MEGABRANCHE LOGISTIK Wie Immobilieninvestoren vom

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MEGABRANCHE LOGISTIK Wie Immobilieninvestoren vom
SONDERAUSGABE MÄRZ 2008
MEGABRANCHE LOGISTIK
Wie Immobilieninvestoren vom
weltweiten Wachstum profitieren
nachhaltige Gebäude
Warum Zertifizierungssysteme neue
Standards setzen
Klein, aber Fein
Warum Skandinavien ins Blickfeld
internationaler Immobilienanleger
rückt
N r. 0 1 / 2 0 0 8
MEGABRANCHE LOGISTIK
Wie Immobilieninvestoren vom
weltweiten Wachstum profitieren
NACHHALTIGE GEBäudE
Warum Zertifizierungssysteme neue
Standards setzen
KLEIN, ABER FEIN
Warum Skandinavien ins Blickfeld
internationaler Immobilienanleger
rückt
Der Hong Kong International
Airport „Chek Lap Kok“. Der
1998 fertiggestellte Flughafen
wurde von Lord Norman Forster
entworfen. Weitere Infos unter:
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R a u m & M e h r 0 2 _ 0 E n t r e e
Zwischen Krise und Schatzsuche
von Robert Orr
Nach fünf Jahren einer fantastischen Per-
Vorzeige-Immobilienfonds, dessen Wert im
formance auf dem Immobilienmarkt haben
zweiten Halbjahr 2007 von 2,1 auf 1,5 Mil-
sich die Spielregeln plötzlich verändert. Zu
liarden Pfund gesunken war. Und Norwich
einem Zeitpunkt, als sich ohnehin schon ein
Union gab bekannt, dass ihr Immobilien­
Wechselbad der Gefühle eingestellt hat-
trust von 4,4 Milliarden Pfund in der Spit-
te, hat die Subprime-Krise in den USA im
ze im vergangenen Mai auf 2,8 Milliarden
vergangenen August nicht nur das Ende
Pfund im Januar 2008 abgestürzt war. Im
des billigen und leicht verfügbaren Geldes
gleichen Monat fror Scottish Widows seinen
eingeläutet, sondern auch allgemeines
2 Milliarden Pfund schweren Fonds für ei-
Unbehagen auf den globalen Immobilien­
nen Zeitraum von bis zu einem Jahr ein und
märkten ausgelöst.
folgte damit den Beispielen von mindestens
Die Frage ist, ob die Transaktionen zum Er-
sieben weiteren britischen Fondsbetreibern,
liegen gekommen sind oder die Tal­sohle
die seit Anfang Dezember 2007 die Eiszeit
erreicht ist und Investoren schon wieder
für ihre Fonds ausgerufen hatten.
Schätze sehen, die es zu heben gilt. Gene-
Das sind jedoch nicht notwendigerweise
rell besteht kein Zweifel, dass der britische
nur schlechte Nachrichten. Viel wichtiger ist,
Markt von der Subprime-Krise sichtlich in
dass Großbritannien nun langsam wieder ein
Mitleidenschaft gezogen wurde und dass
Markt mit attraktiven Preisen wird. Einerseits
eine grundlegende Korrektur stattgefunden
erscheint London mit seinen längeren Miet-
Kontakt zu Robert Orr:
hat. Im Londoner Westend sind die Spitzen-
laufzeiten und mit Spitzenrenditen für Büro-
[email protected]
anfangsrenditen für Büroflächen im zwei-
flächen in der City von derzeit 5,5 Prozent
preiswert − selbst im Vergleich zu einigen
4,5 Prozent gestiegen. In der City haben
mitteleuropäischen Märkten, wo die Spitzen-
sich die Spitzenanfangsrenditen im ent-
renditen immer noch näher an den 5 Prozent
sprechenden Zeitraum sogar um 125 Basis-
liegen. Mit Fünf-Jahres-Swap-Rates unter
punkte auf 5,5 Prozent erhöht. Über alle Im-
5 Prozent in Großbritannien bietet der Büro-
mobilienarten hinweg rutschte die jährliche
markt für Core-Investoren erstmals seit vielen
Wertentwicklung von plus 12,5 Prozent im
Jahren wieder eine positive Renditespanne.
Jahr 2006 auf nun minus 8,6 Prozent 2007.
Internationale Player, die zuvor an Groß-
Die Jahreserträge – also Miete plus Wertent-
britannien nicht interessiert waren, überden-
wicklung – gingen von plus 18,1 Prozent auf
ken deshalb bereits ihre Strategie.
minus 4,4 Prozent zurück.
Auf längere Sicht hin wird die Performance
Es überrascht deshalb kaum, dass die ge-
des britischen Immobiliensektors von der
werblichen Immobilienvehikel in Großbri-
Erholung der Kreditmärkte und von der
tannien zu kämpfen haben. Die britischen
Belastbarkeit der britischen Volkswirtschaft
REIT-Aktien verloren von Januar bis Dezem-
abhängen. Es deutet jedoch vieles darauf hin,
ber 2007 durchschnittlich 38 Prozent. Im Ja-
dass die bisherigen Wertkorrekturen langsam
nuar 2008 schockte New Star Asset Manage-
wieder neue Transaktionen in Gang bringen –
ment mit einer Gewinnwarnung für seinen
­allerdings mit anderen Käufergruppen.
International Capital Group
von Jones Lang LaSalle in
London.
Weitere Informationen unter:
www.joneslanglasalle.de
Foto: Jones Lang LaSalle
ten Halbjahr 2007 um 100 Basispunkte auf
Robert Orr ist Mitglied der
Raum & Mehr 0_05
I n h a lt
06
Markt & Branche
Aus der Nische heraus Globalisierung ohne
Logistik? Undenkbar. Autos, Spielzeug, Kleidung
ohne den weltweiten Transport auf Schiffen und
Lkw? Nicht mehr vorstellbar. Von der Megabranche
Logistik profitieren auch Immobilienanleger. Seite 6
Gebaut für die Zukunft Das Thema Nachhaltigkeit ist endlich befreit aus dem Elfenbeinturm
der Wissenschaft: Vermehrt erkennen Firmen, dass
ökologisches Bewusstsein eine Investition in die Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäfts ist. Seite 12
Klein, aber fein Die skandinavischen Länder haben
sich zu wirtschaftsstarken Vorzeigestaaten gewandelt.
Fotos: Visum/Zeitenspiegel/Rainer Kwiotek; Union Investment(2); Visum/Ilja C. Hendel; www.freudenberg-ds.de; Sothebys; Getty Images
Kein Wunder also, dass sie in das Blickfeld internationaler Immobilieninvestoren gerückt sind. Seite 16
12
Mensch & Arbeit
Ra u m & A n l a g e
Gefühlte Raumqualität Kein Zweifel, die
Gut gebündelt Die Neufassung des Investment-
Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern wird von ihrem
gesetzes macht es für Offene Immobilienfonds
Arbeitsumfeld stark beeinflusst. Wie stark genau, das
leichter, sich an einer Objektgesellschaft zu beteiligen.
wollen Bürodesigner messbar machen. Seite 20
Im Ausland ist dieses Modell weitverbreitet, denn
es bietet eine Reihe von Vorteilen. Seite 24
16
Neu aufgestellt Offene Fonds sind wieder attraktiv.
Die Branche hat durch ein Maßnahmenpaket die
Wende geschafft. Ab 2009 profitieren Anleger
zudem durch die Abgeltungsteuer. Seite 28
Ra u m & L e b e n
Inbegriff von Stil Kleider machen Leute
und Leder das Reisegepäck. Wie kaum ein
anderes Material steht Leder bis heute
für stilvolle Koffer, Aktentaschen und
Reiseaccessoires. Seite 30
20
30
R a u m & M e h r 0 _ 0 7 M a r k t & B r a n c h e
Aus der Nische
Globalisierung
ohne Logistik?
Undenkbar. Autos,
Spielzeug, Kleidung
ohne den weltweiten Transport auf
Schiffen und Lkw?
Nicht mehr vorstellbar. Von der Megabranche Logistik
profitieren auch
Fotos: Plainpicture/Stephan Zirwes, EB-STOCK/Emanuel Bloedt
Immobilienanleger
heraus
Container am Hamburger Hafen: Die Logistikbranche setzte 2006 etwa 180 Milliarden Euro um. Damit war sie nach
dem Handel und der Automobilindustrie der drittgrößte Industriezweig in Deutschland.
R a u m & M e h r 0 8 _ 0 9 M a r k t & B r a n c h e
Die Logistikbranche ist einer der größten Nutznießer
der Globalisierung. Fast alles, was heute die Fabriken verlässt und in
­Geschäften ausliegt, wird auf irgendeine Weise transportiert oder
gelagert. Nach den aktuellen Zahlen der Welthandelsorganisation
WTO legte der Welthandel in den vergangenen Jahren kontinu­
ierlich zu – 2006 um 8 Prozent. Und auch im vergangenen Jahr
dürfte der Zuwachs ähnlich ausgefallen sein. Das Bruttoinlands­
produkt aller Staaten kam dabei 2006 nur um 3,5 Prozent voran.
Der Handel zwischen den Ländern wuchs damit fast doppelt so
schnell wie die Weltwirtschaft. Insgesamt exportierten die Länder
2006 weltweit Waren für fast 15 Billionen Dollar – mehr als dop­
pelt so viel wie 1999. Trotz der weltweiten Handelsverflechtungen
fand der größte Warenaustausch innerhalb Europas statt. Fast ein
Drittel des Welthandels machten die europäischen Staaten unter
sich aus. Deutschland hatte daran einen erheblichen Anteil und
ist nach der Öffnung des Kontinents nach Osten aufgrund seiner
zentralen Lage zu einem der wichtigsten Logistikstandorte in Eu­
ropa geworden. Die Branche setzte knapp 180 Milliarden Euro
um. Damit war die Logistik nach dem Handel und der Automobil­
industrie der drittgrößte Industriezweig in Deutschland.
Davon profitieren langfristig nicht nur die Transport- und Dienst­
leistungsunternehmen. Auch Immobilieninvestoren haben die Chan­
cen erkannt, die sich mit Logistikimmobilien bieten. Nach einer
aktuellen Einschätzung von Jones Lang LaSalle (JLL) machen Logis­
tik- und Industrieimmobilien mittlerweile rund 4 Prozent der ins­
Dynamische Entwicklung
Der deutsche Lagerflächenmarkt erreichte 2007 mit
fast vier Millionen Quadratmetern einen Rekordumsatz.
Dynamisch entwickelten sich die Gebiete außerhalb
der Ballungsräume. Mit 2,64 Millionen Quadratmetern
(+ 53 Prozent gegenüber 2006) waren sie für zwei Drittel des Umsatzes 2007 verantwortlich. Dagegen gingen
die Umsätze in den Top-5-Ballungsräumen insgesamt
um 17 Prozent auf 1,28 Millionen Quadratmeter zurück.
Logistikimmobilien im Aufwind
Regionale Flächenumsätze 2007* in 1.000 Quadratmetern,
Veränderung gegenüber 2006 in Prozent
2007
Blick auf den Hamburger Hafen: Laut einer Untersuchung des
Logistikberaters SCI setzt jede zweite deutsche Logistikfirma
die Hansestadt auf Platz eins der bevorzugten Standorte.
Veränderung
Frankfurt**
302
+2 %
Hamburg
301
– 42 %
München
242
–2 %
Düsseldorf
222
–6 %
Berlin
209
–11 %
Summe Ballungsräume
1.275
–17 %
Außerhalb der Ballungsräume
2.640
+53 %
Gesamt
3.915
+20 %
* Abschlüsse über 4.000
m2
** inkl. Wiesbaden
Quelle: JLL Deutschland
titutionellen Investitionen in Deutschland aus. Dementsprechend
wurden 2007 rund 2,62 Milliarden Euro in Hallen und Lager investiert, ein Plus von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Die Aneinanderreihung von immer wieder neuen Rekordergebnissen wird in
2008 allerdings keine Fortsetzung finden. Wir gehen davon aus,
dass eine Größenordnung von um die 2 Milliarden Euro erreicht
werden könnte“, sagt Rainer Koepke, Leiter Industrie Immobilien
bei JLL Deutschland.
Da ein Großteil der Waren das Land über den Seeweg erreicht
und verlässt, gehören die großen Hafenstädte zu den bevorzugten
Standorten. Nach einer Untersuchung der Logistikberatung SCI setzt
jede zweite deutsche Transport- und Logistikfirma Hamburg auf Platz
eins. Den zweiten Platz belegt das Ruhrgebiet, das alleine durch die
hohe Zahl an Menschen, die versorgt werden müssen, eine große
Rolle spielt. Zudem hat die Region eine gute Anbindung an die wichtigen internationalen Häfen Amsterdam und Rotterdam und mit
Duisburg den größten Binnenhafen Europas. Auch die Analysten des
Düsseldorfer Immobilienberaters Aengevelt glauben, dass die Region
Hamburg in den kommenden Jahren einer der größten und wachstumsträchtigsten Märkte für Logistikimmobilien bleiben wird.
Union investiert in Logistikimmobilien
Auch Union Investment setzt auf Logistikimmobilien als ergänzende
Anlage in ihren Immobilienfonds. Jüngste Neuerwerbung ist ein rund
59.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum in Muggensturm (Landkreis Rastatt), welches die Kapitalanlagegesellschaft für ihren Offenen Immobilienfonds ImmoInvest: Europa angekauft hat. Die Immobilie ist für zwölf Jahre an die IHLE Baden-Baden AG, einen der
europaweit führenden Großhändler für Reifen, Felgen und Zubehör,
vermietet. Die zentrale Lage an der Grenze zu Frankreich profitiert
besonders von der voranschreitenden Integration des EU-Binnenmarkts. Der Erwerb des Logistikzentrums in der Rheinebene ist das
dritte Investment von Union Investment auf dem deutschen Logistikmarkt. Vor Kurzem hatte Union Investment die Projektentwicklung
eines Logistikparks in Worms sowie das PrimeX-Logistikzentrum in
Norderstedt bei Hamburg erworben. „Mit gut positionierten Logistikimmobilien gewinnen wir renditestarke Beimischungen für unsere
Foto: www.christoph-papsch.com
Mieten steigen deutlich
Weitere Chancen sieht das Maklerhaus außerhalb der sogenannten Top-5-Ballungsräume in den Regionen Bremen, Halle / Leipzig und in Nordhessen rund um Kassel / Bad Hersfeld (siehe Tabelle).
Für Martin Schachner-Blume, Berater beim Maklerunternehmen
Dr. Lübke, stehen die beiden „Tore nach Osteuropa“ – Leipzig
und Nürnberg – auf der Wunschliste der Investoren ganz oben.
Vor allem Leipzig hat in den letzten Jahren einen immensen Aufschwung erlebt. So verlegt der Kurierdienst DHL derzeit seinen
europäischen Knotenpunkt von Brüssel nach Leipzig. Handelsunternehmen wie Amazon oder Quelle errichteten hier jeweils ihre
größten Versandzentren. Bis 2012 sollen zahlreiche Zuliefer­betriebe
und Dienstleister folgen. Grund dafür ist die strategisch gute Lage
im Herzen Europas. Nach einer Untersuchung der Münchner
Logistikberatung Capten ist die Region optimal, um aus zentralen
­Warenlagern eine möglichst günstige Versorgung aller wichtigen
europäischen Ballungsräume vom Atlantik bis zum Ural zu gewährleisten. Von dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Osteuropa
profitieren neben Deutschland vor allem Zentral- und Südpolen
sowie der Südwesten der Slowakei. Diese Länder ziehen vor allem
nach der EU-Osterweiterung einen Vorteil aus ihrer zentralen Lage
und den etablierten Handelswegen gen Osten.
Nach den aktuellen Erhebungen von JLL konnten die europäischen Länder 2007 einen Zuwachs beim Logistikflächenumsatz
von 20 Prozent verbuchen. Auch die Mieten stiegen demnach
deutlich. Allen voran in Oslo (plus 22 Prozent im Jahresvergleich).
Starke Steigerungen zwischen 6 und 7 Prozent beobachtete JLL
auch in Edinburgh, Brüssel, Antwerpen und Lyon. Die Zahlen belegen, dass neben den aufstrebenden Regionen in Osteuropa
Skandinavien, Frankreich und Großbritannien zu den führenden
Logistiknationen gehören. Der wichtigste europäische Markt für
Investoren ist aber Deutschland. Nach JLL-Zahlen beläuft sich der
überwiegend in Büro- und Einzelhandelsobjekte investierten Immobilienfonds“, so Frank Billand, Vorstandsmitglied der Union Investment
Real Estate AG. International kaufte die Immobilieninvestmentgesellschaft Anfang 2008 den „Parque Industrial Tecnológico II“ in Guadalajara. Der Ankauf des rund 121.500 Quadratmeter Mietfläche umfassenden Gewerbe- und Logistikparks für den UniImmo: Europa markiert den Einstieg in den mexikanischen Logistikimmobilienmarkt.
Nutzflächenbestand von Logistikimmobilien in den vier größten
Ballungsräumen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München sowie den
Großräumen Frankfurt und dem Ruhrgebiet auf etwa 13 Millionen Quadratmeter.
Trotz der großen Volumina sind Leerstände besonders bei modernen Lagerhallen selten geworden. Vor allem in den wichtigen
Logistikzentren und den Häfen übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich. „Die Anfragen, die wir bekommen, sind phänomenal“, freut sich Christian Bischoff, Regional Director Nordeuropa
beim US-Logistikimmobilienentwickler Prologis. Denn nicht alles,
was in den Maklerberichten gezählt wird, wird auch von den Firmen gesucht. Während bei älteren Hallen noch ein ausreichend
großes Angebot besteht, fehlt es vor allem an großen, neuen Logistikflächen. Thomas Steinmüller, Managing Director der Capten
AG, beobachtet eine Tendenz hin zu größeren Hallen. Noch vor
wenigen Jahren seien 10.000 Quadratmeter die unterste Grenze
gewesen, heute sollten es schon mindestens 30.000 Quadratmeter sein. Aufgrund der besseren Anbindungen innerhalb Europas
würden viele regionale Lager aufgelöst und die Länder aus einem
einzigen, großen Lager beliefert. Mit den steigenden Transportkosten, vor allem aufgrund der explodierenden Ölpreise, könne
R a u m & M e h r 1 0 _ 1 1 M a r k t & B r a n c h e
sich das zwar wieder ändern, doch die Kostenvorteile in großen
Lagern seien enorm.
Bestätigt wird die Nachfrage nach großen Logistikflächen durch
den Trend hin zu Logistikparks mit einer Million Quadratmetern und
mehr. So umfasst zum Beispiel das Güterverkehrszentrum vor den
Toren Bremens eine Nutzfläche von 496 Hektar (4,96 Millionen Quadratmeter). In diesen Megaparks lassen sich klassische Logistikdienstleister wie Kurier- und Paketdienste sowie Speditionen nieder. Aber
auch Produktionsfirmen, Zulieferer und andere Dienstleister siedeln
sich dort an. Denn längst nicht mehr bestimmt das bloße „rein ins
Lager, raus aus dem Lager“ die Abläufe in den Hallen. Heute sind
Logistikzentren kleine Fabriken. Produkte werden vormontiert, repariert, gelagert, manchmal sogar komplett hergestellt. Andere werden
umgerüstet, angelieferte Einzelteile werden zusammengebaut, neu
verpackt und verschickt. „Mehrwertdienstleistungen“ nennen das
die Fachleute. „Computerfirmen zum Beispiel schätzen die Nähe
zu Rollfeld und Autobahn. Statt ein defektes Notebook zeit-, kosten- und verkehrsintensiv ins Ausland zum Hersteller zu transportieren, wird es am Flughafenstandort beziehungsweise in dessen
Nähe repariert“, erklärt Professor Rudolf Juchelka von der Universität Duisburg-Essen, der in einer aktuellen Studie das Potenzial von
Logistik-Gewerbeparks an Flughäfen untersucht hat.
Die Gebäude selber möchten immer weniger Unternehmen in
ihren Bilanzen stehen haben. So sucht die Deutsche Post beispielsweise derzeit einen Käufer für 1.300 eigengenutzte Immobilien im
Wert von geschätzten 1,5 Milliarden Euro. Auch andere Logistiker
trennen sich von ihren Liegenschaften. Der Verkauf der Logistikimmobilien hat den Vorteil, dass das fest verbaute Kapital inklusive
der stillen Reserven aktiviert wird. Das verbessert die Liquidität,
die Rentabilität des Eigenkapitals und damit auch das Rating der
Unternehmen. Zudem gehört die eigene Bewirtschaftung und Verwaltung der Immobilien nicht zum Kerngeschäft vieler Firmen und
ist deshalb meist teurer und aufwendiger, als Miete zu bezahlen.
Dieser Meinung ist auch Gernot Beer, Finanzvorstand der Andreas-Schmid-Logistik-Gruppe in Gersthofen bei Augsburg. Trotzdem
sieht er keinen einseitigen Vorteil in der Anmietung von Logistik­
immobilien. So sei man mit selbst bewirtschafteten Flächen bei
Umbauten oder Umorganisationen der Abläufe deutlich flexibler
und schneller. „Wir versuchen, einen Mix zu finden aus eigenen
und angemieteten beziehungsweise geleasten Flächen“, erklärt
Beer. Am schwäbischen Stammsitz gehören die Immobilien dem
Unternehmen, an entfernten Standorten oder im Ausland bevorzuge man gemietete Objekte. Auch bei den Laufzeiten setzen die
Unternehmen auf eine gute Mischung. „Große, zusammenhängende und preisgünstige Flächen mieten wir bei guter Lage gerne länger an, ansonsten achten wir auf kürzere Laufzeiten, um
flexibel reagieren zu können“, so Beer.
„1 Prozent Wirtschaftswachstum weltweit führt zu 2 Prozent
mehr Handel und zu 3 Prozent mehr Containern“
Professor Frank Straube, TU Berlin
Wer keine Immobilien mehr besitzt, die ausgelastet werden
müssen, kann zudem flexibler auf Veränderungen der Auftragslage reagieren. Denn viele Outsourcing-Verträge mit den Kunden
aus der Industrie laufen nur zwischen drei und sieben Jahren. Für
diese Zeit möchte sich kein Unternehmen eine teure Lagerhalle
bauen, die es nach Auslaufen des Vertrags vielleicht nicht mehr
benötigt. Nur Unternehmen, die zehn oder mehr Jahre ein Gebäude nutzen werden oder eine speziell auf die eigenen Bedürfnisse
zugeschnittene Immobilie benötigten, würden tendenziell selber
bauen, stellt JLL fest. Immer mehr Firmen mieten daher ihre Hallenflächen oder verkaufen eigene Lagerobjekte an Investoren und
leasen sie zurück. Doch institutionelle Anleger sind bei der Auswahl
der Immobilien wählerisch. Dabei steht die Drittverwendungsfähigkeit an erster Stelle. Zieht ein Mieter aus, müssen aufwendige
Internationale Handelsströme 2006
709 (6,1)
regionaler Handel
in Mrd. Dollar
388 (3,3)
Europa
GUS-Staaten
Nordamerika
3.651
überregionaler Handel
in Mrd. Dollar (Anteil am
gesamten Welthandel
in Prozent)
80
905
451 (3,9)
72
Anteil des regionalen Handels
am gesamten Welthandel in Prozent
Europa
31,4
Asien
14,1
Nordamerika
7,8
Südamerika
1,0
GUS
0,7
Naher Osten
0,6
Afrika
0,3
Naher Osten
242
(2,1)
268 (2,3)
Asien
970 (8,3)
Afrika
111
Südamerika
33
1.638
1.022 (8,8)
Quelle: WTO
Büroräume oder fest installierte Montagestraßen umgebaut werden können. Auch müssen sich mehrere Nutzer die Halle aufteilen
können, beziehungsweise Flächen müssen problemlos erweiterbar
sein. „Gerade bei Neubauten ist diese Anforderung mittlerweile
absolute Pflicht“, weiß Martin Schachner-Blume von Dr. Lübke.
Auch einige technische Voraussetzungen gehören zu den unverzichtbaren Eigenschaften moderner Hallen: So muss die Lagerhöhe mindestens zehn Meter betragen und pro 1.000 Quadratmeter Hallenfläche wenigstens ein Lkw-Ladetor vorhanden
sein. Gefragt sind Immobilien in Ballungszentren mit einer guten
Anbindung an das Autobahnnetz. Nach der Einführung der LkwMaut spielt auch der Eisenbahnanschluss wieder eine große Rolle
sowie die Nähe zu internationalen Flughäfen. Auch Nachhaltigkeit ist ein Thema. So errichtete der Immobilienentwickler Gazeley in Wiesbaden ein ökologisches Logistikzentrum, bei dem der
Energie- und Wasserverbrauch deutlich reduziert werden konnte.
Auch Christian Bischoff von Prologis stellt fest, dass immer mehr
Mieter bereit seien, für energiesparende und nachhaltig konzipierte Hallen mehr Miete zu bezahlen.
Trotz der hohen Nachfrage gehen Experten in den kommenden
Monaten von leicht fallenden Preisen aus. „Mittelfristig rechne
ich damit, dass die Preise etwas zurückgehen“, so Martin Schachner-Blume. Jedoch bieten Logistikimmobilien noch immer einen
kleinen Renditekick. JLL erwartet, dass die Spitzenrendite bis Ende
dieses Jahres von 6,32 Prozent auf 6,57 Prozent steigen wird.
Laut Aengevelt werden Logistikimmobilien aufgrund des wachsenden Bedarfs nach neuen Flächen in den kommenden Jahren
weiterhin bei in- und ausländischen Investoren beliebt sein. Die
Wertsteigerungspotenziale seien jedoch bei den derzeit hohen
Kaufpreisen und einem relativ stabilen Mietpreisniveau vergleichsweise gering.
Alexander Heintze arbeitet als freier Journalist in München.
„Blutkreislauf der Wirtschaft“
Wohin entwickelt sich die Logistik? Professor Frank Straube, Leiter des Bereichs Logistik an der Technischen Universität Berlin und
stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL), wagt einen Blick in die Zukunft
RAUM & mehr: Stellt die
Entwicklung des Ölpreises nicht
eine große Gefahr dar?
Straube: Logistik ist heute deutlich mehr als Transport. Es ist das
Planen und Steuern ganzer Abläufe. Dabei setzen sich die gesamten
Logistikkosten aus Management-,
IT-, Transport- und Lagerkosten zusammen. Bei Industrieunternehmen machen diese rund 8 Prozent
aus, bei Handelsunternehmen etwa
20 Prozent. Die Treibstoffkosten
schlagen vielleicht mit 2 bis 5 Pro-
zent der Logistikkosten zu Buche.
Wir gehen davon aus, dass sich
die ­Logistikkosten über steigende
Energie­kosten erhöhen. Aber es gibt
andere Effekte, die das überlagern.
RAUM & mehr: Welche sind das?
Straube: Es sind vor allem drei
Dinge: mehr Arbeitsteilung weltweit, mehr Wirtschaftswachstum
und steigende Bevölkerungszahlen.
Damit ist Logistik so etwas wie der
Blutkreislauf der Wirtschaft.
RAUM & mehr: Welche Rolle
spielt Deutschland dabei?
Straube: Deutschland hat eine
­besondere Rolle als Transitland,
aber auch als Kompetenzland für
Logistik. Die größten Logistikdienstleister weltweit sind deutsche. Die
deutsche Logistik ist im weltweiten Vergleich von Institutionen wie
Weltbank und EU gut bewertet
worden. Und sie schafft Arbeitsplätze. Rund 2,5 Millionen Menschen
machen in Deutschland Logistik.
RAUM & mehr: Welche Probleme
ergeben sich daraus? Gibt es etwa
ausreichend Logistikflächen?
Straube: Logistikflächen gibt es
genug in Deutschland. Die Herausforderung ist die Integration dieser Logistikflächen in Logistikströme. Viele Güterverkehrszentren sind
aus politischen Gründen entstanden und bilden nicht unbedingt die
Warenströme der Wirtschaft ab.
Teilweise sind sie schlicht an der
falschen Stelle entstanden. Ihre Verknüpfung mit Verkehrsträgern und
Firmen ist das große Thema.
RAUM & mehr: Welche Anforderungen haben Unternehmen an
moderne Logistikflächen?
Straube: Unternehmen suchen
Lieferantenparks in der Nähe der
Produktion; Dienstleister in der
Nähe von Häfen oder Eisenbahnterminals. Da gibt es immer mal
wieder in Ballungsgebieten den
Kampf um Fläche. In Summe ist die
Bedeutung von Logistikflächen für
die Wirtschaft in den letzten Jahren
deutlich gestiegen. Diese Materie
ist heute umkämpft, aber es stellt
keinen Engpass dar. Wo es klemmt,
ist die Infrastruktur in den Häfen
und auf den Straßen. Die Container müssen schneller aus den Häfen heraus, hin zu den Firmen. Das
ist ein großes Problem. 1 Prozent
Wirtschaftswachstum weltweit führt
zu 2 Prozent mehr Handel und zu 3
Prozent mehr Containern. Dieser
Faktor führt dazu, dass sich die
weltweiten Containerströme alle
fünf Jahre verdoppeln.
Interview: Alexander Heintze
Foto: BVL
RAUM & mehr: Die Logistik
gehörte in den letzten Jahren zu
den absoluten Boombranchen.
Droht nun aufgrund der steigenden
Öl- und Transportkosten und des
bevorstehenden Abschwungs ein
Ende dieser Entwicklung?
Frank Straube: Wenn die Wirtschaft schrumpft, haben wir einen
Rückgang im Volumen. Durch die
weltweite Arbeitsteilung findet der
Rückgang aber nicht 1:1 statt, sondern beträgt nur etwa 50 Prozent
des Zuwachses. Das kommt daher,
dass Unternehmen in Rezessionszeiten noch stärker Produktion in
Billiglohngebiete verlagern. Egal,
ob es boomt oder nicht boomt: Die
Logistik wird immer gebraucht. Die
Branche schafft in Rezession und
in Boomzeiten Arbeitsplätze.
Professor Frank Straube ist
Leiter des Bereichs Logistik an
der Technischen Universität
(TU) Berlin.
Weitere Informationen
unter www.bvl.de
Kontakt zu Professor Straube:
[email protected]
Beispiele für nachhaltiges Bauen: Blick in das Atrium des IBN
Institute for Forestry and Nature Research (links) im niederländischen Wageningen,
entworfen vom Stuttgarter
Büro Behnisch Architekten.
Bereits 2005 erhielt der Büroturm (rechts) mit der prominenten Adresse 111 South
Wacker in Chicago das begehrte LEED-Zertifikat. Seit
2005 gehört er auch zum Bestand von Union Investment.
R a u m & M e h r 1 2 _ 1 3 M a r k t & B r a n c h e
Gebaut für die Zukunft
Das Thema Nachhaltigkeit ist endlich befreit aus dem Elfenbeinturm der
Wissenschaft: Vermehrt erkennen Unternehmen, dass ökologisches Bewusstsein
und soziales Engagement eine Investition in die Zukunftsfähigkeit und den
Bestand des eigenen Geschäfts sind – und handeln danach. Neue, nationale
Zertifizierungen setzen zudem Standards. Auch Deutschland zieht jetzt nach
Seit ihr Schreibtisch im neuen Unternehmensgebäude steht, fühlt sich Jill Kasza richtig wohl: „Nicht einen einzigen
Schnupfen“ habe sie mehr gehabt, sagt die Angestellte eines der
größten Energieversorger der USA, Exelon, mit Sitz in Chicago. Zuvor hatte sie mindestens zwei- bis dreimal pro Jahr wegen Erkältung das Bett hüten müssen. Ihre bessere physische Verfassung
wirke sich auch auf ihre Produktivität aus, sagt sie und führt den
Erfolg auf das angenehme Raumklima im neuen Gebäude zurück:
Dank eines Systems zur Raumluftfilterung, Öko-Wandfarben und
emissionsarmen Bodenbelägen ist zumindest die buchstäblich „dicke Luft“ kein Thema mehr am Arbeitsplatz der US-Amerikanerin.
Exelons „grüner” Unternehmenssitz ist derzeit das größte Bürogebäude der Welt, das nach dem US-Gebäudestandard „Leadership
in Energy and Environmental Design“, kurz LEED, für die herausragende Qualität seiner Innenraum­gestaltung (Commercial Interiors,
CI) mit der höchsten Note Platin ausgezeichnet wurde. Der Energieverbrauch reduzierte sich gegenüber dem alten Domizil um 43
Prozent, der Wasserbedarf sank um 30 Prozent, und mit Blick auf
eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität fällt auf alle Arbeitsplätze und in jeden Konferenzraum natürliches Licht.
Fotos: Martin Schodder; Union Investment
Auszeichnung zieht Mieter an
Bereits 2005 erhielt ein Objekt, das heute zum Portfolio der
Union Investment Real Estate AG gehört, das begehrte LEED-Zertifikat: Der Büroturm mit der prominenten Adresse 111 South
Wacker im Geschäftszentrum von Chicago wurde mit dem Siegel
in Gold für seine nachhaltige Bauweise ausgezeichnet – und zog
nicht zuletzt aus diesem Grund namhafte Mieter wie Deloitte, Lord
Bissel and RR Donnelley an. Insgesamt erst 112 Bürogebäude, davon sechs mit Platin­status, tragen in den USA ein LEED-Zertifikat,
das seit 2000 verliehen wird. In Großbritannien, dem Mutterland
der Gebäudezertifizierung, zählt das zuständige Building Research
Establishment (BRE) allerdings bereits 100.000 nach dem nationalen Standard „Building Research Establishment Environmental Assessment Method“ – kurz BREEAM – zertifizierte Bauten.
Dazu zählen jedoch ebenso Wohnhäuser wie Schulen, Büros wie
Gefängnisse, Krankenhäuser und Produktionshallen. ­„BREEAM
wurde bereits 1990 entwickelt und ist das älteste Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen“, erläutert Heide Schuster von WS
Green Technologies in Stuttgart und ergänzt: „BREEAM ist sowohl Vorbild für den US-Standard wie auch für das australische
­Bewertungssystem.“
R a u m & M e h r 1 4 _ 1 5 M a r k t & B r a n c h e
Was nämlich in den USA – und auch in Kanada – LEED heißt, ist
in Australien der Green Star: Je nach Güte verleiht das „Green Building Council of Australia“ (GBCA) seit 2002 vier, fünf oder auch sechs
Sterne für besonders umweltfreundliche Gebäude. Und auch „down
under“ liegt grünes Bauen offenbar im Trend: „Das GBCA ist in den
vergangenen zwölf Monaten erstaunlich stark gewachsen“, sagt
GBCA-Vorsitzender Tony Arnel. So stieg die Mitgliederzahl von 260
auf mehr als 470. 15 Projekte wurden 2007 in ganz Australien neu
zertifiziert, 430 Projekte haben sich für eine Zertifizierung registrieren lassen. Besonders stolz ist Arnel auf eine weltweit erste Initiative,
die „Green Star Business Partnership“. Zehn der führenden australischen Industrieunternehmen und Regierungsorganisationen haben
sich freiwillig verpflichtet, alle neu errichteten eigenen wie gemieteten Gebäude einem Green-Star-Rating zu unterziehen. „Die Partnerschaft ist Ausdruck unserer Vision, über die rein ökologische auch die
soziale und wirtschaftliche Komponente des grünen Bauens stärker
ins Blickfeld zu rücken“, sagt der GBCA-Vorsitzende.
Der Wunsch nach Ausweitung des Themas hat einen guten
Grund: Bei allen Zertifizierungsinstrumenten geht es schließlich um
mehr als bloß ein Label für Umweltfreundlichkeit. „Die Zertifikate
weisen aus, dass in der Planung und Ausführung Nachhaltigkeitskriterien eingehalten wurden“, versucht Heide Schuster eine Definition. Dabei meint nachhaltiges Bauen deutlich mehr als nur die
Errichtung eines „Öko-Hauses“. Wer nachhaltig baut, muss
• auf eine hohe städtebauliche wie gestalterische Qualität
Wert legen oder auf Funktionalität achten;
• die ökonomischen Folgen des Ressourcenverbrauchs über
die gesamte Lebensdauer des Gebäudes im Blick haben;
• ökologische und schließlich soziale Effekte des
Vorhabens berücksichtigen.
Ein Zertifikat muss all diese Nachhaltigkeitskriterien prüfen,
sie gewichten und sie schließlich in einer Note zusammenführen.
Eine komplexe Aufgabe, wie Frank Spandl, Direktor für Business
Development bei der internationalen Ingenieurgesellschaft Arcadis, weiß. „Echte ‚Öko-Bilanzen’ sind nicht so einfach zu erstellen, sie erfordern lange Diskussionen und sind mitunter politisch
schwer zu vermitteln“, sagte er anlässlich der Konferenz für Immobilien Lebenszyklus Management (ILM), die Ende vergangenen
Jahres in Berlin stattfand. „LEED zum Beispiel ist eine pragmatische, vergleichsweise oberflächliche, aber dennoch akzeptierte
Lösung mit viel Marketingpower“, urteilt er über die US-amerikanische Zertifizierungsvariante. Und auch das britische BREEAMSiegel mag nicht der Weisheit letzter Schluss sein – immerhin ist
es besser als keins.
N e u e s Q u a l i tät s z e i c h e n
Neben Großbritannien, Nordamerika und Australien haben
jüngst auch Japan und Frankreich mit eigenen Zertifikaten nachgezogen. Und endlich bekommt in diesem Jahr auch Deutschland ein eigenes Siegel für nachhaltiges Bauen, das die Eigenheiten des Markts abbilden soll. Die im Juni 2007 gegründete
Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), zu deren
Gründungsmitgliedern auch Union Investment Real Estate zählt,
wird zukünftig ein Qualitätszeichen für Gebäude vergeben, die
einen breiten Kriterienkatalog (siehe Tabelle) erfüllen. In Deutschland wurden bereits Anfang der 80er-Jahre Wärmeschutz- und
in deren Folge Energiesparverordnungen erlassen; seit den 70erJahren sind deutsche Architekten und Ingenieure Vorreiter auf
dem Gebiet der Energieeffizienz. „Mit dem DGNB-Zertifikat er-
Noten, Sterne, Edelmetall
Internationale Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude
System
(Land)
DGNB-Siegel
(Deutschland)1
HQE
(Frankreich)
Prüfungsschwerpunkte
Fünf Nachhaltigkeitskriterien:
Schutz von Ressourcen
Schutz der globalen
Umwelt
Menschengerechtes
Umfeld
Gesundheit der Gebäudenutzer, Behaglichkeit
Erhalt von Werten
14 Kategorien
in den Bereichen:
Öko-Konstruktion
Öko-Management
Komfort
Gesundheit
Benotung
Zertifikat und
Plakette, eventuell
Mehr-Sterne-System
1) in Arbeit
bestanden („base“)
stark („performant“)
sehr stark
(„très performant“)
BREEAM
(Großbritannien)
Planungs- und
Bauablauf
Gesundheit und
Komfort
Ressourcenverbrauch
(Energie, Wasser)
eingesetzte Materialien
Flächenverbrauch
bestanden („pass“)
gut („good“)
sehr gut („very good“)
herausragend
(„excellent“)
LEED
(USA)
Sechs Nachhaltigkeitskriterien:
Grund und Boden
Wasserhaushalt
Energie und
Atmosphäre
Materialien und
Ressourcen
Raumluft
Innovation und Design
LEED-zertifiziert
LEED Silber
LEED Gold
LEED Platin
Green Star
(Australien)
CASBEE
(Japan)
Energie
Emissionen
Materialien
Flächenverbrauch
und Ökologie
Wasser
Transport
Aufenthaltsqualität
im Innern
Management
vier Sterne:
„Best Practice“
fünf Sterne:
„Australian Excellence“
sechs Sterne:
„World Leadership“
Q („Quality“):
Ökologische Qualität
des Gebäudes
(Innenraum, Betrieb,
Umwelt)
L („Loadings“):
Ökologische Auswirkungen des Gebäudes
(Energie, Ressourcen,
Materialien)
Gemessen im
„Gebäude-UmweltWirkungsgrad“
BEE = Q/L
C („poor“)
B
B+
A
S („excellent“)
Quelle: eigene Recherche, Stand: Januar 2008
Fotos: Landesmesse Stuttgart; Avenue Images/Index Stock/B. Leighty; NordLB/R. Halbe; Banz+Riecks/C. Richters
Nachhaltigkeit trifft moderne Architektur: Die Landesmesse Stuttgart (oben links) und das Bürohaus Karolinen Karree in München (unten rechts).
Der Exelon Pavilion (oben rechts, Gebäude vorn) in Chicago: Der Hauptsitz des US-Energieversorgers wurde mit einem LEED-Zertifikat in Platin
ausgezeichnet. Unten links das Paddington Central-Building 3 von Morley und Union Investment, das ein BREEAM-Zertifikat in sehr gut erhielt.
gibt sich eine Plattform, diese umfassende Expertise deutscher
Marktteilnehmer zu erschließen und analog den amerikanischen
und britischen Systemen auch international einzusetzen“, sagt
Ralf Bode, Gruppenleiter Immobilien Projektmanagement bei der
Union Investment Real Estate AG. Inhaltlich basiert das deutsche
System auf den Ergebnissen des „Runden Tisches Nachhaltiges
Bauen“, der 2002 am Bauministerium installiert wurde. Denn
auch in Berlin arbeitet man an einem Zertifizierungssystem – Mitte des Jahres soll es nun endlich vorgestellt werden. Ob es am
Ende gelingt, aus DGNB- und ministeriellem Siegel ein einziges,
verbindliches deutsches Nachhaltigkeitslabel zu machen, ist noch
offen – auch wenn die Beteiligten die Vorteile eines einheitlichen
Etiketts beschwören.
Wie dringlich die Entwicklung eines Nachhaltigkeitssiegels auch
für Deutschland ist, zeigt das Beispiel Redevco: Mangels einer deutschen Alternative orientiert sich die Immobiliengesellschaft des deutschen Textilmultis C & A am britischen Zertifikat. Das Unternehmen
will künftig alle seine Immobilien nach BREEAM-­Anforderungen
errichten. Elf Projekte sind bereits im Bau oder in Planung, auch in
Deutschland. Und bereits im Herbst soll in Mainz der erste vollständig CO2-neutrale C & A-Eco-Store eröffnen. Denn die Erfahrungen
im Ausland haben Immobilieninvestoren gelehrt: Zertifizierte Immobilienprojekte erhöhen die Chancen bei der Vermietung und
beim Wiederverkauf und geben die Sicherheit, dass vorgegebene
Qualitätskriterien sowohl in der Planung wie auch in der Bauphase eingehalten werden. Der Lebenszyklusgedanke schließlich, Kern
der Nachhaltigkeitsidee, kommt in besonderer Weise dem Interesse
langfristig orientierter Investoren entgegen: Die Reduzierung von Betriebskosten zum Wohl der Mieter, die Stabilisierung der Mikrolage
dank städtebaulich sensibler Planung und die Anpassungsfähigkeit
eines Gebäudes auf die sich wandelnden Anforderungen seiner Nutzer reduzieren das Risiko für den Eigentümer – nachhaltig.
Denn auch bei ihren potenziellen Mietern – zumal es sich um
global agierende Konzerne handelt, die unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit und Investoren stehen – ist das Thema Nachhaltigkeit inzwischen ganz oben auf der Agenda. „Diese
Entwicklung hat im vergangenen Jahr enorm an Dynamik gewon­
nen – und zwar weltweit“, sagt Colin Dyer, Weltchef des internationalen Immobilienberaters Jones Lang LaSalle (JLL). Heute ziehe
kein internationales Unternehmen mehr in ein Gebäude, das Energieressourcen sinnlos verschwendet. „In den USA hat man blitzartig
auf diesen Trend reagiert und mit LEED einen Standard entwickelt,
der gute Chancen hat, auch international zur Benchmark zu avancieren“, ergänzt JLL-Deutschlandchef Christian Ulbrich. Welches
Siegel „ihr“ Bürogebäude trägt, spielt für Exelon-Mitarbeiterin Jill
Kasza womöglich nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidender
dürften für sie die täglich aufs Neue spürbaren Vorzüge sein, die
nachhaltige Gebäude bieten. Ihren Arbeitgeber wird die gesteigerte Produktivität der Mitarbeiter ebenso freuen wie reduzierte
Kosten für den Gebäudebetrieb. Eine Zufriedenheitskaskade, die
schließlich auch den Gebäudeeigentümer erreicht: Sein Plus liegt
in langfristig stabilen Mieterträgen und stetigem Wertzuwachs
seines Investments. Fazit: Nachhaltigkeit rentiert sich.
Anne Wiktorin arbeitet als freie Journalistin in Köln.
Smörgasbord und Smörrebröd, Tivoli und Schären, end­
vor allem in Kopenhagen, verstärkt in Wohnimmobilien umge­
lose Wälder, einsame Fjorde: Auf der touristischen Land­
wandelt. Insgesamt etwas schwächer präsentieren sich derzeit die
karte ist Skandinavien mit den Ländern Norwe­
Wohnimmobilienmärkte. „Die internationale Finanzkrise zeigt
gen und Schweden sowie den meist in einem
eben auch in Skandinavien Folgen“, erläutert Bisgaard. „Kre­
Atemzug genannten Staaten Dänemark
dite für Wohn­immobilien haben sich so stark verteuert, dass
und Finnland längst kein weißer Fleck
Investitionen in diesem Segment quasi zum Erliegen ge­
mehr. Und auch auf der Immobilien­
kommen sind.“ Allerdings geht der Skandinavien-Experte
investmentkarte gewinnen die vier Län­
davon aus, dass sich die Situation in den kommenden
der deutlich an Kontur. Zwar bestimmen
zwei Jahren wieder entspannen wird. „Sehr interessant
in den meisten dieser Staaten noch im­
haben sich dagegen die Einzelhandelsimmobilienmärkte
mer vor allem einheimische oder skandi­
entwickelt“, berichtet Bisgaard. Er erwartet in diesem Seg­
navische Marktteilnehmer das Geschehen,
ment weiterhin gute Investitionschancen, denn in Kopenha­
doch auch amerikanische, britische und deut­
gen ebenso wie in Helsinki und Stockholm sei der Leerstand bei
sche Kapitalanleger wagen sich seit einigen Jahren
Einzelhandelsflächen vor allem in den Toplagen sehr gering. Das
auf das bislang wenig bekannte Terrain. Angelockt von der stabilen
lässt auf steigende Mieten hoffen. Interessante Potenziale sehen
wirtschaftlichen und politischen Entwicklung, suchen vor allem si­
auch deutsche Investoren auf den dynamischen Immobilienmärk­
cherheitsorientierte Investoren nach Anlagemöglichkeiten. Allerdings
ten im hohen Norden.
sind die skandinavischen Märkte vergleichsweise klein: So zählt man
in der Region Stockholm, dem mit Abstand größten gewerblichen
Ko p e n h a g e n : S t e i g e n d e R e n d i t e n
Immobilienmarkt Skandinaviens, nur rund elf Millionen Quadrat­
meter Bürofläche. Im Vergleich hierzu sind es in Paris, dem euro­
„Die Wirtschaftsstruktur Dänemarks zeichnet sich insbesonde­
päischen Büromarkt-Spitzenreiter, etwa 49 Millionen und in Lon­
re durch eine Vielzahl mittelständischer Industrie- und Dienstleis­
don knapp 20 Millionen Quadratmeter. Wie in allen kleinen Märk­
tungsunternehmen aus, die oft hoch spezialisiert und exportstark
ten ist deshalb der Wettbewerb um gute Immobilien hoch. „Ohne
sind und dabei technologisch zur Spitzenklasse gehören“, berichtet
einen Partner vor Ort ist es für Ausländer nahezu unmöglich, dort
Jens Erik Gravengaard, Leiter des Nordic-Real-Estate-Teams der HSH
Fuß zu fassen“, berichtet Holger Bisgaard, ehemaliger Stadtplaner
Nordbank. Rund 5,4 Millionen Einwohner erwirtschaften ein Brut­
von Kopenhagen. Auch deshalb fließt ein Großteil des Investment­
tosozialprodukt, dessen Wachstumsrate zwar skandinavienweit am
kapitals zwischen den vier Ländern hin und her. „Dänen sind vor
unteren Ende liegt, bezogen auf Europa allerdings einen Spitzen­
allem in Stockholm aktiv und Norweger in Kopenhagen“, beschreibt
platz bedeutet. Die gute Wirtschaftsentwicklung,
Bisgaard die Situation. Allerdings blickten die Skandinavier zu­
verbunden mit einer relativ geringen Bautä­
nehmend auch nach Osteuropa, Asien und vereinzelt nach
tigkeit, verspreche einen Anstieg der Mie­
Deutschland. So übernahm zum 1. Januar 2008 die an
ten für Büroflächen, der in den vergangenen
der Londoner Börse notierte schwedische Aberdeen
Jahren eher schwach ausgefallen sei. Zudem
Asset Management PLC die Degi Deutsche Gesell­
sei die Infrastruktur Kopenhagens durch den
schaft für Immobilienfonds mbH von der Dresdner
größten Flughafen Nordeuropas, den Hafen
Bank AG. Und der dänische Baltic Property Trust
und die direkten Zugverbindungen zu meh­
(BPT) kündigte an, in Deutschland Objekte im
reren europäischen Großstädten sehr gut
Gesamtwert von bis zu 1 Milliarde Euro er­
entwickelt. „Diese positiven Rahmen­
werben zu wollen.
bedingungen haben dazu beigetra­
„In den skandinavischen Län­
gen, dass sich in den vergangenen
dern wird sich aufgrund der
Jahren verstärkt internationale Un­
Schweden
Finnland
sehr guten Beschäftigungs­
ternehmen aus unterschiedlichen
lage auch in diesem Jahr
Branchen in der Region angesiedelt
Norwegen
die Nachfrage auf den
haben“, sagt Graven­gaard. Er geht
Büromärkten weiter posi­
davon aus, dass die Spitzenrendite
tiv entwickeln“, prognos­
für Büroimmobilien in Kopenhagen,
Helsinki
Oslo
tiziert Bisgaard. Gesucht
die im Herbst 2007 noch bei rund 4,75
Stockholm
seien moderne Büroflä­
Prozent lag, entgegen früheren Progno­
chen in zeitgemäßen Ge­
sen
bereits in diesem Jahr um 25 bis 50 Ba­
200 km
bäuden. Davon profitierten
sispunkte steigen wird. Hauptgrund dafür
in erster Linie die neuen Hafen­
seien steigende Finanzierungskosten für die
quartiere und große Konversi­ Dänemark
Investoren. International wird der Immobi­
Kopenhagen
onsflächen. Frei werdende inner­
lienmarkt jedoch nur vereinzelt wahrgenom­
städtische Bürogebäude würden,
men. „Bisher spielen ausländische Investoren
Fotos: Bilderberg/Jerzy Modrak; STOCK4B/cadaphoto;
R a u m & M e h r 1 6 _ 1 7 M a r k t & B r a n c h e
Klein, aber fein
Die skandinavischen Länder haben sich in den
vergangenen vier Jahren zu wirtschaftsstarken
Vorzeigestaaten gewandelt. Kein Wunder also,
dass sie auch in das Blickfeld von internationalen
Immobilieninvestoren gerückt sind
Blick in die Königliche
Bibliothek von Kopenhagen: Positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen
locken vermehrt internationale Unternehmen
nach Dänemark.
R a u m & M e h r 1 8 _ 1 9 M a r k t & B r a n c h e
in Kopenhagen keine so bedeutende Rolle wie in anderen europäischen Metropolen“, berichtet Gravengaard.
Zu den wenigen deutschen Investoren, die den Schritt nach
Skandinavien bereits getan haben, gehört die Union Investment Real
­Estate AG, die bereits im Jahr 2005 Büro- und Einzelhandelsflächen
für etwa 62 Millionen Euro am Bürostandort Nydalen in Oslo erworben hat und inzwischen auch in Stockholm und Helsinki investiert ist.
„Allerdings ist der Markteintritt für Ausländer gerade in Norwegen
nicht leicht; das Transaktionsgeschehen ist bisher weitgehend von
einheimischen Investoren geprägt“, berichtet Victor Stoltenburg,
Head of Acquisition Core Markets bei der Hamburger Immobilieninvestmentgesellschaft. Der Immobilienmarkt in Oslo sei noch
immer vergleichsweise intransparent, und hohe Zinsen
sowie die Kosten der Währungsrisikoabsicherung
schreckten viele Investoren ab. „Dabei gehört Oslo
aufgrund der Büroflächenknappheit und des damit verbundenen hohen Mietsteigerungspotenzials derzeit zu den spannendsten Immobilieninvestmentmärkten in Europa“, gibt Stoltenburg
zu bedenken. Weitere Investitionen in der norwegischen Hauptstadt seien für Union Investment
daher durchaus vorstellbar.
O s L o : S ta r k e r M i e ta n s t i e g
Ein gestiegenes internationales Interesse an Oslo beobachtet
auch Truls Nergaard, der für das Immobilienberatungsunternehmen DTZ in Norwegen tätig ist. „Der Markt verändert sich durch
die ausländischen Investoren, wird professioneller und transparenter“, beschreibt er die derzeitige Entwicklung. „Die Büro-Spitzenmieten sind im Jahr 2007 um 30 Prozent gestiegen und damit
förmlich explodiert.“ Zudem seien die Folgen der internationalen
Finanzkrise in Norwegen, im Unterschied zu den anderen skandi-
navischen Ländern, nicht so deutlich zu spüren. „Die Banken sind
bei der Kreditvergabe zwar vorsichtiger und ihre Margen sind gestiegen. Dennoch ist der Osloer Immobilienmarkt ausgesprochen
gesund und wird sich auch in den kommenden zwei Jahren positiv weiterent­wickeln“, meint Nergaard.
Obwohl die anderen skandinavischen Länder nachziehen, kann
Stockholm seine Spitzenposition im Reigen der Nordlichter weiter
behaupten. Der gewerbliche Immobilienmarkt der schwedischen
Hauptstadtregion ist nicht nur der größte, sondern gilt auch als
einer der am weitesten entwickelten unter den skandinavischen
Staaten. Das belegt nicht zuletzt das große Interesse ausländischer
Investoren, die vor allem aus den Vereinigten Staaten und Groß­
britannien kommen und in Stockholm allein im ersten
Halbjahr 2007 rund 3,6 Milliarden Euro investierten.
Allerdings ist der Stockholmer Büroimmobilienmarkt
auch volatiler und verfügt nach Frankfurt am Main
aktuell über die zweithöchste Leerstandsquote
in Europa. Fachleute gehen jedoch davon aus,
dass Stockholm seine Position als eines der bedeutendsten Wirtschaftszentren in Skandinavien
in den kommenden Jahren weiter ausbauen kann.
„Die schwedische Konjunktur läuft seit Langem hervorragend“, berichtet Wolfgang Lawrenz, Director Equity Capital Markets Origination bei der DZ Bank. „Schon seit
einigen Jahren verzeichnet Stockholm ein hohes Bevölkerungswachstum, das überwiegend auf der Zuwanderung aus anderen
Regionen Schwedens beruht“, erläutert er. Knapp ein Viertel aller Beschäftigten erwirtschaftet im Großraum Stockholm rund ein
Drittel der gesamten Bruttowertschöpfung Schwedens.
Kein Wunder also, dass auch Immobilieninvestoren zuversichtlich auf den Standort blicken. „Wir erwarten in den kommenden
Jahren einen weiter abnehmenden Leerstand und einen deutlichen
Anstieg der Mieten“, meint Lawrenz. Indessen geht er davon aus,
Traditionell und modern: Schwedische Marinesoldaten vor der Altstadt Stockholms (links) und Skateboarder am Rathausplatz in Oslo.
Internationale Immobilienanleger investierten im vergangenen Jahr zwischen 5 und 6 Milliarden Euro in Skandinavien.
dass sich das Mietwachstum künftig leicht abschwächen
wird, da aufgrund des steigenden Neubauvolumens
mit einem größeren Flächenangebot zu rechnen ist.
Zudem seien erste Auswirkungen der Krise auf den internationalen Finanzmärkten zu beobachten. „Da die
Risikoprämien und Finanzierungskosten gestiegen sind,
ist davon auszugehen, dass auch die Renditen wieder
leicht steigen werden“, prognostiziert Lawrenz.
rieren für ausländische Investoren nicht
so hoch seien. Insgesamt konzentriert
sich das Marktgeschehen in Finnland
vor allem auf den Großraum Helsinki
mit seinen rund 1,3 Millionen Einwohnern. Die Stadt weist einen Büroflächenbestand von rund 5,7 Millionen Quadratmetern auf, von dem sich etwa ein Fünftel
im Stadtzentrum befindet.
Wie groß das Vertrauen in das Potenzial des
Standorts ist, belegen auch die jüngsten Engagements von Union Investment, MEAG und der Deka Immobilien GmbH, die mit
dem Erwerb von zwei Einzelhandelsimmobilien in der finnischen
Küstenstadt Turku Anfang dieses Jahres ebenfalls den Markteintritt in Finnland vollzogen haben. Die Kapitalanlagegesellschaft
erwartet in ihrem „Immobilien Monitor“ für die Region Helsinki
bis zum Jahr 2012 weiterhin ein sehr dynamisches Wirtschaftswachstum. „Die anhaltend gute Produktivitätsentwicklung schlägt
sich in einem Beschäftigungsaufbau im Dienstleistungssektor
von 1,1 Prozent nieder“, heißt es in der Analyse. Das werde die
Nachfrage nach Büroflächen ebenso wie das gute Konsumklima
weiter ankurbeln – Nachrichten, die international tätige Investoren gern hören. Zwei Drittel des in Finnland investierten Immobilienkapitals gehen bereits auf ihr Konto – ähnlich hoch liegt
dieser Anteil nur noch in Schweden. Die Investmentlandschaften
Dänemarks und Norwegens hingegen müssen ausländische Anleger offenbar erst noch kartieren – und sich dabei, wie Holger
Bisgaard empfiehlt, von Scouts mit einschlägigen Ortskenntnissen führen lassen.
Christiane Harriehausen ist freie Journalistin in München.
Fotos: Vario Images/Chromorange; Bilderberg/Jerzy Modrak; Laif/Ralf Kreuels; laif/Frank Siemers
H e l s i n k i : B e g e h rt b e i I n v e s to r e n
Nach Stockholm und Oslo rangiert inzwischen auch der Immobilieninvestmentmarkt der finnischen Hauptstadt Helsinki in der Investorengunst weit vorn. Angaben des Immobilienberatungsunternehmens Catella Property Group zufolge wurde im Jahr 2007 das
Rekordinvestitionsvolumen von 2006 in Höhe von 5,6 Milliarden
Euro wieder erreicht. Ein Großteil der Investoren kam dabei aus
dem Ausland, darunter auch deutsche Offene Immobilienfonds.
Angelockt werden die Kapitalanleger von den spürbaren Folgen
des seit den 90er-Jahren erfolgreich durchgeführten Reformkurses.
Damit verbunden waren Kürzungen bei den Sozialausgaben und
hohe Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung in Finnland. „Wir konnten in den vergangenen fünf Jahren eine große
Veränderung auf dem finnischen Immobilieninvestmentmarkt beobachten“, berichtet Seppo Martikainen, Vizepräsident bei dem
finnischen Immobilienunternehmen YIT Construction. „Der Markt
profitiert nicht nur von der Wirtschaftskraft des Landes, er ist auch
sehr transparent und liquide geworden“, beschreibt Martikainen
die Entwicklung. Einen weiteren Vorteil sieht er darin, dass in Finnland als einzigem Euroland in Skandinavien die Markteintrittsbar-
Ausgewählte Wirtschaftsdaten
Anzahl der Beschäftigten*
in Mio.
Wirtschaftswachstum*
2007 zum Vorjahr in %
Wirtschaftswachstum*
2008 zum Vorjahr in %
Inflationsrate*
2007 in %
Arbeitslosenquote*
2007 in %
Schweden
4,4
3,6
3,7
1,6
5,3
Norwegen
2,4
2,9
2,8
12,0
2,5
Dänemark
2,8
2,1
2,0
2,1
3,5
Finnland
2,4
4,0
3,0
1,4
7,4
k. A.
2,8
2,5
2,2
6,9
EU-Durchschnitt
* Prognose
Quelle: Jones Lang LaSalle Nordic City Report, Herbst 2007
Die wichtigsten Büroimmobilienmärkte
Büroflächenbestand
2. Q. 2007 in 1.000 m2
Spitzenmiete
2007 in Euro/m2/Monat
Leerstandsrate
2007 in %
Spitzenrendite
2007 in %
900
41,8
k. A.
4,00 bis 4,50
Stockholm
1.624
36,9
8,9
4,40
Helsinki
1.801
24,8
5,5
4,75
Kopenhagen
4.912
21,3
3,1
4,75 bis 5,00
Oslo
jeweils nur das Geschäftszentrum (CBD)
Quelle: Jones Lang LaSalle Nordic City Report, Herbst 2007
Neue Verwaltungszentrale
der Credit Suisse in ­Zürich:
Der Zusammenhang zwischen Arbeitsumfeld und
Mitarbeiterproduktivität
lässt sich derzeit noch
nicht objektiv messen.
Büroausstatter wie Bene
wollen nun den Nachweis
erbringen.
R a u m & M e h r 2 0 _ 2 1 M e n s c h & Ar b e i t
Gefühlte Raumqualität
Kein Zweifel, die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern wird von ihrem Arbeitsumfeld
stark beeinflusst. Wie stark genau, das wollen Bürodesigner messbar machen
Dass es einen Zusammenhang zwischen Bürogestaltung
und der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter gibt, ist mittlerweile erwiesen. Die Londoner Commission for Architecture and the Built
Environment (CABE) beispielsweise veröffentlichte vor etwas mehr
als zwei Jahren eine Zusammenfassung aller bisherigen Forschungsergebnisse zum Thema. Demnach sind Mitarbeiter, die ihr Arbeitsumfeld als sehr angenehm empfinden, um 25 Prozent produktiver als
diejenigen, die sich extrem unwohl fühlen. Und auch der aktuelle
Office-Excellence-Check, eine Studie des Fraunhofer Instituts für
Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart, kommt zu
einem ähnlichen Ergebnis: Die Performance-Unterschiede zwischen
Mitarbeitern, die in einem optimal gestalteten und ausgestatteten
Büro arbeiten, und denjenigen, die mit einem mangelhaften OfficeDesign vorliebnehmen müssen, betragen bis zu 36 Prozent. Doch
für den Einzelfall sind diese Zahlen wenig aussagekräftig. Denn die
Frage, welchen Einfluss das Arbeitsumfeld eines bestimmten Unternehmens auf dessen Mitarbeiter konkret ausübt, bleibt offen.
Büromöbelhersteller und Bürodesigner Steelcase, dessen Deutschlandzentrale in Rosenheim sitzt, hat das Thema Messbarkeit ganz
oben auf die Agenda gesetzt. „Der Return on Investment bei Investitionen in den Arbeitsraum muss für die Auftraggeber messbar
sein“, sagt Marketingchef Stefan von Terzi.
Steelcase beauftragte deshalb das IAO, ein Analyseinstrument zu
entwickeln, das eine schnelle und unkomplizierte Bewertung sowohl
der Büroqualität als auch der Mitarbeiterleistung ermöglicht. Mithilfe eines Vorher-Nachher-Vergleichs kann damit nun auch analysiert
werden, welchen Einfluss eine gestalterische Aufwertung von Büroräumen im Einzelfall hat. Das Analyseinstrument basiert auf den Erkenntnissen des Office-Excellence-Check. Dieser kostenlos nutzbare
webbasierte Bürotest verfolgt in Form einer Langzeit- und Trendstudie die Qualität der Arbeits- und Bürosituation in Deutschland. Seit
der Freischaltung im Oktober 2005 haben mehr als 4.800 Teilnehmer
den Test durchgeführt und damit eine valide Datenbasis geschaffen.
Interessanterweise misst der Office-Excellence-Check die Leistung
Fotos: Bene; www.freudenberg-ds.de
Performance-Measurement
„Wir kämpfen jeden Tag damit, dass sich der Zusammenhang
zwischen Bürodesign und Mitarbeiterproduktivität im Einzelfall noch
nicht objektiv messen lässt“, sagt Olaf Philippi, Geschäftsführer der
Hamburger Niederlassung des Büroausstatters Bene, der europaweit
rund 75 Niederlassungen betreibt. Denn viele Unternehmer und Manager sind nur dann bereit, Geld für die gestalterische Aufwertung
ihres Büros in die Hand zu nehmen, wenn sie errechnen können, ob
und wann sich die Investition amortisiert. Viele Bürodesigner arbeiten
daher mit Hochdruck daran, den Einfluss, den die Gestaltung des
Arbeitsumfelds auf die Produktivität hat, im Einzelfall messbar zu
machen. Bene beispielsweise will anhand der gerade erst sanierten
Verwaltungszentrale der Credit Suisse in Zürich den entsprechenden
Nachweis erbringen. Dafür wertet das Unternehmen derzeit Krankenstände und Mitarbeiterbefragungen aus.
Der Londoner Bürodesigner DEGW wiederum, der unter anderem Büros für Google, BBC und Capital One gestaltete, bietet als
Dienstleistung ein sogenanntes Performance-Measurement durch
das hauseigene Researchteam an. Und auch der amerikanische
Blick in das Innovationszentrum des Autozulieferers FDS: Die offene
Atmosphäre hat die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter verbessert.
R a u m & M e h r 2 2 _ 2 3 M e n s c h & Ar b e i t
Projektraum, entworfen von Wiesner-Hager, Anbieter von Büro- und Objektmöbeln: „Die Anforderungen jeder Abteilung müssen bei der Wahl
Fotos: Wiesner-Hager (2)
der Büroform genauestens analysiert werden“, erklärt Michael Pellny, Geschäftsführer des Weissman-Instituts.
der Menschen nicht an objektiven Kriterien wie den Krankheitstagen
oder der Fluktuation, sondern daran, wie sie ihre Leistung selbst einschätzen. „Die Arbeitnehmer können ihre eigene Produktivität und
Office-Performance selbst am besten einschätzen. Sie wissen sehr
wohl, was förderlich ist und wo es klemmt. Bewertet werden deshalb
insbesondere Aufwand und Qualität der eigenen Arbeits­ergebnisse,
Effizienz, Zielorientierung und Effektivität aller Prozesse im Büroalltag“, erläutert Jörg Kelter vom Fraunhofer IAO.
Das vom Fraunhofer IAO für Steelcase entworfene Analyseinstrument kam zum ersten Mal im Fall der Freudenberg Dichtungsund Schwingungstechnik (FDS) zum Einsatz. Der zur Freudenberg
Gruppe gehörende Automobilzulieferer hat kürzlich einige Forschungs- und Entwicklungsbereiche in einem Innovationszentrum
räumlich zusammengefasst. Vorher saßen die Ingenieure in konventionellen Zellenbüros verteilt über mehrere Stockwerke und
Gebäude. Sie sahen sich meist nur in offiziellen Besprechungen.
„Wir haben deshalb nach einer Lösung gesucht, die mehr Flexibilität, Transparenz, Offenheit und Kommunikation ermöglicht“,
sagt Ulrich Frenzel, Leiter des Innovationcenters bei FDS. Und so
entstand die Idee des Innovationszentrums. Unter Einbeziehung
der rund 70 Mitarbeiter und Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse
entwickelte das Fraunhofer IAO ein neues Konzept. Das Ergebnis
ist ein Büro mit nur wenigen Wänden, ein „Open-Space-Office“,
in dem es zudem keine fest zugeordneten Arbeitsplätze gibt, sodass sich Projektteams immer wieder neu gruppieren können. Die
passenden Büromöbel dazu lieferte Steelcase. Zahlreiche raumhoch
verglaste kleinere Besprechungsräume – die „Denkerzellen“ – bieten Rückzugsmöglichkeiten für Teambesprechungen, Telefonate
und konzentriertes Arbeiten. Ergebnis des Vorher-Nachher-Ver-
gleichs einige Monate nach dem Umzug: Die Leistung der Mitarbeiter stieg um 6,3 Prozent. „Die offene Atmosphäre fördert die
Kommunikation und lässt Ideen leichter gedeihen. Das wirkt sich
auch auf die Arbeit der Entwickler und auf die Anzahl unserer Innovationen sehr positiv aus“, sagt Frenzel.
Der Fraunhofer IAO-Experte Kelter hofft, dass solche Beispiele
Schule machen und mehr Firmen dazu motivieren, in Büroqualität zu investieren. „Manager denken in Renditekategorien. Unsere Zahlen werden sie hoffentlich überzeugen, dass sich durch
eine bewusste und sorgfältige Bürogestaltung überdurchschnittliche Potenziale erschließen lassen“, sagt Kelter. Bis zu 3.000 Euro
pro Mitarbeiter kostet im Schnitt die Aufwertung des Arbeitsumfelds – so die einhellige Meinung der Experten. Deutsche Unternehmen investieren aber nur ­zögerlich. Der vom Fraunhofer IAO
im Office-Excellence-Check ermittelte Design­index liegt bei 60,1
Prozent – 0 Prozent bedeutet gestalterisches Brachland, 100 Prozent ist der Idealfall. Demnach ist die Büroqualität deutscher Unternehmen eher durchschnittlich als gut.
„Neue Qualitäten entstehen insbesondere dort, wo ganzheitliche Sichtweisen zum Tragen kommen und ein erkennbares Gestaltungskonzept konsequent umgesetzt wird“, sagt Kelter. Die ergonomische Qualität der Möbel, Raumklima, Lichtverhältnisse sowie
ein ansprechendes Farb- und Materialkonzept sind dabei wichtige
Faktoren. Am weitaus wichtigsten für die Leistung der Mitarbeiter
ist jedoch ein Arbeitsumfeld, das jede Art von Kommunikation fördert und unterstützt. „Ein aus meiner Sicht noch immer stark unterschätzter Faktor“, sagt Kelter. „Hilfreich in diesem Zusammenhang
ist es, wenn Büros insgesamt möglichst transparent sind, sich die
Mitarbeiter gegenseitig sehen und sowohl zufällige als auch be-
wusste Treffen entstehen können − egal ob am Arbeitsplatz, in der
Kaffeeküche, am Kopierer oder im Flur. Und damit dies funktioniert,
müssen gerade diese Zonen besonders attraktiv gestaltet sein.“ Zugleich sollte es natürlich genügend Besprechungsräume geben, die
mit der entsprechenden Technik ausgestattet sind. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch die Frage, wie ein Gebäude insgesamt konzipiert und strukturiert wird. Also: Welche Abteilungen
sollten sich stärker austauschen und deshalb nahe beieinandersitzen? Oder: Wo kann ich innerhalb des Gebäudes attraktive Treffpunkte und marktplatzähnliche Situationen schaffen?
Büroform ist entscheidend
Fast genauso bedeutsam aber ist die Wahl der geeigneten Büroform: „Mittlerweile gibt es zahlreiche Alternativen zu den in Deutschland noch immer dominierenden Zellenbüros. Eine sorgfältige Auswahl und bewusste Entscheidung für oder gegen eine bestimmte
Büroform − ob Einzelbüro, Kombi-Büro, Multispace oder Teambüro −
findet jedoch leider noch viel zu selten statt“, sagt Kelter. „Nicht
alle Möbel und Strukturen unterstützen jeden Mitarbeiter gleich
gut“, bestätigt Michael Pellny, Geschäftsführer des Weissman-Instituts und Mitautor des Buchs „Die lebende Immobilie“. Der Vertrieb
beispielsweise lebe von offenen Strukturen, Kommunikation und
Mobilität. Die Entwicklungsabteilung hingegen sei weniger mobil,
dafür aber sehr auf den Austausch von Erfahrungen und Wissen
angewiesen. Die Buchhalter und Controller wiederum bräuchten
Ruhe, um konzentriert das Zahlenmaterial durcharbeiten zu können. „Die Anforderungen jeder Abteilung müssen bei der Wahl der
Büroform genauestens analysiert werden“, sagt Pellny.
An diesen Erkenntnissen orientiert sich etwa das neue Bürokonzept der Santander Consumer Bank in Mönchengladbach. Die Kombination mehrerer Bürokonzepte hat sich hier nach einer eingehenden
Analyse als beste Lösung erwiesen. Entstanden ist ein Open-SpaceBüro, das durch fest zugewiesene Einzelbüros ergänzt wird. Wie
wichtig eine genaue Analyse der Arbeitsabläufe ist, zeigt
auch die von der Bene-Gruppe neu gestaltete
Zentrale der Rechtsanwaltskanzlei Slaughter and May in London. Die Zeiten, in
denen Anwälte in lichtarmen Zellenbüros endlose Stapel Papier
wälzten und mit niemandem
sprachen, sind vorbei. Die Arbeit
ist kommunikativer geworden. Die
moderne Technik hat den Zugriff auf
Informationen erleichtert und den
Laptop zum wichtigsten Arbeitsmittel gemacht. Slaughter and
May wollte daher kein Büro der
Moderne Büromöbel: Flexibilität und Kommunikation sind
derzeit wichtigste Kritierien der
Bürogestaltung.
traditionellen Art. Die neuen Räume sind klar strukturiert. Sie erlauben den Anwälten, sich zum konzentrierten Arbeiten zurückzuziehen.
Kommunikation findet im „Coffice“ statt – einer Mischung aus Café
und Office, wo geschäftliche Gespräche in entspannter Atmosphäre
geführt werden. In der Bibliothek wiederum gibt es Zonen, wo sich
die Anwälte ­online informieren und konzentriert arbeiten können.
Zwei weitere Faktoren in Sachen Büroqualität verdienen besondere Beachtung. Das sind zum einen die technische Infrastruktur
und zum anderen die Frage der Akustik. Als der Anbieter mobiler
Produkte und Dienstleistungen Jamba neue Büroräume in Berlin
suchte, waren beide Themen wichtige Entscheidungskriterien. Das
alte Kreuzberger Büro hatte einen Holzfußboden, der zwar attraktiv, aber sehr unpraktisch war. „Wir suchten daher ein modernes
Büro, das nicht nur offen und transparent ist, sondern auch relativ ruhig und eine moderne, technische Infrastruktur bietet“, sagt
­Niels Genzmer, Pressesprecher bei Jamba. Im Domaquarée in Berlin-Mitte wurden sie fündig. Drei Stockwerke belegt das Unternehmen mittlerweile. Hier gibt es Doppelböden, in denen sich der Kabelsalat mühelos verstauen lässt. Teppiche und Regale sorgen für
eine angenehme Akustik. Und auch die Transparenz ist dank der
zahlreichen Glaswände gewährleistet: Bei Jamba können die Mitarbeiter wegen der bodentiefen Fenster sogar von einer Etage in
das gegenüberliegende nächste Stockwerk schauen.
Weitere Informationen zum Office-Excellence-Check unter:
www.oexc.web-erhebung.de
Ansprechpartner: Jörg Kelter, Fraunhofer-Institut für
Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO),
E-Mail: [email protected]
Johanna Lutteroth arbeitet
als freie Journalistin in
Hamburg.
R a u m & M e h r 2 4 _ 2 5 Raum & Anlage
Gut gebündelt
Die Neufassung des Investmentgesetzes macht es für Offene Immobilienfonds leichter,
sich an Objektgesellschaften zu beteiligen, die eine – oder mehrere – Immobilien halten.
Im Ausland ist dieses Modell weitverbreitet, denn es bietet eine Reihe von Vorteilen
e i n e R e i h e vo n C h a n c e n
So birgt die Gesetzesnovelle für die Immobilienfondsbranche
auf der einen Seite eine Reihe von Chancen: Die Kapitalanlage­
gesellschaften sind nicht mehr gezwungen, ohne Einschränkungen Fondsanteile täglich zurückzunehmen. Das erleichtert
gerade in Zeiten hoher Mittelbewegung die Liquiditätssteuerung. Auch die Voraussetzungen für das Geschäft mit institutionellen Großkunden wie Versicherungen und Pensionskassen
wurden verbessert: Weil diese Immobilienprofis in der Lage
sind, Anlagerisiken einzuschätzen, wurden einige Vorschriften
gelockert. Beispielsweise können Immobilieninvestoren in den
Vertragsbedingungen selbst festlegen, in welchem Maße sie
direkt in Immobilien oder indirekt in Immobiliengesellschaften
investieren. Durch Regelungen wie diese sollen deutsche Spezial­
fondsprodukte künftig im Wettbewerb mit Investmentprodukten
ausländischer Herkunft besser bestehen können. Gleichwohl
werden Kapitalanlagegesellschaften auch weiterhin die Möglichkeit nutzen, Immobilienfonds nach luxemburgischem Recht
aufzulegen, das noch mehr Flexibilität ermöglicht. Nicht zuletzt
wird die Branche erleichtert sein, dass einer der umstrittensten
Pläne der Ministerialen keinen Eingang ins Gesetz fand: Kapitalanlagegesellschaften dazu zu zwingen, Immobilienfonds
verschiedener Risikoklassen einzuführen, statt am Grundprinzip der regional und nach Nutzungsarten diversifizierten Produkte festzuhalten.
T r e n d z u m B e t e i l i g u n g s m od e l l
Ein zweifellos positives Signal setzen ebenfalls die gesetzlichen Neuregelungen für den Fall des indirekten Immobilienerwerbs – auch wenn sich so mancher Praktiker eine noch stärkere
Flexibilisierung gewünscht hätte. Bereits seit einem Jahrzehnt ist
es den Fonds erlaubt, anstelle eines klassischen Büro-, Einzelhandels- oder Wohnobjekts auch Anteile an einer Immobiliengesellschaft zu erwerben. „In der Praxis ist dies insbesondere
im Ausland eine weitverbreitete Form des Immobilienerwerbs“,
sagt Michael Al­brecht, Gruppenleiter Recht Immobilien bei der
Union Investment Real Estate AG. Vor allem aus steuerlichen
Gründen ist es in vielen Ländern attraktiv, Gesellschaftsanteile – „Shares“, wie die Profis sagen – statt Steine („Assets“)
zu erwerben. Denn beim Immobilienkauf verdient der Fiskus
in allen Ländern bekanntlich mit: Wechselt ein Grundstück mit
oder ohne Gebäude den Eigentümer, wird Grunderwerbsteuer
fällig. Das ist in England oder den USA, in Frankreich, Spanien,
Polen oder Ungarn nicht anders als in Deutschland. „Der Kauf
von Anteilen an einer Immobilien­gesellschaft ist demgegenüber
in vielen Ländern grunderwerbsteuerfrei“, erläutert Albrecht –
eine Chance, für die Investoren vor allem in Ländern dankbar
sind, in denen die Grunderwerbsteuersätze die 10-Prozent-Marke streifen oder sie sogar überschreiten.
Doch entscheiden sich Fondsgesellschaften nicht allein aus
steuerlichen Gründen für den indirekten Weg, Immobilien zu
Foto: Jupiterimages/IFA-Bilderteam
Nun hat es doch noch geklappt: Nachdem der Bundestag am 8. November vergangenen Jahres den Entwurf zur
Änderung des Investmentgesetzes verabschiedete, trat die
Novelle fast in letzter Minute, nämlich am 28. Dezember 2007,
in Kraft. Seitdem gelten damit für die gesamte deutsche Fondsbranche neue Regeln, die sie teils sofort, teils nach einer Übergangsfrist bis 2010 umzusetzen hat. Die Neuregelungen sollen,
so das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, „die internationale
Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland steigern, die
Innovationstätigkeit der Branche verbessern und der Abwanderung von Fondsvermögen in andere Standorte entgegenwirken“. Deregulierung und Modernisierung hieß daher von Beginn
an die Devise. Darum, was dies im Einzelnen bedeutet, wurde
jedoch lange und zäh gerungen – besonders im Hinblick auf
neue Regeln für Offene Immobilienfonds. Denn was in der Theorie sinnvoll erscheint, ist nicht für jeden gleich praktikabel. Am
Ende steht häufig der Kompromiss – und dies war auch im Fall
des neuen Investmentgesetzes nicht anders.
Gebündelte Stahlstangen: Offene Immobilienfonds können sich jetzt leichter an Objektgesellschaften beteiligen, die mehrere Liegenschaften
halten. Entscheidender Vorteil: Der Kauf von Anteilen an einer Gesellschaft ist in vielen Ländern grunderwerbsteuerfrei.
R a u m & M e h r 2 6 _ 2 7 Raum & Anlage
erwerben. In manchen Ländern – darunter den USA, aber auch
in den osteuropäischen EU-Ländern – ist der Beteiligungserwerb inzwischen die Regel. „Der Trend geht weltweit hin zum
Beteiligungsmodell“, sagt Uwe Stoschek, Immobilienfondsspezialist und Steuerexperte bei PricewaterhouseCoopers (PwC).
Beteiligungsstrukturen haben sich speziell in den Fällen bewährt, in denen Fonds mit einem Auslandsinvestment Neuland
betreten. Die Union Investment Real Estate AG hat auf diese
Weise in Mexiko Fuß gefasst: In der Hauptstadt Mexico-City
erwarben die Hamburger Investmentmanager im Jahr 2005
einen 30-prozentigen Anteil an einer Beteiligungsgesellschaft
des Büroturms Torre Mayor. Die übrigen 70 Prozent hält der
Projektentwickler Reichmann International. Ähnlich agiert das
Unternehmen in Chile. Auch hier ist man, wie Michael Montebaur, Vorstandsmitglied der Union Investment Real Estate­ AG
berichtet, eine Exklusivvereinbarung mit einem „Pionier der
lokalen Immobilienwirtschaft“ – dem Projektentwickler Birmann − eingegangen.
Geringere Bedeutung in Deutschland
Besonders empfiehlt sich das Immobilienbeteiligungsmodell, wenn es sich um den Erwerb von Projekten in der Entwicklungsphase handelt. Wie im Fall der rund 71.500 Quadratmeter großen Einzelhandelsimmobilie „Forum Mersin“ in
der Türkei, an der die Union Investment Real Estate AG bereits
in der Projektphase über eine Immobiliengesellschaft beteiligt
war. Partner ist der türkische Projektentwickler Multi Turkmall.
In der Türkei realisieren die Unternehmen derzeit ein weiteres
gemeinsames Centerprojekt: Mit 130 Millionen Euro ist Union
Investment an der Entwicklung des „Forum Kayseri“ beteiligt,
das in der südostanatolischen Provinzhauptstadt Kayseri bis
Ende 2009 entstehen soll.
In Deutschland spielt das Beteiligungsmodell indes eine vergleichsweise geringe Rolle. „Dies hat zum einen historische Gründe“, erläutert Michael Albrecht. Weil die Form des indirekten Immobilienerwerbs den Fondsgesellschaften erst seit dem Jahr 1998
möglich ist, sind die Fondsklassiker mit Fokus auf dem deutschen
Markt noch zu einem großen Teil direkt in Immobilien investiert.
„Zum anderen sind hierfür steuerliche Gründe ausschlaggebend“,
sagt Albrecht. Denn in Deutschland wird auch bei der Beteiligung an Immobiliengesellschaften meist die Grunderwerbsteuer
in Höhe von 3,5 Prozent – in Berlin sogar von 4,5 Prozent – des
Immobilienwerts fällig. Das Beteiligungs­modell bringt also hierzulande weniger Vorteile als im Ausland. Dennoch: Bei Großprojekten wie etwa der Entwicklung des Einkaufszentrums am Limbecker Platz in Essen sind ­Beteiligungen sinnvoll. Bei der größten
innerstädtischen Centerentwicklung Deutschlands sitzt Union Investment als Partner einer gemeinsamen Projektentwicklungsgesellschaft mit der ECE (15 Prozent Anteil) und der Arcandor AG
(25 Prozent Anteil) in einem Boot. „Wir tragen in diesem Fall
auch das Projektentwicklungsrisiko gemeinsam – im Unterschied
zu Immobilienankäufen im Stadium der Projektentwicklung,
bei denen der Entwickler nach Baufortschritt bezahlt wird, Mie-
Indirekte Beteiligungen auf dem Vormarsch
Wer sich auf dem internationalen Immobi-
ter an Unternehmen, die eine oder mehre-
Weg der indirekten Immobilienanlage über
lienparkett bewegt, investiert längst nicht
re Immobilien halten. Vor allem im Ausland
Beteiligungen an Gesellschaften. Seit 2002
mehr nur unmittelbar in Beton und Steine.
haben sich solche Beteiligungsstrukturen
stieg deren Anzahl in den drei Publikums-
Vor allem im Ausland wählen institutionelle
weitgehend etabliert, bieten sie doch er-
fonds UniImmo: Global, UniImmo: Eu­ropa
Anleger vermehrt einen indirekten Weg: Bei
hebliche steuerliche Vorteile. Als internatio-
und UniImmo: Deutschland um mehr als das
dieser Variante beteiligt sich der Anleger
nal ausgerichteter Investor beschreitet auch
16-Fache auf aktuell 61 Beteiligungen mit
als Mehrheits- oder Minderheitsgesellschaf-
die Union Investment Real Estate AG den
insgesamt 65 Einzelimmobilien.
Starker Anstieg der Beteiligungen
Indirekte Immobilienanlagen versechzehnfachen sich
Anzahl der Beteiligungen an Immobiliengesellschaften
in den Offenen Immobilienfonds der Union Investment Real Estate AG
Anzahl der über Immobiliengesellschaften gehaltenen Liegenschaften in den
Offenen Immobilienfonds der Union Investment Real Estate AG
65
61
39
39
29
4
6
2002*
2003*
* jeweils September
29
10
2004*
2005*
2006*
2007*
4
6
2002*
2003*
10
2004*
2005*
2006*
2007*
Quelle: Union Investment Real Estate, Stand: Februar 2008
Blick auf ein mehrstöckiges Wohnhaus: Seit Ende 2007 können sich Offene Fonds auch an mehrstöckigen Konstruktionen beteiligen. Darunter
versteht man eine Beteiligung an einer Holding-Gesellschaft, die wiederum in eine Immobiliengesellschaft investiert.
ter häufig schon vorab feststehen oder es Mietgarantien gibt“,
erläutert Michael Albrecht die entscheidenden Unterschiede
der beiden Modelle. Ebenfalls variabel ist, mit welchem Anteil
sich ein Fonds an einer Immobiliengesellschaft beteiligt. Grundsätzlich kann eine Kapitalanlagegesellschaft eine Gesellschaft
zu 100 Prozent erwerben, genauso gut aber auch nur 15 oder
30 Prozent der Gesellschaftsanteile in ihr Fondsportfolio legen.
Ganz unabhängig ist die Kapitalanlagegesellschaft dabei nicht
in ihrer Entscheidung. Denn das Investmentgesetz definiert aus
Anlegerschutzgründen, wie viel Prozent des Fondsvermögens
maximal auf indirekte Weise investiert werden dürfen: Die Obergrenze beträgt auch im neuen Gesetz 49 Prozent.
Foto: Corbis/Image100
s t r e n g e Q u ot e n r e g e l u n g e n
Großes Gewicht hat ein kleiner Zusatz im Gesetzestext: Ist
der Fonds nämlich zu 100 Prozent an einer Immobiliengesellschaft beteiligt, wird dies jetzt behandelt wie ein direktes Investment – und muss bei der Quote von 49 Prozent nicht berücksichtigt werden. Bei ihrer Berechnung sind allein Beteiligungen
entscheidend, in denen der Fonds entweder Mehrheits- oder
Minderheitsgesellschafter ist. „Um Mehrheitsgesellschafter zu
sein, genügt es jedoch nicht, mehr als die Hälfte am Kapital zu
halten“, erläutert Albrecht. „Das Gesetz verlangt für die Einstufung als Mehrheitsbeteiligung zweierlei: dass der Gesellschafter
die satzungsändernde Stimmenmehrheit und die Kapitalmehrheit
hat.“ Deshalb kann im Einzelfall auch dann eine Minderheitsbeteiligung vorliegen, wenn für den Fonds beispielsweise 60 Prozent
der Kapitalanteile gehalten werden − aber die Satzung nur mit
einer größeren Stimmenmehrheit geändert werden kann.
Für alle Minderheitsbeteiligungen gilt noch einmal eine
strengere Quotenregelung: Beteiligungen an Gesellschaften,
in denen der Fonds in der Minderheit ist, dürfen 30 Prozent
der Vermögenswerte nicht übersteigen. „Eine Verbesserung gegenüber der alten Fassung des Gesetzes, wo die Grenze bei 20
Prozent lag“, so Uwe Stoschek. Und durchaus sinnvoll, meint
der PwC-Experte: „Abgesehen davon, dass man als Minderheitsgesellschafter geringeren Einfluss auf unternehmerische
Entscheidungen nehmen kann, sind Minderheitsbeteiligungen
auch weniger marktgängig, lassen sich womöglich also schwieriger veräußern.“ Auch Michael Albrecht hält die gesetzliche
Begrenzung von Minderheitsbeteiligungen daher für sinnvoll.
Im Fall von Mehrheitsbeteiligungen hätte er sich indes noch
mehr Flexibilität gewünscht: „Warum Beteiligungen, die wir
als Mehrheitsgesellschafter umfassend kontrollieren, unter die
Quotenregelung von 49 Prozent fallen, ist schwer nachvollziehbar. Zumal es in der Praxis in einigen Ländern gar nicht möglich
ist, 100 Prozent der Gesellschafteranteile zu erwerben.“ Vorerst
wird die Branche mit dem Kompromiss leben müssen – und sich
in Geduld üben. Denn eines ist sicher: Die nächste Novelle des
Investmentgesetzes kommt bestimmt.
Anne Wiktorin arbeitet als freie Journalistin in Köln.
R a u m & M e h r 2 8 _ 2 9 Raum & Anlage
Neu aufgestellt
Offene Immobilienfonds sind wieder attraktiv. Die Branche hat durch ein
Maßnahmenpaket die Wende geschafft. Zudem profitieren deutsche Anleger ab
dem Jahr 2009 durch höhere Nachsteuerrenditen im Rahmen der Abgeltungsteuer
Ungeachtet der derzeitigen Turbulenzen an den weltweiten Börsen und Finanzmärkten könnte 2008 wieder ein Erfolgsjahr für Offene Immobilienfonds werden. Zwei Jahre nach ihrer bislang größten Krise hat die Branche zu alter Stärke ­zurückgefunden.
Zum einen, weil die Fondsgesellschaften wichtige ­Reformen eingeleitet haben. Zum anderen, weil sich die Fonds auf dem Höhepunkt
des weltweiten Immobilienbooms 2007 mit zum Teil deutlichem
Gewinn von älteren Beständen getrennt haben. Fondsmanager
konnten auf diese Weise die Werte der Fondsanteile kräftig steigern. Deutsche Anleger haben dies honoriert und bestätigen die
wichtige Rolle der Fondskategorie als stabilisierendes Element im
Anlegerdepot. Das zeigen auch die deutlichen Nettomittelzuflüsse der vergangenen Monate. Bis Ende 2007 verzeichneten die 42
Offenen Immobilienfonds insgesamt einen Nettomittel­zufluss von
6,7 Milliarden Euro, 2006 schlug noch ein Minus von 7,4 Milliarden Euro zu Buche. Das wiederbelebte Interesse der ­Anleger hat
gute Gründe: Den Managern Offener Fonds ist es gelungen, einen
sichtbaren Wandel zu vollziehen. Zum einen wurden die Immobilienportfolios durch kluge Ver- und Ankaufspolitik erfolgreich optimiert. So erzielte die Branche nach Angaben des ­Branchenverbands
BVI per Ende 2007 mit einem Ein-Jahres-Zuwachs von 5,7 Prozent
den besten Jahres-Gruppenmittelwert seit Mitte der 90er-Jahre.
Zum anderen wurden die zunächst freiwilligen Verpflichtungen
zugunsten einer verbesserten Liquiditätssteuerung und der höheren Transparenz in der Bewertung der Fondsobjekte mit dem
Investmentänderungsgesetz durch den Bundestag am 8. November 2007 verbindlich verabschiedet. Das Gesetz ist bereits seit dem
28. Dezember 2007 in Kraft. „Der Offene Immobilienfonds ist krisenfest gemacht worden”, kommentierte Stefan Seip, Hauptgeschäftsführer des BVI. Die wichtigsten Änderungen:
Beteiligungen Offene Immobilienfonds können wie bisher ­alternativ
zum direkten Immobilienerwerb Immobiliengesellschaften erwerben
oder sich an ihnen beteiligen. Neu ist, dass der Gesetzgeber 100-Prozent-Beteiligungen an Immobiliengesellschaften mit den direkt gehaltenen Immobilien gleichstellt. Wenn deshalb auch weiterhin gilt, dass
Immobilienbeteiligungen 49 Prozent aller Vermögenswerte des Fonds
nicht übersteigen dürfen, so betrifft dies heute nur Beteiligungen,
an denen der Fonds weniger als 100 Prozent der Anteile hält. Betei-
ligungen an Immobiliengesellschaften, in denen der Fonds nur über
eine Minderheit des Kapitals und / oder der Stimmrechte verfügt, dürfen nach neuem Recht 30 Prozent der Vermögenswerte nicht übersteigen (bisher 20 Prozent). Auch sind jetzt sogenannte mehrstöckige
Konstruktionen zulässig. Unter diesem sperrigen Begriff versteht man
eine Beteiligung an einer Holding-Gesellschaft, die wiederum in eine
Immobiliengesellschaft investiert. Allerdings müssen für den Fonds
immer 100 Prozent der Anteile über die Holding-Gesellschaft gehalten werden. Offene Immobilienfonds halten ihre Grundstücke gerade
im Ausland häufig über gesellschaftsrechtliche Konstruktionen, weil
dies dort oft steuerlich attraktiv ist (siehe Seite 24 bis 27).
Anteilscheinrücknahme Für die tägliche Rücknahme von Anteilscheinen können die Fondsgesellschaften Höchstgrenzen pro
Order festsetzen. Diese Höchstgrenze kann entweder als konkreter
Betrag oder als Anteil am Fondsvolumen in Prozent definiert werden. Der Gesetzgeber hat so dafür gesorgt, dass sich Anteilscheinrückgaben privater und institutioneller Großanleger unterschiedlich
behandeln lassen. Wird die Höchstgrenze überschritten, können die
Fonds­gesellschaften Fristen setzen, um die Rücknahme von Fondsanteilen zu regeln. Die Rücknahmebedingungen müssen allerdings
im Verkaufsprospekt deutlich sichtbar dokumentiert werden.
Bewertung Auch die Trennlinie zwischen Fondsmanagement und
Immobiliensachverständigen wurde schärfer gezogen. Gutachter
dürfen die Grundstücke und Gebäude eines Fonds nur noch zwei
Jahre lang als sogenannte Hauptgutachter bewerten, danach muss
ein anderer Experte diese Aufgabe übernehmen. Durch diese Rotation soll die Qualität der Gutachten gewährleistet bleiben. Die
Einzelverkehrswerte aller Immobilien sind außerdem im Rechenschaftsbericht eines Fonds zu veröffentlichen – eine Praxis, die von
den Kapitalanlagegesellschaften im Rahmen der Selbstverpflichtung
mehrheitlich bereits seit 2006 umgesetzt wird.
Anleger Offener Immobilienfonds profitieren zudem ab 2009 von
der dann maßgeblichen Abgeltungsteuer, die in Deutschland im Zuge
der Unternehmenssteuerreform 2008 beschlossen wurde. Denn ab
2009 hebt die neue Pauschalsteuer die bisherige Benachteiligung der
Offenen Fonds gegenüber den Aktienfonds auf. Bei allen Fondsgat-
tungen müssen Anleger dann nur noch maximal 25 Prozent Einkom­
mensteuer auf die jährlichen steuerpflichtigen (ausgeschütteten und
ausschüttungsgleichen) Erträge und den beim Anteilscheinverkauf
realisierten Veräußerungsgewinn zahlen. Bislang müssen Immobilien­
fondsanleger, je nach individuellem Steuertarif, bis zu 45 Prozent der
steuerpflichtigen Erträge an den Fiskus leisten. Was die Offenen Fonds
ebenfalls attraktiv macht: Gewinne aus dem Verkauf einer mehr als
zehn Jahre lang (Spekulationsfrist) gehaltenen deutschen Immobilie
sind für Privatanleger nach wie vor steuerfrei.
Ein weiterer steuerlicher Vorteil Offener Fonds: Ab 2009 werden
im Ausland erzielte, in Deutschland steuerfrei gestellte Mieterträge
und Verkaufserlöse nicht mehr bei der Ermittlung des persönlichen
Steuer­tarifs berücksichtigt. Denn der sogenannte Progressionsvorbe­
halt wird zum 1. Januar 2009 mit der Einführung des Abgeltungsteuer­
regimes hinfällig. Der Progressionsvorbehalt sorgt bisher dafür, dass
sich der persönliche Einkommensteuersatz des Fondsanlegers erhöht:
Um ihn zu berechnen, schlägt das Finanzamt im Ausland erzielte, in
Deutschland steuerfrei gestellte Mieterträge und Ver­kaufserlöse dem
zu versteuernden Einkommen zu, um den persönlichen Steuersatz
festzulegen. In der Folge erhöht sich teilweise der maßgebliche Steuer­
tarif signifikant. Ab 2009 wird das nicht mehr passieren. Im Gegen­
teil: Fonds, die überwiegend in ausländische Immobilien investieren,
sind in Bezug auf die Nachsteuerrendite des Privatanlegers künftig
sogar im Vorteil. Auf die verbleibenden, unter anderem im Inland
erzielten Mieterträge greift der Fiskus sehr zurückhaltend zu: Laufen­
de Kosten und Abschreibungen mindern die Bemessungsgrundlage
der Abgeltungsteuer, ausländische Quellensteuern werden vom 25prozentigen Steuerabzug abgezogen, und Veräußerungsgewinne
bleiben nach zehn Jahren nach wie vor steuerfrei. Einen Wermuts­
tropfen hat die Steuerreform jedoch auch für Offene Fonds: Anle­
ger können ihre nach 2008 erworbenen Anteile nicht mehr steuerfrei verkaufen. Die einjährige Spekulationsfrist erlischt genauso wie
bei Aktienfonds. Allerdings werden Wertsteigerungen von auslän­
dischen Immobilien in Ländern mit freigestellten Veräußerungsgewinnen von der Abgeltungsteuer ausgenommen.
Nikolaus von Raggamby
Offene Immobilienfonds erhöhen Auslandsanteil in ihren Portfolios
Investmentstrategie Der Anteil ausländischer Immobilien
Altersstruktur Der Immobilienbestand von Offenen
in den Portfolios Offener Immobilienfonds ist laut Branchen-
Immobilienfonds ist überwiegend jung. Knapp zwei Drittel
verband BVI (Bundesverband Investment und Asset Manage-
der Objekte sind nicht älter als zehn Jahre, was laut BVI vor
ment e. V.) in den vergangenen fünf Jahren von durchschnitt-
allem zu niedrigen Erhaltungsaufwendungen und soliden
lich 41,8 Prozent bis Ende September 2007 auf 68,3 Prozent
Wert­entwicklungen beiträgt.
gestiegen. Im Schnitt hielten Offene Immobilienfonds stichtagsbezogen noch 31,7 Prozent ihrer Bestände in Deutschland
(gegenüber 58,2 Prozent Ende 2002). Im europäischen Ausland
Junge Immobilienbestände
Altersstruktur des Liegenschaftsvermögens in
Offenen Immobilienfonds in Prozent
standen Frankreich (18,8 Prozent), Großbritannien (12,8 Pro-
bis 5 Jahre
38,8
zent) und die Niederlande (7,3 Prozent) ganz oben in der Gunst
5 bis 10 Jahre
25,5
der Fondsmanager. In Übersee lagen die Vereinigten Staaten
10 bis 15 Jahre
14,4
15 bis 20 Jahre
10,2
mehr als 20 Jahre
11,1
(rund 4,3 Prozent) an der Spitze. Die Quote außereuropäischer
Länder erreichte insgesamt 8,5 Prozent und verzeichnete im
Vergleich zu Ende 2002 (3,3 Prozent) eine deutliche Steigerung.
Quelle: BVI; Angaben per 30. September 2007
Wo Offene Immobilienfonds investiert sind
Steigender Auslandsanteil
Geografische Verteilung des Liegenschaftsvermögens in Prozent
Verteilung des Liegenschaftsvermögens Offener Immobilienfonds in Prozent
Deutschland
58,2
55,1
49,0
47,2
43,2
31,7
Ausland
41,8
44,9
51,0
52,8
56,8
68,3
4,2
sonstige außereuropäische Länder
31,7
Deutschland
4,3
USA
100
80
60
40
20
0
16,1
sonstige Länder in Europa
4,8
Italien
2002
Quelle: BVI; Angaben per 30. September 2007
2003
2004
2005
2006
2007
7,3
Niederlande
Quelle: BVI; Angaben per 30. September 2007
18,8
Frankreich
12,8
Großbritannien
Inbegriff
von Stil
Kleider machen Leute und
Leder das Reisegepäck. Wie
kaum ein anderes Material
steht Leder bis heute für
stilvolle Koffer, Aktentaschen
und Reiseaccessoires
Raum & Leben
Symbol für Stil und Luxus: Lederkoffer von Louis Vuitton kurz vor
ihrer Fertigstellung (links). Bis
es so weit ist, durchläuft ­allein
schon das Rohmaterial Leder
­einen aufwendigen Produktionsprozess. Die Tierhäute werden
zunächst gereinigt, gegerbt und
dann zum Trocknen aufgehängt
(rechts).
Fotos: Laif/Madame Figaro, Gottfried Stoppel
Raum & Mehr 30_31
Fotos: Ludwig Reiter; GraziaNeri/Agentur Focus/Massimo Sestini; Agentur Focus/Magnum Photos/C. Anderson
Raum & Mehr 32_33
Das Ritz, der Orientexpress und die Titanic sind legendär. Nicht nur wegen der Anekdoten, die sich um sie ranken. Sie
sind vielmehr der Inbegriff luxuriösen Reisens und lassen sofort an
die High Society der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts denken,
die mit edlen Gepäckstücken stilvoll die Welt erkundete. Zahlreiche
Filme wie „Mord im Orientexpress“, „Tod auf dem Nil“, „Jenseits
von Afrika“ oder „Titanic“ halten den Mythos lebendig.
Damals wurde Reisegeschichte geschrieben. Die modernen Verkehrsmittel Eisenbahn, Passagierdampfer und Automobil boten den
vom Fernweh geplagten Schönen und Reichen ungeahnte Möglichkeiten und stellten völlig neue Anforderungen an das Reisegepäck.
Wurden früher Kleider, Anzüge, Uniformen und Unterröcke in schwere Kisten verstaut und auf die Kutsche geschnallt, mussten die modernen Gepäckstücke leicht sein und unter einen Sitz im Waggon
passen oder in den Fond eines Autos. Das war die Geburtsstunde
des Koffers und wenig später der Reisetasche, die für den Wochenendtrip reicht. Neben der Firma Louis Vuitton schrieben Hermès und
Goyard Koffergeschichte. Sie entwickelten immer neue Gepäckformen: kleine und große Koffer, Steamer Bags – Taschen für schmutzige Wäsche – Reisenecessaires, Handtaschen und Aktentaschen.
Am häufigsten verarbeiteten sie Leder, weil es vergleichsweise leicht,
langlebig und reißfest ist. Die neuen Reiseaccessoires verkauften sich
prächtig. Die Nachfrage florierte, und viele Anbieter zogen nach. In
der deutschen „Lederstadt“ Offenbach beispielsweise gab es 1925
rund 507 Leder verarbeitende Betriebe mit insgesamt 8.000 Mitarbeitern – so viele wie nie zuvor. Zum Vergleich: Heute sind es noch
18 mit rund 1.500 Beschäftigten.
„Diese Lederkoffer und -taschen sind nach wie vor der Inbegriff
von Stil und Reisekultur“, sagt Till Reiter, geschäftsführender Gesellschafter des Wiener Traditionshauses Ludwig Reiter, das neben
Maßschuhen auch Reisegepäck alten Stils herstellt. Gerade deshalb nutzen viele Hersteller von luxuriösen Lederwaren noch heute
­diese nostalgische Erinnerung für die Vermarktung. Darüber hinaus
verweisen sie stolz auf die Kunst der Verarbeitung ihrer Produkte.
Denn wie Leder richtig behandelt wird, wissen nur noch ganz wenige. „Leder ist das älteste und einzige Kulturgut der Welt, über das
fast nichts aufgeschrieben wurde“, sagt Rebecca Grajecki, Lederexpertin bei Montblanc. Von Generation zu Generation haben die
Täschner ihr Wissen mündlich weitergegeben. „Wir beschäftigen
daher Täschner, deren Familien seit vier oder fünf Generationen im
Geschäft sind und die das Know-how und die Liebe zum Leder mit
der Muttermilch aufgesogen haben“, sagt Grajecki. Allerdings gibt
es davon nur noch sehr wenige. Der Beruf stirbt aus und damit auch
das Wissen. Kein Wunder, dass traditionell ausgebildete Täschner bei
Herstellern luxuriöser Lederartikel heiß begehrt sind.
Zunächst entscheidet aber die Rohware über die Qualität des
späteren Produkts. Die Tierhaut sollte keine Narben und Einstiche
von Insekten aufweisen. Schon die Haltung der Tiere, egal ob Kalb,
Lamm oder Krokodil, ist daher von großer Bedeutung: Montblanc
beispielsweise verarbeitet für seine Luxusprodukte nur die besten
Häute von Tieren, die in Gegenden leben, wo für sie ideale Lebensbedingungen herrschen. Die weitere Verarbeitung der Tierhäute ist
nichts für empfindliche Gemüter. Die Tierhaut wird aufgeweicht, in
Kalk und Schwefelverbindungen gelegt, damit sich die Haare lösen,
Raum & Leben
und schließlich wird mit scharfen Messern das restliche Fleisch entfernt. Danach spaltet man die Haut, damit das Leder eine gleichmäßige Dicke bekommt. Später werden die Häute in verschiedene
Gerbstoffe eingelegt. Dadurch verwandelt sich die Tierhaut in haltbares Leder. Grundsätzlich wird zwischen der vegetabilen Gerbung
(mit pflanzlichen Stoffen), die ein eher festes und hartes Leder hervorbringt und mehrere Monate dauert, und der Chromgerbung (mit
Salzen) unterschieden, aus der eher weiches Leder hervorgeht und
die nur wenige Tage in Anspruch nimmt.
Ein Patentrezept für die Zusammensetzung der Gerbstoffe gibt
es nicht. „Jeder Gerber hat seine eigene Rezeptur, die er hütet wie
ein Geheimnis. Es gilt als Kapitalverbrechen, sie weiterzugeben“, sagt
der Lederdesigner Daniel Rodan, der für viele Prominente weltweit
Lederkleidung entwirft. „Es gibt bestimmt mehr als 350 verschiedene
Gerbarten.“ Auch das Know-how der Gerber ist nur eingeschränkt
zugänglich. Leder ist folglich kaum imitierbar. Hochburg der Gerbkunst ist heute die Toskana. Hier haben zahlreiche kleine Gerbereien
ihren Sitz, die das Luxussegment der Lederindustrie beliefern. Fast
alle großen Labels haben sich daher mit ihren Lederateliers in Ober­
italien niedergelassen. Hier bündelt sich auch das Know-how der
Täschnerei. Für verschiedenste Endprodukte werden unterschiedliche
Lederqualitäten benötigt, die durch den Gerbprozess bestimmt werden. Die optimale Gerbung gibt es deshalb nicht, es kommt vielmehr
darauf an, wofür ein Leder verwendet werden soll. Vegetabile Leder
kommen oft bei Koffern zum Einsatz und sind beliebt, weil sie eine
schöne Patina entwickeln. Chromleder wiederum werden häufig für
Autositze genutzt. „Erst muss ich wissen, was ich designen möchte.
Dann entscheide ich mich für das Leder“, sagt Johann Stockhammer, Kreativdirektor bei Etienne Aigner. Oftmals gibt es das passende
Ausgewählte Ledertaschenanbieter
Egana Goldpfeil Accessoires (www.goldpfeil.de)
Erich Ludwig Hamburg (www.erichludwig.de)
Etienne Aigner Deutschland (www.etienne-aigner.de)
Hermès Deutschland (www.hermes.com)
Louis Vuitton Deutschland (www.louisvuitton.de)
Ludwig Reiter Manufaktur (www.ludwig-reiter.com)
Montblanc Deutschland (www.montblanc.de)
Thomas Hicker Lederwaren Manufaktur (www.thomas-hicker.at)
Leder aber nicht auf dem Markt. „Dann beschreiben wir den Gerbereien, was wir haben wollen und was das Leder können muss“,
sagt Stockhammer. „Und die versuchen dann, mit einem ihrer vielen
Geheimrezepte das gewünschte Ergebnis zu erzielen.“
Ein edles Leder wird jedoch erst durch die erstklassige Verarbeitung zum Luxusprodukt: Je weniger geklebt wird, desto besser ist
die Qualität. Die Koffer, Taschen und Attachés von Papworth Travel
Goods, Ludwig Reiter, Hermès, Aigner, Thomas Hicker oder Montblanc sind hauptsächlich genäht – entweder per Hand oder mit der
Ledernähmaschine. „Es kommt auf exzellente Täschner an, die wissen, welche Teile des Leders sich wie verwenden lassen“, sagt Jörg
Rausch, Geschäftsführer beim Lederzentrum in Göttingen, das unter
anderem auf die Restauration von Leder spezialisiert ist. Ein Portemonnaie besteht beispielsweise aus rund 60 Einzelteilen. Ein Koffer
wiederum setzt sich aus mehr als 250 einzelnen Lederstücken zu-
sammen. Bei Hermès, Ludwig Reiter, Thomas Hicker und Erich Ludwig werden sie noch mit der Hand Stich für Stich zusammengenäht.
Kostenpunkt für einen Koffer: 300 bis 5.000 Euro.
„Wir setzen individuelle Wünsche um und fertigen Einzelstücke
an“, sagt Andreas Ludwig, einer der letzten Etuimacher in Deutschland. Für einen großen deutschen Sportartikelhersteller produzierte
Ludwig unlängst 300 Aktenkoffer, und auch eine große deutsche
Unternehmensberatung zählt zu seinen Kunden: Für sie nähte Ludwig Aktentaschen, die bis zu zwölf Akten im DIN-A4-Format fassen
können. Auch Reiter macht solche Spezialanfertigungen. Im Schnitt
verlassen pro Jahr 120 handgenähte Koffer das Wiener Traditionshaus Reiter. Die meisten dieser exklusiven Täschner bieten darüber
hinaus − ebenso wie die Marken Montblanc, Aigner, Goldpfeil, Papworth oder Hermès − fertige Gepäck-Kollektionen an. Sie alle versuchen, in ihren Designs die Tradition mit der Moderne zu verbinden. Sie bauen Extras wie Handyfächer ein und versehen Taschen
mit Tragegurten oder Koffer mit Rollen. „Gepäck und Reisetaschen
werden genau auf die Anforderungen der Reisewelt angepasst“,
sagt Aigner-Experte Stockhammer.
Ludwig Reiter hat diesbezüglich einen eigenen Ansatz: „Wir
versuchen, die Tradition in die moderne Zeit zu übersetzen. Wir
wollen ihr eine Zukunft geben“, sagt Reiter. Rollen und andere neue
Materialien lehnt der Lederexperte deshalb grundlegend ab. Wie
diese­ Synthese zwischen Moderne und Tradition funktioniert, zeigt
ein Beispiel. Reiter hat gerade eine Laptop-Tasche aus Wasserbüffelleder auf den Markt gebracht, die innen statt mit Schaumstoff mit
Lammfell ausgelegt ist, um den Computer vor Stößen zu schützen
– nach neuartigen Materialien hält man hier vergeblich Ausschau.
Johanna Lutteroth arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.
Näharbeiten an einem Ludwig-Reiter-Koffer (links), letzte Korrekturen an einer Aigner-Tasche und eine fertige Hermès-Handtasche.
Ein edles Leder wird erst durch die erstklassige Verarbeitung zum Luxusprodukt: Je weniger geklebt wird, desto besser ist die Qualität.
R a u m & M e h r 3 4 _ 3 5 M a g a z i n
„Durchbruch in Asien erst mit Niederlassung in Singapur gelungen“
RAUM & mehr sprach mit Michael Montebaur, im Vorstand der Union Investment Real Estate AG für das Auslandsressort zuständig, über die künftige Investmentstrategie
RAUM & mehr: Offene Immobilienfonds befinden sich dank der Mittelzuflüsse wieder auf der
Käuferseite. Wo wird die Union Investment Real
Estate AG künftig investieren?
Michael Montebaur: Wenn man auf das
vergangene Jahr zurückschaut, dann lag der
Schwerpunkt der Investitionen deutlich außerhalb der klassischen Kernmärkte: Während
nur zwei kleinere Ankäufe in Paris erfolgten
und kein einziger in London, standen Märkte wie Mexiko, Chile, die Türkei und die Region
Asien / Pazifik im Vordergrund. Das entspricht
dem Profil unseres globalen Fonds und ist eine
sinnvolle Beimischung für den Deutschlandund den Europa-Fonds, die bereits über ein
großes Portfolio in europäischen Kernmärkten
verfügen. Wir haben die europäischen Metropolen jedoch nicht aus dem Blick verloren. Sobald die Investitionsmärkte für uns dort wieder
etwas attraktivere Preisstrukturen bieten, sind
wir sofort investitionsbereit.
RAUM & mehr: Die Fondsbranche in Großbritannien wird derzeit stark von der SubprimeKrise gebeutelt. Werden die Offenen Immobilienfonds in den Sog mit hineingezogen?
Montebaur: Wir sind überzeugt, dass dies
nicht geschehen wird. Und zwar aus mehreren
Gründen. Zum einen schreibt der Gesetz­geber
vor, dass deutsche Offene Immobilienfonds –
anders als britische – maximal 50 Prozent einer
Investition fremdfinanzieren dürfen. In der Realität liegen die Quoten, insbesondere für Investitionen im Euroraum, noch deutlich darunter.
Zum Zweiten hat das von der Subprime-Krise
betroffene Segment kleinteiliger Wohnimmobili-
en für unser Anlageprodukt keine Relevanz. Und
drittens: In den vergangenen Monaten, während
derer die Immobilienpreise weltweit in den Himmel zu schießen schienen, haben die Offenen
Fonds bei ihren Ankäufen Augenmaß bewiesen. Nicht zuletzt die externe Sachverständigenbewertung hat sich während unterschiedlicher
Marktphasen in den letzten Jahren bewährt.
Dies wird nun entsprechend honoriert.
RAUM & mehr: Stichwort Liquidität: Sind die
Offenen Immobilienfonds auch von der restriktiveren Kreditvergabe der Banken betroffen?
Montebaur: Offene Fonds sind in der komfortablen Lage, Investitionen ausschließlich aus ihrem Eigenkapital tätigen zu können. Die Fremdfinanzierung dient in der Regel nur der steuerlichen Optimierung oder der Wechselkurssicherung. Deshalb erleben Offene Fonds gerade in
Michael Montebaur ist Vorstandsmitglied
der Union Investment Real Estate AG.
der jetzigen Marktphase, dass die Banken ihnen
aufgrund des geringen Verschuldungsgrads der
Sondervermögen besonders attraktive Finanzierungskonditionen anbieten.
RAUM & mehr: Union Investment hat erst
kürzlich erneut in Asien, speziell in Malaysia und
Japan, investiert. Wie interessant ist derzeit der
asiatische Kontinent für Immobilieninvestments?
Montebaur: Die asiatischen Immobilienmärkte stehen derzeit im besonderen Fokus der ge­
samten Investmentbranche. Gründe hierfür liegen in der Dynamik der Märkte und dem in den
meisten Märkten weiterhin erwarteten Mietwachstum. Die Volkswirtschaften weisen erhebliche Wachstumsraten auf, da Länder wie Malay­
sia, Thailand oder Vietnam schnellstmöglich Anschluss an die reifen Märkte finden wollen. Die
Dynamik und Hebelkraft, die vom Wachstum der
beiden Giganten China und Indien ausgehen
wird, verändert das Wirtschaftsgefüge weltweit.
Beide Märkte haben langfristig spannende Investitionsperspektiven zu bieten.
RAUM & mehr: Worauf kommt es beim Immobiliengeschäft in Asien besonders an?
Montebaur: Nach jahrelanger Vorarbeit ist uns
in den vergangenen zwei Jahren der Markteintritt in vier asiatischen Ländern gelungen. Möglich wurde der Durchbruch erst durch die Installation einer eigenen Niederlassung in Singapur,
die von Steffen Wolf geleitet wird. Damit sind wir
in der Region präsent. In Asien, mehr noch als in
anderen Märkten, ist der enge persönliche und
ständige Kontakt notwendig, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu schaffen und zu erhalten.
Subprime-Krise bremst europäische Investmentmärkte
4 Gewerbliche Immobilieninvestments bleiben trotz der Subprime-Kri-
dieses Jahres ein neuer Konsens im Hinblick auf den Marktwert erreicht
se in den USA und den Turbulenzen an den weltweiten Börsen und Fi-
sein dürfte“, kommentiert Tony Horrell, CEO JLL European Capital Mar-
nanzmärkten bei internationalen Anlegern beliebt. In Europa verringerte
kets, die Bilanz. JLL rechnet für 2008 mit einem Gesamttransaktionsvolu-
sich im zweiten Halbjahr 2007 zwar das Volumen deutlich – für das Ge-
men, das rund 20 Prozent unter dem von 2007 liegen wird.
samtjahr verzeichneten die Märkte dennoch überdurchschnittlich gute
Ergebnisse. Zu diesem Resultat kommt das Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL) in seiner aktuellen Erhebung. Nach ersten Hochrechnungen lag das Transaktionsvolumen auf den europäischen
Experten rechnen 2008 mit weiterem Rückgang
Gewerbeimmobilien-Direktinvestitionen** in Europa, in Mrd. Euro
grenzüberschreitend
Inland
Gewerbeimmobilienmärkten 2007 bei rund 220 Milliarden Euro. Der
Transak­tionsfluss hat sich dabei im zweiten Halbjahr auf 100 Milliarden
253,0
220,0*
176,0*
173,9
129,8
130,2
2003
2004
Euro verlangsamt und lag 25 Prozent unter dem erzielten Volumen im
Vergleichszeitraum (Juli bis Ende Dezember) des Vorjahrs. „Die Preiskorrekturen, die zum Ende des zweiten Halbjahrs 2007 vorgenommen wurden, werden bis ins erste Halbjahr 2008 hinein anhalten, wobei bis Mitte
2005
* Prognose ** ohne Wohnimmobilien
2006
2007
2008
Quelle: Jones Lang LaSalle, Stand: 9. Januar 2008
Union Investment erschließt weltweit neue Immobilienmärkte
4 Portfolio Die Neustrukturierung hat bei den Fonds der Union ­In-
UniImmo: Europa das Projekt „CapSquare Office Tower“ (links oben)
vestment Real Estate AG bereits im letzten Jahr Früchte getragen. So
in Kuala Lumpur für rund 100 Millionen Euro gekauft. ­Union Investment
legte die Wertentwicklung des UniImmo: Deutschland im ersten Ge-
ist damit bereits in vier Büroimmobilienmärkten des asiatischen Konti-
schäftshalbjahr 2007/08 auf 8,4 Prozent zu. Die deutlich über dem
nents engagiert. Vor dem Hintergrund der anhaltend starken Mieternach-
langfristigen Mittel liegende Performance ist vor allem auf Sonder­
frage für Topbüroflächen in Japans Großstädten, hat Union Investment
effekte zurückzuführen. Im Frühjahr 2007 hatte das Fondsmanagement
zudem ihr Portfolio in Tokio um ein erstes Büroinvestment erweitert. Sie
ein umfangreiches Immobilienportfolio für rund 1,36 Milliarden Euro
erwarb das elfgeschossige „Shiomi Koyama Office Building“ (links
mit deutlichem Gewinn verkauft. Auch der UniImmo: Europa verzeich-
unten) in Zentral-Tokio für umgerechnet rund 130 Millionen Euro. Das
nete mit rund 5,6 Prozent zum Geschäftsjahresende 2007 ein gutes Er-
mit 17.800 Quadratmetern Mietfläche ausgestattete und vollständig ver-
gebnis. Im Branchendurchschnitt erzielten Offene Immobilienfonds im
mietete Grade-A-Gebäude ergänzt das Portfolio des UniImmo: Global.
vergangenen Jahr eine Ein-Jahres-Performance von 5,7 Prozent – laut
Branchenverband BVI der beste Jahres-Gruppenmittelwert seit Mitte
4 Südamerika Weiterhin expandiert Union Investment in den Wachs-
der 90er-Jahre.
tumsmärkten Mittel- und Südamerikas: Nahezu zeitgleich zum Markteintritt in Malaysia erwarb die Investmentgesellschaft mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von umgerechnet rund 73 Millionen Euro
zwei weitere Liegenschaften in Mexiko und Chile. Union Investment,
bereits seit 2005 in Lateinamerika engagiert, hat den Bestand in der
Region damit auf zwölf Objekte und Projekte erweitert. Neuzugänge
Fotos: Union Investment (3); Union Investment/Ines Glombik
im Lateinamerika-Portfolio sind das vollständig an den Nutzer ­Xerox
Chile vermietete „Xerox Building“ in Santiago de Chile, welches für
den UniImmo: Global erworben wurde, sowie der ebenfalls zu 100
Prozent vermietete „Parque Industrial Tecnológico II“ in Guadalajara (rechts). Der Ankauf dieses 121.500 Quadratmeter Mietfläche um-
4 Asien Um den erfolgreichen Kurs zu halten, setzt Union Investment
fassenden Gewerbe- und Logistikparks für den UniImmo: Europa mar-
auf eine weitere Internationalisierung ihrer Geschäftsaktivitäten. So fass-
kiert den Einstieg von Union Investment in den mexikanischen Logis-
te Union Investment als erste deutsche Immobilienfondsgesellschaft in
tikmarkt. Guadalajara gilt mit rund 60.000 Beschäftigten in der Elek-
Malaysia Fuß. Zu Jahresbeginn wurde für den Offenen Immobilienfonds
troindustrie als das „Silicon Valley Mexikos“.
+++ Die nächste RAUM & mehr-Ausgabe erscheint im Oktober 2008 +++
Wir eröffnen neue Perspektiven.
Für gemeinsamen Erfolg.
Nur wer bereit ist, Dinge auch mal anders zu sehen, kann neue Perspektiven entdecken.
Ein Prinzip, dem wir seit jeher folgen und das uns zu einem der führenden europäischen ImmobilienInvestment-Manager gemacht hat. Mit 40 Jahren Immobilien-Know-how und der anerkannten Kapitalmarktexpertise einer starken Gruppe agieren wir souverän und vorausschauend auf den globalen
Märkten. Beleg hierfür ist unser Portfolio mit mehr als 160 Qualitätsimmobilien in 22 Ländern weltweit. Darunter Landmark-Buildings wie z.B. der Torre Mayor in Mexico City – ein kluger Schachzug,
nicht nur für unsere Anleger.
Für die Zukunft haben wir noch viel vor. Mit innovativen Produkten und strategischen Partnerschaften wollen wir Zug um Zug neue Märkte erschließen. Begleiten Sie uns! Schließlich ist Erfolg
erst richtig schön, wenn man ihn teilt.
www.union-investment.de