können einem weiten Kreis
von Kollegen weitergeben konnte. Dies geschah im
Geiste einer vorbildlichen Kollegialität und mit seltenem
menschlichen Geschick, daß in seinem Bereich fast regelmäßig alle Kollegen — auch noch Ruheständler — an
30
den Tagungen teilnahmen und gern seinen ungewöhnlichen Initiativen, die noch heute nachwirken, folgten.
Der Beruf eines Lehrers wurde von ihm in einem weiten
Sinne aufgefaßt. So war es für ihn selbstverständlich,
daß er neben seiner Schularbeit an seinen Dienstorten als
Organist und Leiter des Kirchenchors tätig war und
sich auch anderweitiger Vereinsarbeit annahm, wenn an
ihn herangetreten wurde. Insbesondere aber widmete er
seine Lebensarbeit der Volkskunde und drang zu den
Quellen der Heimatgeschichte vor. Dies durfte seiner
Ansicht nach nicht zum Selbstzweck werden, sondern die
Ergebnisse und Erkenntnisse sollten in die Schularbeit
einfließen und hier für Unterricht und Erziehung bei den
jungen Menschen fruchtbare Bildungswirkung auslösen.
Um ein Spezialgebiet der Heimatforschung, die Auswanderforschung für Hohenzollern, hat sich Schäfer besondere Verdienste erworben. Angeregt durch die Auswanderungswelle nach dem 1. Weltkrieg, hat er aus
eigener Initiative und auf eigene Kosten mühevolle
Nachforschungen in Archiven, Gemeinde- und Kirchenregistraturen sowie in privatem Besitz angestellt und
die Ergebnisse in der Zeitschrift „Zollerheimat" veröffentlicht. Auch an anderer Stelle wurden seine Arbeiten gern veröffentlicht. Es sind noch bis heute die umfassendsten Darstellungen in Bezug auf Auswanderungsgeschichte für Hohenzollern. Auch um die Lokalgeschichte
und die Führung der Chronik Trillfingen hat er sich
bis zu seinem Lebensende große Verdienste erworben.
Es war eigentlich eine Selbstverständlichkeit und ein
Positivum für den Hohenz. Geschichtsverein, daß ein
so profilierter Kenner und Liebhaber der Heimatgeschichte im Jahre 1965 in den Vorstand des Vereins
berufen wurde. Hier hat er ebenfalls trotz seiner angeschlagenen Gesundheit an allen Sitzungen, Tagungen
und Fahrten des Vereins bis zu seinem plötzlichen Tode
mit lebhaftem Interesse teilgenommen, und wertvolle
Beiträge erschienen in der Vierteljahres-Zeitschrift des
Vereins, der „Hohenzollerischen Heimat". Seine auf fundierten Kenntnissen und mit Bedacht vorgetragene Anliegen innerhalb des Vereins, die stets der Ausdruck
eines engen persönlichen Verhältnisses zu Land und
Leuten waren, fanden immer Beachtung und Würdigung,
so daß sein Fehlen im Vorstand besonders schmerzlich
empfunden wird.
Am Sonntag, den 2. Februar, hatte sich trotz des stürmischen Wetters eine selten große Menschenmenge von
Trillfingen und Umgebung, vor allem aber sehr viele
seiner Kollegen aus dem Kreise und darüber hinaus auf
dem Ortsfriedhof eingefunden, um sich von dem teueren
Verstorbenen zu verabschieden. An der starken Beteiligung und an den vielen eindrucksvollen Abschiedsreden
„wurde es offenbar", welchen Verlust der Lehrerstand
und die Heimatforschung mit dem Ableben von Oberlehrer Schäfer erlitten hat.
Die Verdienste des Verstorbenen für den Hohenz. Geschichtsverein würdigte der 2. Vorsitzende des Vereins.
Oberlehrer Schäfer hat sich durch seine tiefgründige
Arbeit und seine zahlreichen Veröffentlichungen selbst
ein lebendiges Denkmal in der Geschichte des Vereins
gesetzt.
MAXIMILIAN SCHAITEL
Die ehemalige Papiermühle zu Weilheim bei Hechingen
Als Rohstoff für die Herstellung von Papier dienten
zu Beginn des 19. Jahrhunderts Lumpen, abgetragene
Kleider und Wäschestücke, kurz Stoffreste aller Art,
soweit diese aus Hanf-, Flachs- oder Baumwollfasern
bestanden. Seiden- und Wollstoffe kamen nicht zur Verwendung und mußten jeweils aussortiert werden. Um
jederzeit das notwendige Rohmaterial zur Verfügung
zu haben, waren die Papiermacher, auch Papierer genannt, gehalten, sich in bestimmten Bezirken den Lumpensammler-Bestand, d. h. das alleinige Recht zum Lumpensammeln, zu sichern. So war das Sammeln von Lumpen ein nicht unwichtiges Gewerbe, zu dessen Ausübung
die behördliche Genehmigung gegen Bezahlung einer
Gebühr erforderlich war. Im Fürstentum Hechingen
hatte in den Jahren 1764/70 der Papierer Joseph Reinhard Sprinzing zu Egelstal, Gemeinde Mühlen, Kreis
Horb a. N. den Lumpensammlerbestand um 30 Gulden
jährlich inne.In den folgenden Jahren hatte das Recht zum
Lumpensammeln der Papierer Philipp Franz Löhle zu
Pfullingen, Kreis Reutlingen, gegen eine jährliche Zahlung von 53 Gulden. Im Jahre 1788 wurde der Lumpensammler-Bestand dem Papierer Michael Pachtler
(Bachtier) von Amendingen b. Memmingen gegen eine
jährliche Gebühr von 85 Gulden zuerkannt. Schon im
Jahr zuvor, im März 1787, war Pachtler von „Serenissimo mündlich gnädigst gestattet" worden, auf der Weilheimer Gemarkung eine Papiermühle zu errichten. Wenn
auch von der Mühle keine Mauerreste mehr vorhanden
sind, so können wir doch aus der Flurbezeichnung „beider-Papiermühle" schließen, daß sie am Weilheimer
Bach, oberhalb der Brücke Hechingen-Weilheim lag. Wie
Abbildung 2
Bachtier und der Barbara Bernin von Ochsenbach. Trauzeuge sind Melchior Kloz und Anastasia Wolfin. Die
Ehepartnerin bringt in die Ehe die halbe Papiermühle
des Vaters samt dem halben Verdienst. Der Ehepartner
erhält als Heiratsgut: 1 Viertel Wiesen, 1 Viertel Acker
auf dem Hasenbohl, V2 Jauchert auf dem Bürgeresch
und 1 Viertel Wald auf dem Bühl, gelegen an alt Friedrich Kurz. Im Sterbefall berufen sich beide Teile auf die
Landesordnung, die „drei gewöhnlichen Pflichten ruhen
bis zur gnädigsten Resolution Serenissimi!" Daß Wolf
die Wanderjahre richtig hinter sich gebracht hat, wird
von der Braut, von dem Vater des Bräutigams und vom
Vogt von Weilheim bezeugt. Um das Weilheimer Bürgerrecht zu erlangen, hatte die Braut 18 Gulden zu zahlen. Auf Verwendung des Fürsten wurde der Betrag
auf die Hälfte herabgesetzt.
Abb. 1: Zeichnungen angefertigt von H .
Olsdiewski.
E n t w u r f : M. Schaitel.
das Mühlengebäude aussah, ist nicht überliefert, doch
müssen wir annehmen, daß die übliche Einrichtung mit
Holländer, Bütten, Formen, Leimküche usw. und unter dem
Dach Böden zum Aufhängen und Trocknen der nassen
Papierblätter vorhanden waren. Im Jahre 1798 erhielt
Pachtler für weitere 6 Jahre den Lumpensammler-Bestand und zwar gegen eine jährliche „Recognition" von
90 Gulden. An Mühlengebühr waren übrigens jährlich 15
Gulden zu entrichten. In dem genannten Jahr am 7. Mai
verheiratete sich mit „obrigkeitlichem Consens" der
ledige Papiergeselle Thomas Wolf, Sohn des Thomas
Wolf und der Franziska Poplerin von Weilheim mit
Katharina Bachtlerin, Tochter des Papierers Michael
So arbeiteten also auf der Weilheimer Papiermühle Michael Pachtler und sein Schwiegersohn Thomas Wolf
zusammen. Wie das gegenseitige Verhältnis war oder
sich im Laufe der Jahre entwickelte, ist nicht bekannt.
Immerhin fällt auf, daß Pachtler am 11. September
1804 eine Eingabe an die fürstliche Regierung in Hechingen machte, in Gauselfingen eine Papiermühle errichten
zu dürfen. Da er die nötigen Mittel zu einem Neubau
nicht besaß, bat er gleidizeitig um einen entsprechenden
„Vorschuß" oder um die Bürgschaftsleistung zur Aufnahme eines Kapitals. Als Sicherheit will der Papiermacher die neue Mühle mit der gesamten Einrichtung
und allen Werkzeugen verpfänden. Das Gesuch Pachtlers wurde schließlich abschlägig beschieden. Nun hören
wir bis zum Jahre 1817 nichts mehr von der Papiermühle. Unter dem 3. 12. 1817 schreibt die fürstl. Re31
gierung an das Vogtamt Weilheim, daß der Papierer
Thomas Wolf — von Pachtler ist nicht mehr die Rede
— für den Lumpensammlerbestand und den Wasserzins
mit 177 fl 30 x im Rückstand sei, er solle Wolf zur Zahlung auffordern. Der Vogt berichtet, daß die Papiermühle seit 51/2 Jahren still liege! Darauf hin wird er
beauftragt, einen Acker des Papierers zu verkaufen und
die Schuld zu begleichen. Welche Gründe für die Schliessung der Papiermühle maßgebend waren, ist nicht überliefert. Da nach Mitteilung des Pfarramts Weilheim im
Totenbuch in der Zeit von 1813—1830 der Name Pachtler (Bachtier) nicht vorkommt, ist anzunehmen, daß
Pachtler mit seiner Frau fortgezogen ist, ob vor oder
nach Stillegung der Mühle, ist schwer zu entscheiden.
Von der Papiermühle Weilheim hören wir nichts mehr.
Dagegen wird unter dem 16. 10. 1816 berichtet (Hofkammer-Protokoll, Hechingen), daß Joh. Schulz von Weilheim und M. Edele von Owingen den Lumpensammlerbestandauf 6 Jahre übernommen haben, um 150Gulden jährlich. 1822 erwirbt das Recht zum Lumpensammeln im Fürstentum Hechingen der Papierer Ernst Ludwig Laiblen
von Pfullingen, um jährlich 292 Gulden. — Von den
Wasserzeichen, mit denen die Weilheimer Mühle ihr
Papier kennzeichnete, kann nur eines aufgeführt werden. Wir müssen aber annehmen, daß mehrere verwendet wurden, wozu aber eingehende Nachforschungen
nötig wären. Auf Abbildung 1 sehen wir einen Anker,
auf der linken Seite des Ankerschaftes den großen lat.
Buchstaben M, auf der rechten Seite ein P, die Initialen
des Namens Michael Pachtler und auf Abbildung 2
einen Doppeladler mit Krone, Szepter und Schwert und
auf der Brust einen Wappenschild. Anker wie Doppeladler sind nicht original, sondern werden öfters, natürlich in Abwandlungen, von Papiermühlen als Marken
verwendet. Das Papier, dem unser Wasserzeichen entnommen ist, stammt von 1791.
Pfarrpfründe (Pfarrfond) und Kirchenfond (Heiligenfond, bei uns kurz „Der Heilige" genannt), sind nicht
dasselbe, wie immer wieder irrig angenommen wird.
Beide sind vielmehr seit etwa 700 Jahren rechtlich verschieden und dienen verschiedenen Zwecken. Die Pfarrpfründe (Kapitalien und Grundstücke) dient der Besoldung des Pfarrgeistlichen und ist heute bei uns wegen
der Unzulänglichkeit der örtlichen Vermögen zentral
von der bischöflichen Behörde verwaltet und durch die
allgemeine Kirchensteuer aufgebessert. Die Heiligengüter
(Ortsfonde) dagegen und die örtliche Kirchensteuer dienen dem Unterhalt der kirchlichen Gebäude und der
Bereitstellung der Kultkosten (Meßwein, Wachs, Paramente). Pfarrpfründe und Heiligengüter wurden einst
zur Kirche gestiftet. Schon vor Karl dem Großen hatten
die Pfarrangehörigen zur Pfarrei den Zehnten aller
Früchte, des Heues und des Viehes zu geben, der bei
uns um 1860 abgelöst wurde. Der Großzehnt von den
Garbenfrüchten war im Lauf der Zeit oft in Hand des
Patronatsherrn gekommen, der jedoch zum Unterhalt
der Gebäude und des Pfarrers das Fehlende zuschießen
mußte. Wegen der Geldentwertung und des Zusammenschrumpfens der einst finanzstarken Fonde liegt die
doppelte Last wieder auf den Schultern der Kirchengenossen, sei es als Kirchensteuer, sei es als Spenden.
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(Auf die Papiermühle zu Weilheim habe ich bereits in
der „Hohenzollerischen Zeitung" Nr. 220, vom 19. 9.
1942 hingewiesen, aber in kürzerer Form.)
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19. Jahrgang 1969
Nr. 3
4P 382 8
Herausgegeben vom
Hohenzollertschen Geschichtsverein
in Verbindung mit den
Staatlichen Sdiulämtem
Hednngen
und Sigmaringen
LAMBERT HECK
Fürstin Eugenie von Hohenzollern-Hechingen
Weit überragt die Gestalt der letzten Fürstin von Hohenzollern—Hechingen ihre Zeitgenossen. Nur wenige
Menschen lassen Spuren aus ihrem Erdenleben zurück,
die Zeiten überdauern. Die Fürstin Eugenie ist in unserer hohenzollerischen Heimat unvergessen geblieben
bis in unsere Tage, denn aus ihr wirkte tätige Liebe
und warme Herzensgüte. Sie war eine wahrhaft edelmütige und hochherzige Frau, die man nicht mit Unrecht „die Mutter der Armen, der Kranken und der
Kinder" nannte. Geistlicher Rat und Stadtpfarrer Baur
in Hechingen hat ihre überragende Persönlichkeit, ihr
Lebensschicksal und ihr unvergängliches Lebenswerk in
einem Weihnachtsspiel mit dem Titel: „Fürstin Eugenie"
der Nachwelt überliefert.
Die Fürstin von Hohenzollern—Hechingcn, Hortense
Eugenie Napoleone, Prinzessin zu Leuchtenberg und
Eichstädt, wurde am 23. 12. 1808 in Mailand geboren.
Sie war aic Zweitälteste Tochter des damaligen Vizekörngs von Italien, Eugene Beauharnais, des Lieblingsund Adoptivsohnes Kaiser Napoleons I. und dessen
Gemahlin josefine geb. Tascher de ia Pagerie, der Witwe des Generais Vicomte de Beauharnais, der im Jahre
1794 hingerichtet wurde Die Mutter der Fürstin war
Auguste Amalie Luise von Bayern, die Tochter des vom
Volke hochverehrten Kurfürsten und nachmaligen Königs Maximilian Josef 1. Eugenies Kindheit fiei in die
Zeit, als Napoleon, der damals die Weit bewegte, auf
dem Höhepunkt seiner Macht stand und am Hofe ihrer
Eltern Wohlstand, Glanz und Pracht herrschte.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte das Fürstentum
Hohenzollern—Heesingen längere Zeit keine Landesmutter. Es st deshalb nur zu verständlich, als das kleine
Volk unterm Zoller großer Jubel erfüllte, als Erbprinz
Friedrich Wilhelm Konstantin seinem Lande wieder eine
Herrin geben wollte, die nicht nur mit reichen Gütern
gesegnet sei, sondern auch ein edles Herz in ihrer Brust
trage. Am 22. Mai 1826 führte er die junge Prinzessin
Eugenie als Gemahlin heim. Wochenlang waren die Behörden und die Einwohnerschaft von Hohenzollern—
Hechingen bemüht, dem jungen Paar einen festlichen
Empfang zu bereiten. Alles war in freudiger Aufregung
in der Residenzstadt Hechingen; die Bürger hatten eine
Miliz zu Pferde und zu Fuß aufgestellt und die Dörfer
hatten Deputationen ausgewählt, die das hohe Paar
empfangen durften. Eine große Volksmenge drängte
sich an der Landesgrenze, als Prinz Konstantin und
seine charmante Gemahlin in Gauselfingen in ihren
Herrschaftsbereich einzogen. Dies war von Gauselfingen
bis Hechingen ein Triumpfzug ohnegleichen, gleichsam
als hätte das zollerische Volk geahnt, welchen Schutzgeist das Land durch sie erhielte.
Dem Volk ging es zu jener Zeit auch hierzulande nicht
gut. Durch die Kriegswirren der napoleonischen Zeit und
durch die nachfolgenden Mißjahre war jeder Wohlstand
geschwunden, und drückend schwer lagen noch die mittelalterlichen Lasten auf Land und Volk. Mit dem Tode
des Fürsten Friedrich Hermann Otto im Jahre 1838
bestieg Fürst Friedrich Wilhelm Konstantin mit seiner
Gemahlin Eugenie den Fürstenthron.
Mit ihnen drang ein belebender Strom neuer Gedanken
und frischen Strebens ins Land. Durch fürstliche Anregungen und reiche Geldmittel der Fürstin nahm Hechingen einen künstlerischen und geistigen Aufschwung. Das
Fürstenpaar förderte eine öffentliche Musikpflege, die
Hechingen einen europäischen Ruf sicherte durch die
Konzerte der fürstlichen Hofkapelle. Die Fürstin, damals noch Erbprinzessin, übernahm selbst Solopartien
bei Oratorien. Beim Musikfest ; m Jahre 1837 bot Erbprinz Konstantin ais Instrumentalkörper zwe ; fürstliche
Orchester, dasjenige aus Hecir igen und dasjenige ans
Donaueschingen, dazu die Elite des Stuttgarter Hoftheater-Orchesters, weiter das Tüo'nger Stiftsorchester
und sonstige ausübende Musiker auf. Dazu kamen noch
ein Hechinger Männer- und Frauenchor und die besten
Chöre der Umgebung Hechingens. Als Dirigenten fungierten die bedeutendsten Kräfte Südwestdeutschlands: die
Hofkapellmeister Lindpaintner aus Stuttgart, Kalliwoda
aus Donauesdhingen, Täg^ichsbeck aus Hechingen und
Universitätsdirektor Silcher. Sonntägliche Hofkonzerte,
zu denen die Mitglieder der Museumsgesellschaft und
des Musikvereins freien Eintritt hatten, zogen auch zahlreiche Musikfreunde aus nah und fern an. Die Fürstin
war eine hochgebildete Frau mit vielseitigen musikalischen Interessen, eine Musikfreundin, begabt für Gesang
und Klavierspiel, und konnte sidi ebenbürtig an die Seite
ihres kunstsinnigen Gemahls stellen. Außerdem war sie
eine große Natur- und Blumenfreundin und gilt als die
eigentliche Schöpferin des Fürstengartens. Denselben vertraute sie zur sachgemäßen Pflege einem Hof[,>irtner an
und ließ ein Gewächshaus bauen und Blumenbeete anlegen. Mit ihren Mittein entstand die nach ihr benannte
Villa Eugenia als fürstliche Residenz, die das Fürstenpaar
gegen den ersten Wohnsitz auf dem Linaicn eintauschte.
„Alles, was aufgegangen ist, geht auch wieder unier
nur allein die Tugend bleibt bestehen", ein Nachruf,
der dem Grafen Eitel Friedrich II. vom Chron' ten
geschrieben wurde, gilt auch der Fürstin Eugenie. Ihre
großen menschlichen Qualitäten ruhen auf der Grund-
VUla Eugenia
(aus dem Kunstdeiikmälerwerk
Bd. I : Kreis Hechingen — abgekürzt K D H
Hohenzollern,
•• Hechingen 1939, A b b i l d u n g N r . 328)
Daß ihr das Mutterglück versagt blieb, empfand sie
zwar schmerzlich, aber dafür wurde sie die Mutter der
Jugend des Fürstentums und fühlte sich am glücklichsten
im Kreise der Kinder. Sie besuchte sehr häufig die Schulen, ermahnte zu Fleiß und Tugend und belohnte die
Strebsamen. In Hechingen baute sie im Jahre 1839 ein
Kinderhaus, eine der ersten Kinderbewahranstalten im
süddeutschen Raum, in der die Kinder seit Generationen
liebevoll betreut und anfangs sogar beköstigt wurden.
Talentierte Kinder ließ sie studieren oder ein Handwerk erlernen und bei der weiblichen Jugend sorgte
die Fürstin für eine gründliche Ausbildung in der Hauswirtschaft und in Handarbeit. In Handarbeiten brachte
sie es, besonders im Sticken von Meßgewändern, zu
einer geradezu meisterhaften, ja künstlerischen Fertigkeit, die man jetzt noch an zahlreichen von ihr gestifteten Meßgewändern bewundern kann.
Neben ihrer ernsten Lebensauffassung pflegte sie eine
warme und heitere Geselligkeit. Sie war eine Freundin
der Natur und liebte gemeinsames Wandern u. besuchte
mit Vorliebe Volksfeste mit ihren herkömmlichen Belustigungen. Mit Fastnachtsküchle, Jahrmarkt und Moritaten verstand sie es, den Kindern fröhliche Fastnacht
zu bereiten und zu gestalten.
läge einer trefflichen Erziehung zu Gebet und Arbeit,
zu strenger Ordnung und Pflichterfüllung, und daraus
erwuchsen ihre Tugenden. Der Grundzug ihres Wesens
war eine tiefe Religiosität. Ihre wahrhafte und echte
Frömmigkeit äußerte sie neben dem Gebet in der aufopfernden Liebe für die Mitmenschen. Ihre Wohltätigkeit kam aus einem Herzen, das jedes Leid mitlitt und
jeden Schmerz mitfühlte; sie kam aus dem Gefühl der
sittlichen Verpflichtung, das eigene Leben hinzustellen
in das Leben des Volkes. Sie schrieb selber einmal: „Wir
sind füreinander auf der Welt und müssen helfen, wo
wir können." Ihre Fürsorge begleitete ihre Landeskinder von der Geburt bis zum Tode und umfaßte die
Volkswohlfahrt in allen Bereidien: die Wochen- und Kinderpflege, die Schulen, die Armen und Kranken in Stadt
und Land, Suppenanstalten und die Ausstattung bedürftiger Brautleute. Wie eine barmherzige Schwester ging
sie auf ihren täglichen Besuchen in die Häuser der Aermsten und Einsamsten, milderte die Not, stillte die
Tränen, sättigte die Hungernden, pflegte die Kranken
und richtete die Verzweifelten auf. Nicht Wind noch
Wetter und nicht die dump*ige Luft und die verwahrlosten Stuben jener Zeit konnten sie von ihrer Liebestätigkeit abhalten oder abschrecken.
HOHENZOLLERISCHE
herausgegeben
vom
HEIMAT
Die
„Hohenzollerischen
Ge-
Mitarbeiter
dieser
Nummer:
Gerhard
Hans
Friedrich
Autenrieth,
O b e r s t u d i e n r a t i. R.,
lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-
7157 M u r r h a r d t , G e r h a r t - H a u p t m a n n - S t r . 3
Lambert
7487 G a m m e r t i n g e n , Telefon 07574/205.
Heck,
Telefon 07434/765.
Oberlehrer i. R.
7451 Rangendingen,
ist
¿ine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r n mit
Johann
Jerg,
beim
S t u d i e n d i r e k t o r a. D .
Telefon
07571/9422
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Msgr.
Fürstlicher Museumsdirektor
pulär
fachhistorischen
gehaltene Beiträge aus der
auch
po-
Geschichte
unseres Landes. Sie e n t h ä l t daneben einen besonderen Teil f ü r die Schule und den Lehrer.
Bahnhof
7480 Sigmaringen, R o y - S t r a ß e 2,
Sie
neben
Dr.
Walter
Kaujhold
7480 Sigmaringen, im Schloß, Tel. 07571/603
Johann
Adam
Kraus
P f a r r e r und E r z b . Archivar i. R .
78 Freiburg-Littenweiler, Badstraße 2
Bezugspreis:
halbjährlich 1.40 D M .
der Zeitschrift kann erfolgen bei
jedem Postamt oder beim Schriftleiter.
34
H u b e r t Deck, H a u p t l e h r e r ,
7457 Bisingen, Hauptschule
T e l e f o n 07476/349, b z w .
745 Hechingen, Tübinger S t r a ß e 28
Telefon 07471/2937
H e l m u t Lieb, H a u p t l e h r e r z. A.,
7480 Sigmaringen, H o h k r e u z l a ,
Telefon 07571/95G4.
Die
mit
Namen
versehenen
die persönliche Meinung
Artikel
der Verfasser
geben
wie-
d e r ; sie zeichnen f ü r den I n h a l t der Beitrage
verantwortlich.
Mitteilungen
der
Schriftlei-
tung sind als soldie gekennzeichnet.
M a n u s k r i p t e u n d Besprediungsexemplare w e r -
Michael
Bestellung
A.
Redaktionsausschuß:
gen. V e r l a g : Buchdruckerei Acker O H G .
bringt
Deutschmann, H a u p t l e h r e r z.
7471 S t r a ß b e r g / H o h e n z . Bohlstraße 341,
schichtsverein" in V e r b i n d u n g mit den S t a a t -
D i e Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
Schriftleiter:
Lorch,
Oberlehrer i. R .
7451 Killer, Kreis
Ringinger
Straße
Hechingen
den an die Adresse des Schriftleiters erbeten.
Wir
bitten
unsere
Leser,
rische H e i m a t " weiter zu
die
„Hohenzolle-
empfehlen.
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Fkitme als Erbpnntessm
I i t h o g m p M - : von J . Pcrti';,
g e d r u d t r bei Pilnty
ind L c i h l e
n Milndic i.
Die letzten Jahre ihres kurzen Lebens waren durch
ein unheilbares Lungenleiden verdüstert. In der würzigen Luft und in den Heilquellen von Badenweiler
und Baden-Baden suchte sie Genesung. In der Morgenfrühe des 1. September 1847, auf dem Rückweg von
Baden-Baden, im Hotel Post in Freudenstadt, schlug
ihre Sterbestunde mit den Worten: „Grüßt mein teueres Vaterland, grüßt meine lieben Hechinger". Interessant ist die Würdigung, die der damalige Rabbiner Dr.
Samuel Mayer in Hechingen der verstorbenen Fürstin
entgegenbrachte: „Unsere Zierde haben wir verloren. Ich
spreche nicht von ihrer schimmernden Pracht. Einfach
und natürlich war ihr Gewand, Bescheidenheit ihr schönstes Diadem, wie eilte sie in die Hütten der Dürftigen,
wie sie Trost und Mut spendete, wie sie Licht der Blinden war, Kraft den Gelähmten verlieh, wie sie kleidete
die Nackten und sättigte die Hungernden, emporrichtete
die Verzweifelten. Da beugte sie sich vor dem Allmächtigen in den Räumen ihres Gotteshauses in ehrfurchtsvoller Demut."
Namenlose Bestürzung über die Todeskunde ergriff das
Volk in Stadt und Land, welches ihrer lieben Toten
eine ergreifende Kundgebung bereitete.
Das Testament der Fürstin krönt ihre Guttaten. Sie vermachte ihrem Lande 270 000 fl. Das Kinderhaus, das
Eugenienstift (jetzt Alters- und Armenheim), mit Gütern
ausgestattet, und das Krankenhaus, das mit dem Stiftungskapital gekauft wurde, sind noch lebendige Zeu-
gen der Fürsorge der letzten Fürstin für ihr Land und
Volk, während die kirchlichen und sozialen Stiftungen,
die in Geldwert angelegt waren, der Inflation zum
Opfer gefallen sind. Ihr Leichnam wurde in der Gruft
in der Stiftskirche in Hechingen beigesetzt. Auch ihr
Herz hat dort in einer Nische, in einem kunstvoll gearbeiteten silbernen Behältnis verwahrt, einen würdigen
Platz gefunden. Die Mutter der Fürstin, die Herzogin
Amalie von Leuchtenberg, hatte das Herz Eugeniens
in der Hauskapelle im Palais Leuchtenberg aufstellen
lassen, denn sie wollte alle ihre Kinder um sich haben.
Nach Zerstörung des Palais Leuchtenberg im Jahre 1943
kam das Herz der Fürstin in die Königsgruft der Münchener Michaelskirche, und von dort brachte es Prinz
Franz Josef von Hohenzollern im September 1952 nach
Hechingen und gab es in die Obhut von Geistl. Rat
und Stadtpfarrer Baur, der es in der Stiftskirche beisetzte.
Der Fürstin zu Ehren erstellte die Hechinger Bürgerschaft vor dem von ihr gestifteten Kinderhaus ein Denkmal. Die Kosten wurden durch freiwillige Spenden aufgebracht. Die Büste fertigte der aus Hechingen gebürtige
Bildhauer Josef Metzger in Hassfurt a. M. aus bestem
Tiroler Marmor. Das Postament ist aus einem Block
Adneter Marmor, der aus Salzburger Brüchen stammt,
herausgearbeitet, und der Bau ist aus hellem Sandstein
und roten Sockelquadern aus Heiligenzimmern ausgeführt worden. Der fürstl. Baurat Laur fertigte den Ent35
wurf des Denkmals. Im Jahre 1884 wurde dasselbe eingeweiht.
Möge dieses Denkmal künftigen Geschlechtern die Erinnerung an die große fürstliche Wohltäterin und Landesmutter wachhalten!
Billardhäuscben
(aus K D H ,
Hinweise
im
Park
Abbildung
der
Nr.
Villa
Eugenia
326)
zur unterrichtlichen
Behandlung
Die Fürstin Eugenie war eine überragende Persönlichkeit, und ihr wohltätiges Wirken aus sittlicher Verpflichtung ist auch für unsere Zeit von beispielhafter
Bedeutung für die Erziehung unserer Jugend zu hilfsbereiten Menschen. Zwar werden unsere Kinder durch
die modernen Publikationsmittel: Rundfunk, Fernsehen,
Schulfunk und Presse in weitem Maße mit der großen
weiten Welt und allen Sorgen und Nöten der Menschheit laufend konfrontiert, aber sie selbst wachsen in
einer Wohlstandsgesellschaft groß, in der sie keine materielle Not zu leiden haben. Die unterrichtliche Behandlung des vorgenannten Themas setzt daher eine gründliche Kenntnis der Orts- und Heimatgeschichte, besonders aber der Zeitverhältnisse in der ersten Häfte des
19. Jahrhunderts, voraus. In zahlreichen Festschriften
von Vereinsjubiläen und in Ortschroniken sind interessante Einzelheiten aufgezeichnet, die die Zeitverhältnisse aufhellen. In den napoleonischen Kriegswirren
verarmten Land und Volk durch Truppendurchzüge,
Einquartierungen und Kriegslasten. Die Pfarreien und
die Gemeinden hatten hohe Kriegslasten zu tragen, und
von ^"esen wurden außerdem fast unaufbringliche Naturalleistungen gefordert. Den Gemeinden erwachsen
drückende Schuldenlasten, die sie durch Kreditaufnahmen abdeckten. Dazu kamen noch die von den Untertanen immer unerträglicher empfundenen Reallasten.
Als Rheinbundstaaten hatten die Fürstentümer militärische Kontingente zu stellen, und die Kriegsleistungen
führten zu einer völligen Verarmung des Fürstentums
Hechingen. Die Entwicklung zu einem geordneten
Staatswesen führte in ihm am finanziellen Ruin vorbei.
Eine ungedeckte Schuld von 300 000 fl belastete das
36
Fürstentum. Dazu kamen noch schwere Miß-, Hungerund Teuerungsjahre, so das Hungerjahr 1817 und die
Mißjahre 1846/47. Zur Speisung der Ortsarmen wurden
in vielen Orten öffentliche Suppenanstalten eingerichtet,
von einer solchen führt in Rangendingen eine Gasse
heute noch den Namen „Suppengasse". Zur Beschaffung
von Lebensmitteln und Saatfrucht mußte z. B. auch hier
eine Anleihe von 4 000 fl gegen Verpfändung von 40
Jauchert Allmand aufgenommen werden. Wenn ein
Acker gegen einen Laib Brot gehandelt wurde, spricht
dies sehr eindeutig für die Not zur damaligen Zeit.
Die Säkularisation schmälerte auch das Kirchenvermögen, aus dem dem kleinen Mann in dringenden Fällen
Geld geliehen werden konnte, und durch Auflösung von
Klöstern gingen die Zuwendungen an Arme verloren.
Die Kirche war häufig Geldgeber aus Stiftungen und
anderem Kirchenvermögen, woraus audt namhafte Mittel für Wohlfahrtszwecke verwendet wurden, insbesondere auch für das Schul- und Bildungswesen. Die Kirche
fühlte sich aber auch durch die Säkularisation von der
Gefahr unnötiger Verquickung mit irdischer Politik von
der Last vieler Sorgen befreit. Sie war jetzt darauf vorbereitet, unverdächtig an die immer lauter werdende
soziale Frage heranzutreten. In den Revolutionsjahren
1948/49 kämpften in Hohenzollern eine Reihe von
Geistlichen um eine freiheitliche Verfassung. Der Drang
nach Freiheit wirkte immer stärker und stärker unter
den Untertanen, nachdem sich die Anschauung über die
Herren- und Bürgerrechte änderten. Eine neue Gemeindeordnung brachte einen neuzeitlichen Zug in die Verwaltung der Gemeinden, und so wurde auch 1833 eine
für damalige Begriffe fortschrittliche Schulordnung erlassen. Aber man wußte keinen Rat, für die wachsende
Bevölkerung neue Existenzgrundlagen zu schaffen. Im
Killertal griff man z. B. zum Hausierhandel als Selbsthilfe, während anderwärts im Handwerk zusätzliche
Verdienstmöglichkeiten gesucht wurden, und zahlreiche
Existenzlose wanderten damals aus. Eine neue Gewerbe-
Villa
Silberburg
(aus K D H , A b b i l d u n g N r . 331)
Ordnung erleichterte die Entwicklung von Handwerk
und Gewerbe, und durch die Gründung landw. Vereine
wurde eine Verbesserung der Landwirtschaft versucht.
Sicherlich gab sich die fürstl. Regierung Mühe, nach Möglichkeit zu helfen, aber das Verhältnis breiter Schichten
der Bevölkerung zum Landesherrn und seiner Regierung
war schon von früher her so stark belastet, daß auch
gutgemeinte Maßnahmen auf Mißtrauen und Widerstand stießen. Die aufgeregte Stimmung im Lande
führte dann in den Märztagen 1848 zur Revolution.
Aus diesen Zeitverhältnissen wäre das Lebensbild und
das Wirken der Fürstin Eugenie der Jugend verständlich zu machen — ihr menschlicher Adel, ihre Herzensbildung, ihre gute und vielseitige Begabung, ihre vortreffliche Erziehung nach echter christlicher Gesinnung,
zu Zucht, Ordnung, Pflichterfüllung aus sittlicher Verantwortung, ihre herablassende Liebestätigkeit im Dien-
Schloß
Lindich
(aus K D H , A b b i l d u n g N r . 342)
ste der Mitmenschen; sie war im wahrsten Sinne des
Wortes Landesmutter.
In der Gemeinschafts- und Sozialkunde wären die grossen sozialen Gegensätze der damaligen Zeit aufzuzeigen.
Soziale Hilfe wurde auf freiwilliger Basis im Sinne
christlicher Liebestätigkeit kirchlicherseits, von privaten
Wohltätern und von der Dorfgemeinschaft geleistet. Es
war noch ein weiter und beschwerlicher Weg bis zu den
heutigen staatlichen und sozialen Einrichtungen und
Errungenschaften und zu den großen kirchlichen und
weltlichen Hilfsorganisationen.
Die Besichtigung der Wirkungs- und Gedenkstätten der
Fürstin Eugenie in der Kreisstadt Hechingen: Villa
Eugenia, Fürstengarten, Kinderhaus mit Denkmal der
großen Wohltäterin, das alte Krankenhaus und die
Stiftskirche lassen den Geist der Fürstin wieder lebendig
werden. Auch das Weihnachtsspiel „Fürstin Eugenie"
von Geistl. Rat Stadtpfarrer Baur könnte im Rahmen
von Schulveranstaltungen auch einer breiteren Oeffentlichkeit nutzbringend dargeboten werden.
Literatur-
und
Quellenverzeicbms
Pfeffer,
Anton:
Vom Kaiserstammland Hohenzollern. Rottenburg
(Neckar) o. J.
Aus dem Inhalt der
Ferner:
Buckenmaier, Anton Heinrich:
Eugenie, Fürstin von Hohenzollern-Hechingen.
Menschen und Mächte um eine Stiefenkelin Napoleons I. Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
(ZHG) 1 (1965). S. 1—173 (12 Abb.).
Die Klischees (außer Bild 2) zu diesem Artikel wurden
uns freundlicherweise vom Landeskommunalverband der
Hohenzollerischen Lande zur Verfügung gestellt.
Hundert Jahre Fürstlich Hohenzollerisches Museum in
Sigmaringen.
ZEITSCHRIFT FÜR
HOHENZOLLERISCHE
Sauter, Walter:
Die letzte Hechinger Fürstin. Das Bunte Blatt der
Hohenz. Blätter v. 4./5. 9. 1937.
Baur, Carl:
Fürtin Eugenie, ein Weihnachtsspiel.
Fürstin Eugenie von Hohenzollern. Hohenz. Zeitung
vom 30. 10. 1952.
Das Herz der Fürstin Eugenie. Hohenz. Zeitung vom
31. 10. 1952.
Siebzig Jahre Eugenien-Denkmal. Hohenz. Zeitung
vom 1. 9. 1954.
Fürstin Eugenie war eine echte Mutter des Landes.
Schwarzw. Bote vom 3. 1. 1958.
Fürstin Eugenie gab durch ihr Leben ein Beispiel.
Schwarzw. Bote vom 4./5. 1. 1958.
GESCHICHTE
4. Band — der ganzen Reihe 91. Band — 1968
Günter Biemer
Edilbert Menne (1750—1828). Ein vergessener Novize
und Konventuale des Klosters St. Luzen in Hechingen.
Maren Rehfus.
Das Schulwesen in der Herrschaft Wald.
Walter Kaufhold.
Fürstenhaus und Kunstbesitz —
Zweiter Teil:
Der weitere Ausbau des Museums. Sein Verkauf und
Wiederaufbau.
Günter Schulz.
Geschichte der geologischen Kartierung von
Hohenzollern.
Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein
Sigmaringen. Zu beziehen bei der Schriftleitung, Sigmaringen, Karlstraße 32.
37
H A N S FRIEDRICH AUTENRIETH
Heinrich Hansjakob reist durch Hohenzollern (1900)
Im Frühjahr 1900 kam dem zu jener Zeit vielgelesenen
Schwarzwälder Volksschriftsteller aus Haslach im Kinzigtal, Pfarrer Heinrich Hansjakob (1837—1916), der
hübsche Einfall, eine längere „Luftkur" im offenen Wagen zu genießen und so durch Schwarzwald, Baar, Hegau, Linzgau hinab ins Donauried und von da zurück
durch Hohenzollern zu schweifen. Wir lassen diesem
bedeutenden Mann möglichst selbst das Wort, um seine
Eindrücke auf der Fahrt durch Hohenzollern, sein Urteil und seine Ausdrucksweise kennen zu lernen, und
blättern zu diesem Zweck im ersten Band seiner „Reiseerinnerungen".
Am 28. Juni rasselt seine Kutsche mit dem Kutscher
Konrad auf dem Bock von Zwiefalten steilaufwärts
durch einen schönen Buchenwald auf die Hochfläche.
„Die Lerchen jubelten hoch über den weiten Fluren,
ein Schäfer weidete seine friedliche Herde am Wege hin,
erfrischende Winde zogen daher, und mir ging das Herz
auf. Aber auch der Schäfer weiß nicht, wie weit es nach
Gammertingen ist. ,Dös leit, glaub i, do drübe im Preußische; do bin i aber no nia g'wea' lautet sein Bescheid . .
Es mochte fünf Uhr des Abends sein, als ich das erste
schwäbisch-preußische Dorf, Kettenacker, erreichte. Hier
mußten die Pferde restauriert werden. Ich trat in die
kleine, sonnige Wirtsstube, ließ mir ein Glas Wein geben und setzte mich zu einem schwäbischen Bauer, der
hemdärmelig hinter einem großen Schoppen Bier saß . . .
Nach einigem Hin- und Herreden rückte ich mit der
Frage heraus: „Seid Ihr Hohenzollern jetzt zufrieden,
daß Ihr preußisch seid?" Die Antwort lautete: „Wellaweag sin wir z'frieda, a Bouer hot koi andre Wahl.
Der Preuß hot aber seit 1870 au alle gfressa, un die
Wirtteberger Boura sin koi Hoar besser dra als wir,
Hansjakob
38
als Student
in
Rastatt
pläzwis no schleachter. Nur verstond sie ihre Herra
(Beamten) besser als wir die unsere. Die preußisch'
Sproch verstond wir ett und learet sie au ett und wellet sie au ett leare'." — Inzwischen will ein anderer
Bauer nach Gammertingen telefonieren; der konservative Reisende wundert sich darüber. „Daß hier oben
schon das Telefon funktioniere und von den Bauern
benützt werde, hätte ich nicht geglaubt. So schön und
erfreulich diese Erfindung ist. . ., so meine ich doch,
je weniger man von seinen Mitmenschen hört und ¡e
seltener man mit ihnen verkehrt, um so weniger wird
die innere Ruhe und Zufriedenheit gestört. Das Telefon ist auch eines jener neuzeitlichen Galopp- und Hastmittel, die sicher den Menschen das goldene Zeitalter
auch nicht bringen werden."
Die Pferde sind inzwischen satt, die Fahrt geht weiter.
„Zwischen Kettenacker und dem nächsten Ort, Feldhausen, zeigt sich eine weite, reichlich mit Früchten und
Gräsern angebaute Hochebene, so daß das letztere Dorf
seinen Namen wohl verdient." Bald erblickt man von
der Höhe aus das Tal der Laudiert. „Dieses Flüßchen
soll seinen Namen haben von dem altdeutschen Worte
luchen, d. i. sich krümmen. Und in der Tat zieht es in
beständigen Schlangenwindungen die grüne Mulde herab,
die vor unseren Augen liegt." Ihr nähert sich der Weg.
„Wir fahren. . . noch einige Zeit talaufwärts, und um
acht Uhr des Abends sind wir in dem Städtchen Gammertingen, das uns von der Höhe aus schon lange zugewinkt hat. Vor seinem Hause, gleich am Eingang des
Städtchens, erwartet uns der Pfarrherr . . . In seinem
Hause war ich aufs beste aufgenommen. Sein Bäsle, das
ihm den Haushalt führt, ist aus der Aichhalden, in der
Nähe des oberen Kinzigtales, und eine eifrige Leserin
meiner Bauernbücher . . . Forellen und Kalbsbraten hatte
die Gute gerichtet, und sie war fast böse, als ich nur
um Milch bat . . . " Am folgenden Tag wurden die Apostel Petrus und Paulus gefeiert. „In diesem weltfernen
Amtsstädtle leben lauter religiöse Menschen; selbst die
Beamten und Ärzte besuchen regelmäßig den Gottesdienst . . . Die Kirche ist stillos, aber der alte Sakristan
gleicht aufs Haar und auf den Bart dem heiligen Vinzenz von Paul und hat mir deshalb mit Macht imponiert."
Schon vor neun Uhr erfolgt der Aufbruch „Es war
noch nicht zehn Uhr, als ich in das Dorf Neufra kam,
das noch im Tale der Vehla liegt. . . Das Dorf war,
weil alles beim Gottesdienst, wie ausgestorben. Es
herrschte eine weihevolle Stimmung über ihm, und ein
freundliches, neues Kirchlein erhöhte dieselbe. Schon auf
der Höhe über dem Dorfe hatte ich mich an einem
Manne erbaut, der barhäuptig, einen Schirm über sich
aufgespannt, vor einer Kreuzwegstation gar andächtig
betete, während die Morgensonne ihren Segen dazu gab.
—- In dem Dorfe Burladingen\ nahe der Wasserscheide
zwischen Donau und Rhein, zwischen Killer, Starzel und
Vehla, an der Quelle der letzteren gelegen, war eben
der Gottesdienst aus, als ich durchfuhr, und die Leute
standen im Feiertagsstaat vor ihren Häusern, jung und
alt in neumodischen Hudeln. Selbst die gelben Lederschuhe fehlten nicht. . . Gleich unter Burladingen treffen wir auf den Damm einer im Bau begriffenen Eisenbahn . . . Bald wird das Hauptroß der Kultur, die Lo-
komotive, auch in dieses einsame Tälchen seine Segnungen t r a g e n . . . In dem Weiler Starzein muß der
Konrad füttern. In der sonnigen Wirtsstube. . sitzen
zwei Südtiroler. Sie klopfen Schottersteine für den
Bahnbau . . . Sie sind Ritter der Arbeit und dienen auch
im Krieg . . ., den die Kultur mit der Natur führt und
welcher der Menschheit vielfach schwerere Wunden
schlägt, als blutige Schlachten".
„Der Hauptort des Killertales ist zweifellos das heitere
Dorf Jungingen. Wohlhäbigkeit schaut aus allen Häusern so weltfroh, als wollte sie sagen: Unser Reich ist
von dieser Welt. Jungingen ist auch die Zentrale für
den Handel und das Gewerbe des Tales. Junginger
kamen in meiner Knabenzeit schon als Geißelstockhändler und Krämer auf die Jahrmärkte nach Hasle
(Haslach). Und vor mehr als einem halben Jahrhundert
hab' ich einem Krämer Bosch aus Jungingen an den
Jahrmärkten zu Hasle Handlangerdienste geleistet —
um einen kleinen Fingerring oder um eine gemalte
Griffelbüchse". Gar nicht hübsch erscheint „die scheuernstilige Pfarrkirche . . . Übrigens soll . . . ein Pfarrer in
Jungingen nicht auf Rosen gebettet sein, was mit der
Wohlhäbigkeit und mit der Freizügigkeit der Bewohner
zusammenhängen mag. Auf der andern Seite muß aber
doch geistliches Blut in den Jungingern stecken, weil der
Ort schon viele Priester hervorgebracht hat." Uber die
Starzel, die durchs Killertal fließt, führen einfache, schöne
Holz- oder Steinbrücken. „Diese Brücken taten meinem
Auge so wohl, weil sie das landschaftliche Bild nicht
zerstören wie die vielen schändlichen Eisengitterbrücken,
die man in der neueren Zeit fast überall antrifft." Bald
zieht der Reisende in Schlatt ein; es ist das unterste Dorf
im Killertal. „An der Landstraße steht ein kaum vollendetes gotisches Backsteinkirchlein und verklärt den
kleinen, sonst unscheinbaren Ort. Und doch ging aus
diesem Dörflein ein für den Pfarrer von St. Martin in
Freiburg (nämlich Hansjakob selbst, d. V.) wichtiger
Mann hervor, der Chordirigent Joseph Diebold. Seine
Leistungen im Kirchengesang und auf dem Gebiet der
religiösen Komposition sind allgemein anerkannt... Sein
Vater war Schulmeister in Schlatt, und die Hofmusiker
im nahen Hechingen seine Lehrer in der Musik. Der
letzte Fürst von Hechingen, Friedrich Wilhelm, hatte
nämlich die beste Hofkapelle in Deutschland . . ." Diebold ist kgl. preußischer Musikdirektor. Er „hat, wie
alle großen Künstler, seine Eigenheiten . . . Aber wenn
ich am Altar stehe und er seinen Chorgesang erschallen
läßt, so begeistert er mich nicht nur, er rührt mich oft
zu Tränen . . . Ich habe schon oft gedacht, wenn alle
natürlichen und übernatürlichen Teufel mich plagen
würden zum Abfall vom christlichen G l a u b e n . . . —
das Credo von Koenen . . . würde mich retten von allen
Mächten der Hölle".
Jetzt aber zeigt sich, „leuchtend im Äther des Sonnenlichts, die Burg Hohenzollern und zu ihren Füßen auf
einem Hügel, imposant wirkend, die preußisch-hohenzollernsche Stadt Hechingen . . . Besonders effektvoll
wirkt die massige Hauptkirche, die in den Häusern
diinsitzt, wie eine stolze, schwäbische Königin-Mutter
inmitten ihrer Enkelkinder. So hatte Hechingen mein
Herz gewonnen, noch ehe ich in die kleine Stadt einzog." Nur daß er dann an einem Spital ein Schild
lesen mußte: 'Betteln verboten. Das Verabreichen von
Speisen untersagt', ärgerte ihn. „Auch das merkte ich
im Hineinfahren an den Firmenschildern, daß unter den
Söhnen Hachos viele Kinder Israels sich niedergelassen
haben. Trotzdem soll es in Hechingen keine Antisemiten
geben. Da müssen ja die Juden die reinsten Engel sein."
Ganz nahe bei der monumentalen Stadtkirche läßt er
Hansjakob
mit
Pfarrershut
vor dem Gasthaus zum Rad halten. Der elegante Wirt
weist ihm ein besonders schönes Zimmer zu. Am Fremdentisch erkennt er einen jungen Kaufmann wieder. „So
kam es, daß ich, sonst stets schweigend an Wirtstafeln
sitzend, mitredete. Der junge Radwirt war auch Gast an
seinem Fremdentisch, und das gefiel mir, noch mehr gefiel mir, daß der Mann nicht bloß äußerlich einem
Amtsrichter oder zweiten Staatsanwalt gleicht, sondern
auch die allgemeine Bildung eines solchen hat. Er spricht
mit viel Verständnis, selbst über Kunst. — Noch während des Essens erschienen zwei junge geistliche Herren,
die Kapläne des abwesenden Pfarrers von Hechingen,
um mich einzuladen, im Pfarrhause Quartier zu nehmen." Der Pfarrer Severin von Krauchenwies hatte den
Dichter ohne sein Wissen angemeldet, doch dankte er,
um den Radwirt nicht zu beleidigen. Nach kurzer
Visite im Pfarrhaus begab er sich mit einem der Kapläne
in die Stadtkirche. „Ihr Inneres überwältigte mich . . .
Sie ist ein majestätischer Festsaal, so feierlich, so weit
und so hoch, daß man hell aufjauchzen möchte vor
Freude, weil man Gott ein so würdiges, lichtes Haus
hier gebaut hat." Er erfuhr, die Kirche sei 1780 bis
1782 nach dem Plan des großen südfranzösischen Baumeisters Michael d' Ixnard von dem Werkmeister Großbayer aus Haigerloch errichtet worden. „Sie ehrt in
hohem Maße den Fürsten Joseph Wilhelm von Hohenzollern, der sie bauen ließ . . . " Freilich, „man erzählt,
Ixnard sei aus Hechingen durchgebrannt, weil der Fürst
ihm Vorwürfe gemacht, daß sein Plan zu kostspielig
und zu großartig werde. Man muß aber einem Genie nie
zumuten, bei seinen Entwürfen mit den Kosten zu
rechnen wie ein Maurermeister, wenn er einen Uberschlag zu einem Bauernhaus oder zu einem Holzschuppen macht."
Am Spätnachmittag finden wir unseren Hansjakob in
der Kutsche auf dem Weg zum Hohenzollernschloß;
einer der Kapläne, der Radwirt und der Kaufmann vom
Mittagstisch sind dabei. „Auf der Hinfahrt zur Burg
zeigte mir Hechingen seine Villen und seine fürstlichen
Landhäuser so elegant und so vornehm, daß ich nur
staunen mußte . . . Eine schöne Straße f ü h r t . . . am Zollernberg hinauf. Dieser erhebt sich pyramidenförmig in
39
der Landschaft wie ein gewaltiger Vorposten der schwäbischen Alb. Auf seiner höchsten Spitze liegt die Burg."
Aus näherer Schau will dem Besucher der Neubau erst
nicht gefallen. „Die .mittelalterlichen Formen sind so
glatt, so schablonenhaft aufgeführt, daß man glauben
möchte, man hätte ein Potemkinsches Schloß vor sich, aus
Brettern oder Kartonage für kurzen Bedarf hergestellt.
Anders gestaltet sich die Sache, sobald wir durch die
Windungen des Torweges hinauf in den Burghof gelangt sind und das Innere betreten. Da zeigt sich, . . .
daß wir ein echtes, hochadeliges, vornehmes Ritterschloß
des Mittelalters vor uns haben . . . Die herrschaftlichen
Innenräume . . . sind mehr prunkvoll als stilvoll hergestellt, machen aber auf gute, deutsche Untertanen zweifellos den größten Eindruck. Mein Kutscher . . . machte
die Schlittenfahrt in den Filzschuhen durch die Säle auch
mit und war ganz starr vor Staunen." Der Führer beherrschte den preußischen Dialekt vollkommen. „Zu
meiner Verwunderung sagte man mir aber, der Mann
sei ein echter hohenzollerischer Schwabe. Den sollte die
Regierung im Winter als Sprachlehrer zu den schwäbischen Bauern schicken, auf daß er ihnen das Preußische
beibrächte." Daneben entzückte Hansjakob die gewaltige
Fernsicht durch die Fenster dieser Prunksäle. — „In der
Kantine, einer echten Kneipstube aus der Ritterzeit,
nehmen wir eine Erfrischung . . . Ein mir fremder Gast
kommt auf mich zugeschritten, fragt, ob ich der Pfarrer
Hansjakob sei, und hält dann an mich eine schwungvolle Begrüßungsrede in seinem Namen und im Namen
seines Pfarrers, mit dem er seit Jahren sich in die Lesung meiner Bücher teilt. Der Mann brachte midi durch
sein Lob in wirkliche Verlegenheit. Ich kam mir vor,
wie eine alte Hexe, die man als einen Engel an Schönheit und Tugend preist." Der Sprecher war Lehrer im
württembergischen Unterland.
Hochbefriedigt fuhren die Besucher im Abendschein bergabwärts. „Unterwegs erzählten mir meine Begleiter eine
gute Anekdote aus dem Jahre 1866, wo die Württemberger in antipreußischem Sinn die hohenzollernschen
Lande und auch die Zollernburg militärisch besetzt hatten. Eines Tages kamen nun württembergische Soldaten
von der Burg nach Hechingen herunter und grüßten
einen ehrsamen Bürger dieser Stadt, der gerade vor
seinem Haus Holz sägte, mit den Worten: ,Grüaß
Gott, Landsma!', mit welchem Gruß sie andeuten wollten, daß Hechingen jetzt württembergisch sei und bleibe.
Ohne sich bei seinem Holzsägen stören zu lassen, gab
der seit 1850 annektierte Preuße und Hechinger zur
Antwort: ,Ihr wäret au welle preußisch wäre' —- und
stellte damit äußerst satirisch die Strafe in Aussicht,
welche die Württemberger dafür erwarte, daß sie preußisches Land so hoffnungsvoll in Besitz genommen. —"
Am nächsten Tag, den 30. Juni, erfolgt noch ein kurzer
Abstecher zu der 1586—89 von Graf Eitel Fritz VII.
von Zollern erbauten ehemaligen Franziskaner-Klosterkirche Sankt Luzen (Lucius). „Das Innere der Kirche
ist ein Kabinettstück des Renaissancestils, zwar nur in
Stuck, aber reizend; für einen Bettelorden fast zu
schön", meint Hansjakob. „Die Klostergebäude . . . sind
heute in eine Brauerei umgewandelt, die sich unpassenderweise mit dem Namen ,St. Luzen' schmückt; denn
der heilige Lucius, der Apostel von Chur-Rätien, hat
mit Brauereien, Fabriken und sonstigen Dividendengeschäften wahrlich nichts zu tun."
Die Pferde setzen sich wieder in Trab. „Es wimmelt
heute in dem nun weiter gewordenen Starzeltal von
Landleuten, die mit der Heuernte beschäftigt sind. Vor
dem großen Dorfe Rangendingen begegneten mir die
Dorfbewohner mit langen Reihen von Wagen . . . Was
40
mir an diesen Landbewohnern auffiel, waren die hohen,
kräftigen Gestalten der Wibervölker. Hohenzollern
scheint überhaupt das Land der Riesendamen zu sein."
Und nun bietet sich die schönste Ueberraschung. „Wir
sind . . . längst über Rangendingen hinausgekommen und
fahren auf wellenförmigem, ährenreichem Hügelland
dahin. Doch nicht lange. Bald geht's in eine Talschlucht
hinab, in deren Tiefe uns ein überraschender Anblick
wird. Vor uns liegt, wie ein Bergnest in den Abruzzen,
wie eine Phantasiestadt auf einer Weihnachtskrippe —
das alte Städtchen Haigerloch. Man meint, ein Erdbeben
habe einst einen Teil des Landes verschlungen und dann
rechts und links der so entstandenen Kluft zwei Hügel
in die Höhe getrieben. Später habe ein Sturmwind aus
allen vier Himmelsrichtungen Türme und Häuser dahergetragen und sie im Wirbel auf den Hügeln und in
der Tiefe zerstreut, um Haigerloch zu bilden . . . Bald
sind es die malerischen Türme, die unsern Blick festhalten, bald die herrlichen alten Häuser mit Holzfachwerk, die wie Schwalbennester an Fels und Berg hinaufhängen, bald das Flüßchen Eyach, das in tiefem Bette
mitten durch das Städtchen stürmt. Steil bergan führt
auch die Straße zum Gasthaus ,Zur Post', wo ich Mittag
machen will." An der Tafel klagen zwei Geschäftsleute,
daß noch keine Eisenbahn Haigerloch berühre. Doch
„ihr Wunsch wird sich bald erfüllen; die Kultur baut
eben auch in dieser Gegend die Straße für ihr Trojanerpferd."
Am Nachmittag läßt Hansjakob sich auf die Höhe zu
dem gewaltigen viereckigen ,Römerturm' führen. „Bei der
St. Annakirche lasse ich halten, schaue über das Häusergewirr hinweg hinab ins Eyachtal. . . Das Innere der St.
Annakirche ist reizender, reicher, später Rokokostil aus
der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die vielen, lustigen Engel . . machen förmlich ,Fanges' auf den Altären, was mir
sehr gefiel. — Es ist Sabbat, und in der Straße und auf
der Höhe sah ich viele Jüdinnen lustwandeln, unter
ihnen Schönheiten ersten Ranges. Die Juden bewohnen
in der Nähe des Römerturmes ein eigenes, lustig und
luftig gelegenes Quartier, machen ein Viertel der 1200
Seelen zählenden Amtsstadt aus und sind schon seit drei
Jahrhunderten hier ansässig." Mit dem jungen Kaplan,
bei dem er angekündigt war, fährt er zu Tal; zweimal
rufen dem bekannten Schriftsteller Haigerlocherinnen
freudige Grußworte zu. Auf dem andern Hügel, dem
Schloßberg, wohnt der greise, schwerkranke Dekan und
Stadtpfarrer Schnell, der den Amtsbruder erwartet.
Hansjakob muß am Fuß des Berges aussteigen und ächzend eine endlose Zahl von Stufen emporklimmen. „Ich
besann mich angesichts meiner Bewegungsschwäche ernstlich, . . . an dieser steinernen Leiter hinaufzusteigen. Da
auf derselben auch die Hauptpfarr- und Schloßkirche
erklettert werden muß, so verdienten die Haigerlocher
einen besonderen Ablaß für jeden Kirchgang." Der Dekan empfing den Besucher „aufrecht stehend und in tadellosem Anzug . . . wie ein Fürst, der seine letzte Audienz gibt". Leider mußte er nach Hansjakobs Weggang
die Anstrengung mit einer Ohnmacht bezahlen, und drei
Wochen später erlöste ihn der Tod. In der Kirche bewunderte unser Landfahrer den herrlichen Renaissancealtar; das Schloß, einst Lieblingsresidenz des 1764 hier
gestorbenen Fürsten Joseph aus der Sigmaringer Linie,
jetzt Oberamt, interessierte ihn nicht. „Ihn besuchte einst
in Haigerloch der ebenso frivole als gewalttätige Herzog
Karl Eugen von Württemberg. Die romantische Lage
dieses Städtchens gefiel diesem Tyrannen so gut, daß er
meinte: ,Hier würde ich mich arm bauen'."
Nun ging es die Steinstufen wieder hinab, der Begleiter
verabschiedete sich, und der Konrad auf dem Bock kut-
schiene Bad Imnau zu. „Die Straße führt durch die Anlagen des Bades Imnau und am Hotel vorbei, und es
gefiel mir, daß laut Inschrift auf einer Tafel das Peitschenknallen hier ausdrücklich verboten ist." Ehe er an
den Grenzpfählen vorbei ins Württembergische hinüberwechselte, um in Horb Station zu machen, fiel ihm ein,
daß er den Hauptlehrer Fink in Haigerloch hätte besuchen sollen. Der hatte ihm vor Jahr und Tag seine
Gedichte in schwäbischer Mundart zur Begutachtung geschickt. „Als Freund jeden Dialekts las ich sie und fand
reizende Schilderungen des bäuerlichen Alltagslebens."
Ein Band ,Dichterstimmen aus Hohenzollern' war 1898
erschienen. „Trotzdem diese Dichterstimmen in Haigerloch gedruckt wurden, findet sich der Dichter Fink nicht
darunter, obwohl er ein viel besserer Dichter ist, als
viele seiner dichterischen Landsleute. . ." Darum — und
damit verabschieden wir uns von unserem Gast — verzeichnet dieser auch in den Reiseerinnerungen ein Gedicht jenes „wack'ren Sohnes des großen Schmied-Jörgen" von Inneringen; es enthält „die reizenden Worte
eines schwäbischen Bauernkindes über seines Vaters
Kälble":
JOHANN
Eusa Küahle hot a Kälble,
Des ist rund und nudelfett;
Glitza tuat's, wia g'schmiert mit Sälble,
's Tierle ist gar dundersnett.
Lot ma's naus, no macht es Jucker,
Daß ma krank se lacha muaß;
Streichlet ma's, na tuat's koin Zucker,
Höchstens stupft es mit 'm Fuaß.
's fährt a Metzger rei in Flecka,
'Los au, wia sei Karo schnauft —•
Tuat 'm Vater Geld na strecka,
Und — mei Kälble ist verkauft.
Eaba füahrt ma's num am Eckle,
Karo bellat hinta drei —
's Kälbles Muater heult ganz schreckle;
Möcht beim Strohl (Blitz) koi Metzger sei!'
ADAM KRAUS
Vom Burladinger Schlößle
Friedrich, Graf von Zollern und Bischof von Augsburg
(1485—1505) hat im Jahre 1492 in Burladingen zwischen dem Alten Schloß (später Zehntscheuer) und der
Fehla, unweit der Georgspfarrkirche, ein Jagdschloß
errichten lassen. Das Erbauungsjahr ergab sich aus einem
Wappenstein über dem Tor, der im Jahre 1860 nach
Sigmaringen geschafft wurde und dort verschollen ist.
Irrig las man damals 1292. Über einem quadratischen
Grundriß erhob, sich ein mehrstöckiger Bau mit Giebeldach. Den vier Fronten waren schmale Kreuzflügel mit
Halbrundtürmen vorgelegt. 1 Der obere Stock wurde
1816 wegen angeblicher Baufälligkeit abgetragen; das
Schlößle 1860 an C. Schach aus Trochtelfingen verkauft.
Zwei Brände in den Jahren 1886 und 1925 setzten dann
dem ganzen ein Ende.
Aus einem Inventarverzeichnis des Jahres 1512, das vom
Untervogt Hermann in Gegenwart des Pfarrers Christoffel Kraus und Landschreiber Nisius von Hechingen
gefertigt worden ist,2 ersieht man, daß der Bau folgende
Räume enthielt: ein Turmstüble gegen Gauselfingen,
eine Kammer dabei, ein Turmstüble überm Tor und
Kammer dabei, die Stube des Grafen, des Jägerhänsleins
Kammer, des Hans Ruffen Kammer, eine Kammer des
Herrn von Hohenlohe, des Küchenmeisters Kammer,
eine Gesindestube, des Jägerhänsiis Stube, eine Kammer
des Bischofs von Augsburg und Stube dabei und eine
kleine Küche, zuammen also 14 Räume. Der ganze
Hausrat im Schloß ist im Verzeichnis aufgeführt, darunter Karrenbetten, die niedrig waren und auf Rädchen
liefen, sodaß man sie untertags unter andere Betten
schieben konnte. Dann sind erwähnt: Kissen, Bettladen,
Pfulben, Decken und Ziechen, Zelte über die Betten (ob
vielleicht gegen Schnaken?), Strohsäcke, Tische, Sergen
(d. s. Stoffe aus Wolle und Leinwand gemischt), Goltern
(gefütterte Decken) mit Fasen (Fransen), Spielbretter,
Sessel, Reisebetten, Trenzkachel (Tropfkachel), stürzene
Brunzkachel (aus Sturz = Eisenblech), ein Zelt überm
Bett mit Blumen und vier Flügeln und schwarz-weißen
Fransen, ein Trog mit Leinwand, Leinlachen, ein arrasses
Bettzelt (aus Arras in Frankreich), Tischtücher, Zwehlen
(Handtücher), Besen, verschiedenes Zinngeschirr und Geschirr aus Blech, Flaschen, Fischmulde, Becken, Kannen,
Gießfaß, Zwachbecken (Waschbecken), große und kleine
Leuchter, Fischberren (Fischnetze mit Stange), Häfen,
Kessel, Bratspieß, ein Bankschab (Hobel), Fischpfanne,
Feuerhaken, 1 Mörser, Anrichtlöffel, Wassergelt mit Lid
(Deckel), 1 Fliegenwedel, Speisetrog in der kleinen Küche,
einige Bratschüsseln. Im alten Schloß nebenan ist unter dem
Mobilar ein langer Tisch vom Schloß Holnstein ob Stetten aufgeführt.
Ein genau 100 Jahre jüngeres Verzeichnis 3 stammt vom
Burgvogt Bernhard Paul zu Burladingen, der am 19.
März 1612 abermals die Burgvogtei im Schloß antrat.
Er war zuvor am 20. September 1611 abgezogen. In
diesem Verzeichnis sind u. a. aufgeführt: ein Gemach,
darin Graf Hans gelegen, samt Kammer, der gnädigen Frau Gemach oder Kammer, ein Fräulein-Gemach
oder -Kammer, des Grafen Ernsten Gemach oder Canzlei. Hieraus dürfte folgen, daß Graf Ernst, der im Jahre
1575 geborene Sohn des Grafen Eitelfriedrich, nicht
„bald nach der Geburt" starb, wie die zollerische Gesamtgenealogie angibt. 4 Weiter werden angeführt: eine
Edelleute-Kammer mit drei Betten, eine Jägerkammer,
ein Falkenstüble, ein gräfliches kleines Stüble mit Lotterbett, Sessel, Tisch, Schreibzeug, Tischfazanet (Servietten)
und vieles andere. Vielleicht standen einige Räume leer
oder sind in der Zwischenzeit verschiedene Umbauten
vorgenommen worden.
Anmerkungen
1
2
3
4
Vgl. A . Speidel, H e i m a t b u c h der Gemeinde Burladingen, o. O .
o. J., S. 122.
Vgl. Mitteilungen des Vereins f ü r Geschichte u n d A l t e r t u m s k u n d e
in H o h e n z o l l e r n 21 (1887), S. 122—124.
Fürstlich H o h e n z . Archiv Sigmaringen, 72, 11.
G r o ß m a n n , J., Berner, E., Schuster, G., Zingeler, K . , Th., Genealogie des Gesamthauses H o h e n z o l l e r n , Berlin 1905. S. 76.
41
MICHAEL L O R C H
Anton Bumiller, genannt der „Hupetoni"
Geschichten um den ersten Autofahrer
des Kreises Hechingen
Sein Familienname und seine Übernamen weisen ihn als
Junginger aus. Hier ist er am 13. März 1857 geboren in
der Familie des Philipp Bumiller und der Kreszentia,
geb. Fauler. Die Mutter stammte aus Veringendorf.
Durch die schlechten Zeitverhältnisse gezwungen, wanderte die Familie aus nach Prag. Von den Kindern blieb
der Sohn Anton in Jungingen, eine Tochter bei Verwandten der Mutter in Veringendorf. In Prag entstand
eine Peitschenfabrik, die im Zusammenhang mit den
Heereslieferungen im Jahre 1866 rasch emporblühte.
Von dort kam der ältere Bruder Meinrad wieder nach
Jungingen und gründete im elterlichen Haus (Nr. 27
zwischen Schütte und Zinken) die „Erste und größte
Hohenzollerische Peitschenstöcke-, Spazierstöcke- und
Peitschenriemenfabrik", wie sie auf dem Briefkopf genannt wurde; neben dieser Firmenangabe prangte ein
Bild der Zollerburg mit der stolzen Unterschrift „Vom
Fels zum Meer". Das Grundstück, auf dem diese Peitschenfabrik steht, umfaßte einst das ganze in südlicher
Richtung sich anschließende Gartengelände bis einschließlich „Brechgrube". Die darauf stehenden Häuser Nr. 22
(Reiber), 23 (Christ. Zanger), 24 (Willi Bosch) sind
einst für Verwandte zur Peitschenfabrik erbaut worden;
so ist der „Zinken" entstanden. Die Fabrik wurde von
dem in Jungingen aufgewachsenenBruder Anton übernommen. Wegen seiner überspannten Ideen und seines gezierten Wesens (er hat nur hochdeutsch gesprochen) wurde ihm der Übername „Geiger" zuteil. Die Peitschenmacher, die bei ihm arbeiteten, erhielten 10 Pfennig
Stundenlohn und arbeiteten von morgens 7 Uhr bis
abends 7 Uhr. Das zum Heizen der Räume notwendige
Holz wurde vom Chef vorgezählt bereitgelegt. Das
hatte zur Folge, daß die Arbeiter zur Selbsthilfe Zuflucht nahmen und die zur Peitschenherstellung benötigten Unterstöcke verheizten. Wenn Bumiller in der sogenannten „Stellfalle" zur „Oberen Sägmühle" baden
ging, mußte sein Faktotum Christian Speidel jeweils mit
der Gießkanne bereit stehen und ihm damit ein Brausebad verabreichen. Kam er zur Nachbarin, um Milch zu
holen, so konnte er an der Türe sagen: „Aber bitte von
oben herab, nicht von unten herauf!" (Bekanntlich sammelt sich oben der Rahm!)
Unser Fabrikant war auch ein großer Jagdfreund. Er
hatte die Jagd auf dem „Heufeld" gepachtet von den
Gemeinden Ringingen, Salmendingen und Jungingen.
Dort oben angekommen, konnte er sagen: „So weit du
hier siehst, ist alles mein!" Immer mußte vom Personal
jemand dabei sein. Einer dieser „Treiber", der Stallhasen züchtete, mußte ein Kaninchen im Rucksack mit
hinausnehmen. Bei der Heimkehr wurde dieser Stallhase
so in den Rucksack gesteckt, daß er die Beine oben
herausstreckte und somit eine Jagdbeute vortäuschte. Einmal von einem Teilnehmer befragt, was er denn getroffen habe, gab er zur Antwort: „Ich habe nur geschossen,
damit du weißt, daß der Hase kommt!" Auf die Gegenfrage antwortete darauf dieser Teilnehmer: „Und ich
habe nur geschossen, damit Sie wußten, daß der Hase
dagewesen ist!" Sollte es vorkommen, daß ein „menschliches Bedürfnis" den Chef zum Verschwinden im Gebüsch nötigte, dann lautete die Aufforderung: „Christian, lauf 40 Schritte dorthin nach Norden, sieh dich
aber nicht um, bis ich dir wieder rufe!" Auf dem Anstellplatz unter Kehlberg sagte er oft: „Wenn ich mal
42
Anton
Bumiller
(13. 3. 1857 — 18. 5. 1939)
genannt
„Hupetoni".
gestorben bin, wird mein Leib verbrannt und meine
Asche auf diesem Platz verstreut."
Anton Bumiller heiratete in Offenburg die Tochter eines
dortigen Rechtsanwalts. Bei der standesamtlichen Trauung ging in Offenburg eine ganze Anzahl von Glückwünschen ein, u. a. von der Betriebsleitung und Belegschaft der Peitschenfabrik in Jungingen. Weil er seiner
jungen Frau das primitive Landleben nicht zumuten
wollte, bezog er eine Wohnung in Hechingen am Obertorplatz. Die Unbequemlichkeit des Weges von der
Wohnung in Hechingen zur Fabrik in Jungingen — es
gab noch keine Landesbahn — zwang Bumiller, eine
Lösung zu suchen. Diese bot sich an in dem damals aufkommenden neuen Verkehrsmittel, dem 1885 von Benz
erfundenen Automobil. Schon 1895 hatte sich Bumiller
eine solche „Benzinkutsche" angeschafft, die seit 1888
von Benz bereits serienmäßig hergestellt wurde. Ihre
Daten: 1,5 PS, 2 Geschwindigkeiten bis 16km/Std., damaliger Preis 3000 Mark. Es war das erste Automobil
im Kreis Hechingen. Wir können uns die Aufregung in
der Bevölkerung vorstellen, wenn der „Teufelskarren"
oder „Hexenwagen" klopfend und qualmend angefahren kam. Alte Leute sagten: „Jetzt geht die Welt
bald unter, wenn man fährt mit Wagen ohne Deichsel!"
Das Signal (Hupe mit Gummiball) brachte dem Besitzer
in Hechingen bald den Namen „Hupetoni" ein. Unter
diesem Übernamen war er bald landauf, landab bekannt.
Das noch vorliegende, handschriftlich geschriebene „Motorwagen-Buch" des Fabrikanten Anton Bumiller in
Jungingen verzeichnet, was sich im Motorwagen befindet.
Sämtliche Teile sind genau beschriebeil, ob die Schraubenmuttern recht- oder linksherum zu öffnen sind, mit
Schlüssel Nr. 1 bis Nr. 25. Zwei Lederriemen sind notwendig. Der nächste am Rad ist der zum Bergfahren
oder „Langsamer Riemen", 311 cm lang; der andere
Riemen ist der zur Schnellfahrt bestimmte, 305 cm lang.
Weil noch keine Lichtmaschine vorhanden ist, sind drei
Accumulatoren zum Auswechseln notwendig. Ein Accumulator hält, wenn er aufgeladen ist, etwa 30 Stunden
Fahrzeit. Die „Benzinbüchsen" konnten insgesamt rund
53 kg Benzin fassen, das sind etwa 76 Liter. Eine Notiz
vom 10. November 1900 besagt: „Motorwagenfahrt,
nachts bei sehr schmutziger Straße bloß mit dem langsamen Riemen, damit der Wagen nicht so schmutzig
wird, Belastung zwei Personen, Abfahrt Geschäft Jungingen bis Schlatt
12 Minuten, Schlatt bis Schwanen,
Hechingen = 24 Minuten, bis Wohnung an = 14 Minuten, zusammen 50 Minuten.
Blieb der Wagen auf der Fahrt nach Jungingen am
„Weilerbuckel" hängen, dann holte Bumiller die Kinder
einer kinderreichen Familie vom Dorfeingang Jungingen
herbei, die den Wagen hinaufschieben mußten. Oder
Onkel Moritz durfte seinen Gaul bringen und vor den
Wagen spannen. Dabei konnte er sagen: „Anton, laß
doch ein Deichsele an dein Wägele machen!" Einmal, auf
der Fahrt nach Hechingen, durften zwei eingeholte Fußgänger mitfahren. Als an einer Wegmulde Bumiller
plötzlich bremste, fielen die beiden nach vorn auf die
Nasen, die zu bluten anfingen. „Hupetoni" bemerkte
hierzu lakonisch: „Ich wollte euch bloß zeigen, wie
schnell ich halten kann!" Als nach der Jahrhundertwende neue und bessere Automobile auf den Markt
kamen, wurde Bumiller in der Museumsgesellschaft in
Hechingen vom damaligen Verwalter der Brauerei St.
Luzen foppend gefragt: „Was fangen Sie nun mit ihrem
alten Wagen an?" Bumillers Antwort: „Diesen fülle ich
mit St-Luzenbräu, dann wird's ihn schon verreißen!"
Bumillers Ehe entsprossen zwei Kinder: ein Sohn und
eine Tochter. Der Sohn wurde Studienrat und war im 1.
Weltkrieg Offizier. Der Vater war sehr stolz auf ihn
und konnte sagen: „Mein Sohn hat sieben Orden, weitere zwei hat er ausgeschlagen." Dieser Sohn hat einmal,
als er von Jungingen nach Onstmettingen wollte, sein
Fahrrad auf der Schulter den Zickzackweg am Himberg
hinaufgetragen (250 m Höhenunterschied!). Die Tochter
war Krankenpflegerin in Berlin und ist an einer Infek-
;
tion gestorben. In seinen späteren Jahren ist Anton Bumiller zu seinem in Canstatt verheirateten Sohn gezogen.
Dort hatte er den Hauptvertrieb für den Fadenständer
„Rotadendron", eine Art Nähkörbchenersatz, übernommen. Immer wieder.machte er Abstecher nach Jungingen,
wo zwar seine Peitschenfabrik längst in den Ruhestand
getreten war. Fragte man ihn, warum er das Gebäude
nicht verkaufe, so lautete die Antwort: „Eher verkauft
Adolf Hitler die Reichskanzlei in Berlin, als daß ich
mein Haus veräußere." Als Besonderheit mag hier noch
angeführt werden: Anton Bumiller hatte noch einen
dritten Ubernamen, er war ein „Longgi". Dieser Name ist
wohl als Sippenname aufzufassen und steht allen Nachkommen des Longinus Bumiller, eines Ahnherrn von
Anton Bumiller, zu. Von diesem Longinus, damals schon
„Longgi" genannt, erzählt der Sigmaringer Gewerbeschuldirektor Anton Bumiller, ein Junginger, in seinem
Buch „Aus dem Zollerland" folgende nette Anekdote: „Der
Amerikaner ist wieder im Dorf. Es geht ihm gut drüben — und er macht kein Hehl daraus, im Gegenteil,
man steht in der Kirche bei einem „Opfer". Er, hochaufgerichtet, mitten unter den nächsten Verwandten.
Neben ihm der Longgi, sein alter Kamerad, der ein
armer Schlucker geblieben ist. Die Opferung beginnt.
Nach örtlichem Brauch gehen erst die Frauen, und dann
die Männer in langen Reihen um den Altar herum und
legen eine Münze in den bereitgestellten Opferteller.
Der Amerikaner beugt sich zum Longgi herunter: Was
er wohl geben soll? Und das Schelmengesicht flüstert:
„An deiner Stelle — einen Taler!" Und der andere legt
beim Umgang wirklich einen harten Taler in die Schale.
Nie hat er erfahren, daß der Longgi, der gleich hinter
ihm kam, die seltene Spende wieder herausgeholt und
mit seinen Kameraden „vertrunken" hat.
Der „Hupetoni" ist gestorben in Stuttgart am 18. Mai
1939, kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Wohin seine
„Benzinkutsche" gekommen ist, weiß niemand zu sagen.
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luinliMittiN
Anton
vor
Bumillers
dem
„Benzinkutsche"
Gasthaus
„Zur
in
Post"
Jungingen.
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WALTER KAUFHOLD
Hofmaler Richard Lauchert
Nachtrag zum Werkverzeichnis
Nach Drucklegung des Werkverzeichnisses in Heft 2
dieser Zeitschrift konnte ich aus dem genealogischen
Werk: Monarchen - Edelleute - Bürger: Die Nachkommen des Fürsten Carl Ludwig zu Hohenlohe-Langenburg 1762-1825, von Franz Josef Fürst zu HohenloheSchillingsfürst, 2. Auflage, Neustadt a. d. Aisch 1963,
die noch lebenden Nachkommen Richard Laucherts ermitteln. Die Angaben der Verwandten über die noch
oder einst in ihrem Besitz vorhandenen Lauchert Porträts ergänzen das Werkverz •chnis in wertvoller Weise.
Zu Dank verpflichtet bin ich Friedrich Carl Erbprinz
zu Hohenlohe-Waldenburg, Schloß Waldenburg, Fräulein Adelheid von Lauchert, Wilhelmshafen, Holsteinstr.
29, Frau Gabriele Müller-Lauchert, Berlin 33, Königin
Luisestr. 36, Fräulein Hildegard Müller, Langensalza,
Rathenaustr. 8, Frau Stephanie Täterow, Biberach, Gartenstr. 17.
Weitere Auskünfte verdanke ich der Fürstl. Leiningischen
Domänenverwaltung in Amorbach, dem Fürstl. Hohenz.
Haus- und Domänenarchiv Sigmaringen, Herrn Archivrat Dr. Rudolf Seigel, der Hohenzollerischen Heimatbücherei Hechingen und Herrn Kaufmann Carl Friedrich
Braun, Bingen/Hohenzollern.
1. K a t h a r i n a Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen. En pied um
1850. ö l auf Ln. 180 x 150. V e r b r a n n t im Schloß W a l d e n b u r g
16. 4. 1945.
2. Therese Fürstin zu H o h e n l o h e - W a l d e n b u r g geb. Prinzessin zu
Hohenlohe-Schiliingsfürst (1816—1891), Schwägerin des Malers.
En pied um 1850. ö l auf Ln. 180 x 150. V e r b r a n n t im Schloß
W a l d e n b u r g am 16. 4. 1945.
3. Friedrich K a r l Fürst zu H o h e n l o h e - W a l d e n b u r g (1814—1884).
En pied ca 1850. ö l auf Ln. 180 x 150. V e r b r a n n t im Schloß
W a l d e n b u r g am 16. 4. 1945.
4. A d o l p h Prinz zu H o h e n l o h e - I n g e l f i n g e n (1797—1873). Sign.
R. Lauchert. Brustbild 1853. ö l auf Ln., oval 73 x 62. Friedrich
K a r l E r b p r i n z zu H o h e n l o h e - W a l d e n b u r g , Schloß W a l d e n b u r g Württ.
5. Elise Prinzessin zu S a l m - H o r s t m a r geb. Prinzessin zu H o h e n lohe-Schillingsfürst (1831—1909), Schwägerin des Malers. Sign.
R . L a u d i e r t . Brustbild 1858. ö l auf Ln., oval 58 x 47. H u b e r t
P r i n z zu H o h e n l o h e - W a l d e n b u r g , W a l d h o f bei Eschenau K r .
Heilbronn.
6. Lauchert Amalie geb, Prinzessin zu Hohenlohe-Schillingsfürst
(1821 — 1902). En pied, gemalt 1858 in Petersburg, ö l auf Ln.
ca 115 x 80, 1945 zerstört. Angabe von Adelheid von L a u d i e r t ,
Wilhelmshaven.
7. Lauchert Richard, Selbstbildnis. En pied, gemalt 1858 in Petersburg. ö l auf Ln. ca 115 x 80. 1945 zerstört. Angabe von Adelheid von Lauchert, Wilhelmshaven.
8. von L a u d i e r t Joseph, K i n d e r b i l d , ö l auf Ln. 80 x 80. Durch
Bombenangriff 1945 zerstört. Angabe von Adelheid von Lauchert,
Wilhelmshaven.
9. Adelheid H e r z o g i n von Holstein-Augustenburg Prinzessin von
H o h e n l o h e , M u t t e r der deutschen Kaiserin, Cousine von Amalie
Lauchert (1835—1900). Kniestüdc. ö l auf Ln., oval ca 1 1 0 x 7 0 .
Schloß Glücksburg bei Flensburg.
10. L a u d i e r t Therese geb. D e n d l e r (1819—1896) E h e f r a u des Joseph
Lauchert, D o m ä n e n r a t , Bruder des Malers. Brustbild, oval
59 x 45. L u d w i g Müller-Lauchert, Berlin.
11. Lauchert Emil K a u f m a n n , Bruder des Malers (1829—1892).
Sign. R. L a u d i e r t 1855. ö l auf Ln. 40,5 x 30,5. L u d w i g MüllerLauchert, Berlin.
12. Lauchert Friedrich V i k a r , Bruder des Malers (1827—1906).
Sign. R. Laudiert 1856. ö i auf Ln. 40,5 x 30,5. L u d w i g
Müller-Lauchert, Berlin.
13. Lauchert Joseph, V a t e r des Malers (1788—1863). ö l auf Ln.
1945
verlorengegangen. A u s k u n f t Gabriele Müller-Lauchert,
Berlin.
14. Russische Bäuerin mit zwei K i n d e r n . 1858 in Petersburg gemalt,
ö l auf Ln. 110 x 88. L u d w i g Müller-Lauchert, Berlin.
44
15. Die sieben Brüder L a u d i e r t . Nach Angabe von Gabriele MüllerLauchert, Berlin bei Müller in Langensalza gesehen.
16. von Lauchert C o n s t a n z e als Baby (1858—1939). R u n d b i l d , ö l
auf Ln. H i l d e g a r d Müller, Langensalza.
17. von Lauchert Constanze, als F ü n f j ä h r i g e lebensgroß auf einem
Kissen sitzend, ö l auf Ln. ca 100. H i l d e g a r d Müller, Langensalza.
18. Lauchert M a t h i l d e , Schwester des Malers, ö l auf Ln., ca 65 x 58.
Stephanie T ä t e r o w , Biberach.
19. Friedrich I I I . Deutscher Kaiser und K ö n i g von P r e u ß e n (1831
bis 1888). Kniestück, ö l auf Ln. 127 x 98. „Nach R . Lauchert
gemalt von M. P f ü l l e r Berlin 1864". Fürstl. Leiningsche D o m ä n e n v e r w a l t u n g , A m o r b a d i . Bilderverzeichnis N r . 93.
20. Viktoria Deutsche Kaiserin und Königin von P r e u ß e n (1840
bis 1901). Kniestück, ö l auf Ln. 128,5 x 99. Aufschrift auf der
Rückseite: „ K o p i e v o n M i n n a P f ü l l e r nach L a u d i e r t 1864".
Fürstl. Leiningische D o m ä n e n v e r w a l t u n g , Amorbach. Gemäldeverzeichnis N r . 94.
21. Alexandrine H e r z o g i n von Sachsen-Coburg-Gotha (1820—1904).
Kniestück, ö l auf Ln. 154,5 x 124. „Kopie von . . . nach
Lauchert 1857". Fürstl. Leiningische D o m ä n e n v e r w a l t u n g . A m o r bach. Bilderverzeichnis N r . 80.
22. Schenk zu Schweinsberg Freiherr Wilhelm, 1839 Fürstl. H o h e n .
Sigm. K o n f e r e n z r a t bis 1848, zuletzt dirigierender Geheim. R a t .
ö l auf Ln. 36 x 28. Bürgermeisteramt Sigmaringen, Kleiner
Sitzungssaal.
23. Die verlorene Ziege, H i r t e u n d Mädchen m i t vier Ziegen.
Federzeichnung. Früheste erhaltene Zeichnung, sign. R, L a u d i e r t
1835. 20,5 x 17. V o m Bürgermeisteramt Sigmaringen 1969 erworben.
24. Friedrich Prinz von H o h e n z o l l e r n (1843—1904). K i n d e r b i l d .
Pastell, zugehörig zu Werkverzeichnis I. N r . 17—21. Schloß
Sigmaringen, nicht mehr v o r h a n d e n .
25. Marie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n , K i n d e r b i l d . Pastell. Schloß
Sigmaringen. Nicht mehr v o r h a n d e n . Angehörig zu W e r k v e r zeichnis I. N r . 17—21.
26. K a r l A n t o n Fürst von H o h e n z o l l e r n , Kleines Brustbild, ö l auf
Ln. Schloß Sigmaringen, Schreibzimmer. Nicht m e h r v o r h a n d e n .
27. Stephanie, G r o ß h e r z o g i n von Baden. Großes Bild, ö l auf Ln.
Schloß Sigmaringen. Schreibzimmer. Nicht mehr v o r h a n d e n .
28. Karl P r i n z von H o h e n z o l l e r n . Bild aus seiner K i n d h e i t , ö l auf
Ln. Schloß Sigmaringen. G r . Salon. Nicht mehr v o r h a n d e n .
29. Stephanie Prinzessin von H o h e n z o l l e r n . Pastell. Schloß Sigmaringen. Nicht mehr v o r h a n d e n .
30. Leopold E r b p r i n z von H o h e n z o l l e r n als K n a b e . Pastell. Schloß
Sigmaringen. Nicht mehr v o r h a n d e n . (Die N u m m e r n 24—30
w u r d e n erschlossen aus: Fürstl. H o h e n z . H a u s - u n d D o m ä n e n archiv, Sigmaringen. Bestand: Neuverzeichnete A k t e n 15 523.)
31. Gebirgslandschaft mit K ü h e n , Schafen u n d Ziege, Sign. R.
Laudiert 1839. ö l auf Ln. 65 x 85. Carl Friedrich Braun, BingenHohenz.
32. Lauchert Richard, den Fürsten K a r l A n t o n von H o h e n z o l l e r n
malend. Bleistiftskizze. Selbstporträt. 33,5 x 21. Nach einem
Foto in der H o h e n z . Heimatbücherei, H e d i i n g e n .
MAXIMILIAN SCHAITEL:
Zum Aufsatz
„DIE EHEMALIGE PAPIERMÜHLE
ZU WEILHEIM BEI H E C H I N G E N "
in Nummer 2, 1969 dieser Zeitschrift, wird mir von
kompetenter Seite aus Weilheim mitgeteilt, daß die
Angabe des Standorts der Papiermühle unrichtig ist.
Sie stand nicht „oberhalb der Brücke Hechingen—Weilheim", wie mir allerdings auch ein Weilheimer angegeben hatte. Hier stand eine Getreidemühle, die im
Jahre 1905 ein Raub der Flammen wurde. Die ehemalige Papiermühle lag unterhalb des Fischwelhers, unweit des Hauserhofes, in der Flur „Bergig". Eine einzige Parzelle dieser Flur hat die Bezeichnung „bei der
Papiermühle"!
J O H A N N ADAM KRAUS
Bachnamen in Hohenzollern
In Nr. 1 (1969) der „Hohenzollerischen Heimat" wurden allgemein einige Gewässernamen behandelt. Mancher Leser mag dabei die wichtigsten Bäche in Hohenzollern vermißt haben. Zur dort gegebenen Literatur
wäre noch Otto Springers „Die Flurnamen Württembergs und Badens" (1930 Kohlhammerverlag) zu ergänzen. Die Namen der größten Flüsse werden als uralt
und keltisch angesehen.
I. Die Donau wird teils zu arisch-vedischem „danu=_
Wasser, Fluß" gestellt, teils mit irischem Wortstamm
„dan
ungestüm rauschend" zu erklären versucht. Bekannt ist der Spruch: „Brigach und Breg bringen die
Donau zuweg". Beide Quellbäche gelten als gleichbedeutend „Bergbach". Bei uns hat die Donau Nebenbäche
von links: 1) Die Bära (a ist Abkürzung für ach=Bach),
schon 1095 als Beroa überliefert, 1503 Berental, benannt
von den wilden Bären, die es bei uns noch um 1580 gab!
2) Die Scbmeie, früher Schmiecha, so noch im württembergischen Oberlauf genannt (1334 Smyehen). Sie entspringt im Onstmettinger Geifitzenmoos. Der Name
kommt von mhd. „schmiugen = sich krümmend bewegen". 3) Gorheimer Bächle, erklärt sich von selbst. 4) Die
Lauchert, alte Form wohl Louchach, vgl. die Lauch im
Elsaß und den Heilbronner Lauchbach. Dürfte auf den
indogermanischen Stamm für „gekrümmt" zurückgehen,
wie die Pflanze gleichen Namens. Die Lauchert entsteht
bei Meldungen aus mehreren Quellen: Waag gegen Ringingen, Früchtle, usw. An der Lauchert liegt das Dörflein Hörschwag, d. i. Waag (Wassergumpen) eines Mannes Hero o. ä. Von links fließen in die Lauchert: a) Der
Erpfinger Bach b) die Seckach von Trochtelfingen bis
Mägerkingen. Der Name wird teils als keltisches „seak
= ausgetrocknet" erklärt, von O. Heilig dagegen zu
„Segge=Schilfgras" gestellt (Hohenz. Heimat 1952, 48
und 1959, 12). c) der Mostelbach, d. i. Moostal-bach bei
Bingen-Hitzkofen. Zuflüsse rechts der Lauchert: d) die
Fehia von Burladingen bis Hettingen, um 1400 Velg,
Feig, dann Felchach, Felcha, dazu ein „Felgengraben"
im badischen Wiesental, ist zu „Felge=Krummholz" des
Radkranzes zu stellen: also Bach mit vielen Krümmungen. Außer der Hauptquelle unter der Brucksteig am
Rauns sind zu nennen: Der Mesnerbrunnen, der Kreuzund Gassenbrunnen, dieser im ehemaligen Maigingen.
Der Kreuzbrunnen hieß früher „Azlenbrunnen"
bei
Kreuzen, vermutlich nach der in der Zwiefalter Chronik 1138 genannten Burg Azilon benannt, die dann
später nach dem Burladinger Adelswappen in vordere
„Falkenburg" über der Stettener Straße umbenannt
worden wäre. 5) Die Biber bei Langenenslingen, benannt
nach dem bei uns längst ausgestorbenen Wassertier, dem
Biber. In die Biber münden der Holzbach mit Soppenbach (=Sumpfbach).
Von rechts zur Donau fließen: 1) die Ablach von
Schwackenreute her, vielleicht im Gegensatz zur Ostrach
als westliche Ach zu verstehen (Abendbach, vgl. altirisch apara=westlich). Die Ablach erhält von links Zuschuß: a) der Mühlbach von Selgetsweiler her. b) der
Ringgenbach von Walbertsweiler, wohl nach den vielen
Ränken (Biegungen) benannt, da das gg wie k gesprochen wird, c) der Andelsbach aus dem Denkinger Ried.
M. Buck legte dem Namen eine Person Andolf zugrunde,
d) der Kehlbach von Hippetsweiler her, der 1624 jedoch
Buechfurtbach genannt wurde. Kehl heißt eine enge
kleine Schlucht. 2) die Ostrach von Fleischwangen her;
Bedeutung: östliche Ach.
Hier sei auch die Argen bei Achberg genannt, das bis
1969 zu Hohenzollern gehörte, 770 schon Argona, wird
von Springer als „weißlich-schäumend" erklärt.
II. Der Neckar, der im Schwenninger Moos entspringt,
wird zu dem indogermanischen Stamm „nik=-spülen,
waschen" gestellt.
Von links münden darein: 1) der Mühlbach bei Fischingen. 2) die Glatt, alt Glattah, wird von Buck als „heller
Bach" erklärt (glatt=hell, glänzend). H . Heckschen dagegen meint, dem Flüßchen liege die Bedeutung,, Graben, Bruch, Bach, Sumpf" zugrunde (Hohenz. Heimat
1959, 32). 3) der Dießenbach oder Wurstbach vom
mhd. „diessen.--tosen". Wurstbach ist wohl verdreht aus
„Wuost=Schmutz, Sumpf" des Mittelhochdeutschen. Da
zu gehört wohl auch der Uesterbrunnen bei BurladingenHausen. Zwei Wurstbrunnenbäche nennt O. Springer S.
134. Von rechts fließen in den Neckar: 4) die Eyach von
Pfeffingen her, nahe der Schmeienquelle. Sie ist benannt nach dem fast ausgestorbenen Nadelbaum „die
Eibe" (vgl. Ibental bei St. Peter im Schwarzwald. Das
b im Wort wurde zu w abgeschliffen und verschwand
dann ganz.) In die Eyach münden von rechts: a) der
Wertenbach bei Engstlatt (ob von vertere=wenden?)
b) der Klingenbach von Thanheim her. Klinge bedeutet
Schlucht, c) der Weiherbach oder Talbach bei Grosselfingen. d) der Dietenbach (1740). Springer nennt Dietzenbäche, die er zu Personen stellt. Von links: e) der
Litzelbach von mhd. „lützel=wenig, klein", f) der Mittelbach (1740), jetzt Mittels- oder Mildersbach, g) der
Rötebach, benannt nach der Farbe des Untergrundes,
h) die Stunzach von Rosenfeld her. „Die Quelläste greifen gegen den First des Kleinen Heubergs", sagt die
Kreisbeschreibung Balingen II, 675. Alte Formen des
Namens scheinen zu fehlen. Springer sieht die Stunzach
als „Baumstumpenbach" an, was nicht recht befriedigt.
Nach Buck ist Stünz zu Stutz, Sturz zu stellen, was
einen „rasch stürzenden Bach" (im Oberlauf) ergäbe,
vgl. Starzel. Die Stunzach erhält von rechts die Zuflüsse: Sulzbach (Sulz=salziger Sumpf), Süßenbach (von
ahd. siaza = Waldland, Weide), Hausertalbach und
Hospach (vom Personennamen Hoch?). Von links erhält die Stunzach Zuschuß: Grünbach (mhd. gruoni =
grün?, falls nicht, wie bei Gruol, ein altes Wort für
Sumpf zugrundeliegt). Hausterbach, wohl gleich Wuost
(oben); er heißt in Heiligenzimmern Kirnbach, von
„Kirn=Mühle". Beim Hausterbach vermutet Springer
eine abgegangene Siedlung Hochstetten, woher der
Name rühren soll. Endlich der Rohr- oder Rindelbach
im Beurener Tal und der Gossenbach, wie Gosbadi von
„gießen, stürzen, fließen" abzuleiten.
5) die Starzel entsteht beim gleichnamigen Dörflein
durch Zusammenfluß des Weilertalbachs mit dem Scharlen- (1559 Scharlach-) Bach aus dem Starzler Loch.
Schon oberhalb des Dörfleins sind der Schwarze und der
Neubrunnen, auch der Uesterbrunnen zugelaufen. Eine
andere Starzel fließt in die Schlichem, eine dritte kleine,
findet sich bei Horb. 1095 Starzila, ebenso 1253, wobei
jedoch das Dorf gemeint war. Die Ableitung von Stoala
45
=Kohlstrunke ist abzulehnen. Vielmehr bietet sich mhd.
„starzen—sich schnell bewegen" an, was auf Sturzbach
führt. Von links erhält die Starzel a) den Scharlachbach,
so 1559, b) den Weiher- oder Reichenbach vom Schamental c) den Weißenbach bei Zimmern, d) den Weilheimer- oder Krebsbach vom Zellerhörnle her, e) den
Omengraben bei Rangendingen, wohl von ahd. „om, am
=faulig", also fauliges Wasser führend. Die Starzel bekommt von rechts: e) das Killemer Bächle (irrig „die
Killer" genannt!), f) den Seeheimerbach, nach einer abgegangenen Siedlung Seheim, bei Ringingen, g) das Gerstenbächle, so 1544 (nach einem Gerstenacker), h) das
Junginger Mühlbächle, den Heiligenbad),
Münchsbach
(Beuren), den Ramsbach (wohl nach dem Waldgebiet
Rammert), den Mönchsgraben (östlich von Rangendin-
gen, nach der Siedlung von Waldbrüdern benannt, 15.
Jahrhundert).
Jeder, der sich mit Bachnamen abgibt, wird erfahren,
daß die kleinen Quellbäche meist andere Namen tragen
als der Unterlauf. Manche Namen haben im Lauf der
Zeit gewechselt. Es sei da hingewiesen auf eine Beschreibung der zollerischen Fischwässer von 1740 (Zollerheimat 1939, 73—75), wo das Gerstenbächle wohl irrig
mit dem Seeheimerbach gleichgesetzt und ersteres Klokkenbächle geheißen wird. Von Beuren kommt dort ein
Klimbsgraben, ein Schliechgraben von Butzenweiher, der
Thanbach von Beuren gegen Belsen, bei Hechingen erscheinen Ziegelbach, Feilbach, Ettenbächle, ein Frongraben am Burgstall Rohr bei Bisingen, ferner ein Raitebach, und noch andere.
HUBERT DECK
Frühjahrstagung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins in Hechingen
Tätigkeitsberichte,
Aussprachen, Wahlen und
Vortrag
Seine diesjährige Hauptversammlung hielt der Hohenzollerische Geschichtsverein in Hechingen ab. Der Vorsitzende Archivdirektor Dr. Stemmler, konnte am Montag, den 28. 4. 1969 viele Mitglieder begrüßen, unter
ihnen Landrat Dr. Mauser, Bürgermeister Kuhn, Sigmaringen, Studiendirektor Wiest als Vertreter des Landeskommunalverbandes und Baron v. Ow vom Silchgau-Alterstumverein. Später erschienen noch Fürst Friedrich und Prinz Meinrad von Hohenzollern. Einleitend
gedachte der Vorsitzende Dr. Stemmler der verstorbenen
Mitglieder des letzten Jahres: Dr. Casaretto, Chefarzt
Dr. Lieb, Dr. Pitzger, Fabrikant Anton Sauter, Fabrikantin Scheel, Oberlehrer Schäfer, Redakteur Johannes
Schmid. Der Vorsitzende hob be: ¡einen Gedenkworten
noch einmal besonders d I Verdienste des Vorstandsmitgliedes Oberlehrer Schäfer hervor.
Schriftführer Dr. Seigel gab anschließend in einem kurzgefaßten, präzisen Jahresbericht den jetzigen Mitgliederstand (ca. 700) bekannt. Ein neues Mitgliederverzeichnis
wird die nächste Ausgabe der Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte enthalten.
Heimatgeschichtliche
Veranstaltungen:
Der Vorstand beschloß für den 8. Juni in Verbindung
mit dem Volksbildungswerk Hechingen eine Lehrfahrt
nach Achberg, Wolfegg und Waldburg. Damit soll das
Lehrfahrten-Programm wieder aufgenommen werden.
Im Herbst sollen in Hechingen und Sigmaringen zwei
Vorträge gehalten werden: Der eine von Direktor
Buckenmaier zum hundertsten Todestag des letzten
Hechinger Fürsten, Friedrich Wilhelm Konstantin, der
andere von Dr. Hornberger von der Landesbildstelle
Stuttgart über Luftaufnahmen aus Baden-Württemberg.
Kassenbericht
Nach dem Bericht von Direktor Buckenmaier beansprucht der Druck der Jahreshefte den größten finanziellen Aufwand des Vereins. Doch sind die nötigen
Geldmittel vorhanden. Der Vorsitzende dankte für die
Zuschüsse und Beihilfen von verschiedenen Seiten. Ein
ansehnlicher Betrag auf einem Sonderkonto ist für die
Heimatbücherei vorhanden.
Neue
Veröffentlichungen
Staatsarchivrat Dr. Natale sprach über die vorgesehenen
Veröffentlichungen, im nächsten Band der Zeitschrift für
hohenzollerische Geschichte, Jg. 1970. Als wichtigsten
46
Beitrag nannte er eine Dokumentation über die Auswanderung aus Hohenzollern nach Südost-Europa von
Bundesbahndirektor i. R. Hacker. Weiter sollen ein Gedenkartikel an den Fürsten Konstantin und ein Beitrag
zur ältesten Zollergenealogie erscheinen.
Vierteljahreszeitschrift - Hohenzollerische Heimat
Über die vom Geschichtsverein in Veru'ndung mit den
beiden Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen herausgegebene Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" berichtete Schriftleiter Deutschmann. Für die heimatkundliche Zeitschrift sei man auf wissenschaftlich
fundierte, doch allgemein interessierende Beiträge angewiesen; aber man brauche mindestens 500 neue Abonnenten, wenn sich die Vierteljahresblätter halten sollen.
Diese Zahl sei keineswegs illusorisch, wenn über die
Schulen jeweils eine entsprechende Anzahl in den Gemeinden verkauft würde, wie das Beispiel aus einzelnen Gemeinden zeige.
Hohenzollerische
Heimatbücherei
Studienassessor Alf Müller referierte über die Hohenzollerische Heimatbücherei, die nun 40 Jahre bestehe. Er
gab einen kurzen geschichtlichen Rückblick zur Entwicklung der Bücherei, gedachte der Initiatoren Faßbender
und Senn und sagte Dank allen Förderern. Man erfuhr,
daß die Hohenzollerische Heimatbücherei nunmehr ca.
10 000 Titel umfaßt.
Bodendenkmalpflege
Die Bodendenkmalpfleger Kreisbaumeister Wachendorfer für den Kreis Hechingen und Gewerbeschuldirektor
a. D. Jerg für den Kreis Sigrnaringen gaben zusammengefaßte Berichte, deren Inhalt durch vorausgegangene
Publikationen meist bekannt war. Die Lebensgeschichte
des Heimatforschers Edelmann und seine Sammlung,
über die wir in diesem Heft an gesonderter Stelle berichten, waren Gegenstand eines besonderen Hinweises
von Direktor Jerg.
Wahlen
Unter Leitung von Bürgermeister i. R. Bindereif erfolgten die Wahlen des Vorstandes. Archiv direktor Dr.
Stemmler wurde einstimmig zum Vorsitzenden wiedergewählt. Zum Vorstand gehören ferner Archivrat Dr.
Natale, Dr. Seigel, Monsignore Dr. Kaufhold und Dr.
Müller auf Grund ihres Amtes. Nach einigen Wahlgängen wurden für den Kreis Sigmaringen Direktor
Buckenmaier, Hofkammerrat Dr. Krezdorn, Dr. Burkhart und Verwaltungsrat Mühlebach gewählt, für Hechingen Oberschulrat Siegel, Landeskonservator Heck,
Landrat i. R. Speidel und Oberstudienrat Dr. Bantle.
Vortrag: Das Hausrecht der Grafen von Zollern
Nach kurzer Pause sprach Dr. Ulshöfer über „Das Hausrecht der Grafen von Zollern." Der Redner gab in seinem Vortrag einen zusammengefaßten Überblick über
seine Spezialforschungen.
Besonders wertvoll waren die Abschnitte der Ausfüh-
rungen von Dr. Ulshöfer über die Eheverträge der gräflichen Töchter mit den Fragen des Erbverzichts, des
Heiratsgutes und der sogenannten Morgengabe und den
daraus folgenden Rechtsverhältnissen. Die Kenntnis dieser Rechtsverhältnisse ist für den Historiker bedeutsam, da sie in den Zusammenhängen der Geschichtsforschung oft eine wichtige Rolle spielen.
So diente die diesjährige Jahrestagung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins der organisatorischen Klärung
und der heimatgeschichtlichen Vertiefung und Anregung.
J O H A N N JERG
Alemannisches Reitergrab in Laiz freigelegt
Im Laufe der Osterwoche wurden in Laiz fünf alemannische Reihengräber ausgegraben, die etwa aus dem
Jahre 700 nach Christi Geburt stammen und somit in
der Fachsprache als merowingisch bezeichnet werden.
Das Staatliche Amt für Denkmalspflege in Tübingen
hatte deren Bergung angeordnet, weil sie sonst durch den
Bau der nördlichen Umgehungsstaße von Laiz vollständig vernichtet worden wären. Das Gräberfeld ist seit
Jahrzehnten bekannt. Immer wieder wurden bei Bauarbeiten Schwerter gefunden, aber nie eine Ausgrabung
vorgenommen. Vor Jahresfrist stieß die neuerbaute Donautalstraße, vom Bahnhof Inzigkofen herkommend,
bis zur Straßenbrücke der Römerstraße am Nordausgang von Laiz vor und damit mitten in das Gräberfsld
hinein. Da der Aushub durch Bagger erfolgte, konnten
keine Funde gemacht werden. Schulkinder von Laiz fanden in der neuentstandenen Böschung des Straßeneinschnittes menschliche Knochen, Glasperlen und auch ein
Schwert (vgl. H H 18, 1968, S. 29). Der Vertrauensmann
für Bodenfunde im Landkreis Sigmaringen, Studiendirektor Johann Jerg, suchte wiederholt das Gelände
ab und fand ein Schwert und eine große Schnalle des
Gewehrgehänges in der Böschung stecken. Durch den
unmittelbar bevorstehenden Bau einer Brücke über Bahn
und neue Landstraße drohte dem Gräberfeld vollständige Vernichtung, so daß die Ausgrabung unerläßlich
war. Das Amt für Denkmalspflege in Tübingen beauftragte damit den Vertrauensmann sowie die zwei jungen
Tübinger Archäologen Jörg Biel und Adelheid Beck mit
der Durchführung. Da sich die einzelnen Gräber in der
Böschungswand abzeichneten, gingen die Arbeiten bei
größtem Interesse der Jugend von Laiz rasch voran.
Alle Gräber mit den Beigaben wurden vermessen, gezeichnet und fotogafiert.
Verhältnismäßig reichhaltig waren die Beigaben eines
Reitergrabes. Neben dem Skelett auf Brettern lag die
große zweischneidige Spatha (Reiterschwert); auf der
anderen Seite der einschneidige Sax (Halbschwert). Die
Spatha steckte in einer Holzscheide, der Sax in einer
Lederscheide mit Broncenieten und Knöpfen. Zum Wehrgehänge gehörten zwei große eiserne Schnallen, zum
Riemenzeug zahlreiche Riemenzungen, mehrere kleine
Bronceschnallen und Zierscheiben aus Eisen. Schwertknauf, große Schnallen und Zierscheiben sind wahrscheinlich silbertauschiert, was sich beim Präparieren
herausstellen wird. Feuerstein und Stahlpfriem ergänzte
die Ausrüstung des Toten. Auf der rechten Seite hatte
er eine Lanze und am linken Fuß einen Sporn.
In einem 2. Grab fanden die Ausgräber ein Sax mit
Schnallen zum Wehrgehänge, ein Messer, kleinere Schnallen, Knöpfe usw. aus Bronce. Die Beigaben im Grabe
eines Kindes waren dürftiger und durchweg aus Bronce.
Sie dürften wohl dem Schmuck des Kleides gedient
haben. Zwei weitere Gräber waren stark gestört durch
späteres Graben und enthielten nur unbedeutende Beigaben. Bei einem dieser Gräber bestanden Seitenwände
und Decke aus Kalksteinplatten. Die geborgenen Funde
kamen zum Präparieren nach Stuttgart.
Danach
werden Sie wissenschaftlich bearbeitet und veröffentlicht. Sie kommen dann endgültig in die prähistorische
Abteilung des Hohenzollerischen Landesmuseums in
Hechingen.
Hinweis auf
Neuerscheinungen
Hartwig Zürn und Siegwalt Schick.
Die Sammlung Edelmann im Britischen Museum zu
London. Verlag Müller & Gräff, Kommissionsverlag,
Stuttgart, 35 Seiten, 44 Tafeln, DM 20.—.
Seit dem Jahre 1908 ist in einem besonderen Raum
des Britischen Museums zu London die Sammlung Edelmann aufgestellt, die insgesamt 538 vor- und frühgeschichtliche Fundstücke, hauptsächlich aus unserer engeren Heimat, enthält. Die obengenannte Publizierung
vervollständigt in hervorragender Weise das bisherige
bekannte vor- und frühgeschichtliche Bild, namentlich
der Kreise Balingen, Sigmaringen und Stockach. Der
prägnante Katalog, der meist die genauen Fundstellen
angibt, wird veranschaulicht durch mustergültige Zeichnungen im Text und auf 44 Bildtafeln im Großformat.
Aufgeführt werden Funde aus der Jüngeren Steinzeit,
Broncezeit, Urnenfelderzeit, Hallstattkultur,
Latenskultur und Merowingerzeit (Alemannenzeit),
von denen
die Hallstattkultur und die Merowingerzeit am stärksten vertreten sind. Die bedeutendsten Funde stammen
aus den Grabhügeln des Degerfeldes bei Tailfingen, die
Edelmann ab 1890 ausgrub.
Für die Heimatfreunde und Lehrer dürfte die Veröffentlichung der „Sammlung Edelmann im Britischen
Museum zu London" eine reiche Fundgrube für die
Heimatkunde und Ortsgeschichte darstellen. Die Einleitung enthält ein kurzes Lebensbild von Hieronymus
Edelmann, der von 1879 bis 1894 in Ebingen als Apothekerund von 1894—1916 in Sigmaringen als Privatier
und Gauobmann des Schwäbischen Albvereins wirkte,
und 1922 in München an den Folgen eines Verkehrsunfalls starb. Vor dem Verkauf seiner Sammlung nach
London hatte er diese verschiedenen deutschen Museen
zum Kauf angeboten.
Sigmaringen
Johann Jerg.
47
Achberg und benachbarte Waldburg-Schlösser
Lehrfahrt des Hohenz. Geschichtsvereins
und des Volksbildungswerks
Hechingen
Als der Geschichtsverein nach längerer Unterbrechung
seine gemeinsam mit dem Volksbildungswerk Hechingen
veranstalteten Lehrfahrten wiederaufnahm, wurden als
Ziele Achberg und benachbarte Schlösser der Truchsessen von Waldburg gewählt. Die Leitung übernahm
Dr. Natale vom Staatsarchiv Sigmaringen.
Bei einer Stadtführung in Bad Waldsee zeigte Dr. Natale
das aus einer Wasserburg des 16. Jhs. entstandene, im
18. Jh. erweiterte Schloß der Fürsten von Waldburg
und in der Stadtpfarrkirche das von vielen Besuchern
übersehene Bronzegrabmal des Truchsessen Georg I. von
Waldburg (f 1467), das in der spätgotischen Plastik
einen Höhepunkt darstellt. Nach dem Mittagessen fuhr
die Gruppe nach Wolfegg, dessen vierflügelige Schloßanlage den Schlössern Meßkirch, Zeil und Aschaffenburg
verwandt ist. Bei der Führung sahen die Fahrtteilnehmer vor allem den im Obergeschoß des Südflügels
gelegenen 52 m langen Rittersaal mit den 22 holzgeschnitzten, vielfach originell wirkenden Ahnenstatuen
der Herren von Waldburg. Ungewohnt waren die zum
Hinauf- und Hinunterreiten eingerichteten Auf- und
Abgänge im Treppenturm. Ein Besuch galt anschließend
der benachbarten Schloßkirche, einem lichtdurchfluteten,
farbenfrohen Raum des Frührokoko, in dem die Architektur, Plastik und Malerei wohlausgewogen aufeinander abgestimmt sind.
Bei der Weiterfahrt zeigte Dr. Natale in Kißlegg die
beiden Schlösser und im Weiler Offlings die mittelalterliche Turmhügelburg des Klosters St. Gallen. Da die
Maße des Omnibusses ein Passieren der Tortürme in
Wangen/Allgäu erlaubten, konnte langsam die Herrengasse, Hauptstraße der ehemaligen Reichsstadt Wangen,
durchfahren und auf die wichtigsten Gebäude hingewiesen werden. Hinter Neuravensburg bog man in
das Gebiet der ehemaligen Herrschaft Achberg. Das
Entgegenkommen der Fürstlich Hohenzollernschen Forstwartei Achberg ermöglichte es, das fast versteckt gelegene Schloß zu besichtigen, in dessen Rittersaal Dr.
Natale einen kurzen Rückblick über die Geschichte der
aus 17 Weilern und Höfen zusammengesetzten Herr-
schaft Achberg und ihres Schlosses gab, die 1691 in den
Besitz des Deutschordens, 1806 vorübergehend an Bayern
und dann an Hohenzollern - Sigmaringen gelangten.
Nach der Schloßbesichtigung führte Oberforstwart Kniesel eine kleinere Gruppe hinunter ins Argental und auf
den beachtlich schwankenden Kettensteg über die durch
Hochwasser stark angeschwollene Argen.
Als letztes Ziel steuerten die Hohenzollern die Waldburg an. Sie sahen bei der Besichtigung der steil über
dem gleichnamigen Dorf gelegenen Burg wohlerhaltene
Räume des 16. Jhs. und genossen von der Aussichtsplattform aus den Blick über das Allgäu bis hin zu den
schneebedeckten Alpen. Im Namen aller Teilnehmer
dankte Oberschulrat Siegel, Hechingen, den Verantwortlichen der wohlgelungenen Fahrt.
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Nr. 4
19. Jahrgang 1969
4P 382 8
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Geschichtsverein
in Verbindung mit den
Staatlidien Sdiulämtem Hechmgen
und Sigmaringen
SIEGFRIED KREZDORN
Marx Heinrich Keller von Schieitheim aus Dettensee
Das Lebensbild eines streng erzogenen Edelmannes
Durch seine Gemahlin Rosamunde, Witwe des Grafen
Karl zu Hohenzollern—Haigerloch geb. Gräfin von
Ortenburg, kam der kaiserliche Obrist und Hauptmann
der Stadt Konstanz Adam Heinrich Keller v. Schieitheim
im Jahre 1638 in den Besitz der Herrschaft Dettensee.'Aus
der kurzen Ehe mit dieser Frau gingen keine Kinder
hervor. Nach deren Tod verheiratete sich Keller mit
Dorothea von Ulm-Erbach, die 1639 einem Sohn Marx
Heinrich das Leben schenkte. Im Jahre 1644 wurde
Keller — ein im rauhen Kriegshandwerk erfahrener
Mann — wegen Differenzen mit der Stadt Konstanz
frühzeitig aus dem Soldatendienst der Erzherzogin
Claudia zu Österreich entlassen und lebte danach zumeist in Dettensee. So verbrachte Marx Heinrich im
dortigen Schloß seine Kindheit — von der Mutter liebevoll umsorgt und verwöhnt von einer Base väterlicherseits — Anna Maria Feldmann von Appentshofen. 2 Der
Vater überwachte die Erziehung des Knaben mit unerbittlicher Strenge. Im Alter von etwa 6 Jahren begann
für den Knaben die Schulzeit. Sein Hauslehrer entwarf
eine „kleine Schulordnung", die dem Vater zur Begutachtung vorgelegt wurde. Danach mußte der „junge
Herl"
Mo:.tag um 7 Uhr aufstehen, sich so „geschwind ais immer möglich" anziehen, das Morgengebet
verrichten, seinen Eltern „guten Morgen" wünschen und
die „väterliche Benediction" begehren, dann seinen „Brei
oder was ihm sonst vorgesetzt" wird, essen und um 8
Uhr sich zur Schulstunde einfinden, von 8 bis
Uhr
buchstabieren, von 1/¡9 bis 10 Uhr lesen und bis zum
Schluß der Stunde „etwas weniges" schreiben. Am
Dienstag durfte er ausschlafen. Von 10 oder V2II Uhr
bis 11 Uhr war das bisher Gelernte zu repetieren. Am
Nachmittag konnte er sich „belustigen und Vakanz haben". Sofern aber sein Lehrer an diesem Nachmittag
nicht anwesend war, durfte „der junge Herr ohne spezialgnädigster Erlaubnis seiner Eltern" sich nicht entfernen, andernfalls er „verdientermaßen mit der Ruten gezüchtigt werden" mußte. Am Mittwoch hatte er wieder
um 7 Uhr aufzustehen und Unterricht wie am Montag.
Nachmittags durfte er sich nach „vollendeter Tafel"
(Essen) V2 Stunde „belustigen", dann mußte er [A Stunde
lesen und schreiben und in der übrigen Zeit wenigstens
V2 Stunde in dem „Gedruckten applicieren". Am Donnerstag sollte er „Schlaftag" haben, aDer das Gebet ja
nicht vergessen und wie am Dienstag eine Repetition
„um die gewöhnliche Stunde" und am Nachmittag mit
der Erlaubnis der Eltern Vakanz bekommen. Am Freitag hatte er um 7 Uhr aufzustehen und um V2IÚ Uhr
wie arn Montag „alles zu observieren". Von da an bis
zum Schluß der Stunde sollte sein Lehrer mit ihm „geistlich" reden und ihn nachmittags wie an den übrigen
Schultagen unterrichten. Auch am Samstag sollte der
Tag wie am Montag ablaufen, nur von V2IO bis 10 Uhr
war der „junge Herr etwas wenigst in Glaubenssachen
und, was zu der Beicht gehört, (zu) informieren, der
Nachmittag aber wie üblich zu verbringen". Wenn ein
Feiertag auf den Mittwoch oder Freitag fiel, war die
Schule am Dienstag oder Donnerstag wie üh' ch zu halten. An Sonn- und Feiertagen mußten ihm „historr i e
Fragen" aufgegeben und V2 Stunde lang „beantwortet"
werden.
Ende Juni 1650 reiste dann der „junge Herr" mit seinem
Hofmeister (Präzeptor) über Oberndorf, Wolfach, Haslach, Waldkirch nach Freiburg i. Br., um dort das von
Jesuiten geleitete Gymnasium zu besuchen.3 Die Habseligkeiten, welche er mitbekam, waren geradezu ärmlich.4 Sein Kostherr H. Willig beklagte alsbald in einem
Brief die schlechte Qualität der mitgebrachten Kleider
und Schuhe, worauf der Vater die Anfertigung eines
neuen Kleides und „was der Sohn sonst bedürftig" anordnete. Den Präzeptor mußte der Kostherr zu größerem Fleiß und Sorgfalt anhalten und befehlen, Marx
Heinrich in der französischen Sprache zu unterrichten.
Leider müsse Marx Heinrich „zum Studieren getrieben"
werden und habe „strenge Aufsicht vonnöten", lamentierte der Kostherr. Der Vater dürfe indes versichert
sein, daß er und „sein Weib" sich ernsthaft der Erziehung annehmen und vermeinte: „Es tut aber der
Jugend, wann sie korrigiert werden, n, belieben".5
Am 20. Mai 1652 schrieb der Rektor Gebhard Deininger
an den Vater, daß Marx Heinrich, der „im Studieren,
in Gottesfurcht und guten Sitten" zu keinem Klagen
Anlaß gibt, an „Kleidern und Schuhen" Mangel leidet
ifiiÜ deshalb örters, weder in die Schule noch in den
Gottesdienst kommen kann. Der Vater geizte mit Geld
und spielte den Armen, obwohl er im Laufe seines Lebens ein beachtliches Besitztum erworben hatte. Diese
übertriebene Sparsamkeit war ein Wesenszug des Obristen. i^et Pater Rektor vermeinte sicher mit Recht, daß
es Keller „nit schwer fallen" sollte, „etwas Geld" zu
schicken, um die Schulden beim Schuster und Schneider
zu bezahlen, weil c : °se „ungern lange auf Borg arbeiten", auch die längst fälligen Ausstände beim Kostherrn
und bei „der armen Jungfer Bas von Dettingen" zu
begleichen. Keller entschuldigte, sein knausriges Verhalten mit fadenscheinigen Gründen. Vergeblich habe er auf
einen kaiserlichen Befehl gewartet, der eine Reise nach
Freiburg notwendig machte. Scftem Sohn wollte er schon
Mann und getreuer Präzeptor" zu bewähren, wofür
ihm 25 fl jährliche Besoldung versprochen werden. 6
Marx Heinrich fand alsbald in einer angesehenen Freiburger Familie eine vorzügliche Unterkunft mit Familienanschluß. Seine „Kostfrau", Anna Elisabeth Moßer
geb. Genger, umsorgte ihn wie eine Mutter. Für Bett
und Zimmer berechnete sie pro Woche 1 fl 11 Batzen
und für die Kost 26 Batzen.
immer Kleider schicken, doch leider sei er selten „zu
Haus". Deshalb füge er 10 fl 4 kr bei, um Schneider und
Schuhmacher zu bezahlen. Im übrigen verstehe er es
nicht, daß der „Bub soviel Schuhe braucht".
Ein tüchtiger Hofmeister und eine besorgte Kostfrau
kümmern sich um den Sohn
Damit sein Sohn sich einer sparsameren Lebenshaltung
befleißige, bestallte Obrist Keller Anfang des Jahres
1653 Franz Lambert Häring zu dessen Präzeptor. In
der Bestallungsurkunde wurde dem „ehrenfesten und
wohigelehrten Herrn" Präzeptor aufgetragen, Marx
Heinrich
1. „in guter Obacht zu halten, selbigen nach der alten
unverfälschten allein seligmachenden römisch katholischen Lehr aufzuziehen und zu aller Gottesfurcht zu
unterweisen, (auch) von aller bösen Gesellschaft,
Fluchen und Schwören, übermäßigen Trunks" bei
Strafe fernzuhalten, ihn
2. „zu rechter Stunde" an Kirchgang, Gebet und an das
„Studieren" zu erinnern und darauf zu achten, daß
dieser „fleißig, züchtig und ehrbar in und aus der
Schule" sich verhält, gegen „Geistliche und Weltliche
hoch und niedrigen Standes" sich ehrerbietig zeigt,
ebenso gegenüber seinen Kostherrn und dessen Frau.
Außerdem soil er den jungen Herrn in der französischen Sprache unterweisen und auch ein Instrument
lehren, nämlich die Laute oder kleine Geige, wozu
dieser „am meisten Lust" verspürt.
3. Weil Marx Heinrich zur „Rekreation" sicherlich Gesellschaft wünscht, soll ihm der Präzeptor diese nach
„Standesgebühr" gewähren, aber darauf achten, daß
„alles Tanzen, überflüssige Üppigkeiten, Springen,
Schreien" unterbleibt.
4. Der Präzeptor hat Marx Heinrich stets „zu ermahnen,
daß er seine Kleider, Weißzeug, Bücher, Stiefel,
Schuhe in sauberen Ehren (hält) und nicht ein Stück
da, das andere dort, auf oder unter der Bank, hin und
herliegen" läßt, sondern „sauber ausputzet und in
seinen Kisten fleißig aufhebt".
5. „Extraspesen in der Kost", sowie der Kauf von
Waren soll der Präzeptor nur nach „Notdurft" genehmigen und ohne des Obristen Erlaubnis keine
Schulden machen. Marx Heinrich dürfe ohne väterliche Erlaubnis nicht verreisen, außer auf des Kostherren Gut.
Damit Franz Lambert Häring des Obristen Vertrauen gewinnt, habe sich dieser als „ehrliebender
HOHENZOLLERISCHE
herausgegeben
vom
HEIMAT
Die
„ H o h e n zol ler ischen
schichtsverein" in V e r b i n d u n g m i t den
lichen S c h u l ä m t e r n
Hediingen
und
gen. V e r l a g : B u d i d r u c k e r e i Acker
7487 G a m m e r t i n g e n , T e l e f o n
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Gerhard Deutschmann, H a u p t l e h r e r z. A.
7471 S t r a ß b e r g / H o h e n z . B o h l s t r a ß e 341,
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uHohenzollerische
dieser
Deschler,
Ringinger
Die Zeitschrift
Der Vater verlangt von Marx Heinrich
'größte Sparsamkeit
Die dem Vater alle Quartal ausgestellter. Rechnungen
geben ein anschauliches Bild vom Leben des „jungen
Plerrn" in der Breisgaumetropole. In der Zeit vom 15.
Februar bis 6. September 1654 besuchte ihn Graf von
Fürstenberg 3 Mal, jeweils mit Hofmeister und Famulus.
Dabei wartete die Kostfrau mit Wein und Konfekt auf.
Einmal unternahm Marx Heinridi eine Wallfahrt auf
den Hörtenberg; auch ein Theater mit englischen Komödianten fand sein Interesse.
Am 6. September 1654 wurde er mit der Kutsche in die
Ferien nach Dettensee abgeholt und am 12. Oktober
1654 wieder zurückgefahren. Selten brachten Besuche
adeliger Personen, so die des Grafen von Fürstenberg,
auch von Jesuiten und Kapuzinern etwas Abwechslung
in sein Studentenleben. Zum Unterricht in der Schule
mußte er sich „Ovid und Cicero" anschaffen. Um Marx
Heinrich aufzuwarten, engagierte der Präzeptor für 4
Batzen in der Woche einen Famulus.
Am 12. Februar 1654 berichtet der Präzeptor dem
Vater, daß Marx Heinrich „wohlauf" und im Studieren
fleißig sei. Weil es nie mehr als 8 Tage „Rekreation"
gibt, soll der Sohn erst in „die Herbstvakanz" abgeholt werden. Um dringende Schulden zu begleichen,
bitte er um Geld. Die Antwort des erzürnten Vaters fiel
entsprechend aus. Ich habe — so schrieb dieser postwendend zurück — mit Genugtuung vernommen, daß mein
Sohn fleißig studiert, aber es kommt mir „beschwerlich
vor, daß er nit allein bei Kaufleut so stark Schulden"
macht und für „vielerlei seidene Bänder und sonst" viel
Geld ausgibt, „auch soviel Schuh verbrauchen tut. Dergleichen Sachen" hätte ich selbst geschickt. „Solche starke
Posten zu bezahlen" fällt mir schwer, weil ich „viel
Tausend Gulden" ausgeliehen habe und „nichts eintreiben
kann. Gottlob habe ich einen ziemlichen Vorrat an Früchten, aber diese gelten nichts." Wenn Marx Heinrich ferner so viel Schulden" macht, muß ich ihn "herausnehmen.
Wenn er etwas braucht", ist mir das zu berichten. „Das
Heimat"
Rcdaktionsausschuß:
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W i r b i t t e n unsere Leser, die „ H o h e n z o i l e rische H e i m a t " w e i t e r zu e m p f e h l e n .
Schloß
Dettensee
Zeichnung des Schlosses Dettensee von P a t e r Jodegar Meyer u m 1750 aus der H a n d s c h r i f t N r . 295 im Archiv des Klosters M u r i / G r i e s
im Collegium S a m e n , K a n t o n Oberwälden/Schweiz. (Vergl. M a x Schefold, H o h e n z o l l e r n in alten Ansichten, K o n s t a n z 1963, S. 90;
die d o r t angegebene D a t i e r u n g auf 1735 ist laut Mitteilung des Archivs Kloster Muri/Gries in S a m e n auf „um 1750" zu berichtigen.)
Über die Räumlichkeiten des Schlosses in Dettensee gibt ein Inventarverzeichnis Aufschluß, das im J a h r e 1665 angefertigt u n d von
J o h a n n Sebastian T r a u b , geschworener Stadtschreiber zu H o r b a. N . bezeugt w u r d e . D a n a d i wies das Schloß nachstehende R ä u m e a u f :
eine Kanzlei, 2 Zimmer oberhalb des Reithauses, eine Laube o b e r h a l b des Reithauses, eine Gesindestube und K a m m e r mit G a n g , das
Zimmer des Vogtes, eine K a m m e r u n d ein Saal, das K a p u z i n e r z i m m e r , das Zimmer und eine K a m m e r der Frau, das W o h n z i m m e r
u n d eine K a m m e r des Obervogts, das „Gliener" Zimmer, eine K a m m e r u n d ein N e b e n z i m m e r , das O r a t o r i u m in der K i r d i e , das T o r stüble, die „Tafelstube", das K ü e f e r z i m m e r " , eine „Bettenstube", eine Küche, einen Gang, eine A p o t h e k e , ein N e b e n z i m m e r bei der
Dienerstube, eine M ä g d e k a m m e r , eine Knechtkammer, ein Bettenstüble, ein Viehhaus u n d ein Reithausziinmer. 1
1
Archiv des Freiherrn von Raßler, Weitenburg, Bestand Keller von Schieitheim Bd. 7 S. 40 / 61.
Meß für Schuhe soll er schreiben, dann lasse ich diese
hier machen. Daß Marx Heinrich mit dem Grafen von
Fürstenberg zusammenkommt, ist mir sehr lieb, was auch
mit anderen jungen Kavalieren geschehen kann. Sonst
möchte ich gerne sehen, wann er Lust zu einem Instrument (hätte), auch insonderheit das Reißen oder Malen
anfangen würde."
Die Gesundheit des Obristen ließ damals sehr zu wünschen übrig, und auch die nach dem 30-jährigen Krieg
eingetretene Teuerung vermehrte dessen Unmut. Am
16. April 1654 schrieb die Kostfrau deshalb tröstlich in
einem Brief an ihn, daß er sich am Wohlverhalten seines
Sohnes freuen könne, weil dieser „an guten Tugenden
zunimmt". Sie hoffe, daß der Obrist bald wieder gesundet und sie ihm aufwarten dürfe. Aber der Ärger des
Obristen über die Rechnung wurde nicht geringer. Vom
8. September 1655 datiert ein weiteres Schreiben der
Kostfrau an denselben. Darin bedankt sich die gutherzige Frau für „überschickte" 20 Dukaten und fügt
vielsagend hinzu: „Herr Obrist hat vielleicht wieder ein
Mißfallen an der hohen Rechnung", sie wolle indes nicht
verschweigen, daß Marx Heinrich von „allen Jungen
sehr geliebt wird", und sich gegen „alle geistliche und
weltliche Obrigkeit" wohlanständig aufführt, was sie,
obwohl dieser nicht ihr Junge ist, von Herzen freut".
Der Obrist hatte vor allem an den „Ausgaben" Anstoß
genommen, die beim Besuch adliger Freunde des jungen
Herrn entstanden. Dabei habe — so schrieb am 26. April
1655 der Präzeptor — der Obrist,, doch selbst angewiesen,
wenn etwa Grafen und Herren vom Adel den Marx
Heinrich besuchen", entsprechend aufzuwarten. Da „aber
jetzt der Befehl anders lautet, soll diesem nunmehr nachgelebt werden." Obwohl der Obrist in Ulm a. D. 2 Paar
neue Schuhe für seinen Sohn bestellte, könne „man über
14 Tage nit mehr warten", weil „die 2 mitgenommenen
Paare schon ganz verbrochen sind". Der Obrist ließ nunmehr den Punkt 4 der Instruktion für den Präzeptor
streichen und dafür einfügen: Marx Heinrich darf „nichts
veralinieren oder aus Fahrlässigkeit zu Grund gehen und
verderben lassen, worauf der Präzeptor gute Inspektion
halten soll" und darf „in keine Stadt ausgenommen nach
Heidersheim oder Breisach reisen".
Trotz dieser Anordnung wurden die Ausgaben nicht geringer. Die Besuche des Grafen von Fürstenberg, mit
dem Marx Heinrich wiederholt ausritt, und anderer
hochgestellten Personen, zu denen auch der Bürgermeister
von Freiburg zählte, häuften sich. Die dabei aufgetragenen Speisen, Wein und Konfekt verursachten Extrakosten. Auch das viele Flicken von Schuhen verteuerte
nach wie vor die Quartalsabrechnung. Der Maler eines
51
Wappens und eines Stammbuches berechnete 5 Batzen.
Infolge einer „gequetschten Kniescheibe und eines ausgerenkten Fingers" mußte sich Marx Heinrich in die kostspielige Behandlung eines Chirurgen begeben. Der Obrist war empört, als er den „Kostzettel" zu lesen bekam
und machte dem Präzeptor in einem Brief heftige Vorwürfe. Dieser begründete in einem Schreiben vom 14.Okt.
1656 die erhöhten Ausgaben. Marx Heinrich habe sich
des Grafen Geburtstag „erinnert" und, um sicli dankbar
zu zeigen, ein Geschenk gekauft. Auch sei der Graf zu
des Sohnes Geburtstag eingeladen worden und, obwohl
weder der Graf noch sein Sohn Trinker seien, so
habe man doch aus Höflichkeit einen „Trunk" anbieten
müssen. Das Marx Heinrich zugestoßene Unglück passierte an einem Rekreationstag, als er mit dem P. Rektor
„Vögel schießen" ging und dabei über ein „Brüll" herabfiel. Beim Kaufmann werde künftig keine Kleidung
mehr eingekauft. Leider lasse sich hier „kein Meister"
finden, um Marx Heinrich das „Reißen" (Zeichnen) zu
lehren. Sobald er einen solchen in Erfahrung bringe,
werde er den S^hn dazu anhalten. Marx Heinrich
bedankte sich in einem Brief an den Vater für die
Zusendung von 6 Hemden und von 2 Paar Schuhen,
und schrieb in zierlicher Schrift wörtlich: „Sonst hab ich
mit höchstem Trauern verstanden, daß ich meines übel
Verhaltens bei dem Herrn Vater etwas in Klag kommen", obwohl „ich mich alles Gehorsambs und guten
Sitten beflissen". Die Verletzung ist nicht meiner Unachtsamkeit, sondern dem „rauhen Ort" zuzuschreiben,
allwo ich Amseln (Amslen) geschossen. 7 Auch für die gestiegenen Kosten wußte der Sohn eine Entschuldigung.
Der Graf besuche ihn fast wöchentlich mit Hofmeister
und Kammerdiener, denen er „Höflichkeit halber"
etwas anbieten müsse; er wolle sich jedodi künftig befleißen, alle anderen Unkosten zu vermeiden. Den Verdacht, daß er „ohne Not außer Haus" gehe, hege der
Vater zu Unrecht. Er verlasse das Haus nur, um mit
einem Studenten zu lernen, und den jungen H. Vetter
von Wessenberg zu besuchen. Die Kostfrau „befehle"
sich dem Vater „mit soliderem Fleiß". Ihr sei es sehr
leid, „daß sich der Herr Vater etwas im Verfallen wegen
des Kostgeldes erzeigt" (Kostgeld schuldig bleibt). Er
könne „dem Herrn Vater nit bergen", daß ihm diese
Frau wie „eine Mutter alle mögliche Lieb und Treu erweist und wider Gewissen oder gute Erkenntnis in den
Kostzettel nichts wird lassen einlaufen."
Student der Rechtswissenschaft in Freiburg.
Im Jahre 1657 begann Marx Heinrich mit dem Studium
der Rechtswissenschaft an der Universität in Freiburg.
Der Vater entwarf eine Instruktion, wie sich der Sohn
verhalten und von seinem Hofmeister Franz Lampert
Häring mit allem Fleiß und Ernst angehalten werden
muß":
1. morgens zu rechter Zeit aufstehen, sich Gott und
seiner werten Mutter, sowie seinem Schutzengel mit
Andacht befehlen;
2. hernach um 7 Uhr in die Kirche gehen, eine Messe
mit Andacht hören, alle Sonn- und Feiertage die
hl. Messe und Predigt besuchen, auch an allen hl.
Festen und „Patronitagen" beichten und kommunizieren;
3. nach der Messe bis auf die „Lektion" fleißig studieren;
4. alsdann zu Mittag essen, dabei „züchtig und ehrbar"
sein, keine „witzige Sachen" reden und keine „unnötige Diskurs" führen;
5. nach dem Essen 1 Stunde „recreation" halten;
6. danach sich in „Rechnen- und Reißenlernen üben";
52
7. von 1 bis 2 Uhr die „Logicam" repetieren und studieren;
8. darf niemals vergessen, „politische Bücher" zu lesen
und muß, was er gelesen, sowohl mit seinen Kommilitonen, besonders aber mit seinem Hofmeister
„discurieren und erzählen".
9. Er darf die bereits „absolvierte Retoricam nit aus
obacht" lassen, sondern muß selbige verschiedene
Male wiederholen.
10. Marx Heinrich soll weder bei der Kostfrau noch
sonst „ohne höchste Notdurft" und Vorwissen seines
Hofmeisters kein Geld aufnehmen oder Schulden
machen und wenn, dann dies dem Vater sofort berichten;
11. auch kein „Extra", sofern „es nit honoris causa geschehen muß", machen;
12. sich „niemals nächtlicherweil auf der Gasse finden"
lassen;
13. sich nie ohne Vorwissen und Beisein seines Hofmeisters in eine Gesellschaft begeben, besonders nicht
in eine solche, die dem „Fressen, Saufen, Spielen
und Gassentum" fröhnt; er soll vielmehr die Gesellschaft mit Seinesgleichen suchen oder mit „adenlichen Herren", weil er bei diesen „schöne Diskurse"
führen und keine „groben, ungeschickte, leichtfertige
Reden" lernen kann;
14. beim Ausgang sich gegen jedermann freundlich und
„züchtig" verhalten und die „gebührende Ehr erzeigen";
15. seine Kleider, Leinwand, Schuhe etc. ordentlich aufbewahren und „nit unter den Bänken herumfahren
lassen", und wenn etwas „kaputt" geht, rechtzeitig
machen lassen;
16. alle Quartal eine Rechnung sowohl von der Kostfrau als auch sonstiger Auslagen herausschicken;
17. so oft es „Gelegenheit gibt", dem Vater schreiben
und auch anderswohin (z. B. nach Köln an Graf
von Fürstenberg), aber zuvor stets ein Konzept
machen.
18. All diesen Vorschriften soll der Sohn „fleißig und
eifrig" nachkommen, wie es einem Kinde gebührt
und „zu seinem Seelenheil" gereicht und der Hofmeister darüber wachen. Wenn Marx Heinrich dem
Hofmeister nidit „mit Respekt" begegnet, soll das
sofort dem Vater berichtet werden. Als Lohn wird
der Hofmeister jährlich 25 fl bekommen.
Gegeben — Dettensee, den 31. Oktober 1657.
Eigenhändige Unterschrift des Vaters.
Bevor Marx Heinrich am 4. November 1657 zur Musenstadt abreiste, fertigte er ein Inhaltsverzeichnis seines
Reisegepäcks, das er dem Vater zur Kontrolle überließ.
Danach hatte der Schloßherr zu Dettensee seinen Sohn
standesgemäß ausgestattet. 8
In sein Studierzimmer kaufte sich Marx Heinrich für
1 fl 12 Batzen ein Pult. Um im Rechnen besondere
Kenntnisse zu erwerben, nahm er bei einem „Rechenmeister" Unterricht. Das neue Jahr ließ er sich durch
einen „Trommelschläger" ankündigen. Eifrig lernte er
reiten und bei einem Feditmeister fechten und übte sich
somit „in exercitium nobilitatis", ohne jedoch sein
„Studium an den Nagel zu hängen oder auf die lange
Bank zu schieben".
In einem Brief vom 14. Mai 1658 drückte er die Hoffnung aus, daß dies seinem „geliebten Vater nit mißfällig" sein möchte und bat „bei nächster Gelegenheit ein
paar Florett hereinzuschicken". Weil aber dem Vater
das sicherlich wieder zu teuer vorkommen werde, versprach er alle Kosten „mit höchstem Fleiß und Sparsamkeit in Zukunft wieder wettzumachen". Im Studium
erzielte Marx Heinrich weiterhin Fortschritte. So konnte
der Hofmeister dem Vater berichten, daß der Studiosus
die Philosophie bald abschließe und nur die Logik in
einem Jahr „zu defendieren" habe.
Für Thesis fand Marx Heinrich einen hervorragenden
Lehrer und väterlichen Freund in P. Johannes Heinrich
S. J. Dieser schrieb an den Vater nach Dettensee: Er
habe „mit sonderen Freuden vernommen", daß er dem
Sohn „zu großer Weisheit verhilflich" sein dürfe, verspreche mit seinen „geringen Kräften" und „mit der
Gnade Gottes allen Fleiß" dafür aufzubieten und wolle
nichts versäumen, um Marx Heinrich „zur Ehre seiner
Familie" und des „Vaterlandes Nutzen" zu „unterweisen".Außerdem bat er den Vater, die bei der "bevorstehenden Defensión" entstehenden Kosten zu bezahlen,
auch des Sohnes Fleiß zu „schärfen", obwohl er darüber
nicht zu klagen habe. Mit einem Schreiben vom selben
Datum vermeldete der Hofmeister, daß zur Ausbildung
in der „Reißkunst" nur ein Maler vorhanden sei. Der
Vater möge mit demselben verhandeln, damit Marx
Heinrich in den „ersten Fundamenten" unterrichtet
werde und alsdann „bei allhiesigen Schulmeistern" die
Grundlage der Meßkunst erlernen könne.
Als Student der Rechtswissenschaft durfte Marx Heinrich
nun auch kleinere Vergnügungen suchen. Er belustigte
sich bei Fastnachtsveranstaltungen, traf sich öfters mit
Freunden zu einem fröhlichen Umtrunk, ritt mit denselben aus und bekam wohl nicht ohne Grund einen
„Maien gesteckt". Auch bei einer Kindstaufe fand er
sich ein und ließ den Spielleuten 6 fl zukommen. Viel
Spaß fand er an der Zucht von Tauben, die er reichlich
fütterte.
Die Anschaffung juristischer Fachbücher wird in keiner
Quartalsredmung erwähnt. Dagegen ist in einer solchen
vom 28. Dezember bis 5. April 1659 der Kauf eines
Deutschbuches, „Sekretarius" genannt, für 2 fl vermerkt.
Am 26. Februar 1660 nahm Marx Heinrich Abschied von
Freiburg, reiste zum Vater nach Dettensee und zum
Weiterstudium nach Ingolstadt. Dort hinderte ihn zunächst eine schwere Krankheit an intensivem Studium.
Außerdem sorgte er sich um seinen jüngeren Bruder
Adam Fleinrich, der in Ingolstadt das Gymnasium besuchte. Am 26. Januar 1661 berichtete er dem Vater
ausführlich. Sein Bruder sei fleißig im „Lesen und
Schreiben" und habe „absonderlich ein Lust dazu", doch
wolle er ihm „den Zügel nit zu lang lassen". Für sich
hoffe er, daß ihm der Vater an den Festtagen einen
Trunk erlaube und zwar Wein, weil er „das Bier zu
den Fischen nit" vertrage. Im übrigen wolle er sich
„schon halten", daß „sein hochgeehrter Herr Vater mit
ihm wird zufrieden sein". Wenn der Vater in Innsbruck
Audienz bekomme, dann möge er doch eine Truchsässenstelle für ihn erbitten; gegebenfalls würde er sich durch
besonderen Fleiß dazu „tauglich machen". Den vom
Vater gerügten teuren Zimmerpreis entschuldigte Marx
Heinrich mit dem Hinweis, daß er von allen Zimmern,
nach denen er gefragt, das preiswerteste ausgewählt. Das
Studium mache gute Fortschritte. Er gehe jetzt zu einem
Repetitor, dem der Vater zum Jahresende eine „Discretion" schenken möge. Dieses Geld sei „mit Gott nit übel
angewendet" und er werde dafür so sparsam wie möglich leben. Auch an Sprachübungen nehme er teil, die
monatlich 3 fl kosten, lerne das Tanzen und ebenso
Fechten und „Voltigieren". Den Vater bitte er „kindlichen", sich „des starken Trinkens" zu „enthalten" und
sich ein wenig zu pflegen, um" nit wieder ein halbes Jahr
doktoren" zu müssen. Daß Marx Heinrich sich im Fechten übte, fand das Einverständnis des Vaters, die übrige
Zeit aber möge der Sohn „mit dem Studium fleißig
zubringen" und recht sparsam sein.
Ein tragischer Abgang von der Universität
Mitten in den Vorbereitungen zum Schlußexamen nahm
das Leben des Marx Heinrich eine schicksalhafte Wende.
Bei einem Spaziergang am Abend des 20. März 1662
begegnete er „etlichen Studenten", darunter Christoph
Michtell, eines Tüchmachers Sohn aus der Pfalz. Lezterer
suchte offensichtlich Streit und trat ihm auf den Fuß.
Die Frage nach dem Namen, beantwortete dieser mit
einer Aufforderung zu einem gemeinsamen Spaziergang. Dazu verspürte Marx Heinrich jedoch keine Lust,
worauf beide ihren Weg fortsetzten. Kaum hatte sich
Michtell ein paar Schritte entfernt, da begann dieser
ohne Ursache „grobe Scheltworte und Injurien" nachzuschreien.
Um seine „Ehre zu retten", schickte Marx Heinrich tags
darauf zu demselben 2 Kavaliere. Michtell erwartete
aber eine schriftliche oder persönliche Antwort. Um
die Angelegenheit zu bereinigen, suchte H. von Muggenthal nun Michtell auf. Aber über dessen Lippen kam nur
Spott und Hohn und als Marx Heinrich denselben kurz
darauf auf „öffentlicher Gasse" fragte, ob er „dergleichen Lästerreden geständig sei", kam die Antwort: Ja
und daß es ihm „freistünde, die Waffen zu erwählen".
Darauf gab Marx Heinrich dem Michtell eine „Maulschelle". Wegen „der Menge Volks" unterblieb jedoch
eine weitere Auseinandersetzung. Aber H Stunde später
trafen sich die Streithähne wieder. Marx Heinrich schlug
vor, sich doch in Güte zu vertragen. Aber der Angesprochene vermeinte: ich bin kein „Bettelhund". Alsdann
kreuzten beide die Klingen. Obwohl nach 3 Hieben die
Klinge des Marx Heinrich in „Stüdke gehauen" war,
versuchte der Gegenpaukant noch einen Hieb auszuführen, doch die Sekundanten verhinderten dies. Wieder
wollte Marx Heinrich „Friede machen", wozu sich
Michtell aber wieder nicht bereit fand. So mußte der
Streit „auf Studentenmanier" beigelegt werden. Marx
Heinrich ließ sich einen Degen geben, und dann ging der
Kampf weiter bis Michtell, von einem "Hieb ins Gesicht" getroffen, den Degen fallen ließ und in Ohnmacht
sank, weshalb nach einem Beichtvater geschickt wurde.
Angstvoll „retirierte" sich Marx Heinrich in ein Franziskanerkloster, verließ es aber wieder, nachdem er von
der Besserung seines Gegenpaukanten erfuhr und wartete auf eine Untersuchung des Falles seitens der Obrigkeit. Am 12. April wurden die beiden „Streithansel" vor
das Dekankonzil zitiert und eingehend vernommen.
Als „Ursache seiner Vermessenheit" gab Michtell an,
daß ihn der Diener des Marx Heinrich „mit bloßem
Degen in die Stein gehauen" habe. Zum größten Erstaunen erging am 19. April — ohne daß Marx Heinrich
Zeugen seiner Unschuld anführen konnte — das Urteil.
Die Strafe lautete: Wegen des Duells haben beide Studenten 4 Reichstaler, Marx Heinrich überdies „wegen
der Herausforderung und darauf erfolgten Raufhandels" 6 Reichstaler zu bezahlen und soll außerdem
„wegen der beim Raufen ungewöhnlichen Entblößung
und Weglegung der Kleider auf 2 Tage in das Keüchen
(Kittdien) und zurBezahlung der Unkosten condemniert"
sein. Das harte Urteil führte Marx Heinrich auf die
„parteiischen Zeugensagen" zurück und begehrte darum
vom Rektor eine schriftliche Begründung, die iedoch
trotz mehrmaligem Mahnen auf sich warten ließ. Seinem Diener, den er mit den verlangten 2 fl hinschickte,
sagte der Rektor, daß keine Appellation zugelassen werde.
Deshalb begab sich Marx Heinrich am 27. April selbst
zum Rektor und begehrte in einem zweistündigen Gespräch vergeblich eine „Kopie" des Urteils. Das berichtete er verärgert dem Vater. Auf sein Begehren, doch
einen Unterschied zwisdien einem Kavalier und eines
Tuchmachers Sohn zu machen, habe der Rektor erwidert,
53
daß er keinen für einen Kavalier, sondern alle insgemein für Studenten erkenne.
Nun erinnerte sich Marx Heinrich der Tatsache, daß
sein Vater den Titel eines kurfürstlich bayrischen Rates
und Kammerers führte. Von einer Bittschrift an den
Kurfürsten erhoffte er sich deshalb noch eine Wendung
seiner Lage. Sein Vater habe für die katholische Liga
treue Kriegsdienste geleistet und sich vor Prag und in
der Schlacht bei Nördlingen mit Bravour geschlagen.
Das schrieb er am 31. Mai an den Kurfürsten und nun
werde „dessen eheleiblicher Sohn also spöttlich" von
den Professoren einer bayerischen Universität behandelt.
Die Bemerkung des Rektors, wonach er mit einem „gemeinen hergeloffenen Gesellen" gleichgesetzt werde, finde
er ungeheuerlich. Dann schilderte er den Hergang der
Tat und erbat die Aufhebung des ergangenen Urteils
und Michtell wegen „seines hochsträflich erzeigten Mutwillens mit einer exemplarischen Strafe" zu bedenken.
Der Hofgerichtsadvokat Vischer in München wurde
gleichzeitig mit der Abfassung einer Appellationsschrift
beauftragt und Graf Franz Fugger, Statthalter zu Ingolstadt, ersudu, beim Kurfürsten „um gnädigste Moderation" des Urteils einzukommen. Mit Schreiben vom 2.
Juni berichteten Rektor, Professoren und Räte der Universität dem Kurfürsten den Tatbestand. Danach hatte
Marx Heinrich den Jurastudenten Georg Christoph
Michtell, der unbewaffnet war, angegriffen und „mit
Schmachworten und einer Maulschelle versehen", wodurch dieser zum Raufen gezwungen wurde.
Inzwischen habe Marx Heinrich zwar die 6 Reichstaler
Strafe bezahlt, aber andererseits beim Kurfürsten um
Revision des Urteils nachgesucht, wodurch sich Michtell,
der seine Studien inzwischen beendet und nächstens promoviere, „beschwert finde". Überdies sei Marx Heinrich
trotz Verbot aus Ingolstadt abgereist. Seitens der Universität erging danach an den Vater die Aufforderung,
„seinen Sohn innerhalb 3 Wochen allhero in den Arrest
persönlich zu stellen", andernfalls „gegen denselben mit
öffentlicher, bei der Akademie gewöhnlichen und seiner
ansehnlichen Familie unrühmlichen Citation verfahren"
werde, was am 31. Juli 1662 dann auch eintraf. Kurfürst Ferdinand Maria ließ also die Angelegenheit auf
sich bewenden.
Ein früher Soldatentod beendet ein
hoffnungsvolles Leben
Enttäuscht über das Verhalten des Kurfürsten schickte
der Obrist seinen Sohn auf die Reise nach Frankreich,
England und Holland, damit sich dieser in Fremdsprachen übe. In jener Zeit erging an den Vater Adam
Heinrich Keller der landesfürstliche Befehl, in Schwaben
eine Kompagnie Soldaten zum Kampf gegen die Türken
zu werben. 9 Rottenburg a. N. wurde Musterungsplatz.
Von dort aus marschierten die geworbenen Landsknechte
nach Passau zur Einschiffung auf der Donau nach Wien.
Mit dem Kommando über die Kompagnie betraute der
Obrist seinen Sohn Marx Heinrich, der sich damals von
England kommend in Brüssel aufhielt. Den väterlichen
Befehl zur Heimkehr überbrachte ein reitender Bote.
Nach kurzer Wiedersehensfreude mit den Anverwandten
im altvertrauten Schloß zu Dettensee reiste Marx Heinrich nach Passau weiter.
In Wien stieß er zu einem kaiserlichen Regiment zu Fuß,
dessen Befehlshaber Graf von Porzy war. Bald erwarb
er sich bei hohen und niederen Offizieren ein „solches
contento", daß ihm „nit allein der Convoi etlicher Stück
und Munition nachher Schindtau" sondern auch „nach
dero glücklichen" Ausführung das Kommando über den
nächst bei Neutra und Neuhäusel gelegenen ungarischen
Ort Tirnau übertragen wurde. Dort erkrankte er an
54
einer „giftigen Krankheit" (Petechien = Fleckfieber) und
starb nach 9 Tagen — am 1. Mai abends zwischen 8 und
9 Uhr —, versehen mit „allen heiligen Sakramenten".
Nach seinem letzten Willen fand er bei St. Stephan in
Wien die letzte Ruhe. Dies teilte Obristleutnant Sixt—
Preßburg, den 6. Mai 1664 — dem Vater mit, den der
Tod seines ältesten Sohnes überaus schmerzte. Am 20.
Mai 1664 sprach der Syndikus des schwäbischen Kreises
Johann Buchmiller in Ehingen seine innige Anteilnahme
aus. Der Tod dieses „hochbeliebten Cavaliers" sei deswegen besonders „hoch zu bedauern, weilen er in dem
besten Flor seines Alters" gestanden und „dem gemeinen
Nutzen ein schönes Subiectum" verloren ging. Auch die
adligen Standesgenossen drückten ihr Beileid aus, so der
Schwager Luitfried von Ulm—Erbach, Ulrich Bernhard
Spett von und zu Zwiefalten, Hans Jörg von Werdnau
zu Dießen, Adam Heinrich und Wildhans von Ow zu
Horb a. N.
Der Kammerdiener des Verstorbenen bekam von Keller
den Befehl, alle Formalitäten für die Beisetzung zu erledigen und ein Inventar der Verlassenschaft anzufertigen. Marx Ernst Gattermayer von Gatterburg bot dazu
seine Hilfe an. Diesem übersandte Keller das Geld zur
Bestreitung der Beerdigungskosten und zur Anschaffung
eines Epitaphs. Dem Kammerdiener wurde befohlen,
den Nachlaß —• außer „etiichs weniges" — zu verkau
fen und die gemachten Schulden damit zu bezahlen. In
einem Schreiben vom 20. Mai 1664 ersuchte Keller den
Grafen von Porzia, die „Pagagi" seines Sohnes durch
den Kammerdiener nach Rottenburg bringen zu lassen.
Dort solle der Kammerdiener seinen „alten Dienst"
wieder antreten. In einem Schreiben — Rottenburg, den
26. Mai 1664 — klagte der betrübte Vater dem Bartholomeus Freiherr von Bertholdi zu Innsbruck sein Leid. Um
seinen Sohn zu einem dem Erzhaus Österreich „jederzeit
gehorsamen Diener zu erziehen, habe er diesen nicht nur
an verschiedenen Universitäten studieren, sondern auch
zur „Erlernung" der Spradie nach Frankreich, England,
Holland reisen lassen. Dessen Tod gehe ihm besonders
„zue Herzen", weil er auf ihn seine „Hoffnung gesetzt"
und ihn „als Stab" seines „dahin schleichenden Alters
nennen" durfte. Deshalb ersuche er, seinen noch einzigen im 9. Lebensjahr stehenden Sohn, beim Erzherzog
zu protegieren, damit dieser stets seine „Zuflucht" dahin
nehmen könne.
In der Kirche zu Dettensee ließ Keller ein Epitaph
anbringen, das an den Soldatentod seines Sohnes erinnern sollte. Dieses ist jedoch schon vor Jahren bei Umbauarbeiten abgegangen.
Anmerkungen:
1
s
3
4
In ihrem Testament — K o n s t a n z , den 5. O k t o b e r 1636
bestimmte R o s a m u n d e Keller von Schieitheim, d a ß A d a m H e i n rich Keller von Schieitheim ihr K a p i t a l von 19 780 fl auf D e t tensee erben, w o f ü r dieser ihre K r a n k h e i t s - und Begräbniskosten
bezahlen soll. Freiherr von Raßlersches Archiv Weitenburg, Bestand Keller v o n Sdileitheim Bd. 11 S. 316.
Schreiben des M a r x Heinrich Keller an seine Base A n n a M a r i a
Fcldmann von A p p e n t s h o f e n zu Dettensee vom 29. M ä r z 1656:
Sie möge f ü r ihn beim V a t e r H e m d e n , S t r ü m p f e und Krägen,
Schuhe, M a n t e l samt Kleid erbitten.
In Freiburg/Br. w u r d e n auch die Absolventen des Gymnasiums
academicum in die M a t r i k e l der U n i v e r s i t ä t eingeschrieben:
D a r i n w i r d Marcus Henricus Keller a Schleitheimb unter dem
R e k t o r a t des D r . Andreas Streitt am 4. Juli 1650 als Student
der G r a m m a t i k a u f g e f ü h r t . M a t r i k e l d e r U n i v e r s i t ä t F r e i b u r g / B r .
S. 921 N r . 60, siehe auch Bd. I der M a t r i k e l S. X X I V — X X V
von A. M a y e r 1907.
Das angefertigte Verzeichnis f ü h r t a n : ein rotes u n d ein graues
Kleid, ein grauer M a n t e l u n d Rock, ein P a a r neue Stiefel, zwei
P a a r neue Schuhe, ein neues P a a r P a n t o f f e l n , einen alten grauen
Rock, einen alten braunen Mantel, eine grüne neue seidene
K a p p e , zwei P a a r weiße braune baumwollene S t r ü m p f e , ein
P a a r graue gestrickte S o m m e r s t r ü m p f e , ein P a a r rote Stiefelstrümpfe, ein schwarzes Wehrgehänge mit Fransen, acht Kragen,
5
fi
7
8
Degen samt zugehörigen Sporen, 1 schwarzseidenes Wehrgehänge,
1 P a a r Stiefel, 4 P a a r Schuhe 1 P a a r P a n t o f f e l , 1 P a a r b a u m wollene S t r ü m p f e , 1 P a a r seidene S t r ü m p f e , 2 P a a r „gelißmata"
S t r ü m p f e 1 Paar Stiefelstrümpfe, 21 Kragen, 6 H a n d t ü c h e r
( „ H a n d d e t z e l n " ) , 12 neue „ F a z z l e t h " , 6 P a a r „ C a n o n e n " , 1
geschriebene „ p h i l o s o p h i a m " , 1 Schrotgewehr samt Weidtasche
und Pulverflasche, 4 neue und 6 alte H e m d e n , 6 P a a r Leinenstrümpfe, 4 Paar Socken („Seckle"), 4 P a a r Schlafhosen, 1 H a a r tuch (hat mehr nötig), 5 Schlafhauben, 24 Ellen Tuch (woraus
später 6 P a a r O b e r s t r ü m p f e gemacht w u r d e n ) , 1 Schlupfer, 5
P a a r Handschule („Henschen"), 1 gestricktes „ C a m f u l t e r " .
" Siehe Hohenberger W a r t e J a h r g a n g 16, N r . 1, „Landsknechtswerbung in H o h e n b e r g " von K r e z d o r n .
10
Freiherrlich von Raßlersches Archiv, Bestand Keller von Schleitheim Bd. 18 S. 406 / 435; Bd. 2 S. 261 / 4 4 1 .
neun P a a r Handdecklein (Handtücher), zwölf „ F a w l e t h " zwei
P a a r „canonen" (über das K n i e reichende Reitstiefel), ein
Wehrgehänge mit Gold gestickt, ein Degen samt zugehörigen
Sporen, ein Schrotröhrlein, vier Federn auf den H u t , zwei ge
schriebene „philosophia".
Schreiben des H . H . Willig, Freiburg, den 30. N o v . 1651.
Bestallungsurkunde f ü r weitere 3 J a h r e vom 11. N o v . 1654.
Die vom Chirugen ausgestellte Rechnung hatte A d a m Heinrich
Keller von Schieitheim nach 3 J a h r e n noch immer nicht beglichen.
1 neues rotes Kieid mit Gold eingesäumt samt einem roten
Mantel mit silbernen Borden, 1 rotes Paar Hosen samt einem
ledernen Wams, 1 graues Kleid mit einem grauen Mantel und
Rock, 1 graues P a a r Hosen samt 2 weißen „Wamischer", 2
S o m m e r m ä n t e l — einen „zeigenden" und t a f t e n d e n , 3 H ü t e
und z w a r 2 graue und 1 schwarzen samt 2 Federbüschen, 1
MICHAEL LORCH
Friedrich Wilhelm Deckel (1871-1948)
Geschichten um ein Junginger Original
Vom Mechanikerlehrling
zum Kommerzienrat,
Dr. h. c. und
Am 11. Dezember 1871 meldete auf dem Standesamt zu
Jungingen der Landwirt und Händler Karl Deckel die
Geburt eines Buben, des sechsten Kindes seiner Ehefrau
Thekla, geb. Müller. Das Bübchen erhielt den Vornamen
Friedrich Wilhelm und besuchte von 1877 bis 1885 die
Volksschule. Die lückenlos vorhandenen Zeugnisse der
Schule beurkunden einen Schüler von stets gleichmäßigem
Eifer und Fleiß, von bester Veranlagung und überdurchschnittlichen Leistungen. Seine Mitschüler gaben ihm den
Übernamen: „Schlitzer", wohl wegen der bei ihm sich
schon früh zeigenden „Spitzfindigkeit" und Schlauheit,
was auch durch einige der folgenden Jugendgeschichten
bezeugt wird:
Friedr. Wilhelm
Deckel
(1871-1948)
Fritz bekommt einen Schulranzen angemessen"
Die Kinder der armen Leute hatten in den achtziger
Jahren noch keine Schulranzen aus Leder. Die Schulsacnen waren in einer selbstgefertigten Tasche aus Leinwand oder Barchent untergebracht. Als Schüler der
Oberklasse wurde Fritz Deckel ob solcher Tasche von
seinen Mitschülern gefoppt, bis er eines Tages behauptete: „Ich will es schon richtig anfangen, daß ich einen
Schulranzen bekomme!" Er besorgte sich zwei Pappdeckel, angeblich um die Schrift auf der Schiefertafel
vor dem Verwischen zu schützen. In Wirklichkeit dienten sie aber als Versteifung der Taschenwände. Auf
Wirtschaftsführer
dem Heimweg — es war im Winter — setzte sich Fritz
auf die Tasche, benützte sie als Schlitten und rutschte
darauf den Kirchrain hinab. So konnte es nicht ausbleiben, daß er mit einer durchlöcherten und zerfetzten
Tasche nach Hause kam. Die Mutter hat kurzen Prozeß
gemacht und ihrem Frieder für diesen Streich „den Ranzen voll gehauen". Am andern Tag von den Mitschülern
befragt, ob er jetzt einen neuen Ranzen bekomme, konnte
er ihnen mit gutem Gewissen antworten: „Ja, meine
Mutter hat mir gestern abend den Ranzen angemessen!"
Von Bauernarbeit will Deckel nichts wissen
Als 14-jähriger Junge wurde er in der Heuernte einmal
von der Mutter um 3 Uhr morgens geweckt. Er sollte
dem Vater und den älteren Brüdern, die schon beim
Mähen waren, den „Ziasstragkratten" (d. i. der Essentragkorb) auf das Feld hinaustragen. Frieder zieht los.
Nach etwa einer Stunde folgt ihm die Mutter. Was erblickt sie denn da unterwegs dort am Wiesenrande? Sie
geht näher hinzu und findet — ihren Frieder auf dem
Bauche im Grase liegend. Hier hat er seinen unterbrochenen Schlaf fortgesetzt. Neben ihm steht der
„Ziasstragkratte". Die Mutter weckt ihren Buben zum
zweitenmal, und gemeinsam kommen sie beim Vater an.
Dieser ist natürlich ungehalten über den so lange ausgebliebenen Essensträger und sagt: „Ich will nur sehen,
was aus dir noch wird!" Darauf Frieders Antwort:
„Kein Bauer!"
Deckel läßt sich „nicht im Bart kratzen"
Früher durften sich des Abends auf der Hauptstraße
nur die jungen Burschen sehen lassen, die 18 Jahre alt
waren. Jüngere wurden nicht geduldet und oft mit
Schlägen fortgejagt. Frieder wäre als 16-jähriger auch
schon gerne auf der Straße gewesen. Der Vater warnt
ihn, doch Frieder hört nicht darauf. Er wird von den
älteren Burschen erwischt, empfängt mit einem Seilstumpen seine Hiebe und wird von der Straße verwiesen. Frieder sinnt auf Rache. An einem der nächsten
Abende sieht er den Missetäter beim „Bierthedor" in
der Schenkstube sitzen. Er ist ins Kartenspiel vertieft und wendet seinen Rücken dem Fenster zu. Die
sogenannten „Oberlichter", zw* kleine obere Fensterflügel, stehen offen. Schnell entschlossen greift Frieder
hinein, versetzt seinem Widersacher je eine Backpfeife
von links und rechts — und ist verschwunden. Das verdutzte Gesicht des Betroffenen und das dröhnende Gelächter der Kameraden kann man sich denken.
55
Berufswünsche
Wurde Fritz während der Schulzeit nach seinen Berufswünschen gefragt, so pflegte er zu antworten, daß er
beabsichtige, beim Doktor in Hechingen Lehrbube zu
werden. Jungingen hatte damals noch keinen Arzt und
der „Doktor von Hechingen", der bei Bedarf mit
seinem Bernerwägele im Dorfe erschien, wobei Frieder
auf das Pferd aufpassen durfte, machte solch einen Eindruck auf ihn, daß es von nun an nichts Erstrebenswerteres mehr geben konnte, als Doktor zu werden und
ebenfalls Pferd und Wagen zu besitzen.
Deckel als
Mechanikerlehrling
Seit 1852 begann Jungingen mit der Gründung der Waagenfabrik Gebr. Bosch sich zum „Mechanikerdorf" zu entwickeln. Nach Beendigung der Schulzeit i. J. 1885 trat
unser Frieder als Mechanikerlehrling beim genannten
Betrieb in die Lehre. Die Arbeitszeit, auch die der Lehrlinge, währte täglich von 6 Uhr bis 18 Uhr mit kurzer
Mittagspause. Der Durchschnittslohn eines Feinmechanikers belief sich auf 20 Pfennig pro Stunde, und zuweilen gab es, besonders für Lehrlinge, auch sonntags
noch Arbeit. Frieders Lehre ist, nach heutigen Maßstäben gemessen, nicht leicht gewesen, was die Vielfalt
der Arbeit angeht, die ein Lehrling zu leisten hatte. Die
Werkstätte kannte keine Spezialisten und noch weniger
ein eigens auf die Lehrlinge abgestimmtes Lehrsystem.
Der Lehrling Deckel wurde an die Seite jenes Gesellen
gerufen, der jeweils seiner bedurfte. Ob Maschinen- oder
Schraubstockarbeit, Feinjustierung oder grobe Arbeit, je
geschickter der Lehrling arbeitete, desto vielseitiger gestaltete sich seine Verwendung und um so gründlicher
seine Ausbildung. Der „Schlitzer" sei ein schlaues
Bürschle gewesen, immer bereit, immer pfiffig und von
größter Anstelligkeit. Er wußte, daß er etwas konnte
und schließlich empfing er dafür Bestätigung: er erhielt
einen Pfennig Lohnzulage zum Stundenlohn, eine freiwillige Anerkennung seines Lehrherrn, was bis dahin
noch nie vorgekommen war.
Frieder geht in die Fremde
Der Siebzehnjährige ging bald nach Beendigung der
Lehre im Jahre 1888 der Sitte folgend auf die Wanderschaft. Am Vorabend dieses bedeutungsvollen Tages
hatte sich Frieder, da er nach dem Abschied von der
„Magdalenbäs" ein Treppengeländer hinuntergerutscht
war, den Boden seiner einzigen guten Hose aufgerissen.
Der Stoff war dem kühnen Abschiedsrutsch nicht gewachsen gewesen. Der Schaden wurde noch in der Nacht kunstgerecht und solide durch Einsetzen eines tüchtigen Flikkens behoben. — Am Morgen des Wandertages drückte der
Vater Deckel seinem Frieder einen „Goldfuchs", ein
Zwanzigmarkstück, in die Hand und ließ ihn mit Segenswünschen seines Weges ziehen. Doch der Anfang der Reise
verzögerte sich. Die Aufregung mochte schuld gewesen
sein, das Goldstück entglitt der jungen, bei der Arbeit so
sicheren Hand, rollte über den Boden und verschwand in
der Spalte zwischen zwei Brettern. Ein derbes Wort von
Seiten des Vaters mochte da wohl gefallen sein; doch
nach etwas Sägearbeit am Stubenboden wurde das Goldstück wieder gefunden; ein letztes Adieu, und Frieder
nahm seine in ein rotes Schnupftuch eingebundenen
Sachen zur Hand und machte sich auf die Straße nach
Hechingen. Ganz allein zog er in die Welt; er hinterließ
nur ein „Erinnerungssägeloch" im Boden, das im Vaterhaus (Viehgasse Nr. 31) heute noch gezeigt wird. Aber
was sollte das bedeuten? Am Anfang gleich ein Ungeschick, vielleicht gibt's am fernen Ende auch ein Malheur.
Oder konnte man in etwas übertragenem Sinne hier
56
anwenden: Scherben bedeuten Glück! Die Zukunft sollte
es weisen. Eine neugierige Nachbarin stand am Wege
und blickte ihm nach. „So arm, so arm ist er ausgezogen,
mit seinem geflickten Hosenboden", weiß diese noch nach
sechzig Jahren zu berichten.
Deckel bei Zeiss in Jena
Friedrich Deckels Wanderschaft währte zehn Jahre. Die
erste Stellung fand er bei der Firma A. Ott, Fabrik
mathematisch-optischer Instrumente in Kempten i. Allgäu. Auf allen wichtigen Apparaten stand der Name
Carl Zeiss. Als erstrebenswertestes aller Ziele erschien
nun dem jungen Deckel, bei Zeiss zu arbeiten. So finden
wir ihn zu Beginn der Neunzigerjahre in Jena bei Zeiss.
Kein Arbeitsplatz im ganzen damaligen Deutschen Reich
wäre dem Talent des jungen Deckel gemäßer gewesen
als jener eines Feinmechanikers bei Zeiss in Jena. Vor
ihm stand die Gestalt des patriarchalischen Professors
Ernst Abbe, des Begründers der Theorie der optischen
Instrumente und der sozialen Fabrikorganisation, der
für Friedrich Deckel zum eigentlichen Lehrer wurde. In
Jena tat er einen entscheidenden Schritt: er, der
schwäbische Alb - Bauernsohn aus Jungingen, wurde
während zweier Jahre Ernst Abbes bevorzugter
Versuchsmechaniker. Eine höhere Lehre konnte es
nicht geben, kein Hochschulstudium hätte ihm an
Kenntnissen mehr vermitteln können als diese zwei
Jahre an der Seite dieses seiner Zeit weit vorauseilenden
Geistes. Niemandes Andenken hat Friedrich Deckel jemals höher gehalten als das Ernst Abbes, dessen in
Bronze gegossene Büste ihm später täglich im Arbeitszimmer seines Werkes gegenwärtig gewesen ist.
Deckel im Ausland
Der Jenenser Zeit folgten Stellungen in Stuttgart und
Karlsruhe, wo er in führenden Firmen an optischen
Präzisionsgeräten arbeitete. Freizeit und Verdienst wurden rücksichtslos den Mitteln zur Vervollkommnung
seiner theoretischen Kenntnisse geopfert. Jetzt lockte
das Ausland. Der erste Schritt führte ihn nach den
Niederlanden. Er blieb nur so lange im wohllebigen
Holland, bis er das Geld zur Reise nach England erspart hatte. Die letzten vier Jahre seiner Wanderschaft
verbrachte Deckel in England. Als Zeissianer fand er
leicht Arbeit. Seine wichtigste Stellung fand er im Apparatebau bei Siemens Brothers in Woolwich, nicht ahnend,
daß wenige Jahre vorher ein anderer Sohn der Schwabenalb, Robert Bosch, am gleichen Platz gearbeitet hatte.
Aber auch diese glänzend bezahlte Stellung sollte ihm
nur zu einem weiteren Sprung in die Welt dienen. Er
ließ sich für einen gerade in Ausrüstung liegenden nach
Südafrika bestimmten Kabelleger vormerken. Da brach
der Burenkrieg aus, die Kabelreise unterblieb.
Deckel in der photo-technischen Industrie
Man schrieb das Jahr 1897, Friedrich Deckel hatte fast
10 Jahre in der Fremde zugebracht, — nun lockte die
Heimkehr nach Deutschland. Aber wohin im großen
Deutschen Reich? Wo saß die Industrie, die möglicherweise einen Friedrich Deckel gebrauchen konnte? Er
wählte München, das, gefördert vom bayrischen Königshause, eine ganze Generation berühmter gelehrter Optiker beherbergte. 1897/98 arbeitete er bei C.A.Steinheil und kam mit der Industrie photographischer Apparate in Berührung. Er lernte einen neuen Arbeitszweig,
ja ein völlig neues Fach kennen — die Photographie.
Die Anforderungen, die dieses neue Fach zu seiner Vervollkommnung stellten, ließen in Deckel den Gedanken
aufsteigen, selbständig zu werden. Er war jetzt ent-
schlossen, seine Wanderjahre zu beschließen. Diese hatten
Deckels Fachkenntnisse weit über den Durchschnitt des
jungen Feinmechanikers bereichert. Er hatte in vielen
guten Betrieben mannigfaltige Arbeit geleistet. Er hatte
sich diese Betriebe genau angesehen. Viele Aufgaben hatte
er gemeistert. Er hatte große und kleine Fabriken kennengelernt, sie miteinander verglichen. Er dachte an
eine serienweise Fabrikation: Cameraverschlüsse und
Kinematographen. Dazu mußten jedoch erst durch andere Arbeiten die Mittel verdient werden.
Deckel macht sich selbständig
Unter diesen „anderen Arbeiten" stellte sich Deckel
zunächst photographische Verschlüsse vor. Im Jahre
1898 eröffnete er in München im Hinterhof eines
Hauses in einer alten, verlassenen Waschküche, die
zugleich als Schlafzimmer diente, eine kleine Werkstätte „Friedrich Deckel, Mechaniker". Bescheidener
ging es nicht mehr. Auf einem Handwagen karrte der
Mechaniker Deckel zusammen mit einem Lehrling nach
und nach eine kleine Drehbank und einige Kisten Werkzeug und Material vom Bahnhof in seine Werkstätte.
Niemand hatte auf Friedrich Deckel gewartet. Man
hätte ihm damals alles bringen dürfen, jede beliebige
Reparatur, er hätte jeden Auftrag angenommen. Hart
und unerbittlich wurde geschuftet. Mit unermüdlicher
Energie suchte Deckel nach einem zügigen Artikel, um
eine Grundlage zu haben für sein künftiges Schaffen.
Die Erfindung des
Compurverschlusses
Im Jahre 1903 stieß er mit Christian Bruns zusammen,
der eine recht bekannte Werkstätte betrieb. In diesem
Jahre wurde der erste photographische Verschluß konstruiert. Am 15. August 1903, eben an dem Tage, der
als Gründungstag der Firma Deckel angesehen wird, kam
es in München im Rückgebäude des Hauses Klenzestraße 34 unter dem Namen „Bruns und Deckel" zur
Vereinigung. Je ein Möbelwagen genügte, um den Umzug beider Werkstätten nach dem neuen Sitz zu bewerkstelligen. Zweck der Firma war die Verwertung
eines neuen photographischen Verschlusses, des CompurVerschlusses.
Das
Wort
Compur
bedeutet
die
Verbindung
zweier
Verschlußarten
mit
einem
Uhrwerk. Der Compurverschluß ist unbestritten das
Beste und Präziseste auf diesem Gebiete, das Wort Compur ist ein Wertbegriff wie etwa Mercedes-Benz. Vielleicht hat sich nur selten jemand klar gemacht, was dazu
gehört, ein solches Präzisionsinstrument zustande zu
bringen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Herstellung hat Friedrich Deckel in humorvoller Uebertreibung
einmal ausgerufen, daß er nicht begreife, weshalb er
nicht ein anderes Fach, z. B. die Herstellung von Pfefferminzpastillen gewählt habe! Ein Compurverschluß
enthält 162 Einzelteile. Was mit diesen je nach Einstellung vor sich geht, ist schon ein kleines Wunder zu
nennen. Gegen einen Compurverschluß ist eine Taschenuhr eigentlich primitiv. Alle diese 162 Einzelteile müssen
im Kreise um das Objektiv angeordnet werden. Da
muß mit Genauigkeiten bis auf ein Tausendstel Millimeter gearbeitet werden. 900 Arbeitsgänge gehören zur
Herstellung. Jeder Verschluß muß 270 Kontrollstellen
passieren und 20 000 einwandfreie Abläufe leisten, ehe
er als gebrauchsfähig befunden wird. Da fängt man an
zu verstehen, weshalb dieser eine Verschluß so weit über
allen anderen Verschlüssen steht. Was leistet er denn in
der Kamera? Nun, darüber braucht beim Compur nicht
gesprochen zu werden. — Wer heute mit 100 Prozent
Sicherheit photographieren will, nimmt einen Compur.
Zehn verschiedene Einstellungen bis zu 1/500 Sekunde
mit Zwischenwerten sind möglich. Schließlich versetzt
der Selbstauslöser den Amateur in die Lage, sich selbst
aufnehmen zu_ können. Die Kameraindustrie der ganzen
Welt ist auf diesen einen schnellsten u. zuverlässigsten Verschluß angewiesen, wenn sie an einer Camera alles erstklassig ausführen will. Wii stellen uns einen Stab von
Ingenieuren, Professoren und Wissenschaftlern vor, die
dieses menschliche Wunderwerk geschaffen. Fast niemand
in unserer engeren Heimat weiß und denkt daran, daß
der Erfinder und Hersteller dieses weltberühmten Compurverschlusses einst ein einfacher Mechanikerlehrling
war und in dem Mechanikerdorf Jungingen i. Killertal
als Sohn eines armen Kleinbauern geboren wurde. Mancher Photoamateur wird sich nun erinnern, daß der
Name Deckel oder wenigstens die Anfangsbuchstaben
F. D. auf dem Compurverschluß seiner Kamera stehen.
Die Junginger sind mit Recht stolz auf den Sohn ihrer
Heimat.
Die Firma Friedrich Deckel, München
Im Jahre 1905 schon trennte sich Bruns wieder von
Deckel, weil er seinem Hang nach Forschungen und
Erfindungen nachgehen wollte. Von diesem Zeitpunkt
an wurde der Compurverschluß bei Deckel nicht mehr
handwerksmäßig,
sondern fabrikmäßig hergestellt.
Bald konnten zehn Personen beschäftigt werden. Dies
war der Grundstein für die heutige Firma Friedrich
Deckel. Ununterbrochen ging es jetzt vorwärts und aufwärts. 1910 wurden schon 100 Arbeiter beschäftigt. Ein
eigenes Fabrikgebäude entstand im Sendlinger Oberfeld.
Es wurde 1911 bezogen. Die zur Herstellung der bereits
erwähnten Präzisionsteile nötigen Spezialmaschinen waren auf dem Markt nicht zu haben. Deckel mußte sie
selbst bauen. Dabei ergab es sich, daß die hergestellten
Spezialmaschinen, soweit sie nicht ein Fabrikgeheimnis
darstellten, auch von anderen Unternehmen begehrt
wurden. So eröffnete sich ein neues Arbeitsfeld, und die
Abteilung Maschinenbau der Firma Deckel war aus der
Taufe
gehoben.
Ihre
Erzeugnisse,
hauptsächlich
Graviermaschinen, konnten sich am Weltmarkt gegen die
englische und amerikanische Konkurrenz durchsetzen.
Gerade die von Deckel geschaffene Präzisionsgraviermaschine gehört zu einer jener phantastischen Maschinen,
deren Auswirkungen jedermann, ohne es zu wissen, teilhaftig ist. Es ist nämlich Tatsache, daß es kaum einen
Menschen gibt, der nicht etwas braucht, besitzt oder
genießt, das auf dem Wege seiner Herstellung in gerader
Linie auf die Arbeit irgend einer Deckelmaschine (Schriften-Gravierfräsmaschine, Nachform-Fräsmaschine, Werkzeug-Fräsmaschine, Werkzeug-Schleifmaschine) zurückzuführen wäre, angefangen vom saftigen Bonbon, dem
gravierten Schildchen, dem einfachsten Knopf und modischen Schmuckstück bis zu Fahrrad-, Auto- und RiesenLuftreifen und hochbeanspruchten, in Preß-, Schmiedeund Stanzwerken erzeugten Maschinen- und Motorenteilen weltberühmter Firmen.
1924 wurde Deckel die Auswertung einer Diesel-Einspritzpumpe angeboten. Er war daran grundsätzlich
interessiert und begann 1928 mit der Entwicklung vollständiger Einspritzpumpen nicht nur für stehende, sondern auch für Fahrzeugmotoren. Dam:: war der dritte
Zweig der Firma „Deckel-Einspritzpumpen" ins Leben
gerufen.
Der Ruf der Deckelmaschinen ist in der Welt begründet.
Das auf Ausstellungen nicht selten gehörte Wort,
„ . . wir schaffen uns eine Deckel an . ..", „Das ist eine
57
Deckel.. . ' oder „das haben wir auf einer Deckel gemacht . . .
bezeichnet eine Marke, eine Leistung und
einen Gütebegriff.
Wenn auch die
Geldentwertung
haben, blieb bei
Zusammenarbeit
Mitarbeiter die
artung gebannt.
beiden Weltkriege und die Zeiten der
dem Betrieb äußerst schwer mitgespielt
Deckel dank der Lauterkeit und guten
der erfahrenen, den Betrieb tragenden
Gefahr eines Zerfalls oder einer Ent-
Weitere bauliche Veränderungen zwischen 1922 und 1932
und später ließen zum 50-jährigen Betriebsjubiläum im
Jahre 1953 ein Unternehmen von 45 000 qm Gesamtfläche mit 28 500 qm nutzbaren Werkraums entstehen,
das über 3000 Werksangehörigen eine sichere Existenz
bietet.
Würdigung seines Lebenswerkes und Tod
Für seine Verdienste wurde Deckel der Titel eines Kommerzienrates verliehen, und zum 25-jähr. Jubiläum seines
Hauses ernannte die Technische Hochschule München
Kommerzienrat Friedrich Deckel zum Ehrendoktor. So
hat sich der einfache Junginger Mechanikerlehrling zum
Kommerzienrat und Dr. h. c. und, was das Wichtigste
ist, zum führenden Industriellen emporgearbeitet.
Am Morgen des 10. Juli 1948 ist Friedrich Wilhelm
Deckel im 77. Lebensjahr verschieden. Ergreifend ist die
Schilderung der Beisetzung am 13. Juli 1948 beschrieben
in dem Buch „50 JahreFriedrichDeckel", verfaßt v.Franz
Ludwig Neher, Herrsching (Ammersee) zum 50-jährigen
Bestehen der Firma. Diesem Buche ist auch ein großer
Teil dieser Ausführungen entnommen. Der Schreiber
dieser Zeilen glaubte sich dazu berechtigt, hatte er doch
selbst 1953 mit Beiträgen aus Deckels Kindheit und
Jugend bei der Entstehung des genannten Buches mitgewirkt.
Nachdem wir in großen Zügen bekannt gemacht worden
sind mit dem Manne und seinem Werk, könnte wohl die
Frage auftauchen: Warum ist dieser Mann in seiner
Heimatgemeinde beinahe vergessen, warum sind ihm
hier keinerlei Ehrungen zuteil geworden, warum ist ihm
kein Gedenkzeichen gesetzt?
Darauf eine Antwort: Zu seinen Lebzeiten ist Friedrich
Deckel sehr selten nach Jungingen gekommen. Sein Gebot, schlicht zu sein und schlicht zu bleiben, bestimmte
ihn selber, gegen Ehrungen sich abweisend zu verhalten.
Im Zusammenhang mit der Arbeit an der JubiläumsDenkschrift war von einem Werksvertreter der Vorschlag gemacht worden, am Geburtshause Deckels eine
Erinnerungstafel anzubringen, während ein Gegenvorschlag dahin lautete, dem erfolgreichsten Junginger ein
„lebendiges Denkmal" in den Herzen der Jugend zu
setzen. Eine „Fritz-Deckel-Stiftung" für die Schule i i
Jungingen hätte Gewähr geboten, das Andenken an
Leben und Werk des Stifters für immer wach zu halten
und beispielhaft ins rechte Licht zu rücken. Leider wurde
dieser Vorschlag der Heimatschule Fritz Deckels, wo
doch die ersten Grundlagen für dessen erfolgreiches Lebenswerk gelegt worden waren, von den nach Deckels
Tode zuständigen Stellen abgelehnt.
OTTO W E I N R E I C H
Zu Versen und Denkmälern aus Bad Imnau
Zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald, etwa in
der Mitte zwischen Horb und Haigerloch im Eyachtal
eingebettet, liegt ca. 400 m ü. M. der stille Badeort
Bad Imnau. Die Zahl der Einwohner hält sich noch
unter Tausend: Landwirte, städtische und staatliche
Beamte, Handel Treibende; die Angestellten an den
zwei größeren Fabriken, denen die Gewinnung und
der Export der berühmten, dem mittleren Muschelkalk
entspringenden Mineralwasser obliegt, der „Fürstenquelle" und der „Imnauer Apolloquelle".
Hegne am Bodensee liegt und dessen Schwestern unter
Leitung verständnisvoller Oberinnen zusammen mit dem
Badearzt Dr. med. Blasel vorbildlich wirken. Hervorzuheben ist noch das neue, nach modernsten Gesichtspunkten
angelegte Kindergenesungsheim. O f t begegnet man den
von Schwestern geleiteten Knaben und Mädchen auf ihren
Spaziergängen, gerade auch bei manchen der Denkmäler
des Badeortes, zu deren Beschreibung ich nun übergehen
will.
Entdeckt und erschlossen ist die gegen viele Leiden bewährte Heilkraft der Quellen schon seit langem. Nachdem 1694 der Arzt Samuel Caspar sie erprobt und den
im nahen Haigerloch residierenden Fürsten Joseph
Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen darauf hingewiesen hatte, ließ dieser 1732/33 den „Fürstenbau" in
Imnau errichten. Noch heute steht über dessen Hauptportal unter dem fürstlichen Wappen der aus den
Daniel-Apokryphen des Alten Testaments stammende
Spruch:
1. Flurkreuz
Benedicite fontes et omnia
quae moventur in aquis Domino.
(Preiset ihr Quellen und alles,
•was sich in den Wassern bewegt, den Herrn).
Eine Blütezeit erreichte das Bad unter dem Fürsten
Anton Aloys, der Ende des 18. Jahrhunderts neue Bauten, neue Quellfassungen und weitere Parkanlagen hinzufügte. Im Jahre 1917 ging der ganze, auch wieder
erweiterte Sanatoriumskomplex in die Obhut der Schwestern vom Heiligen Kreuz über, deren Mutterhaus i
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ob der
Sommerhalde
Nicht nur im Sanatorium selbst und auf dem Friedhof
wird der Betrachter mancherlei finden, was ihn in Wort
oder Bild ansprechen kann. Auf Wald- und Feldwegen
der näheren Umgebung sieht sich der besinnliche Spaziergänger oftmals unvermutet einem Objekt gegenüber,
an dem er nicht achtlos vorbeigehen mag.
Da steht z.B. dort, wo der aus dem Ort zur Höhe führende Fahrweg in die weite Fläche der angebauten Felder
einmündet, gegenüber der Engelswiese ob der Sommerhalde ein aus rotem Sandstein geschaffenes großes Flurkreuz, wo unter der schönen Plastik des Heilandes die
Widmungstafel über den Stifter Auskunft gibt: Roman
Klotz hat es 1859 schaffen lassen; der Name des Bildhauers wird allerdings nicht genannt. Darunter folgt ein
Weihegedicht, dessen schlichte Schönheit den Leser immer
wieder anzieht. Um und nach den Dreißiger-Jahren habe
ich es oft gelesen und mich gefragt, von wem die Verse
stammen mögen: ob sie vom Stifter des Denkmals herrühren, oder ob er sie etwa aus einem Kirchenlied uber-
nommen haben mag. Es lautet:
Du bist's, der unserm Sommerfeld
bei Tag und Nacht die Wache hält,
damit des Feindes Hass und Wut
den Fluren keinen Schaden thut.
Wir säen — Du gibst linden Regen,
wir mähen — Herr, es ist dein Segen.
An jedem Weg der weiten Welt
bist du es, Herr, der uns schirmt und hält.
Beim Lesen der Verse störte mich, den „klassischen Philologen", nur eine metrische Lizenz in der letzten Zeile,
wo der jambische Rhythmus des Ganzen durch den
Anapäst „der uns schirmt" gebrochen wird.
Nun war im Laufe der Zeit manches durch Witterungseinflüsse unansehnlich geworden, so daß der Spruch 1964
überholt wurde, und dabei erhielt der letzte Vers rein
jambischen Charakter, indem man das „Herr" ausmerzte: „bist Du es, der uns schirmt und hält".
Hatte im 1. Vers „Du bist's" der Text auf den über dem
Gedicht dargestellten Gekreuzigten hingewiesen, so verweist nun im letzten das „bist Du es" auf das im drittletzten Vers stehende „Herr" unmißverständlich zurück,
und so ist auch der Schluß des Weihegedichtes metrisch
korrekt geworden.
2. Zum Grabstein eines „Jünglings"
Auf dem Imnauer Friedhof hatten sich vor etwa zwei
Jahren infolge der notwendig gewordenen Erweiterungen und des Anbaus einer Kapelle mancherlei Aenderungen ergeben. Davon ist zumal die früher hinterste,
am Berganstieg unmittelbar angrenzende Grabreihe betroffen worden, und dabei ist auch ein Grabstein verschwunden, der früher manchem Leser ein sprachliches
Curiosum zugemutet hatte. Daß man in traulicher Anrede und mundartlich Personen auch nach Erreichung
der männlichen Reife noch als „Junge" oder „Jüngelchen" bezeichnen konnte, ist verständlich, und waren
sie unverheiratet geblieben, standen etwa „Junggeselle"
oder „Hagestolz" als Alltagswendungen zur Verfügung.
Aber im Ernst einer Grabinschrift einen unvermählt gebliebenen, fast 70 Jahre alt gewordenen Veteranen des
70er Krieges auf seinem schmalen, schmucklosen Grabstein als „Jüngling" zu bezeichnen, ist gewiß ein Curiosum. Als solches habe ich es mir einmal notiert:
Hier ruht
der Jüngling
Peter Binder,
Veteran von 1870/71
geb. 5. Dez. 1846
gest. 25. März 1915
mal gilt dem Gedenken an die vier aus dem Krieg in
Rußland nicht mehr heimgekehrten Söhne: dem 1922
geborenen, 1942 gefallenen Josef Binder, dem 1924 geborenen, 1944 gefallenen Ludwig Binder, dem 1923
geborenen, 1943 gefallenen Engelbert Binder und dem
1920 geborenen, seit 1944 vermißten Wilhelm Binder.
Trost in dieser Fülle des Leides konnte der frommen
Mutter nur das Gedenken an die Mutter des Jesuskindes sein, die nun beide auf dem Denkmal dargestellt
sind: Maria, die das Jesuskind im Arm hält, ihm geneigten Hauptes freundlich zulächelt, während das Kind
aufmerksam zu ihr aufblickt. Und was die fromme
Plastik veranschaulicht, erläutert die Inschrift unten
auf dem kleinen runden Sockel:
O Mutter mit dem Jesuskinde,
das jedes Leiden uns versüßt.
3. Das Binder-Votiv
Ein künstlerisch sehenswertes, inhaltlich tief bewegendes
Denkmal hat die verwitwete Mutter Binder vor wenigen
Jahren durch den Haigerlocher Bildhauer Alfred Vees
errichten lassen zum Gedächtnis an vier ihrer Söhne, die
dem Krieg mit Rußland zum Opfer gefallen waren.
Es steht nicht auf dem Friedhof oder in seiner Nähe,
sondern schwer aufzufinden oberhalb Imnaus, nahe der
Mühringer Halde zu, am Waldrand in einer kleinen
Lichtung — ein Wegweiser fehlt leider. Ein schmaler
Pfad führt in dichtes Gebüsch, zwei Ruhebänke am
Denkmal gestatten dem Betrachter ein lohnendes Verweilen.
Die aus weißem Marmor in Lebensgröße geschaffene
Vollplastik der Mutter Gottes mit dem Jesuskind im
Arm leuchtet aus dem grünen Gebüsch heraus. Ein
flacher, runder Steinsockel trägt eine Inschrift, und darunter ist ein breiterer, ebenfalls runder Sandstein, der
Träger des ganzen Monuments. Seine Inschrift gibt Auskunft über den Anlaß der ganzen Weihung: das Denk-
4. Vom „Sitz der Weisheit"
Eines der eindrucksvollsten Weihedenkmäler oder „Bildstöckle", wie man sie im Volksmund bezeichnet, des
Raumes um Bad Imnau ist der „Sitz der Weisheit", die
Stiftung eines Trillfinger Bürgers. Es ist an der Imnauer
Waldgrenze gegenüber von Trillfingen gelegen.
Ortsfremde finden das Denkmal nicht leicht auf, aber
neuerdings hat man an beiden in Betracht kommenden
Richtungen Wegweiser angebracht. Der eine, bequemere,
aber weitere Zugang ist die Fahrtstraße nach Wachendorf, von der man alsbald abbiegt, um den Fahrweg
nach Trillfingen einzuschlagen, der zunächst durch Felder ansteigt, um dann einen schönen alten, hohen, von
Unterholz fast freien Tannenwald zu durchqueren. Am
Waldausgang, wo die Trillfinger Felder beginnen, verläßt man diese Fahrstraße und biegt rechtshin in einen
(auch befahrbaren) Feldweg am Waldrand entlang ein,
bis man zu einer Waldlichtung kommt, wo zwischen
Ruhebänken und einzelnen Tannen das Bildstöckle steht.
Der andere, nähere, aber z. T. sehr unbequeme Weg
^ Das
Binder-Votiv.
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beginnt hinter dem Imnauer Friedhof, geht dann als
schmaler Waldpfad sehr steil aufwärts und auf der
Höhe hinaus zum Waldrand, wo man von hinten her
auf die eben genannte Bankreihe stößt und vor dem
Bildstöckle steht.
Diese Stelle, von der aus man die langgestreckte Trillfinger Häuserreihe, Kirche und den großen, neuen Wasserturm sieht, wo sich aber auch eine weite Aussicht auf
die Alb von der Achalm über den Zoller bis zu den Baiinger Bergen und über Haigerloch hin bietet, hatte sich
der Trillfinger Bürger Otto Rapp als seinen Lieblingssitz erkoren und dort das Denkmal errichten lassen. Er
hatte zwei Söhne; der eine, Oskar Rapp, war Bildhauermeister in Baden-Baden und hat das Bildstöckle
geschaffen und seiner Heimatpfarrei Trillfingen 1925
gestiftet. Die Einweihung fand am 17. Mai 1925 statt.
Der zweite Sohn Rapps, der Pater Lucian Rapp ist gewiß mitverantwortlich für die geistliche Faktur des
Denkmals und seine Beschriftung, die nun auch dem
Ort der Aufstellung den Namen „Sitz der Weisheit"
eingetragen hat. Es ist ein vielbesuchter Ort nicht nur
für die Stifter-Familie. Mich z. B. hat einmal da oben
eine Enkelin Rapps, Frau Rosa Becker, über manches
belehrt, und mein ehemaliger Schüler, Prof. Dr. Schelkle,
hat mir mitgeteilt, daß dort alljährlich die Pfarreien
Imnau und Trillfingen sich zu gemeinsamer Maiandacht
zusammenfinden, öfters habe ich beobachtet, wie Imnauer Schwestern Gruppen von Ferienkindern dorthin
zu einer Andacht führten.
Das Denkmal selbst ist eine etwa 2m hohe, schmale
Aedicula aus Sandstein, in deren halbrunder Öffnung
die weiße Marmorstatue Mariens steht.
In die Kalksteinbasis ist eine weiße Marmortafel eingelassen mit der Inschrift
DU
SITZ DER WEISHEIT
BITTE FÜR UNS.
„Sitz
60
der
Weisheit"
Nirgendwo hat der fromme Stifter seinen Namen genannt oder den der dargestellten Figur anbringen lassen. Aber wer nicht schon aus der Würde mit Anmut
verbindenden Gestalt der freundlich lächelnden Statue,
aus der Haltung der in Brusthöhe erhobenen und spendefreudig geöffneten Hände und den mit vergoldeten
Sternen geschmückten Streifen am Gewand die Jungfrau
Maria als Anlaß der Weihung erkannt hat, den klärt,
wenn er ein guter Katholik ist, der obige Text der Tafel
auf.
Es handelt sich um eine Textstelle aus der im katholischen Gottesdienst beliebtesten aller Marien-Litaneien,
aus der Lauretanischen, die so genannt ist, weil sie zu
Loreto, dem Wallfahrtsort in der Provinz Ancona, entstanden war (gedruckt seit 1576). Da lautet eine der
kleinen Gruppen über die geistige Hilfsbereitschaft
Mariens so:
(der Priester spricht:)
(die Gemeinde antwortet:)
Tu, speculum iustitiae
ora pro nobis,
tu, sedes sapientiae
ora pro nobis,
tu, causa nostrae laetitiae
ora pro nobis.
(Du, Spiegel der Gerechtigkeit,
bitte für uns,
Du, Sitz der Weisheit,
bitte für uns,
Du, Ursache unserer Freude,
bitte für uns.)
Das ganze Jahr über, so lange es blühende Zweige am
Waldrand und Blumen aller Art auf den angrenzenden
Feldern gibt, füllt man den freien Raum zwischen dem
Standbild und der Aedicula mit dem lebendigen Schmuck
abgeschnittener Zweige und gepflückter Blumen aus.
5. Das „Marterkreuz" bei Bittelbronn
Auf dieses Flurkreuz möchte ich seiner Seltenheit wegen,
und weil ich es noch in keiner fachwissenschaftlichen
Literatur über Flur- und Marterkreuze erwähnt fand,
kurz hinweisen.
Es befindet sich oberhalb von Bittelbronn, das südöstlich
von Bad Imnau noch im Eyachtal liegt. Das stattliche
Holzkreuz steht am Straßenrand gegenüber dem Eingangsweg zum Bittelbronner Friedhof, zum Großteil
verdeckt durch hohe Obstbäume. Der einstige Besitzer
des Kreuzes war Anton ~Wenz, dessen Namen sich aber
nirgendwo am Kreuz findet. Witterungseinflüsse haben
die aus den Kreuzbalken reliefartig ausgeschnitzten Gegenstände z. T. fast unkenntlich gemacht. Oben auf dem
Kreuz ist ein metallener Hahn angebracht, aber durch
Stürme so verbogen und entstellt, daß der dreimalige
Kräher kaum zu erkennen ist. Darunter die Tafel mit
der Inschrift INRI, dann auf der Mitte des Querbalkens ein Kreuz. Es folgen weiter etliche Nägel, ein
Herz, drei Würfel, ein Kelch, eine Leiter. Auf der linken
Seite des Kreuzstammes sieht man ein Trinkgefäß, einen
Degen (fast wie ein alter Kavalleriesäbel), eine Beißzange. Und auf der rechten Seite des senkrechten Stammes eine Fackel (?), einen Hammer, eine Keule; manches
bleibt unsicher.
Das Kreuz enthält also als Schmuck nicht den Crucifixus,
sondern eine Auswahl der in der biblischen Überlieferung vor und nach der Kreuzigung und der Kreuzabnahme wesentlichen Requisiten, die man als arma
Christi bezeichnet, und denen man schon bald im alten
Christentum Heil - und apotropäische Wunderkraft zugeschrieben hatte. Im Mittelalter findet man diese „arma
Christi" auch vielfach auf Tafeln dargestellt, in Kirchen
als Altarschmuck, auf Gemälden. Wegkreuze wie das
(wohl unvollständig gebliebene?) Bittelbronner sind mir
aus Württemberg sonst nicht bekannt; im Oberland
sollen sie jedoch öfters anzutreffen sein. Das Wegkreuz
am Ortsrand von Bad Krotzingen im Kreis Müllheim,
das die Jahreszahl 1669 trägt, hat ein mit (ef) gezeichneter Beitrag der Stuttgarter Zeitung vom 29. III. 1967
abgebildet. I ese Steinmetzarbeit zeigt Kreuzigungs-
Symbole, oben INRI, dann Leiter, Hammer, Zange,
Geißel, Schwamm, Wasserkrug, Lanze und durchstoßenes
Herz. Wegkreuze dieser Art finde man, sagt der Artikel,
im Schwarzwald vielfach.
Aus der grundlegenden Literatur über die schon in der
Spätantike verehrten „arma Christi" kann ich aufmerksam machen auf den dem 16. Jahrhundert entstammenden Buxbeimer Altar, der sich jetzt im Museum zu Ulm
befindet, auf ein Exemplar aus der Zeit um 1300 in der
Friedhofskapelle zu S. Afra in Schelklingen und auf
eines aus dem späteren 13. Jahrh. in der Kirche von
Oberwälden.
Den „arma Christi" gelte nun noch eine Strophe aus
einem handschriftlichen erhaltenen Hymnus des 14./15.
Jahrhunderts 1 ):
O praeclara armatura
Per quam Jesus Christus dura
Pertulit in corpore,
Fuga nostros inimicos
Fac nos iustos et amicos
Nunc in omni tempore.
Ich übersetze sie:
„ O ihr herrlichen Gewaffen,
durch die Jesus Christus harte
Schmerzen litt an seinem Leibe,
treibt hinweg all unsre Feinde,
macht gerecht uns und zu Freunden,
jetzo und auf alle Zeiten."
Und wenn sich einer unserer Leser vielleicht einmal zum
Bittelbronner Marterkreuz mit den „arma Christi" aufmacht, mag er sich an diese alte Strophe bedachtsam
erinnern.
1
R. Berliner, A r m a Christi. I n : Münchner Jahrbuch f ü r bildende
Kunst, 3. Folge, Bd. V I . 1955, S. 35—152, die A n m . 1—864 auf
S. 117—152.
E. Sauser, W a f f e n Christi. I n : Lexikon f ü r Theologie u n d Kirche,
Bd. X , S. 907 f.
Friedrich Losch, Deutsche Segen-, H e i l - u n d Bannsprüche. I n :
Württembergische Vierteljahreshefte f ü r L a n d e s k u n d e X I I I , 1890,
H e f t I I I , S. 157—258.
„Marterkreuz"
auf
Gemarkung
(Die Klischees zu Bild
Bittelbronn.
1 u n d 2 stellte uns freundlicherweise die
Gemeinde I m n a u , das Klischee zu Bild 3 die Gemeinde Bittelbronn
zur Verfügung.)
JOSEF DESCHLER
Über die Bohnerzgewinnung in der Gemeinde Bingen
Ein Beitrag zur Geschichte des Dorfes Bingen
Wie an vielen anderen Orten der Schwäb. Alb, besonders in den Dörfern des früheren Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, wurde auch von den Bewohnern
des Fleckens B i n g e n schon früh nach Bohnerz gesucht und gegraben. Über die Entstehung, Zusammensetzung, Gewinnung und Verhüttung des Bohnerzes haben Dr. J. Maier in der „Geschichte des Dorfes Inneringen" und in der Geschichte des Fürstl,-Hohenz, Hüttenwerks Lauchertthal (Hohenz. Jahresheft 18. Band) und
der Berggeschworene Achenbach in „Vorkommen, Gewinnung und Zugutemachung der Bohnerze" (Staatsarcr' i Sigmaringen I Nr. 20698) ausführlich und eingehend geschrieben. Hier soll nur auf die rechtliche Seite
und auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erzgewinnung für die Erzgräber von Bingen und für die Gemeinde hingewiesen werden.
Daß schon lange vor der Gründung des Hüttenwerks
Laucherthal in Bingen die Suche und Gewinnung von
Bohnerz und die Erzeugung von Schmiedeeisen mit
Hilfe der Rennfeuer, also ohne Hochofen im Schwange
waren, dürften folgende Belege erweisen: Schon im
Jahre 1448 wird der Verkauf der Fölenschmiede (Funkenschmiede) in Bingen als Lehen des Klosters Zwiefalten von Hans Kunin dem Alten an seinen Sohn Hans
Kunin den Jungen um 60 Gulden bezeugt. (Dr. Maier,
H J H 18, 1958). Das Geschlecht der Kunin = Kiene
ist erst vor einigen Jahren in Bingen ausgestorben. Im
Jahre 1554 wird die Urfehde des Feelenschmieds von
Bingen gegen die Vormünder der Kinder des Bruno
von Hornstein erwähnt. (Ed. von Hornstein in „Die
von Hornstein und Hertenstein"). In den Regesten des
Spitals der Stadt Pfullendorf (Dr. Schupp, Flohenz.
Jahreshefte 9. Band unter Bingen) wird der Bezug von
Eisen für die Mühlwerke der Stadt und das Schweißen
und Schmieden des großen Glockenkegels für die Stadtkirche durch die Feelen- und Hammerschmiede von Bingen in der Zeit von 1593 bis 1731 zu wiederholten
Malen bezeugt.
Nach Gründung des Hüttenwerks Laucherthal im Jahre
1708 dürfte die Erzgräberei in Bingen einen weiteren
Aufschwung genommen haben, wie die Protokolle des
Ortsgerichts von 1724 ab beweisen. So von 1724 verlangte die Gemeinde von den Erzgräbern für die 25
Gruben in Gewann „Lehr und Weithart" für jede Grube
im Jahr 1 fl oder zusammen 25 fl Vergütung. Wegen
„Ertzgraben sollen die Ertzgräber von jedem Kibell
geben 1 kr. oder wenn solche es nit geben, so wollen
wir ein Ertzgräber anstellen (also in Regie betreiben)
und denen Beständnern (den Pächtern des Hüttenwerks)
daß Ertz um dießen Preiß, wie sie, gewäschen liefern."
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Im Protokoll vom 20. Jänner 1726 wird die Abfuhr des
gewonnenen Erzes mit dem Erzmeister Johann Keppeler
durch die Maierschaft (Bauernschaft) genau festgelegt. Da
sich daran 30 Fuhrwerksbesitzer beteiligen, die in 5
Abteilungen zu je 6 Wagen eingeteilt wurden, dürfte es
sich jedenfalls um eine ansehnliche Menge Erz gehandelt
haben (Gem. Archiv Bingen Dorfgerichtsprotokolle 1724
u. flg).
Auch in der nachfolgenden Zeit bildete die Erzgräberei
für eine Anzahl Familienväter und Fuhrwerksbesitzer
eine zwar wenig lohnende aber sichere Arbeits- und
Einkommensquelle. Durch die Verordnung der Hochfürstl. Regierung vom 12. 9. 1811 wurde die Erzgräberei in eine gesetzliche Ordnung gebracht und das
wilde Graben in Feld und Wald abgestellt. Nach Punkt
2 dieser Verordnung sollte „in allen Orten, wo Erz
gegraben wird, nach den Verhältnissen der Bevölkerung
bestimmte Meisterschaften durch die Aemter aufgestellt
und in Pflichten genommen werden". Also geschah es
auch in Bingen. Aus dem Copialbuch der Gemeinde
Bingen entnehmen wir folgendes:
„Actum. Laucherthal, den 10. April 1812
Gestern erschien der Schultheiß Anton Engel von Bingen
und übergibt der Bergverwaltung einen Oberamtlichen
Protocoll-Extract dato 6. April 1812, nach welchem die
Hodifürstliche Regierung eine neue Erzmeisterschaft in
Bingen aufzustellen und für gut erkannte: Mit dem
weiteren Auftrag, daß sich der Schultheiß Anton Engel
bei der Hochfürstl. Bergverwaltung melden und einen
Accord abschließen könne. Dieser Regiminal-Verordnung zu Folge wurde unterm heutigen Dato folgender
Accord abgeschlossen:
1. Der neuen Meisterschaft werden alle Rechte zugestanden, das Erz in den Sigmaringischen Territorio
graben zu dürfen, wie die schon bestehenden.
2. Haben sie das Recht, eine offene Grub zu halten
und nebst dieser 3 Pfähl zu stecken (also noch 3
Ersatzgruben zu haben).
3. Von Georgi 1812 bis dahin 1813 sollen diese auf das
hiesige Bergwerk an gutgewaschenem Erz liefern
1500 Staar (1 Staar = 90—100 Pfund).
4. Für jeden Staar werden ihnen bezahlt und seiner Zeit
verrechnet 18 kr. (Für Erz aus Gemeindegrund wurde
davon 1 kr. an die Gemeinde als Entschädigung abgeführt).
5. Monatliches Kostgeld wird dermalen keines gereicht,
die Bergverwaltung ist jedoch nicht abgeneigt, ihnen
von Zeit zu Zeit einen Barschuß zu leisten, jedoch
ohne sich auf eine bestimmte Summe einzulassen.
Abgeschlossen, Laucherthal, den 10. April 1812
Bergverwaltung."
Damit war auch in Bingen eine Erzmeisterschaft gegründet. Da die Bergverwaltung auf Grund des Bergregals den Erzmeistern die Plätze zur Öffnung der Gruben anzuweisen hatte, und die Erzmeister von Sigmaringendorf anscheinend eine bessere Verbindung zu Laucherthal hatten —, das Hemd ist näher als der Kittel —,
kam es bald zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den
Erzmeistern von Bingen und Sigmaringendorf bzw. zwischen der Gemeindeverwaltung Bingen und der Bergverwaltung Laucherthal, weil die Erzmeister von Sigmaringendorf an den Stellen auf der Gemarkung Bingen graben durften, an denen der Ertrag höher war, als
in den anderen Gemarkungsteilen, was die Gemeinde
nicht dulden wollte. Im April 1823 ergeht seitens der
Landesregierung das Rescript, daß ein Verbot der Gemeinde Bingen gegen die Erzmeister von Sigmaringendorf auf Bingener Gemarkung zu graben unstatthaft
sei. Auch in den 30iger und 40iger Jahren kam es immer
wieder in dieser Hinsicht zu Streitigkeiten, da sich die
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Gemeinde Bingen energisch, aber mit wenig Erfolg, für
ihre einheimischen Erzmeister einsetzte, wie eine umfangreiche Verhandlung vor dem Oberamt Sigmaringen
im Februar und März durch Hofkammerassessor
Schnell erweist, in welcher die Gemeinde zur Aufhebung
des Verbots und zur Tragung der Kosten verurteilt
wurde. Ebenso geschah es noch im Jahr 1848, und es
nimmt nicht wunder, daß aus diesen Mißstimmigkeiten
im Verlaufe der Revolution sich in Bingen sehr liberale
Tendenzen bemerkbar machten, von denen in der Lebensbeschreibung des Pfarrers Stauß erzählt wird. Noch
im November 1848 beschließt der Gemeinde-Rat „in
Anbetracht der verdienst- und arbeitslosen Zeit werde
das Graben nach Erz auf der Gemarkung Bingen nur
den Ortseinwohnern gestattet." (Gem.-Archiv Bingen
Faz. Erzgraben). Das Ende des Bergregals erfolgte durch
die Verordnung der Fürstl. Hohenz. Landesregierung
vom 25. Mai 1849 und damit endigte auch die Bevorzugung der Sigmaringendorfer.
Nach der Uebernahme der Landeshoheit durch Preußen
1852 war alljährlich von den Bürgermeistern an das
Oberamt über Gruben und Lagerstätten von Erz, Kalk,
Tuff, Sand, Kies, Quarz, Schiefer, über ihre Eigentümer,
das gewonnene Quantum, die Zahl der Arbeiter und
ihre Familien zu berichten. Aus dem Bericht des Bürgermeisters Schröck vom Jahre 1852 entnehmen wir, „daß
sich auf Gemarkung Bingen ca. 20 Erzgruben befinden,
welche aber fast alle ausgebeutet seien, daß zur Zeit
nur 2 Gruben benützt werden, und daß die Ausbeute
1500 Kübel betrage, die an das Hüttenwerk Laucherthal
abgeliefert würden." Die Erzgruben befanden sich meistens auf Gemeindegrund (Wald- und AllmandstückenJ
in den Gewannen Lehr, Weithart, Luibental, auf dem
Hau, Bindorfer Wald, Speettendorfer Rücken, Aenisäcker, Altgeländ, Hoher Stich, Riedlinger Holz, Leutefelder Höhe. Daneben wurde noch im Wald der Heiligenpflege und auf privaten Grundstücken nach Erz
gegraben, so daß sich auf der Gemarkung Bingen etwa
60 Stellen nachweisen lassen, an denen einmal nach
Erz gegraben wurde.
Auf die Beschwerde der Gemeinde Bingen, daß die
Fürstl. Verwaltung das Graben auf ihren Grundstücken
nach Möglichkeit beschränke und die Gemeindewaldungen durch vermehrtes, wenig beaufsichtigtes Graben und
die Abfuhr wesentlich Schaden erleiden, der durch die
Vergütung von 1 kr. ie Kübel in keiner Weise abgegolten sei, erstattet der Königl. Bezirksförster Karle ein
Gutachten, in dem dargelegt wird, daß die mangelnde
Aufsicht, die unvollständige Ausbeutung, die Nichtzuschüttung der verlassenen Gruben, die durchschnittlich
eine Tiefe von 20—25 Fuß (6—7,50 m) erreichen, die
Absperrung der verlassenen Gruben, die oft unterbleibt
und die im Winter bei Schnee Fallgruben bilden, sehr
zu beanstanden seien, und daß die geringe Vergütung
von 1 kr. für die Gemeinde auf eine angemessene Höhe
von 3 kr. je Kubikfuß (Laucherthäler Kübel — 0,966
württbg. Kubikfuß) zu betreiben sei. Des weiteren
schlägt er vor, die Gemeinde sollte die Erzgewinnung
in Regie betreiben, eine Mannschaft zusammenstellen
und den Grubenbau durch den Schachtbau erweitern.
(Staatsarchiv Sigmaringen Rubrik XVI Abt. 147). Nun
beschloß die Gemeinde den Erstattungsbetrag von 1 kr.
auf 3 kr. zu erhöhen. Alsbald traten die Erzgräber mit
einem Bittgesuch an die Gemeinde heran, es beim alten
Satz zu belassen. Sie schreiben:
An den Löblichen Gemeinderath und Bürgerausschuss
Dahier.
Da wir laut Eueres Beschlußes vom 31. Jänner 1861
unter den alten Bedingungen unser Geschäft — nemlich
das Erzgraben — nicht mehr fortsetzen dürfen, sondern
statt 1 kr. jetzt 3 kr. zur Gem. Kasse bezahlen sollen,
und wir unser Geschäft vor circa 2 Monaten mit vielen
Auslagen und Zeitaufwand wieder betreiben, in der
besten Hoffnung, nach den alten Bedingungen, ohne uns
vorher in Kenntnis gesetzt zu haben, so wird es wohl
erlaubt sein, an die geehrten Mitglieder des Gem. Raths
und Bürg. Ausschuß einige Worte in ernstem Sinne an
Sie zu sprechen und zwar:
1. Weisen wir Erzgräber schriftlich und begründet nach,
daß jährlich nach dem Durchschnitt gerechnet 5000
Gulden durch das Erzgraben in unsere Gemeinde
gekommen sind, also wohl ein bedeutender Verdienst.
2. Weisen wir nach, daß unser circa 18 Familienväter
durch das Erzgraben unsere Familien bereits 3/4 Jahr
ernähren und unser Hauswesen besorgen, auch sind
mindestens 12 bis 15 Fuhrleute durch Erzfunren
beschäftigt, welche einen schönen Lohn verdienen.
3. Glauben wir, daß die Entschädigung mit 1 kr. jedenfalls schon so bezahlt ist, daß auf allen Plätzen, wo
Erz gegraben wird, bei weitem das Holz nicht soviel
reinen Ertrag abwirft, als das Erz.
4. Haben alle Nachbargemeinden für dieses Jahr auf
den Aufschlag verzichtet, und somit werden unsere
geehrten Herren des Kollegiums uns arme Bürger
nicht stiefmütterlich behandeln.
5. Bemerken wir, daß die Verwaltung keineswegs mit
uns akkordiert, wenn die Gemeinde auf ihrem Beschluß beharrt.
Wir Unterzeichneten stellen daher die Bitte an die Kollegien, man möchte uns für dieses Jahr so behandeln,
wie bisher schon, weil wir einen großen Schaden durch
den Aufschlag erleiden müssen. In der Hoffnung unsere
Bitte erfüllt zu sehen, unterzeichnen sich: Joh. Georg
Wolfsturm, Anton Senfle, Jakob Senfle, Wilhelm Schuler, Simon Wiehl, Knoll alt, Guntram Fleisch, Josef
Rebholz, Josef Schneider, Xaver Engel, Mathä Hieble(?),
Josef Wolfer, Josef Riedinger, Mathä Wolfsturm, Martin Hahn, Karl Fleisch." —
Neben diesen Männern befaßten sich in der Zeit von
1840—1870 noch folgende Bürger mit der Erzgräberei:
Konrad Kiene (ein Urgroßvater des Schreibers), Matheus
Widmer, Wilibald Scheffold, Fidel Fleisch, Baltas Weißhaupt, Franz Rebholz, Josef Senfle, Johann Fleisch,
Benedikt Schneider und Thadä Greiner.
Inzwischen hatte sich auch das Oberamt Sigmaringen
näher mit der Erzgräberei befaßt und den Entwurf
eines Statuts über die Behandlung der Erzgräberei
ausgearbeitet, der in 14 §§ alle Fragen zwischen Gemeinde und Erzgräbern regelt, den Gemeinden aber
die Festsetzung der Entschädigung und die Ernennung
eines örtlichen Technikers zur Beaufsichtigung der örtlichen Erzgräberei überläßt. Dieses Statut wurde im
September 1861 seitens der Gemeinde genehmigt, und
der Konrad Ki^ne von den Gemeinden Bingen und
Hitzkofen als örtlicher Techniker vorgeschlagen. Da 22
von 24 Gemeinden des Reg. Bezirks Hohenzollern als
gemeinsamen Techniker den Bergverwalter Edele von
Laucherthal erwählten, ersuchte das Oberamt die Gemeinde Bingen, den Gemeinderatsbeschluß abzuändern
und ebenfalls Herrn Edele als Sachkundigen aufzustellen. Aber eingedenk der alten Stre.r^gkeiten und verlorenen Prozesse mit der Bergverwaltung beharrte die
Gemeinde auf ihren Beschluß und wies die Ernennung
Edeles ab, wobei sie von der Gemeinde Sigmaringendorf
unterstützt wurde, die schreibt: „daß bei der Erzgräberei die Hüttenverwaltung keinen Einfluß ausüben
dürfe, denn sie habe nicht die Vorteile der Gemeinden,
sondern nur den eigenen Nutzen im Auge, auch sei bei
der Hüttenverwaltung kein Mann vorhanden, der die
technischen Kenntnisse der Erzgräberei beherrsche."
Auch als Oberamtmann v. Manstein in einem längeren,
eindringlichen Schreiben die Gemeinde ersucht, sich den
anderen 22 Gemeinden anzuschließen, zumal ja die
Kosten nicht erstehen und durchschlagende Gründe für
das Gegenteil wohl nicht vorliegen dürften, bleibt die
Gemeinde bei ihrem ersten Beschluß. Hier scheint der
Herr Oberamtmann über die alten Streitigkeiten und
die verlorenen Prozesse der Gemeinde mit der Bergverwaltung nicht hinreichend orientiert gewesen zu sein.
Auch der Hinweis auf eine besondere Anerkennung seines Wunsches verfängt nicht, denn am 6. Februar 1863
wird von den Bürgerkollegien beschlossen: „Man sei
durchaus : licht mit dem Antrage des Hüttenverwalters
Edele als Techniker, die Erzgräberei zu überwachen und
zu leiten, einverstanden. Vielmehr wolle die Gemeinde
hier die durch die Gesetze ihr eingeräumten Rechte selber
ausüben und müsse sich vor fremden Eingriffen und Bevormundung wahren.
Der Gemeinderath:
Der Bürgerausschuß:
Bürgermeister Schröck
Josef Schmied
Josef Schröck
Apolinar Schneider
Johann Georg Heutele
Wunibald Scheffold
Martin Stauß
Johann Horn
Josef Deschler
Sebastian Mautz"
(Gem. Archiv Bingen, Rubrik 32 Erzbergbau 1828-1868)
Schon im Jahre 1865 stockte der Absatz des in Laucherthal erzeugten Eisens, wie folgendes Schreiben des Hüttenwerks besagt: „Durch die ungünstigen Cor inkturen,
welche die Hüttenwerke zu bestehen haben, worunter
namentlich die gedrückten Preise zu nennen sind, war
es der Verwaltung nicht möglich, den Hochofen zu
betreiben, so daß ein großer Vorrat von Erz vorhanden
ist. Wir ersuchen deshalb das Bürgermeisteramt, dort
bei Gelegenheit zum Wissen der Erzgräber zu bringen,
daß sie vorerst mit der Erzgräberei sich nicht beschäftigen wollen, indessen sind wir bereit, nähere Auskunft
auf mündliche Anfragen zu ertheilen." Als letzter Erzgräber betrieb Guntram Fleisch eine Erzgrube „s' Guntrams Erzgrub" neben der Inneringer Straße bei der
„Judenbuche". Alles Erz wurde an die Laudiert geführt
und meistens in Hitzkofen beim Hause Saupp mit einer
Radwäsche gewaschen. Es möge noch angeführt werden,
daß in dem Jahrzehnt von 1858—1868 von den durchschnittlich 10—15 Erzgräbern der Gemeinde Bingen aus
Gemeindegrundstücken — Wald und Allmand — rund
70 000 Kübel oder Staar (ein Kübel faßte 24,185 1 und
wog rund 100 Pfund) nach laucherthal abgeliefert wurden, die bei einem Preise von 18 kr. je Kübel den Betrag
von 21 000 Gulden erbrachten, auf das Jahr mithin
2 100 fl, was bei 15 Erzgräbern einen Jahresverdienst
von je 140 fl ergäbe. Dazu kämen noch die Erträge aus
dem Heiligen- und Riedlinger Spitalwald und aus Privatgrundstücken, alles in allem ein schwer verdienter
Lohn.
Nach dem Jahr 1870 hörte auch in Bingen die Bohnerzgräberei auf, denn „der große Aufschwung der das
Stufenerz verhüttenden Eisenwerke an Ruhr und
Rhein brachten schon in den 70iger Jahren des vorigen
Jahrhunderts die Bohnerzgewinnung zum erliegen". (Dr.
Maier, Geschichte von Inneringen). „Die Erzgruben
wurden wieder zugeschüttet und der Boden verebnet.
Der Pflug fährt seitdem wieder über sie hinweg und auf
ihrer Stelle wächst wieder Nahrung für Mensch und
Vieh. Nur die Gruben in den Wäldern zeigen noch die
einstigen Arbeitsstätten der Erzgräber und verkünden
der Nachwelt die ehemalige Herrlichkeit, aber auch Veränderlichkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen." —
(Nach J. Barth „Vor 300 Jahren" aus der Schrift „Um
Gamerdenga rum", S. Acker, Gammertingen, S. 8—11).
63
An unsere Bezieher!
Mit der Nummer
4/1969 stellt die Buchdruckerei
der „Hohenzollerischen
Heimat"
besorgt hatte. Von Anfang
Acker OHG.
in Gammertingen
den
Druck
ein, den sie seit der Begründung der Zeitschrift im Jahre 1951
an hat die Buchdruckerei Acker das finanzielle Risiko getragen und
für das Erscheinen der Zeitschrift erhebliche Opfer gebracht. Dafür gebührt den Inhabern
der
Buchdruckerei Acker, Herrn Sebastian Acker f und Herrn Edwin Stern, der herzliche Dank des
Hohenzollerischen
Verein wird
Geschichtsvereins und der Bezieher der „Hohenzollerischen
die Zeitschrift
künftig
Heimat . — Der
in eigene Regie nehmen und Mittel und Wege suchen, ihr
weiteres Erscheinen sicherzustellen. Wir richten an unsere Bezieher die herzliche Bitte, die „Hohenzollerische Heimat"
weiterzubeziehen
und neue Abonnenten
für sie zu werben.
Hohenzollerischer
Geschichtsverein
Fehlende Nummern der „Hohenzollerischen Heimat" aus früheren Jahrgängen werden abgegeben soweit noch
vorhanden.
Buchdruckerei ACKER OHG., 7487 Gammertingen, Tel. 07574/ 205
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT — 19. Jahrgang
Orts-, Sach- und Abbildungsverzeichnis
Achberg, Die H e r r s c h a f t - im 18. J a h r h u n d e r t (mit 1 Abb.)
10—13
Achberg, Schloß - um 1824 (Bildnis)
11
Albstollen, D e r - , geol. G r u n d l a g e n und Voruntersuchungen beim
Bau der 2. Leitung der Bodenseewasserversorgung
(mit 3. Abb.) 2 ¡6—10
Alemannisches Reitergrab in Laiz freigelegt
47
A u s w a n d e r e r , Ein R a n g e n d i n g e r - schreibt zu N e u j a h r 1854 13—14
Bachnamen in H o h e n z o l l e r n
45—46
Bad I m n a u , Zu Versen und D e n k m ä l e r n in - (mit 3. Abb.)
58—61
Bad Imnau, B i n d e r - V o t i v (Bildnis)
59
Bad I m n a u , Sitz der Weißheit (Bildnis)
60
Benzinkutsche, Bumillers - v o r dem Gasthaus P o s t in Jungingen
(Bildnis)
43
Beuron, vom Petersfelsen (Bildnis)
28
Bingen, Ueber die Bohnerzgewinnung in der Gemeinde
61—63
Bittelbronn, M a r t e r k r e u z (Bildnis)
61
Bodenseewasserversorgung, D e r Albstollen (mit 3 Abb.)
2; 6—10
Bohnerzgewinnung, Ueber die - in der Gemeinde Bingen
61—63
Bumiller, A n t o n , g e n a n n t der „ K u p e t o n i " (mit 2. Abb.)
42—43
ßumiiler, A n t o n (Bildnis)
42
Burladingen, V o m Burladinger Schlößle
41
Deckel, Friedr. Wilh., Geschichten um ein Junginger Original,
(mit 1 Abb.)
55—58
D e n k m a l p f l e g e 1968 in H o h e n z o l l e r n (mit 3 Abb.)
23—27
Dettensee, M a r x Heinrich Keller von Schieitheim aus (mit 1 Abb.)
49—55
Dettensee, Schloß um 1250 (Bildnis)
51
D o n a u t a l , Schulwanderungen im oberen - (mit 1 Abb.)
28—29
E d e l m a n n , Sammlung im Britisch. Museum L o n d o n (Buchbespr.) 47
Eugenie, Fürstin von Hohenz.-Hechingen (mit 5 Abb.)
33—37
Eugenie, Fürstin - als Erbprinzessin (Bildnis)
35
Geschichtsverein, H o h e n z . , F r ü h j a h r s t a g u n g 1969 in Hechingen46—47
Gcsc' ditsverein, H o h e n z . , Lehrfahrc nach Adlberg u n d benachbarte
Waldburg-Schlösser
48
Gewässernamen,
14 15
Gruol, Pfarrkirche, Inneres (3 Bildnisse)
25 27
H a n s j a k o b , Heinrich reist durch H o h e n z o l l e r n (mit 2 Abb.) 38—41
H a n s j a k o b , Heinrich, mit P f a r r e r s h u t und als S t u d e n t (Bildnis 38—3
Hechingen, Fürstin Eugenie von H o h e n z . - H e c h i n g e n (mit A b b . )
33—37
Hechingen, Schoß Lindich (Bildnis)
37
Hechingen, Villa Eugenia (Bildnis)
34
Hechingen, Billardhäuschen im P a r k der Villa Eugenia (Bildnis) 36
Hechingen, Villa Silberburg (Bildnis)
36
H o h e n z o l l e r n , D e n k m a l p f l e g e 1968 (mit 3 Abb.)
23—27
H o h e n z o l l e r n , H a n s j a k o b reist d u r a l - (mit 2 Abb.)
38—41
Jungingen, A n t o n Bumiller, g e n a n n t „ H u p e t o n i " (mit 2. Abb.)
42—43
55—58
Jungingen, Friedr. Wilh. Deckel (mit 1 Abb.)
32
Kirchenfond, P f a r r p f r ü n d e u n d —
47
Laiz, Alemannisches Reitergrab in — freigelegt
L a u d i e r t , Richard, H o f m a l e r , Leben u n d Werk (mit 8 Abb.)
1 — 5 ; 17—20
Laudiert, Richard, H o f m a l e r , Werkverzeichnis
20—22; 44
Papiermühle Die ehemalige — zu Weilheim bei Hechingen (mit
2 Abb.)
31—32; 44
P f a r r p f r ü n d e und K i r c h e n f o n d
32
Rangendingen, Ein Rangendinger A u s w a n d e r e r schreibt zu N e u jahr 1854
13—14
Sagen aus dem deutschen Südwesten (Buchbesprechung)
15—16
Sammlung E d e l m a n n im Britischen Museum zu L o n d o n (Buchbesprechung.)
47
Schäfer, Josef, Nachruf
30
Schieitheim, Keller v o n -, M a r x Heinrich aus Dettensee (mit Abb.)
49—55
Schulwanderung im oberen D o n a u t a l (mit Abb.)
28—29
Sigmaringen, H o f m a l e r Richard Laudiert, Leben und Werk
(mit Abb.)
1—5; 17—22; 44
Wasserzeichen der P a p i e r m ü h l e zu Weilheim bei Hechingen
(2 Bildnisse)
31
Weilheim, Die ehemalige P a p i e r m ü h l e zu — bei Hechingen
(mit 2 Abb.)
31—32
BEILAGE
J O H A N N ADAM KRAUS
Burgställe und Schlösser in und um Hohenzollern
Das Wort Burg hängt mit „bergen<r zusammen und bezeichnet allgemein eine schützende Stätte. Urkunden
sagen dafür auch Veste, Feste oder lateinisch Castrum,
castellum, burgum. Schon in der frühgeschichtlidien Zeit
bauten die Menschen unter einer Führerpersönlichkeit
Flieh- oder Wallburgen, Ringwälle für Mensch und Vieh,
um darin in Zeiten der Not und Gefahr Zuflucht zu
fiinden. Die Römer legten bei ihren Eroberungszügen
viereckige Kastelle mit Wall und Spitzgraben an, wobei
manchmal der Wall auch durch eine Mauer ersetzt
wurde. In Wall und Graben bestanden auch die Wegsperren oder Schanzen des Spanischen Erbfolgekrieges
von 1704 (Jungingen, Salmendingen). Die Burgen im
mittelalterlichen Sinn kamen im 9. bis 11. Jahrhundert
auf, zunächst nur m ; r besonderer Genehmigung des Königs. Um die Jahrtausendwende wurden die Erdwerke
meist durch Mauern ersetzt, dann auch die Technik vervollkommnet durch die Berührung mit dem Morgenland
in den Kreuzzügen. Je nach der Lage auf steiler Höhe
oder in ebenem, durch Wasser oder Moor geschütztem
Gelände unterscheidet man Höhen- oder Wasserburgen.
Die Stelle, wo eine Burg steht oder stand (also zerstört od.
verlassen ist) nannte man Burgstall (Bürstel), der somit
keinen Viehstall bezeichnet! Im deutschen Sprachgebiet
schätzt man gegen 10000 Burgen. Ums Jahr 1500, als das
edle Rittertum zu Ende ging, bei dem es wie bei allen
menschlichen Einrichtungen auch gelegentlich Versager gab
(jedoch waren Raubritter seltene Ausnahmen!), oder durch
Ausbreitung der Feuerwaffen und andere Ursachen sich
totlief, konnten die primitiven und meist unbequemen
Burgen ihren Wehrzweck nicht mehr erfüllen. Sie zerfielen, soweit sie nicht in Fehden zugrundegegangen, und
die Bewohner verzogen in die ummauerten Städte oder
bauten ihre Sitze zu bequemen und modernen Schlössern
um.
Zu einer kleinen Ritterburg genügten ein festes Haus,
oft mit Turm oder Bergfried, oft mit Hof und Mauer
darum, die meist mit einem Graben umfangen waren.
Das Ganze maß oft nicht mehr als 20 bis 30 Meter
im Durchmesser. Gelegentlich findet man auch statt des
Bergfrieds eine Schildmauer, wie bei Burg Hettingen.
Stets wurde geschickt nach dem Gelände, besonders nach
der Felsenform gebaut, nie nach starrem Schema. Beliebt
waren Namen auf Eck, Stein, Fels, Burg. Scheunen und
Ställe (Schwaighäuser) blieben als einfache Holzbauten
meist außerhalb des Burgberings und gingen bei Angriffen oder Berennungen oft zugrunde. Der Ringelstein
bei Ringingen besteht nur aus einem kleinen Turm von
5—6 m unregelmäßiger Seitenlänge an steiler Felsenhalde. Die zugehörigen Wirtschaftsgebäude lagen 50—
60 m unterhalb auf einer kle ien Ebene am Kälberwasen, heute innerhalb des Waldes Kästlesbühl. Mehr
oder weniger hergerichtete Ebenen als Turnierplätze
finden sich bei vielen Burgruinen. Wie gesagt, seit dem
16. Jahrhundert sind die meisten kleinen Burgen zerfallen oder als Steinbrüche benützt worden. So z. B.
baute man 1791 in Salmendingen mit den Steinen der
Burg, die noch ziemlich erhalten gewesen, eine Feuerröße (Feuerteich). Dasselbe scheint auch in Ringingen der
Fall zu sein bei Einfassung des Raißle, der Hilb und des
direkt unter dem Burgstall an der alten Staig gelegenen
Viechbrunnens (alle seit 1911 eingegangen). Denn nach
dem Deckengemälde der Marienkapelle stand 1/63 noch
bedeutend mehr von der Ringinger Burg, als der jetzt
noch erhaltene Bergfried. Lausbuben macht es bekanntlich Freude, brüchige Mauern vergangener Herrlichkeit
aus Mutwillen zu zerstören, als wären alle Burgen nur
Raubnester gewesen. Selbst Schatzgräber haben noch um
die Jahrhundertwende aus Habgier Unheil angerichtet
in der dummen Hoffnung, die Bewohner hätten früher
Schätze in den Mauern verborgen. Und doch verdienen
die Burgruinen als Zeugen edler Ritterlichkeit der Vorzeit erhöhten Schutz und Aufmerksamkeit, wobei jede
Veränderung tunlichst zu vermeiden ist. Bei manchen
Burgställen finden sich als Überbleibsel aus dem Burggärtlein noch Immergrün, gelegentlich auch Spuren von
Eisenverhüttung des Burgschmieds (vordere Falkenburg
bei Burladingen).
Literatur (soweit sie öfters zitiert ist):
Alberti
= . Württembergisches Adels- und Wappenbuch von O. v. Alberti, 1889 f.
Albv.
= Blätter des Schwäb. Albvereins, 1889 f.
Bercker = Edm. Bercker, Die Kirchenpatrozinien des
Kreises Sigmaringen, 1967.
Cod. Sal. = Codex Salemitanus, 1883, 3 Bände.
FUB
=r Fürstenbergisches Urkundenbuch.
Handbuch = Handbuch der historischen Stätten:
Baden-Württemberg, 1965.
HH
— Hohenzollerische Heimat, 1951 f.
HJH
= Hohenzollerische Jahreshefte.
Hodler
— F. X. Hodler, Geschichte des Oberamts
Haigerloch, 1928.
Kasper
= Alfr. Kasper, Kunstwanderungen kreuz
und quer der Donau, 1964.
KDH
= Kunstdenkmäler Hohenzollerns: Krs.
Hechingen, 1939.
KDS
= Kunstdenkmäler Hohenzollerns: Krs.
Sigmaringen, 1948.
Knobloch = Kindler v. Knobloch, Oberbadisches
Geschlechterbuch, 3 Bände.
Mitt.
— Mitteilungen d. Vereins für Geschichte
Hohenzollerns, 1867 f.
OA Beschr.= Beschreibung des Oberamts N. N.
Sch.
— Max Schefold: Hohenzollern in alten
Ansichten, Konstanz 1963.
Stehle
—: Bruno Stehle, Hohenzollern, Sigmaringen,
1925.
UHKr
— Urkundenbuch des Klosters Heiligkreuztal, 2 Bände.
U Stetten — Urkunden des Klosters Stetten bei
Hechingen: H J H 1955—1957.
WUB
= Wirtembergisches Urkundenbuch.
WVJ
= Würtembergisches Vierteljahresheft für
Landesgeschichte.
ZGO
^ Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins.
Zing.
— Zingeler-Buck, Zollerische Schlösser und
Burgen in Schwaben, 1906.
Zwief.
= König-Müller, Zwiefalter Chroniken,
1941.
ZWL
. . Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte.
Aus der burgenkundlichen Literatur seien nur folgende
Werke genannt: J. N. Cori, Bau und Einrichtung der
deutschen Burgen, 2. Auflage 1895; O.Piper, Burgenkunde, 3. Auflage 1912; derselbe: Abriß der Burgenkunde, 3. Auflage 1922; Herb. Caboga, Die mittelalterliche Burg, 1951 (Rapperswil).
Im Jahre 1906 haben K. Th. Zingeler und Gg. Buck
die wichtigsten zollerischen Schlösser und Burgen in
Wort und Bild unter Beigabe geschichtlicher Daten beschrieben. Eine kurze Zusammenstellung möglichst aller
Burgstellen in und um Hohenzollern gab es meines Wissens bisher nicht. Ortskundige Heimatfreunde mögen
daher folgenden Versuch noch möglichst ergänzen!
Ablach scheint einst im Ortsteil Emich eine Burg gehabt
zu haben. Adel wird im 13. und 14. Jahrhundert
mehrfach erwähnt, so 1202 Hch. von Abilahe, 1348—59
Rentz und 1376 der Chorherr und Magister Friedrich
von A., der in Konstanz erschlagen wurde. 1 ) Am
südwestlichen Abhang zum Bach Ablach sieht man
Erdbefestigungen mit tiefen Gräben als Seitenwerk,
die nach Stehle2) frühgeschichtlich sein können.
Achberg (neuestens zum Kreis Wangen geschlagen), erwähnt seit 1194, ist bekannt durch sein Schloß des
ehemaligen Deutschordens von 1700, dem schon eine
ältere Burg voranging. 3 )
Affelstetten, kleine Burgruine mit wenig Mauern auf
dem südlichen Ausläufer des Kirchberges von Veringendorf westlich der Laudiert und der Straße nach
Jungnau. In der Nähe ist der gleichnamige Weiler
abgegangen. Herren des Namens kommen urkundlich 1308—32 vor. 4 ) Vgl. Apfelstetten im Lautertal
in Württemberg.
Affenschmalz s. Killer. (Der Name A. für das Junginger
Bürgle ist irrig!)
Altenburg, Burgstelle ohne eigentliche Überreste genau
gegenüber von Affelstetten, also südlich der Pfarrkirche Veringendorf in 400 m Entfernung, links der
Laudiert und Landesbahn. Sie dürfte die älteste Burg
der Grafen von Veringen darstellen und heißt schon
im Habsburger Urbar 1313 „zerbrochene Burg" 5)
Eine andere „Alte Burg" liegt oberhalb Gammertingens und Bronnens und eine dritte als Volksburg bei
Langenenslingen (s. dort!).
Azilun, s. Burladingen.
Bachhaupten. Bertholfus von B. schenkte zwischen 1137
und 1183 den Ort mit ^virche ans Kloster Salem. Sein
Wohnsitz wird später vom Klosterhof überbaut worden sein.6)
Bärental bei Beuron. Hier sind abgegangen: Burg Ensisheirn7), die im Jahre 1477 von Beuron an den Grafen
Jos Niklas von Zollern überging,8) Kreidenstein mit
wenig Resten, nach dem sich später die Rottweiler
Patrizier Spreter schrieben. Wilhelm von Kr. soll 1470
den Burgplatz samt Gütern und Fischrecht in der Bära
1) FUB 5, Nr. 118 u. 174, 7; Knobloch I, 1; Cod.
Sal. I. 94; Friedrich der Schwarze, genannt von Abalah: Cod. Sal. I, 428; Bercker 23.
2
) Stehle 411.
3
) Zing. 59; KDS 38—46; Handbuch 3. Bild bei Sdi. 9.
4
) Lichtschlag, Hedinger Gymnasialprogramm 1872;
Mitt. 60, 58 f; FUB 5, 391. Zing. 107.
5
) Habsburger Urbar: H H 1963, 27.
6
) Cod. Sal. I, 43.
7
) Stehle 415; Ensingesheim kommt als villula 1095
von Hesso von First ans Kl. Sankt Georgen; ZGO
1858, 218; KDS 57.
8
) KDS 57, Bercker 33.
2
dem Kloster Beuron vermacht haben. Am Unterlauf
des Baches, schon auf Gemarkung Beuron, Ruine
Pfannenstiel, von der noch ein gutes Stück Viereckbau
zu sehen ist. Sie kam 1476 als Burgstall an Beuron. 9)
Baldenstein, s. Gammertingen.
Benzingen hätte 1242 ff. Ortsadel, dessen Flügelwappen
auf Verwandschaft mit denen von Lichtenstein und
Meldungen deutet. Die Burg stand in der Nähe der
Kirche am Brühl, hinterließ jedoch fast keine Spuren. 10 )
Beuren b. Schlatt. Die in Urkunden des Klosters Stetten
vorkommenden Personen „von Büren" dürften bürgerlich gewesen sein.
Beuron besitzt außer der Ruine Pfannenstiel eine Volksburg, „die Altstatt" beim Steighof mit 120 m langem
und noch bis 2 m hohem Wall, Größe 210 zu 140 m.11)
Ein langer hoher Damm südwestlich des Klosterorts
auf der Höhe hart an der Landesgrenze längs des
Friedinger Weges liegt beinahe auf württembergischem
Gebiet. Er scheint vom Jahre 1704 herzurühren (s.
Jungingen!). 12 ) Oberhalb Beurons steht auf steilem
Felsenklotz das teilweise erhaltene Schlößlein Bronnen
auf badischem Gebiet, weiter oben der trutzige Turm
der Ruine Kallenberg (castrum 1253). Donauabwärts
folgen die Burgstelle auf dem Käpfle links, und rechts
die gut erhaltene Burg Wildenstein, nahe dabei der
verschwundene Wildenfels, links Schloß Werenwag,
dann die Ruinen Lenzenburg, Lägelen, Wageck, Wagenburg, Langenfeld, Hausen, Neidingen, Langenfels, Ramsberg usf.
Bietenhausen b. Haigerloch: Hodler 13 ) nennt zum Jahr
1240 einen Ritter „Hogo v. Betenhusen", doch scheint
sein Burgplatz verschollen zu sein. Oder wohnte er
nur in einem befestigten Hof?
Bingen b. Sigmaringen: Auf dem Castrum zu Buningen
urkundete 1231 der Graf Gottfried von Sigmaringen.
Adel „von Büningen" erscheint mit Gebhard v. B.
1265, andere Vertreter in Urkunden des Klosters
Heiligkreuztal 1322 ff. als Bürger zu Riedlingen. 14 )
Deren Wappenschild war gespalten: Vorn ein aufrechtes Ankereisen (wie Stein), hinten ein halber
Adler. Die frühere Burg scheint später durch den
gotischen Chor der Pfarrkirche überbaut zu sein, wo
noch alte Keller im Boden stecken. Das Bittelschießer
Täle: s. Bittelschieß.
Bisingen hatte außer der im Jahre 1311 durch die Reutlinger zerstörten Burg Rohr (heute Schlößle genannt,
mit Gräben und wenig Mauerwerk) 15 ) auch hart südlich am jetzigen Pfarrhaus einen 1277 erwähnten
Adelssitz der Herren von Bisingen (1228—1385).16)
Bittelschieß, Dörflein südlich der Donau, hatte 1,2 km
nordöstlich hoch über der Mühle eine Burg (Schlößle),
deren Standort von einst 40 m Höhe völlig durch
Kiesabbau verwischt ist. Im Jahre 1245 hat Hugo v.
Bittelschieß Dorf und Burg B. dem Bischof von Konstanz übereignet und als Lehen zurückerhalten. Eine
zweite Burg, heute „Bürstel", stand nördlich davon
») Zing. 120, mit Plan; Stehle 414; Albv. 1908,
43—48; Kasper 29.
10
) Mitt 3, 45.
" ) Mitt. 27, 22 f.
12
) Mitt. 27, 24; Zu den Burgen des Donautals: Kasper.
13
) Hodler 620.
,4
) WUB 4, 410; Cod. Sal. I, 458: Hugo, Albert und
Berthold v. Bittelschieß. Ü H K r I, 122.
15
) H H 1965, 9; Zerstörung von Rohr, Jungingen,
Haideck 1311: WVJ 1883, 3.
16
) Buhl-Knaus, Bisinger Heimatbuch 1953, 46.
links über dem Weg nach Ablach in 610 m Höhe,
ist jedoch im Walde nur noch schwach zu erkennen.
Die Karte schreibt „Ringwall". Der Gründungsbericht
des Klosters St, Georgen im Schwarzwald nennt 1092
Berthold, Rudolf und Mazinus von Büttelsciez.17)
Andere Herren des Namens sind 1231 Zeugen auf der
Burg Bingen.18) Eine dritte Burg (oberhalb Bingens
links an der Laudiert unweit Hornsteins) erhielt von
den Herren von Bittelschieß deren Namen um 1265.
Im Burgbering auf dem Eingangsfelsen des hiervon
genannten „Bittelschießer Täles" wurde um 1620 die
Ulrichskapelle erbaut, die bisher am Roßlauf bei
Bingen gestanden und dann um 1695 in Marienkapelle
umbenannt wurde. 19 ) Zingeler hat bei der Beschreibung den nördlich weit vorspringenden Wall der Vorburg nicht beachtet. Weiter unterhalb rechts der Laudiert ist ein freistehender Felsen mit dem alten Namen „Engenstein" burgverdächtig.
Boll b. Hechingen hatte eigenen Adel, die Boller oder
„von Bolle", so Wernher v. B. 12 8 5.20) Dessen Burg
stand vielleicht westlich auf dem Roßberg am Zollerwald (630 m ü. M.) oder südlich auf dem Hasenbühl in 900 m Entfernung vom Ort (650 m). Eine
zweite Burg, heute Bürstel (Burgstall) genannt, zeigt
in 1 km Entfernung nordöstlich vom Dorf im Wiesengelände einen Ringgraben. In der Nähe ist der Weiler
Semdach abgegangen, weswegen man annimmt, die
Burgstelle habe auch so geheißen. Leute des Namens
„von Semdach" (adelige?) kommen 1318 bis 1346 als
Hechinger Bürger in Urkunden des Klosters Stetten
vor. 21 ) Beim Kirchlein Maria-Zell über Boll, also
unterhalb des Zeller Horns, ging das alte Pfarrdorf
Zell mit der Burg gleichen Namens ab, deren Bewohner als Schenken der Grafen von Zollern sich dann
von Neuenzell, Andeck, Erpfingen, Hurningen ( H a r lingen) und Stauffenberg nannten. Der Burgplatz Zell
ist nach Ansicht Willy Baurs durch Abbau des Tuffsteins zerstört. Im Jahre 1459 erhielten die beiden
gleichnamigen Geistlichen Wernher Schlaitz vom Zollergrafen die Erlaubnis, im Burgstall Zell zu bauen.
Obiges Neuenzell (erwähnt 1283 bis 1314, im Jahre
1269 auch Niedernzell genannt) muß in der Nähe
gelegen haben. Man darf mit ein: em Grund annehmen, es sei mit obigem Bürstel identisch, weil im
Güterbeschrieb des genannten Klosters 1646 der Platz
als „Schenkenbrühl oder Burgstall" vorkommt. 22 )
Brenzkofen,
s. Sigmaringen.
Bubenhofen hieß die Burg bei einer ehemaligen Agathakirche im Bubenhofer Tal an der Stunzach unterhalb
Rosenfeld, nach dem gleichnamigen Adelsgeschlecht
benannt. 23 ) So hieß auch die völlig verschwundene
Wohnstatt der gleichen Familie auf dem Schriet
(Marktplatz) in Grosselfingen24) und endlich auch der
17
) Burg 1245; Erzb. Archiv Freiburg H 502; ZGO
1858, 200 f.
1S
) WUB 4, 410; Andere Glieder der Familie: Cod.
Sal. I, 119, 127, 456; und I, 275 Ritter Hugo mit
Burg B., Gattin Engelburg und Bruder Albert 1243.
19
) H H 1952, 29; Zing. 98 f mit Plan S. 101; Kasper 92.
20
) U Stetten: Register.
21
) Zollerheimat 1936, 17.
2
-) Die Schenkenfamilie: H J H 1954, 142—83; U Stetten S. 210 u. 245; W. Baur in Albv. 1931, 289 fi.
„Der Zoller" Hechingen 1931, Nr. 266 und 270.
23
) H H 1962, 26.
24
) Zing. 64.
hintere Lichtenstein bei Neufra an der Fehla. Die
Familie ist von Max Dunker und F. Furtmeier untersucht.25
Burladingen hatte eine jetzt verschwundene Burg gleichen Namens (Adel von 1140 bis 1402 nachweisbar)
auf der Hohen Wacht, von der nur Steinhaufen übrig
sind. Die Kapellenweihe Peter und Paul ist vom
Jahre 1185 überliefert. Dagegen ist die doppelte Falkenburg (nach dem Wappen der Familie benannt)
über der Straße nach Stetten an zwei durch Gräben vom Hinterland abgeschnittenen Felsen erkennbar. Die vordere Falkenburg, auf der sich Eisenschlacken finden, könnte nach dem Azlenbrunnen
(heute Kreuzbrunnen unterhalb des Dorfes an der
Straße) in der Zwiefalter Chronik von 1138 einst
Azilun geheißen haben. Auch der jenseits des Jenneoder Annatals stehende Gottfriedfelsen zeigt einen
Abschnittsgraben.26) Der Volksmund erzählt von einer
ledernen Brücke über das Tal zur Falkenburg. Im
Jahre 1492 erbaute (laut eines 1858 entfernten Inschriftsteins) Bischof Friedrich von Augsburg, geborener Zollergraf, unweit der Pfarrkirche St. Georg
beim „Alten Schloß", dem ältesten Sitz des Ortsadels
und späteren Zehntscheuer, ein Jagdschlößlein in
Kreuzform, das nach mehrfachen Umbauten und
Bränden 1925 abging.27) Ein Inventar des Schlößleins
liegt von 1512 gedruckt vor, ein anderes von 1612
findet sich im fürstlichen Archiv Sigmaringen.28) Das
Römerkastell stand westlich auf Gemarkung Hausen.
Burre oder Burrau, längst verschwundene Burg beim
Burrauweiher, 1,4 km nordöstlich vom Kloster Wald.
Ein Ritter Eberhart von Burre ist 1216 bis 1243 erwähnt. 29 )
Dettensee mit seiner Burg hat durch Zingeler30) und
Hodler je eine Würdigung gefunden. Wir kennen
1318 einen Heinrich v. D. 31 )
Dettingen a. Neckar hatte a) eine Burg des dortigen
Adels (1139—1596) auf der Hornhalde, b) Der letzte
Rest des Schlößleins Niederdettingen ist vor einigen
Jahren am Ausgang des Diessener Tälchens abgebrannt. 32 ) c) Ein Schlößlein Alt-Neuneck stand rechts
des Flusses auf der Neckarhalde. 33 )
Dettlingen besaß nach Holder 34 ) vom 13. bis 15. Jahrhundert eigenen Adel, dessen Burg auf dem „Schlößlesberg" stand.
Dießen. Hier sieht man noch die stattliche Burgruine
der Herren v. D. 1241—1520 bzw. der Hülwer oder
Pfützer (ursprünglich von Steinhilben!) 1261—1528
und ihrer Nachfolger. 35 ) Zehn Minuten östlich davon
stand nach Joh. Wetze! die Burg Altendießen des
25
) Dunker in ZWL 1937, 335—369; H H 1963, 21,
35, 55.
26
) H H 1959, 40; Albv. 1935, 10 f.
27
) Aug. Speidel, Burladinger Heimatbuch 1958, 122;
Zing. 65 mit Bild und Plan.
28
) Mitt. 21, 122; ein anderes Inventar von 1612 liegt
im fürstl. Archiv i. Sigmaringen.
29
) Mitt. 3, 37; WUB 3, 270; Bercker 164; Cod. Sal. I,
186, 275.
30
) Zing. 66 mit Plan.
31
) Hodler 632 f.
32
) H H 1965, 45. Bild von Niederdettingen 1705: M.
Schefold Nr. 15.
33
) Hodler 643. Handbuch 119.
34
) Hodler 653.
35
) ebenda 660 f; Zing. 68 mit Bild und Plan. Handbuch 122.
3
Georg von Neuneck 1458. Der Burgplatz jedoch, der
nur den Flurnamen Burgstall (1482) und ein Mäuerchen hinterließ, ist am südlichen Ortsausgang gegen
Dettingen dem Tuffste n-Abbau zum Opfer gefallen.
Dietfurt an der Donau, zu Vilsingen gehörig: Der Ortsadel starb schon um 1130 aus.86) Die Gräfin Gepa
v. D. war eine Wohltäterin des Klosters Zwiefalten.37) Um 1253 saß hier Truchseß Berthold von Rohrdorf, später die von Reischach. Die Ruine auf einem
Felsstotzen bei der Mühle zeigt einen ziemlich erhaltenen Turm. Sie ist in Privathand. Darunter gibt es
einen unterirdischen Gang: eine natürliche Felsenhöhle, durch die wir Buben noch um 1919 geschlüpft
sind. Ebenfalls rechts der Donau auf einem runden
Bergkopf „Tiergärtie" findet sich eine interessante
Wallburg. 38 )
Doberatsweiler bei Achberg: Burg 1350, von der 1890
noch geringfügige Mauern zu sehen waren. 39 )
Ensisheim, s. Bärental.
Empfingen: Im Jahre 1148 erscheint in einer St. Georger Urkunde ein edler Gottfried von Empfingen und
1331 ein Hugo v. E.40) Von einer Burgstelle ist jedoch nichts mehr bekannt.
Ettisweiler: Auf der Burg Bingen finden wir im J. 1231
als Zeugen auch einen Herrn H(einrich) von Oitiswilair. Dann 1263 tauchen auf Walther und seine
Schwester Hailwig v. Oetinswiler und 1297 ein Haertnid genannt Fuchs von Oetinswiler. 41 ) Einen Burgplatz kennt man nicht. Der nächstgelegene ist der von
B ittelschieß.
Falkenburg, s. Burladingen.
Falkenstein, links an der Donau oberhalb Thiergarten,
eine ehemalige Doppelburg, meist im Wald versteckt,
aber noch stattliche Mauern zeigend. Ritter Gero v. F.
1256. Im J. 1318 saßen hier die Herren von Rosna,
1362 die von Magenbuch, 1390 die von Bubenhofen,
im J. 1516 kam die Burg an die Grafen von Zimmern auf Wildenstein,42) von denen der berühmte
FalkenstJiner Altar auf die Grafen und späteren
Fürsten von Fürstenberg überging.
Feldhausen: Ungeklärt ist der Flurname von 1508 „Am
Burgweg"'', ca. 1 km nordwestlich des Dorfes. 43 )
Fischtngen am Neckar hat auf seinem Gebiet die bedeutende Ruine Wehrstein, die dem Fürstenhaus Hohenzollern gehört, Die Burg sei 1646 von den Bayern
zerstört worden. Als erster erscheint Hugo v. W.
1101.44) Die von Zingeler angeführte Nachricht, die
Burg werde schon zur Zeit des Königs Pipin d. K.
752 erwähnt, beruht auf einem Irrtum.
3B
) >tehle 452, Zing. 71 mit Bild u. Plan; KDS 402.
37
) Kasper 43; Zwief. 201 f. Zu Dietfurt und anderen
Burgen an der Donau vgl. das leider veraltete Büchlein von Anton Schlude: Das Donautal v. Tuttlingen
bis Sigmaringen, 1858, 119 Seiten. KDS 402.
38
) Zing. 71; Stehle 453. Bilder Dietfurt bei Seh. 17—18.
39
) Bercker 25; nach Zingeler-Laur, Hohenz. Kunstdenkmäier 1896, 182.
40
) Notitia in ZGO 1858, Nr. 121; Hodler 681.
41
) WUB 4, 410; Cod. Sal. I, 428; II 533; Auch das
benachbarte Schwäblishausen hatte Adel und Burg:
A. Krieger, Topogr. Wörterbuch v. Baden II, 928.
42
) Stehle 451; Zing 76 mit Bild u. Plan; KDS 403;
1213 Conrad, Heinrich Dietnarc v. F.: Cod. Sal. 1,
127; Die von Magenbuch zu Falkenstein H J H 1935,
145 f; Kasper 35.
43
) Bercker 46; Vielle'oit hängt der heutige Birklesberg etwas südlich damit zusammen: 1330 Birkisberg: H J H 1962, 63.
44
) Zing. 138 mit Bild und Plan; Albv. 1898, 15—20;
Die Herren v. Wehrstein: Mitt. 10, 29—65.
4
Frohnstetten: Die Flur Eppenbürg von 1550 (Eppo
Eberhard) am Abhang zur Schmeie weist auf den
Adel „von Frunstettin", der früh nach Ueberlingen
verzog, wo 1246 Heinrich v. F. vorkommt. 45 )
Frundsbürgle, s. Ringingen.
Gammertingen: Die alte Grafenburg um 1150 dürfte an
Stelle des späteren Schlosses der Herren Speth (heute
Rathaus) als Wasserburg gestanden haben. Hier saßen
wohl auch die Ministerialen, die sich „v. G." nannten.
Man kennt im 13. Jahrhundert einen Zwiefalter
Propst Heinrich und den Abt Konrad v. G. (diesen
1250—1251 im Amt!), und 1292 taucht ein „Kiverli
von Gammertingen" auf, der ziemlich sicher zu
den Lichtensteinern gehörte.45a) Vgl. unten. Das „Alte
Schloß" an der Fehla entpuppte sich neuestens als
Baldenstein46) mit einem verschwundenen Weiler und
Mühle gleichen Namens, der um 1130 an Zwiefalten
kam und noch 1329 als Hof bestand. Am Weihtäle
gegen Bronnen stand die völlig abgegangene Burg
Husteneck der „Mälchinger" um 1360—9047) und gegenüber links der Lauchert an der Steghalde gegen
Bronnen die Burg Mündelstein (heute Wendelstein)
mit noch sichtbarem Abschnittgraben um den Felsen.
Die „Alte Burg" zwischen Bronnen und Mariaberg
auf der Halde rechts der Lauchert ist noch gut zu
erkennen an einigen Mauerresten. Sie hieß jedoch um
1100 ReutenhaldeniS), von der mehrere Vertreter in
den Zwiefalter Schriften vorkommen und einer sogar
Abt des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald war.
Später hieß die Burg nach einem neuen Bewohner
„Kiverlins Burg". Die Kiverlin waren ein Nebenzweig der Herren von Liditenstein, die um Gammertingen ihr Wesen hatten. Demgegenüber zeigt die Flur
Altenburg mit kleiner Feldkapelle gegen dem Teufelstor und Hettingen links der Lauchert keine Burgspuren, heißt auch in Hettinger Urkunden des 15.
Jh. „Altenbünd" (Bund-Baind-Zaun!). Auf der Gammert.r.ger Schloßhalde gegen Feldhausen scheint einmal ein Schloßbau geplant gewesen, wie derjenige der
Speth zu Bronnen, der auf Klage von Mariaberg
eingestellt wurde, 1602—60.
Gauselfingen hat westlich vom Dorf am Bergabhang
einen Felsen mit Graben und Mauerresten namens
Leckstein oder Schlößle und, davon durch das Kohltäle getrennt, den Burgplatz Hasenfratz, dessen Name
neuerem Humor entsprang. 40 ) Bewohner beider Plätze
sind nicht bekannt. Vielleicht hieß die letztere Burg,
von der noch der Umfang und gegen den Burladinger Kessel zwei Turmstümpfe zu erkennen sind, früher Schirmberg.™)
Gebrochen Gutenstein, s. Gutenstein.
Glashütte: Die im nordöstlichen Wald gegen Welhwang
versteckte Hünaburg
(Heunenburg, Hennenburg)
westlich des Kehlbaches stellt c -ie einst starke Volks
bürg dar. Mächtige Wälle und Gräben sind vorhanden.51) Vgl. Kappel.
45
) H J H 1959, 64; Stehle 205.
a) H J H 1937, 84; ZWL 1966, 94.
ZWL 1968, 1—30. Bild bei Sch. 47, H H 1967, 56
und 1968, 27.
46
) H H 1967, 61; Albv. 1969, 7; Ein Grabungsbericht
ist vom Fachmann Dr. Wein-Tübingen zu erwarten.
47
) H H 1960, 51; Zollerheimat 1933, 37.
48
) H H . 1966, 24.
48
a) H J H 1956, 110; Mitt. z. vaterländ. Gesch. 17
(1879) 103; ZWL 1966, 94.
4i
>) Albv. 1933, 11 f.
•'") H J H 1962, 67: Urkunde Nr. 34.
51
) Stehle 422; Mitt. 27, 24; H H 1951, 63.
43
Glatt unweit des Neckar hat das gut erhaltene Weiheroder Wasserschloß der Herren von Neuneck (1161
bis 1671), sowie ein ehemaliges Schlößle, das zum
Pfarrhaus umgebaut wurde. 52 ) Ein Inventarverzeichnis des Schlosses liegt von 1540 vor. 53 )
Grosselfingen mit völlig vergangenem Schloß Bubenhofen auf dem Marktplatz „Schriet" hat aber noch
ziemlich Mauerwerk der Burg Homburg, alt „Hainburg" (1344), am unteren Homburger Hof. 54 ) Vor der
Burg stand die Kapelle. 55 ) Im Schloß Hainburg starb
1610 der 13jährige Hugo Heinrich v. Lichtenstein, Oswalds Sohn.50) Am Nordrand der Feldflur Grosselfingen findet sich der Name Hagenbach. Michael
Walter vermutet, die Zollergrafen hätten die Güter
der Herren v. Hagenbach (1225 Albert v.H. zusammen
mit dem niederadeligen Hugo v. Haigerloch) als Dienstmannen der Grafen von Hohenberg überkommen und
dann in Erinnerung an Halenbach die Hainburg
(Hagenburg) erbaut. 57 ) Ein überzeugender Beweis
fehlt jedoch.
Gruol (alt Gruorn): Um 1380 besaß Andres von Stetten die „Burg Gruorn mit Wassergraben und Schütte
darum" als hohenbergisches Lehen. Etwa 1406 erhielt
Heinrich von Wehingen „das Wasserhaus" zu Gruol,
das dann 1436 Schlößle genannt wird, „das der
Stettener innegehabt". 58 ) Es stand rechts der Stunzach
und ist als im 17. Jh. umgebautes Bauernhaus noch
erhalten. Entgegen der Ansicht Albertis kennt man
in dem bei Münsingen aufgegebenen Gruorn keinen
Adel, sondern er gehörte hierher. Schon 1095 erscheint ein Walkerus de Gruorun. 59 ) Südwestlich des
Dorfes in 2,5 km Entfernung sollen im Langenfirst
oder Kessel Spuren einer Volksburg erhalten sein.60)
Gutenstein a. d. Donau (badisch) besitzt rechts des Flusses ein Schlößle auf steilem Felsen, heute Försterhaus,
links eine Flur „Burgfeld" auf dem mittleren Felsen
mit unbedeutenden Resten. Weiter unterhalb, gleich
nach dem Zusammenfluß der Schmeie mit der Donau,
steht links auf hohem schmalem Felsen ein Rest von
„Brocken Gutenstein* (1354 Niedergutenstein), die
schon 1546 ais Burgstall erscheint. Sie gehört zu Laiz.
Oberhalb Gutensteins bei dem Thiergartenhof mit seiner romanischen Basilika, Rest des Pfarrdorfes Weiler,
sollen nach der Zimmerischen Chronik die Herren
von Weiler in einer Felsenhöhle gehaust haben. Ihr
Wappen habe in Weiß drei Mohrenköpfe gezeigt.
Habsberg, s. Langenenslingen.
•3)
•S1)
*)
56
)
:8
')
s")
60
)
61
)
Zing. 80 mit Bild und Plan; Stehle 492; H H 1953,
39; Locher, die Herren von Neuneck: Mitt. Jg.
11—17. Als ersten nennt Gabelkofer zum J. 1161
den Mönch Reginboto v. N. zu Reichenbach: H H
196/, 62; Bilder bei Sch. 21—24.
Mitt. 15, 22.
Zing. 85 mit Plan; H H 1956, 1; 1963, 36 nennt
Furtmeier die Burg auf dem Schriet oder Marktplatz „Hagenburg"; ob mit Recht?
Zollerheimat 1937, 82 Bild. Allerheiligstes 1513:
H H 1953, 47.
Mitt. 31, 133.
WUB 3, 160; s'Zollerländle vom 31. Juli 1926:
ZGO 96, 308 f.
K. O. Müller, Quellen z. Wirtschaftsgesch. Hohenbergs 1952, 121, 143.
Hodler 722 f.
Stehle 493; Laur, Hohz. Kunstdenkmäler 1896, 86.
Zing. 27; Stehle 427; KDS 220; Die von Magenbuch zu Gutenstein: H J H 1935, 140 f; Zu Gutenstein auch Kasper 40.
Hagenbach, s. Grosselfingen.
Haideck, s. Trochtelfingen.
Haigerloch: Links der Eyach stand die alte Grafenburg
Haigerloch (der Pfarrei Weildorf) 1095, von der noch
der sog. Römerturm als ehemaliger Bergfried erhalten
ist. Eine andere Haigerlocher Burg stand oberhalb
Kirchzarten unweit des Bahnhofs Himmelreich, die
Wiesneck. Bruno von Haigerloch-Wiesneck stiftete um
1120 dort in der Nähe das Chorherrenstift St. Märgen. In Haigerloch entstand später rechts der Eyach
das noch bestehende Schloß und im Tale links das
Schlößle (jetzt Brauerei). Erwähnt sei auch das
Schlößle im Haag. 62 )
Hainburg, s. Grosselfingen.
Hasenfratz, s. Gauselfingen.
Hausen i. Killertal: Auf dem Hausener Kapf (884 m
ü. M.) nördlich der Wasserscheide Fehla-Starzel liegt,
deutlich an Mauerzügen erkennbar, eine namenlose
Burgstelle63). Ums Jahr 1350 kämpfte ein Werner
von Husen im Fähnlein des Konrad von Burladingen
in Italien. Im Weilertal rechts über dem Schwarzen
Brunnen zeigen auf Tailfinger Gebiet Wälle und Gräben den Ort der ehemaligen Weilersburg an.64) Eine
„Burghalde" des 16. Jh. auf Schnait konnte noch
nicht identifiziert werden. 65 ) Das Römerkastell gegen
Burladingen auf der Schlichte (740 m ü. M.), das den
Albübergang in den Jahren 85—110 n. Chr. sperrte,
wurde 1912/14 ausgegraben und wieder zugeschüttet.66) Die zugehörige Römerstraße führt von LaizWinterlingen-Hermannsdorf her, dann weiter durchs
Tiefental zur Ringinger Kapelle, dann nordostwärts.
Auf dem Hohenberg (Haubenberg 928,5 m) gegen
Hermannsdorf finden sich die nur 50 cm starken
Grundmauern eines der 12 Tiergartenhäuslein der
Zollerischen Landtafel Merians von 1662.67)
Hausen unter Weilheim (jetzt Hausener Hof) gehört
seit 1901 zur Gemarkung Hechingen. Die Otte von
Husen des 15. Jh. führten das Wappen der Herren
von Wurmlingen-Steinhilben: halber Drache auf Dreiberg. Mehrere Angehörige der Familie finden sich in
den Urkunden des Kl. Stetten. Ihre Burg darf wohl
an Stelle des späteren Lindich vermutet werden.
Hausen am Andelsbach, wo man eine Burg vermuten
wollte, hat keinerlei Spuren einer solchen aufzuweisen, auch nicht das Hausener Oeschle bei Walbertsweiler.68)
Hechingen: In der Stadt sind das Alte und gegenüber
das Neue Schloß erhalten. Dieses beherbergt jetzt die
Hohenzollerische Landesbank, jenes ein Museum. Auf
dem Lindich entstand 1738 ein fürstlichesLustschloß.69)
Die Villa Eugenia in der Oberstadt hat Zingeler
beschrieben. Wenig Reste außer einem Abschnittgraben
hinterließ die Stauffenburg ob Rangendingen beim
62
) Zing. 27 mit Plan d. Oberstadtburg S. 34; Handbuch 237; K D H 107 f.; Schloß und Hagschloß 134
bis 142. Dazu Hodler mehrfach; Bilder bei Sch. 25
bis 28. Zu Bruno v. Haigerloch s. „Schauinsland"
1964, 116—121.
°3) Albv. 1933, 9 f; H H 1956, 4.
64
) Kreisbeschr. Balingen: Register im Bd. IL; H H
1954, 21.
«5) H H 1962, 63.
66
) H H 1952, 43; 1960, 66—67.
67
) ebenda 1954, 20—21.
65
) ebenda 1956, 9; Dagegen soll nach der Pfarrchronik
auf dem Bühele ein Schloß gestanden haben.
°9) Zing. 114 mit Bild and Plänen; K D H 186—202;
Villa Eugenia: Zing. 75 mit Biid und Plan; K D H
194. Bilder bei Sch. 30—46.
5
Stauffenburger Hof. 70 ) Die frühere Burg dieses Namens siehe unter Wessingen.
Heidenschloß, s. Storzingen.
Heiligenzimmern
(früher Zimmern in Horgun): Der
Ortsadel, die Zimmerer oder Zimmerli (1269—1479)
wurde von Max. Schaitel erforscht. Die „Burghalde"
1560 (ohne Überreste) liegt westlich des Ortes über
dem ehemaligen Kirchberger Fronhof. 71 ) Ein Fräulein
von Zimmern und ein anderes von in der Nähe ausgegangenem Beuren („Büren") werden als Gründerinnen des Frauenklosters Kirchberg um 1220 genannt. 72 )
Hermentingen a. d. Laudiert: Um 1100 schenkte ein
Dienstmann des Grafen Liuthold von Achalm, namens
Hermann von Hermindingen, dem Kloster Zwiefalten
einen Hof zu Neuhausen bei Metzingen (Zwief. Chr.
183). Von seinem Burgsitz ist nichts bekannt geblieben.
Ob der Felsen Ramstein in Frage käme? Eher die
Höhe 715 unmittelbar westlich des Dorfes.
Hertenstein, s. Sigmaringen.
Hettingen besitzt über dem Städtchen ein Schloß des
Fürsten von Hohenzollern an Stelle der früheren Bürg
(mit Schildmauer statt Bergfried) der Grafen von
Veringen73) bzw. deren Vorgänger. Maurer nimmt
als Erbauer den Berthold von Neifen an, den Tochtermann des Grafen von Gammertingen um 1200. Diese
Vermutung wird jedoch durch das Vorkommen eines
Dienstadels von Hettingen schon im 12. Jahrhundert
erschüttert.74) Die Mauer zog ehemals vom Schloßberg herab um das Städtchen.
Hochburg, s. Rangendingen.
Holnstein, s. Stetten u. H.
Hohenberg bei Schörzingen (Württbg.): Ehemalige Burg
auf dem Oberhohenberg, S'tz der Grafen von ZollernHohenberg, 1449 durch die Rottweiler gebrochen.75)
Als erster erscheint Gr. Friedrich von Hohenburg(!)
1158 in Verona 76 ), dann derselbe mit seinem Bruder
Burkart 1179—1193 als Söhne des Zollergrafen Burkart 1125—1150- Burg und Städtchen Hohenberg
sind völlig ausgelöscht.
Hohenfels (eigentlich Neu-Hohenfels, die alte Burg des
Namens stand bei Sipplingen) ist Teil der Gemeinde
Kalkofen, gehörte 1292 den Herren von H. und kam
dann durch eine Heirat an die Herren von Jungingen,
schließlich 1473 an Hugo von Landenberg, von ihm
an das Spital Uberlingen und dann an den Deutschen
Ritterorden. 77 ) Im Schloß ist jetzt eine Schule als
Filiale von Salem eingerichtet. Nach Stehle soll dort
1295 auch eine Burg Hohenberg bestanden haben, die
wohl mit Hohenfels identisch war.
Hohenstein, s. bei Trochtelfingen.
Hohenzollern: Burg seit 1061 nachweisbar mit „Burkart
7
»)
)
72
)
73
)
71
74
)
75
)
)
7:
)
76
6
Zing. 126; K D H 151—152.
Zollerheimat 1936, 18; H H 1967, 46.
H J H 1964, 342.
Zing. 81 mit Plänen; KDS 160—163; Handbuch
282; Die Grafen von Veringen H J H 1964, 1—132;
ZWL 1968, 1—30. Bild bei Sch. 47.
ZWL 1966, 100 f; H J H 1937, 75 u. 84 nach Mon.
Germ. Necrol. I.
Zing. 38.
K. Schmid, Graf Rudolf v. Pfullendorf 1954, 271;
Zing. 91 mit Plänen; Stehle 432; KDS 202—207,
Handbuch 291; O. Glaeser, Die Herrschaften und
Herren von Hohenfels: H J H Jg. 1—3; Bilder bei
Sch. 48—49.
und Wezel de Zolorin V 8 ) Völliger Neubau unter
Preußen nach 1850. Nur die Michaelskapelle ist alt.
Homburg, s. Grosselfingen.
Hornstein a. d. Laudiert: Die auf hohem Felsen stehende
umfangreiche Ruine muß als Burg 1244 bestanden
haben, wo ein N. de Hornstein als Kirchherr in Seekirch genannt ist, dann 1250 die Brüder Heinrich und
Albert v. H. Die Burg, die zuletzt eine Zeitlang als
Zuchthaus diente, wurde 1873 von den Herren v. H.
nach deren Rückerwerbung abgebrochen.79) Die alte
Kapelle stand auf der äußersten Felsnase, die jetzige
ist seit 1725 im Rundturm neben dem oberen Tor
untergebracht. Eine Beschreibung des Ganzen liegt
von 1740 vor. Ein „Neues Schloß" im Dorflein Hornstein selbst beim Hause Desdiler ging schon im 18.
Jahrhundert wieder ab.80) Zu Hornstein gehört das
oben genannte „Bittelschießer Täle" mit seiner vergangenen Burg (s. Bittelschieß).
Hiinaburg, s. Glashütte.
Husteneck, s. Gammertingen.
Inzigkofen: Wenn jener Cunrad dictus Enzinghofer, der
1273 als Zeuge zu Meßkirch vorkommt, ein Adeliger
war 81 ), könnte er auf der später Niedergutenstein
genannten Burg gesessen haben. Beweise fehlen. S.
Gutenstein.
Isikofen, Burgplatz bei einer sehr alten, längst verschwundenen Siedlung und Furt unterhalb Jungnau
auf bewaldeter Kuppe links der Laudiert, 2,1 km
entfernt vom Dorf, zeigt in 646 m Höhe nur wenig
Gemäuer. Der Platz (am Einschnitt der Landesbahn)
ist schon ums Jahr 1400 Burgstall genannt. 82 )
Jungingen: Die Stammburg der Herren v. J., aus denen
die zwei Hochmeister des Deutschen Ordens, Konrad
und Ulrich hervorgingen, stand auf dem kleinen
„Bürgle" südlich des Dorfes unterm Himberg, wo
noch Wall und Graben erkennbar sind. Lauer und M.
Lorch haben außer den Grundmauern auch unterhalb
ein langgestrecktes Wirtschaftsgebäude mit Rundturm
festgestellt. Die Unterlagen besitzt Oberlehrer Mich.
Lorch in Killer. 83 ) Die seit 1075 erwähnten Herren
zogen schon vor 1300 fort, erwarben 1316 Schiltau
(Jungnau) und später Hohenfels und starben mit
Ulridi am 16. Januar 1501 im Mannesstamme aus.
Das andere angebliche Bürgle östlich von Jungingen
mit dem Bürgleshof von 1872 hat den Namen vom
Ringinger Fundsbürgle auf dem Seeheimerberg. Dieser
Hügel wurde bei Anlage der talsperrenden sogenannten „Schwedenschanze" im Jahre 1704 durchgraben.84)
78
) Zing. 1 mit Plänen; H J H 1962, 281; Handbuch
492; K D H 211—224; (Stehen) Nadirichten üb. d.
kgl. Stammburg Hohenzollern, 1863; L. Schmid,
Belagerung, Zerstörung und Wiederaufbau d. Bg.
Hohenz. 1867. Zum Namen Zollern: H J H 1962,
218—219. Willy Baur, Burg Hohenzollern 1961, 20
Seiten mit herrl. Farbaufnahmen.
7a
) Zing. 96 mit Plänen; Freibg. Diöz. Arch. 2, 117;
„Die von Hornstein u. Hertenstein" v. Edw. v.
Hornstein, Konstanz 1911—16, 738 Seiten; Kasper
90. Bilder bei Sch. 71—72.
80
) H H 1953, 28; 1952, 29.
81
) FUB 5, Nr. 193,
82
) Zing. 106; Stehle 429; KDS 195.
83
) H H 1953, 55 u. 1954, 39; Zerstörung: s. Note 15;
Albv. 1931, 243—50; 317. Die Herren von Jungingen: Mitt. 62, 1—52; 63, 1—29, H J H 1935, 67;
Ulrichs des Letzten Tod: ZGO 1916,196; Des Hochmeisters Kampf und Tod: H H . 1952, 13—14.
84
) Zollerheimat 1939, 37 f.
Baiingen gab es schon 1330 Bürger des Namens
Rangendinger. 115 )
Reischach (Filiale von Wald) mit noch blühendem Adel,
der schon 1191 erwähnt ist, aber auch auswärts wohnt.
Die Burgstelle ist merkwürdigerweise unbekannt.
Reutenhalden, s. Gammertingen.
Ringelstein, s. Ringingen.
Ringgenbach (Filiale von Menningen): Im Jahre 1237
nennen die Urkunden einen Ritter Johannes von
Rinkenbach.116) Da im Habsburger Urbar von 1306/13
Ringgenbach als „Richenbach" erscheint, gehören u.
U. auch einige Herren von Rickenbach hierher. Der
Burggraben wurde im Urbar von Wald 1501 noch
erwähnt, seitdem ist er verschollen.
Ringingen hatte drei Burgen: a) Burg dieses Namens
auf dem östlich ans Dorf stoßenden Nehberg, wo
Konr. Alb. Koch im Jahre 1929 die angeblich in
einer früheren Flieburg errichtete Ritterburg untersuchte.117) Sie ging um 1470 in Trümmer. Unterhalb im Koy entspringt der kleine Ringelbrunnen,
der jetzt in Rohre gefaßt ist. 1545 ist die Rede von
einem Hinteren Vorhof (östlich) und zwei Hofstätten unter der Burg (am Waldrand), wo die
Schwaighäuser gestanden seien. Noch steht der Bergfried mit ca 13 m Höhe als einziger der ganzen Umgegend. Hier hausten 1180 Otto und Dietrich v. R.,
1277-92 der freie Herr Eberhard v. R., 1342-91 die
Truchsesse von Urach-Ringingen, 1402-50 die Schwelher,118) 1455 deren Tochtermann Friedrich von Ow, 119 )
1464 die Schwelherwitwe Anna von Freyberg, 120 ).
Doch gehörte das Dorf R. selbst in den Jahren 1383
und 1406 dem Heinrich v. Killer-Affenschmalz, später
den Schwelhern. Die Zimmer. Chronik sagt 1566: „das
Schloß, von dem die Mauern noch mehrteils stehen, ist
ein ansehnlicher Edelmannssitz gewesen." b) Ringelstein
(auch Aloises Schlößle, nach einem neueren Besitzer
des Waldes), Turmruine überm Budiental an der
Burladinger Grenz am Kästlesbühl. Sie wäre nach
Lauer schon im 13. Jahrhundert zerstört worden. Die
Herren v. R. schrieben sich zeitweise "von Killer, genannt Affenschmalz". Den Übernamen brachte Heinrich v. K. von Italien mit. Die Wirtschaftsgebäude
standen unterhalb auf einer kleinen Ebene ob dem
Kälberwasen (heute im Wald). 121 ) c) Frundsbürgle
(oder Freundsbürgle, seit 1870 auch „Eineck") auf
dem Seeheimerberg über Jungingen, wo ein tiefer Abschnittgraben die Bergnase abschneidet, auf deren
Spitze die Markungen Ringingen, Killer u. Jungingen
zusammenstoßen. Bewohner sind keine nachzuweisen,122) da die Burg nach Lauer schon im 13.Jh. abgegangen sei, sodaß nicht einmal mehr Dachziegelreste
zu finden sind. (Grabungsunterlagen bei Mich. Lorch
115
) U Stetten Nr. 81.
'•») Stehle 439; Mitt. 3, 38; Da im Habsburger Urbar
die Wortform Richembach lautet, wie die des Dorfes
Rickenbach, ist eine Trennung schwierig!
117
) H H 1967, 44; 1961, 6 u. 23 mit Plan.
,18
) Zollerheimat 1937, 49—51; Die Truchsesse von
Urach-Ringingen: H J H 1952, 74—118; 1954,
187—188; Die Schwelher v. Wielandstein: H J H
1938, 94—148.
119
) UHKr II, S. 300.
120
) H H 1954, 14.
121
) Alv. 1931, 317—321; 1929, 73 f; H J H 1954, 126
und 1961, 40—41; Die Herren v. Killer-Affenschmalz u. Ringelstein: H J H 1954, 103—141.
122
) H H 1961, 41; Albv. 1950, 3.
in Killer). Im Seeheimertal gegen Jungingen unter
der Muethalde an der Grenze findet sich ob dem
Wasen ein ebener Platz von ca. 30 m im Geviert mit
Hohlziegelresten und durch einen Graben gesichert.123)
Welchen Zweck soll hier unter der Steilhalde ein
Gebäude gehabt haben? Ein „Uolrich von Sehan"
kommt um 1400, als im Killertal wohnend, im Beuroner Urbar vor.
Rohr, s. Bisingen.
Rosna bei Habstal: Herren von Rosenowe kommen
1209bisl415 vor. Ihre Burg, die schon 1373 Burgstall
war, stand östlich des Dörfleins, das ehedem Talheim
hieß.124)
Rulfingen: Die Herren von R. sind längst abgestorben.
Wir lesen von Albero 1231—48, Wernher v. R. 1231,
Wernher mit seinem Sohn Ulrich und Neffen Ulrich
noch 1304. Ihre Burg dürfte auf dem „Kügelebühl"
südlich des Dorfes anzunehmen sein.126)
Salmendingen: Die Burg der Herren von Salbadingen
(1245-1357) eines Zweiges der von Stain und Pflummern, stand oberhalb der Pfarrkirche auf Kay über
einer starken Quelle. Sie wird schon 1386 Burgstall
genannt. 126 ) Man sieht noch den mächtigen Turmstumpf und Mauertrümmer, da die Ruine im Jahre
1791 alsSteinbruch für einen Feuerteich diente. Die
Schanzen nördlich an der Landesgrenze stammen wie
die bei Jungingen aus dem Jahre 1704.127)
Schalksburg, s. Straßberg.
Schatzberg, 4 km nordöstlich von Bingen im Wald auf
Markung Egelfingen (Württbg., 710m) gehörte zeitweise den Herren von Hornstein. Man sieht noch
stattliche Mauerreste.128)
Schiltau, s. Jungnau.
Schirmberg, s. Gauselfingen.
Schmeien: Der Burgstall der Herren von „Schmiehen"
(Heinrich 13 42)129) stand ca. 400 m nordwestlich von
Unterschmeien links des Baches auf einem Felsen, also
nicht an der Mündung der Schmeie.130) Sichtbar ist
nur noch der Graben, der die nach Nordwesten vorspringende Geländezunge abschneidet.
Semdach, s. Boll.
Sickingen: Abgegangene Wasserburg, 1369 Burgstalimit
Quelle im nebenan verschwundenen Altendickingen auf
württembergischem Gebiet.131) Der Platz hat nur ein
Ausmaß von 22 zu 22m.
Hier seien auch die früheren Burgen der Nachbarschaft erwähnt: Bodelshausen, Dusslingen, Hirrlingen,
Hemmendorf, Mössingen, Stanshofen (bei Belsen abgegangen), zwei Burgstellen bei oder in Oeschingen,
außerdem die erst im 18. Jahrhundert abgebrochene
Burg First, Nehren, Talheim mit zwei Schlößle im
Dorf und der vergangenen Andeck auf dem Ausläufer
des Farrenberges (der Schenken von Zell-Andeck!).
123
) H J H 1960, 42.
) Stehle 439; Herren von Rosna: H J H 1936, 179 bis
197, Bercker 114.
125
) Mitt. 51, 52 f; H H 1964, 14; Cod. Sal. I, 272, 277.
126
) Mitt. 8, 8—12; u. 32, 73 f; Zing. 124 mit Bild u.
Plan.
127
) Zollerheimat 1939, 35 f.
128
) OA Beschr. Riedlingen 1923, 732; H H 1958, 52 u.
1963, 39; Kasper 101.
12B
) Monumenta Hohenbergica 356; Alberti T T , 697.
130
) Albv. 1934, 276; FUB 5, 421; War im J. 1461 sdion
Burgstall.
131
) OA Beschr. Rottenburg 1900, I, 547.
132
) ebenda 466; Kreisbeschr. Tübingen 1967, I, 238 f.
124
9
Über Talheim auf dem Kirchkopf eine schön erhaltene Ringburg. 133 )
Sigmaringen: Die Burg an der Stelle des heutigen fürstlichen Schlosses wurde 1077 von Rudolf von Schwaben belagert. 133 ) Burg Hertenstein, wonach sich ein
Zweig der Herren von Hornstein schrieb, (heute
„Altes Schloß") stand unterhalb Jungnau an der
Verengung des Tales rechts der Laudiert auf einem
spitzen Felsen, ist jedoch ganz verschwunden. Sie kam
1449 als Burgstall an die Stadt Sigmaringen.134) Das
über dem Friedhof stehende neue Schlößle zu Hedingen namens Suggenstein ist eine Erinnerung an den
ursprünglichen Sitz der Herren von Hedingen. Ein
Conrad v. H. findet sich 1263—78, vor 1324 ein
Volkwin, 1323 ist ein „H(emrich) genannt Hedinger"
als Konverse in Salem. Itel Volkwin hat als Stifter
des Klosters Hedingen einen Namen (vor 1346). Die
Zimmerische Chronik nennt das angeblich 100 m unterhalb des Klosters gelegene alte Schlößlein „S»ppenstein" (Soppe=Sumpf). Im Jahre 1441 hieß die Burg
zu Hedingen (nach A. Frick) Bugenstein (bloß Hörfehler?) und bestand in einem „Turm über der Donau
mit Haus und Hofraite", wobei man Stein doch
wohl als Felsen auffassen muß, der kaum auf eine
Wasserburg paßt. Buge würde Biegung bedeuten, Soppenstein aber „Felsenburg am Sumpf". 135 ) Im Jahre
1247 begegnet uns ein Wezzilo von Brozzekeuen und
1262—63 ein Reinfried von Brenzkofen. 136 ) Beide
Namen werden als gleichbedeutend angesehen. Auf
der Felsennase des Brenzkofer Berges, unweit der
Brauerei Zollerhof, hätten diese Herren einen idealen
Burgsitz gehabt. Spuren sind jedoch nicht mehr zu
entdecken. Etwa 3,5 km südlich von Sigmaringen
steht das fürstliche Jagdschloß Josefslust.
Sigmaringendorf, die alemannische Ursiedlung von Sigmaringen, zeigt nur aus dem 16. Jahrhundert das
ehemalige Schlößlein Ratzenhofen an der Laudiert,
dessen Name auf den Wirt Ratzenhofer zurückgehen
dürfte. 137 ) Etwa 1,5 km westlich des Dorfes über der
hohen Waghalde rechts der Donau und 300 m von
der Sigmaringer Grenze entfernt, findet sich der 40 m
emporragende Kappenbühl (627 m ü. M.) mit einem
vier- bis sechsfachen Ring wall, der der Eisenzeit zugerechnet wird. 138 ) Die geringe Größe des eirunden
Innenraumes von 55 zu 35 m könnte freilich auch
auf eine spätere Ritterburg passen. Ob damit der im
Habsburger Urbar 1313 genannte Haldenburgshof in
Sigmaringendorf zusammenhängt, bleibt ungewiß. 133 )
Spöck, Kreis Sigmaringen: Nach Stehle gehört zur Gemeinde der große Hof Arnoldsberg, der ehemals eine
Burg besessen habe. Tatsächlich ist im Salemer Ur183
) Zing. 14 mit Plan; KDS 287; 306—313; H H 1952,
48; Handbuch 623; Seigel-Kaufhcld, Schloß Sigmaringen, 1966. Bilder bei Sch. 83—94.
134
) Zing. 106; Die von Hornstein u. Hertenstein S. 1.
135
) WUB 8, 74; FUB 5, Nr. 171, 3; 228, 1 u. 241,
2; Zimmerische Chronik 3, 175: Suppenstein; H H
1957, 13.
«») ZGO 35, 404; WUB 4, 150; Cod. Sal. I, 403.
,37
) K. Dehner, Chronik v. Sigmaringendorf 1912, 29;
Im J. 1573 tritt ein Wirt Leonh. Ratzenhofer in S.
auf (ebda 34). Dagegen hat Conrad v. Ratzenhofen
1271 schwerlich hier Besitz: Bercker 128.
138
) Mitt. 27, 22—23.
139
) H H 1964, 14; Ein merkwürdig ähnlich klingender
Koppenhof zu Hedingen im Habsburger Urbar von
1313: H H 1964, 13; Handbuch 627.
10
kundenbuch 1243/44 ein „miles Eggihard de Specke"
verzeichnet, der auf Burg Bittelschieß als Zeuge auftritt. Im 14. Jahrhundert findet man „Specker" als
Bürger zu Pfullendorf: 1329, 1359.140)
Starzein im Killertal: Eine dreieckige Volksburg mit
Wall und Graben liegt westlich des Dörfleins hoch
auf einem Ausläufer des Himbergs (830 m), ungefähr
über der Kirchstaig, die zum Platz des verschwundenen Johanniterklösterleins „Jungental" hinaufführte.
Auch unten im Tal bei Starzein muß eine spätere
Burg bestanden haben, denn es heißt 1612: Die
Weiherwiesen zu Starzein stoßen an Hans Diebolds
Wiesen, die „das Burgstall" genannt werden. 141 )
Stauffenberg: Burgstelle mit Abschnittgraben und Erdhaufen oberhalb Rangendingen beim Stauffenburger
Hof. 142 ) Die frühere Burg des Namens siehe unter
Wessingen!143) Die Schenken von St., heute noch
blühend in Lautlingen und Wilflingen bei Riedlingen,
zweigten sich um 1315 ab von den Schenken von
Zell am Zoller. Den Namen übernahmen sie kurz
vorher von den zollerischen Truchsessen von Stauffenberg. Vgl. Boll.
Stein bei Hechingen hat unterhalb des Dorfes auf dem
linken Hochufer der Starzel im Pfarrwald die kleine
Mus- oder Miesburg (Name wohl neu), die man zu
Unrecht als frühgeschichtliche Fliehburg ansehen wollte. Mauerreste waren um 1900 noch innerhalb der
mächtigen Doppelumwallung zu sehen. Bewohner
sind freilich nicht bekannt. 144 )
Steinhilben: Die verschwundene „Burg und das Steinhaus (so 1393, dann 1483 Jagdhaus, 1560 erweitert)
im Dorf an einer jetzt zugeschütteten Hilbe ist von
Zingeler beschrieben worden. Die Herren v. St. (1247
—1496), auch Pfützer oder Hülber, bzw. v. Felsenberg
benannt, waren laut ihres Wappens Abkömmlinge
derer von Wurmlingen (halber Lindwurm über Dreiberg).145) Die Burgen des nahen württembergischen
Oberstetten siehe bei Trochtelfingen.
Steinhofen: Ein Berthold von St. kommt am 2. Februar
1241 mit Werner und Gero von Bubenhofen als
Zeuge für den Grafen von Württemberg vor und 1268
hatte ein B(erthold) von St. Anteil am Zehnten im
benachbarten Engstlatt 14C) Die gelegentlich geäußerte
Vermutung, bei der Pfarrkirche habe eine Burg gestanden ist bestechend, doch fehlen feste Anhaltspunkte. 147 )
Stetten bei Haigerloch: Hodler weist von 1325 bis 1356
eigenen Adel nach,148) eine Burgstelle ist jedoch heute
nicht bekannt. Ein Andres von Stetten hatte um 1380
die Burg Gruol als hohenbergisches Lehen inne. S.
Gruol.
Stetten unter Holnstein: Die Burg Holnstein über dem
Dorf, von einer Höhle im Burgfelsen benannt, kommt
mit Adilbert von Holinstain um 1120 mit Besitz im
nahen Meldungen ('A der Kirche) in der Zwiefalter
Chronik vor. Man sieht noch bedeutende Ruinen.
Hier saßen neben den Hölnsteinern um 1408 Heinrich
14
°) Stehle 449; Cod. Sal. I, 275; FUB 5 Nr. 189, 4;
169, 2.
141
) Zollerheimat 1941, 17.
14ä
) Zing. 120; Unsere Note 22; H H . 1954, 57.
143
) H H 1964, 46.
144
) Albv. 1929, 262.
llr
') Zing. 127 mit Plan; Mitt. 8,5; Herren v. Steinhilben;
Zollerheimat 1933, 21, 29, 37.
1!C
) WUB 4, 12; Kreisbeschr. Balingen II, 313.
147
) Buhl-Knaus, Bisinger Heimatbucn 1953, 28—29.
148
) Hodler 781.
von Killer-Affenschmalz. 1409 Wilhelm Schenk von
Stauffenberg, seit 1412 Althans Schwelher von Ringingen, später sein Bruder Mettelhans, 1470 dessen
Stiefsohn Hans von Sachsenheim. Die Familie v. H.
starb um 1490 aus, bzw. stieg durch unebenbürtige
Heirat in den Bürgerstand herab. 149 ) Die Burg zerfiel um 1500 und im Jahre 1584 ließ Graf Eitelfriedrich von Zollern den Turm vollends abbrechen.
Im benachbarten Erpfingen (Württbg.) standen zwei
Burgen: a) die eine an der Stelle des Pfarrhauses, die
Schnattren hieß, b) die andere-auf dem Berg gegen
Holnstein, wo noch ein gespaltener halber Turm zu
sehen ist. Nach Erpfingen nannte sich auch ein Schenk
von Andeck-Zell.
Storzingen: Das „Schlößle" der alten Ortsherren liegt
als unbedeutender Burgstall rechts der Schmeie, 1 km
südlich des Dorfes auf schmalem Felsrücken, der von
der Eisenbahn abgeschnitten ist.150) Nach dem Verschwinden des (übrigens nicht beurkundeten) Ortsadels
waren hier begütert: die Grafen von Lupfen, 1418 die
von Werdenberg, dann die Herren von Regnotzweiler und von Magenbuch. Etwa 500 m südlich vom
Schlößle an der badischen Grenze steht rechts der
Schmeie die Ruine Weckenstein (im Volksmund „Heidenschloß") mit einigen Mauerresten auf schroffem
Felsen. Die Familie von W. stiftete um 1210 das Kloster Wald, starb dann schon 1387 aus.151)
Straßberg: Der Platz der heutigen und schon der 854
genannten Pfarrkirche St. Verena hieß, wie der Pfarrort selbst, bis um 1500 „Burg", ohne daß wir den
Grund kennen, bzw. von so früher Verteidigungsanlage an dieserStelle wissen. Das noch bestehende Schloß
Straßberg, das seinen urtümlichen Burgcharakter bewahrte, steht links der Schmeie auf hohem felsigen
Berge gegen Winterlingen und scheint den Namen
vom schweizerischen Grafengeschlecht „von Straßberg" erhalten zu haben, wohl als Lehen von Buchau.152) Im Schloß saßen nach den Grafen von Hohenberg: 1345 bis 1420 die Herren von Reischach,
dann Hans von Stein, genannt Schnellinger, seit 1429
Althans Schwelher von Ringingen, dann dessen Sohn
Fritz und dann der Enkel Peter, seit 1508 Wolf gang
von Homburg, 1532 bis 1625 die von Westerstetten. Im Jahre 1967 ging das Schloß käuflich
vom hohenzoilerischen Fürstenhaus an den Metallurgen Dr. Laschimke (im Laucherttal) über. Etwa 900 m
nördlich des Dorfes findet man über dem verschwundenen Weiler Oitringen links des Baches die spärlichen
Reste der Oedenburg auf einem Felskopf. Sie hieß
ehemals Schalksburg (d. h. Diener- bzw. Vasallenburg). C(onrad) de Scalcisbg. ist 1211 Zeuge in der
Pfarrkirche Veringen und Heinrich v. Sch. ebenso
1266 im Dorf Veringen.152a) Eine Mathild v. Sch.
findet sich um 1400 am 4. Dezember im Nekrolog
Zwiefalten, zwei Heinriche (Vater und Sohn) und
eine Agnes v. Sch. um 1350 im Totenbuch von Margrethausen. Anfangs sind die Herren mit den Grafen
von Veringen, dann von Hohenberg und Zollern
149
) Zwief. 185; Mitt. 26, 9—24; u. 31, 137; Zing. 94
mit Bild u. Plan; H J H 1955, 76, 80.
150
) Albv. 1934, 273—276; Die Herren v. Magenbuch
zu Storzingen: H J H 1935, 146.
läl
) Zing. 136 mit Plan; Cunrad v. W. 1238; Burkart
1241. Cod. Sal. I, 225, 241 usw.
15ä
) Zing. 128 mit Bild u. Plan; KDS 348; H J H 1959,
8 f.; Handbuch 647. Bild um 1699 bei Sch. 98
1S2
a) ZGO 35, 118 und 404.
nachweisbar. Der Name Schalksburg scheint früh mit
der niederadeligen Familie auf die riesige Volksburg
bei Burgfelden gewandert zu sein,153) die dann 1255
als Schalksburg im Besitz der Grafen von Zollern
neben den Rittern von Sch. erscheint. Letztere nannten sich dann um 1380 von Streichen, dann von Rosenfeld.154)
Suppenstein, s. Sigmaringen.
Thalheim bei Meßkirch: Das Pfarrhaus ist ein ehemaliges Jagdschlößlein des Fürsten Josef Friedrich von
Hohenzollern—Sigmaringen, 1715—69 erbaut. 155 )
Thanheim b. Hechingen kennt keinen Ortsadel (wohl
aber der badische Ort Tannheim bei Donaueschingen).
Doch sollen nach der Überlieferung, die Lud. Egler
1894 mitteilt, sowohl auf dem Horn, als auch auf der
Flur Blumen einst Schlösser gestanden haben. Ersteres
ist 1 km südlich der Pfarrkirche verzeichnet, die Flur
Blumen 800 m südöstlich von dort und 300 m östlich
des Horns links der Straße nach Onstmettingen am
Klingenbach. Große Steine und Ziegel sollen dort
gefunden worden sein. Zu sehen ist beiderorts nichts
mehr. Weiter südlich, schon auf Markung Streichen,
liegt der Hundsrücken, dessen drei alte Gräben als
Reste einer frühgeschichtlichen Anlage gelten, während
das westlich anschließende Felsplateau eine Ritterburg
getragen haben mag.156)
Trillfingen bei Haigerloch; In den Hohen Tannen, 2 km
nördlich der Wendelinskapelle, sieht man alte Gräben
und Wälle, die nicht erforscht sind.157)
Trochtelfingen besitzt außer den zwei runden Türmen
der Stadtbefestigung und dem werdenbergischen Schloß,
dem heutigen Schul- und Rathaus, 158 ) noch vier weitere Burgstellen: a) den Burgstall mit Wall und Graben oberhalb der Stadt links der Seckach, gegenüber
der Umspannanlage des Elektrizitätwerks, b) Der
Felsen Wetzeisburg gegen Steinhilben wurde zur Steingewinnung nach 1900 völlig weggesprengt, c) Bei der
Burgkapelle des 17. Jahrhunderts, 500 m nördlich der
Stadt, finden sich noch als Rest der früheren Burg
unbedeutende Gräben, d) Die „Hintere Burg" ist mit
der 1311 von den Reutlingen! zerstörten Haideck
identisch. Sie krönt (2,2 km nördlich des Ortes am
Südrand der geräumigen Haid) einen hohen Berg, der
hart östlich an der Kreuzungsstelle Landesbahn—
Straße steht. (Nebenan findet sich die Flur „ K ä s t l e " ^
Castellum!) Auf dem Berggipfel sieht man freilich
nur noch Gräben und Steinhaufen. Man kennt freie
Herren von Haideck 1139—1263.159) Außer den Herren von Truchtelfingen (1297—1420), wie die Siedlung f' nher geschrieben wurde, sind noch einige andere Adelsgeschlechter neben den Grafen von Werdenberg, bzw. Tübingen und Württemberg hier nachweisbar, so 1356 Hans von Salbadingen, der zeitweise auf der Burg zu Burladingen gesessen hatte,
153
) H H 1960, 19; Albv. 1960, 30.
) Zing. 128 f.: H H 1960, 19; Zur großen Schalksburg: Kreisbeschr. Balingen II, 453; Zing. 43 mit
Plan.
155
) Stehle 450.
156
) L. Egler, Mythologie, Sage u. Gesch. d. Hohz.
Lande, 1894, 208, Buhl-Knaus, Bisinger Heimatbuch
1953, 22; Frdl. Auskunft von Herrn Emil Dieringer,
Thanheim.
157
) Stehle 500; Zur Ortsgeschichte: Hodler 791.
158
) 2-ing. 132 mit Stadtplan.
15
°) H H 1967, 20; Alb^. 1967, 42; Zerstörung 1311:
WVJ 1883, 3.
154
11
Heinrich Rimmelin 1400, Eberhard Hipp 1467.160)
Die Burgstelle der Herren von Mägerkingen an der
Seckach unterhalb Trochtelfingen steht auf der linken
Seite des Baches und heißt heute Hielock, östlich von
Trochtelfingen und Steinhilben stand bei Oberstetten
auf einer Felskuppe die Burg Hohenstein. Teile des
Bergfrieds und der Umfassungsmauer sind erhalten.
Die hochadeligen Herren von Hohenstein starben um
1200 aus. Später erscheinen hier die Grafen von Zollern, dann die Kaib aus der Familie der Speth. Außer
dem Hohenstein gibt es laut OA. Beschreibung Münsingen in Oberstetten noch zwei weitere Burgställe,
doch ist einer durch den Bau des Hochbehälters zerstört.
V eringendorf: Der Flurname Altenburg (im Habsburger
Urbar auch „zebrochene Burg") liegt links der Laudiert und Landesbahn auf dem Felsen 500 m südlich
der Pfarrkirche. Hier dürfte die Vorgängerin der
Grafenburg von Veringenstadt gestanden haben. Siehe
auch Affelstetten. Burgverdächtig ist ein mitten im
Laucherttal oberhalb des Dorfes gelegener Hügel
namens Stetten, links des Baches.
Veringenstadt entstand um 1180—1200 aus dem Weiler,
der zur auf dem Bergsporn erbauten Burg der Grafen
von Veringen gehörte. Umfangreiche Ruinen der Burg
und die schön renovierte romanische Peterskapelle
fesseln den Blidc.161) Die Zimmerische Chronik von
1566 redet schon vom „alten Burgstall", angeblich
aber haben die Schweden 1632 das Schloß vollends
zerstört.
Walbertsweiler: Im Hausener Oeschle, wo die Herren
von Hausen im Donautal begütert waren, ist von
einer Burg nichts bekannt. Salem kaufte vor 1275 das
Gut Husen bei Walbertsweiler. 162 )
Weckenstein, s. Storzingen.
Wehrstein, s. Fischingen.
Weildorf bei Haigerloch hatte 1095 bis 1472 nachweisbar Adel, 163) Burgverdächtig ist der Hof Tannenburg.
Was Hodler jedoch zu ihm und „Wilisdorf" aus dem
8. Jahrhundert bringt, bleibt unglaubwürdig. Ein
anderer Ort Weildorf mit Adel liegt im Linzgau bei
Uberlingen.
Weilheim bei Hechingen: Hier steht eine sogenannte
Wehrkirche auf einem Bergsporn, heute noch ummauert samt dem Friedhof und dem Pfarrhaus. Der
einst freistehende Kirchturm gehörte (nach dem 5 m
über dem Erdboden befindlichen nach Westen schauenden alten Eingang zu sch'ießen) ehemals zu einer im
Westen vorgebauten Burg, die ganz verschwunden
ist.164) Außer dieser Höhenburg (500 m ü. M.) findet
man auch noch 290 m östlich der Kirche den schwachen Oberrest einer Tiefenburg, nämlich den abgerundeten Hügel „Uf der Burg" von 5—6 m Höhe, im
Osten begrenzt von Zimmer- oder Weidenbach, im
Westen vom Krotten- oder Doifbach und im Süden
geschützt durch einen künstlichen Graben (460 m
ü. M.). Kleine Scherbenreste hat Elmar Blessing fest16
°) H H 1858, 28; Mitt. 38, 36.
) Zing. 51 m. Bild und Plan; Die Grafen von Veringen: Mut. Jg. 2—5 (Locher); H J H 1964, 1—132;
ZWL 1968, 1—30; Peterskapelle: KDS 393;
Dienstmannen von Veringen: 1238 Cunrad, 1251
Berthold: Cod. Sal. I, 225, 307; Kasper 98.
16ä
) Cod. Sal. III, 137.
163
) Hodler 808.
164
) KDS 309; Elmar Blessing, Die Kirchenpatrone im
Kreis Hechingen, 1962, 41.
161
12
gestellt. Der Platz darum her heißt Wörth und der
von der Kirche dahin führende Weg „Werdgasse"
(nicht Wehrgasse; Werd—Damm). Zur Burg passen
sowohl die „Breite" im Süden und der „Brühl" im
Norden. Als Bewohner hier oder bei der Kirche
käme ein -„B(erthold) von Wilhain" in Betracht, der
1285 als Zeuge in Hechingen auftaucht. Burgenverdächtig gelten auch die Fluren Burgaich bzw. Burkach
(520 m ü. M.) in 1 km Entfernung nordwestlich der
Kirche, und (da schwäb. Turn gleich Turm ist) die
Flur Mißturne, 800 m östlich der Kirche, sowie
Turne, 1600 m nordwestlich des Dorfes, freilich alle
ohne Spuren.165)
Wendelstein, s. Gammertingen.
Wessingen: Auf dem östlich vom Dorf gelegenen Hörnle
oder Hornrain (Bismarckshöhe oder Belvedere), auf
dem jetzt der Hochbehälter der Bodenseewasserleitung
errichtet ist, fand man noch im vorigen Jahrhundert
alte Keller. Es ist das Hörnlein Stauffenberg, der
Burgplatz der zollerischen Truchsessen von Stauffenberg, deren Name um 1316 auf die Schenken von
Zell überging und wenig später in die Nähe von
Rangendingen wanderte. 143 )
Zell am Zoller, heute Kirche und Friedhof „Maria
Zell",16®) ist der Stammsitz der Schenken von Zell,
Neuenzell (1269 Niedernzell), Andeck bei Thalheim,
Hirrlingen, Erpfingen und Stauffenberg. Siehe Boll!
Ein Abschnittsgraben um kleinen Raum auf dem Zeller
Horn, das einst zu Zell, jetzt Onstmettingen gehört,
ist nicht erforscht, nur in der Kreisbeschreibung Balingen als hallstattzeitlich vermutet. 167 ) Hier könnte eher
eine kleine Burg gestanden haben. Die Zollerische
Landtafel Merians von 1662 zeigt an dem Platz ein
festes Haus, größer als die andern Tiergartenhäuslein.
Zimmern bei Hechingen: Eine Flur Bürgle unweit der
Kirche weist auf den Platz, an dem der 1134—56
nachweisbare Graf Gottfried von Zimmern, Bruder
des Zollergrafen Egino, seinen Sitz gehabt haben
dürfte. Zu sehen ist nichts mehr.168) Vgl. auch Heiligenzimmern.
NACHTRAG:
Hechingen: Die 3 Wohltäter des Klosters Zwiefalten
um 1120, nämlich Kuno, Berthold und Berta von
Hachingen und ein im Nekrolog unterm 26. Januar
eingetragener Wezel (vor 1150) dürften ihren Wohnsitz an Stelle des späteren (neuen) Schlosses gehabt
haben.
Inneringen: Eine Guota von Inaringz'n schenkte um 1120
dem Kloster Zwiefalten ein goldgefaßtes Bein-Kreuzlein mit einer Blutreliquie des Heilandes (Zwief.
Chr. 121). Ihre Wohnung vermuten Maier und Krezdorn (Geschichte von Inneringen 1966, 32 und 95) auf
dem 1313 erwähnten Schiltauer Fronhof, dem späteren Zwingerhof.
Gammertingen: Das Kloster Mariaberg (jetzt wiirttbg.
Heilanstalt oberhalb Gammertingens und Bronnens)
sei nach der Ueberlieferung ebenfalls an Stelle einer
Burg von einer Gräfin nach Verlust ihrer Kinder
gegründet worden.
165) Frdl. Auskünfte des staatl. Vermessungsamts Hechingen und des Herrn Bürgermeisters Beck—Weilheim; U Stetten Nr. 8.
166
) Note 22; W. Bauer in Aibv. 1931, 289—294. Eine
interessante Vermutung über die Herkunft der
Schenken von Zell (1250) in H J H 1962, 218!
107
) Kreisbeschreibung Balingen 1, 173.
168
) Zwief. 243, 345.