hexe, f. saga, venefica, incantatrix. ahd. hagazussa (vgl. Lexer mhd

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hexe, f. saga, venefica, incantatrix. ahd. hagazussa (vgl. Lexer mhd
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Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Online-Version vom 16.01.2017.
hexe, f. saga, venefica, incantatrix.
ahd. hagazussa (vgl. Lexer mhd. wb. 1, 1202)
und verkürzt hâzus, hâzis, hâzes, hâzissa, ags.
hägtesse, hägesse, engl. hag, mhd. hecse, hexse,
hesse; das schweiz. fem. hagsch, hâgsch
verschmitztes weib, hexe (Stalder 2, 10 neben
häggele derselben bedeutung) mag dasselbe wort
sein. Zur erklärung der eigentlichen bedeutung
von hexe sind manigfache versuche gemacht,
unter denen der Kants (10, 150), das wort von
den anfangslauten der messformel bei einweihung der hostie, 'hoc est corpus' herzuleiten, als
ganz veraltet gelten kann. Grimm (mythol. 992)
zieht zur erklärung altn. hagr klug heran, so dasz
hexe den sinn verschmitztes weib hätte; andere
deuten sie mit bezug auf hag als waldweib. für
die richtige beurtheilung des wortes scheint die
volle ags. form von wichtigkeit; sie lehrt uns dasz
wir es mit einem compositum zu thun haben.
wäre in ags. hägtesse der zweite theil des wortes
bloszes bildungssuffix, so würde bei der engen
verbindung, die schlieszende consonanten der
wurzel mit dem anlaute des suffixes einzugehen
pflegen, die assimilierte form hähtesse nach dem
bekannten gesetze zu erwarten gewesen sein. ags.
-tesse, ahd. zussa in dem zu erklärenden worte
dürfte zusammenhangen mit ags. tesu, teosu
damnum, interitus, contentio, praejudicium, verderben, tesvian in nachtheil setzen, schädigen,
verderben (Leo ags. glossar 142), der erste theil
ist hag in der bedeutung landgut, feld und flur
(vergl. oben sp. 138 und ags. haga gehegtes feld,
garten, vorwerk). die hexe ist demnach die das
landgut, feld und flur schädigende. zur stütze dieser etymologie darf daran erinnert werden, wie
im uralten volksglauben die hexe stets nur als
eine person erscheint, die durch übernatürliche
mittel das besitzthum der nachbarn und einwohner eines bezirks schädigt, und namentlich ihre
zerstörende thätigkeit auf korn und wein, auf das
vieh, seine weide und seine mast, die eicheln
(vergl. Grimm deutsche sagen no. 251) richtet.
hexe steht
1) in der eben angegebenen bedeutung: strix
hegecisse (13. bis 14. jahrh.), niederl. haghetisse
Dief. 556c; saga, ein zauberin, hägs, unhold
Dasyp., im deutschen theile häx saga, malefica
mulier, venefica; (der wein) schluckt sich besser
als camelshaar und katzenhaar, disz musz von
eim schwieren und gieren, wie der hechsen
scherben und lumpen. Garg. 89b; die hex so die
selbe wolfart ausz geheisz ires bulens des teufels angericht, hat man zu Bern verbrant.
Schade sat. u. pasqu. 2, 259, 25; es blitzet mir
im herzen nicht anders, als ob tausend hexen
wetter darinnen gemacht hätten. A. Gryphius
1698 1, 794; wir läugneten aber beide wie die
hexen, ob man uns gleich mit dem henker und
der tortur dräuete. Simpl. 3, 127 Kurz; in
Abtschwind und Geiselwind, viel huren und
hexen sind. Pistorius thes. par. 2, 4; in der
jugend eine hure, im alter eine hexe. 4, 62;
hexen weinen nicht. 10, 48;
du hast eim guoten gsellen zfressen gän,
ja, katzenhirn, ich weisz nicht was,
das er sich din vermöchte basz;
des ist er leider worden toub (toll),
und bist ein hex, das ich gloub.
mit solchen hexen öffentlich zu gehen.
fastn. sp. 867,
13;
das selb by den hecksen war
die unser landtschaft alle gar
z verderben understnden.
Murner geuchm. t iiij;
(zwei wunderthäter hatten) die hexen und den teufel,
der fürchterlich geblöckt,
durch ein allmächtig ave
zur hölle fortgestreckt.
Hölty 9 Halm;
seitdem das mädchen eine hexe ward
zu Rheims, der böse feind uns nicht mehr hilft,
geht alles rückwärts.
Schiller jungfr. 5, 1;
die hexen zu dem Brocken ziehn.
Göthe 12, 207;
die salbe gibt den hexen muth,
ein lumpen ist zum segel gut,
ein gutes schiff ist jeder trog;
der flieget nie, der heut (zur Walpurgisnacht) nicht
210;
das hexen-einmal-eins. 130.
flog.
[Bd. 10, Sp. 1300]
2) als scheltwort für eine alte, widerliche frau,
weil man sich die hexen verschrumpft und triefäugig denkt: do sprach die alte heckcz. Steinhöwel 101 (ausgabe von 1489; in der von 1487
steht: die alte vettel); zuletzt ... kam ein altes
weib ganz tropfnasz daher, die sagte, eben als
sie beim jäger vorbei passirte: ja, ich habe disz
wetter schon wol 14 tage in meinem rucken
stecken gehabt! als der jäger solches hörete ..
schlug er sie .. übern buckel und sagte: du alte
hex, hastus dann nicht eher heraus lassen können? Simpl. 1, 285 Kurz; in Ulm heiszt ein altes
geiziges schmuziges weib hekkäs. Schmid 156;
Agathe fort! ich nehme mich in acht
Göthe 12, 51.
Auch mehr mit dem ausdruck des mitleids: doch
verschmähe ich auch das vergnügen nicht, bisweilen einem dutzend armer hexen eine dankbare rührung abzujagen. Möser patr. phant. 2,
39; die arme hexe, die alle ihre künste von dem
schneider oder der putzmacherin borgen musz,
verräth eine mitleidenswürdige armuth. 74. —
Ferner mit dem accent des ärgers, unwillens: meiner frau geht es mit ihrem kammermädchen
ebenso. ist die hexe übler laune: so sitzt meiner
frau das zeug ordentlich und steif, aber nicht
ein bischen gefällig. 257; wie ich mürrisch
fragte, was denn noch für intermezzos? fieng
die hexe (die kammerjungfer) laut an zu lachen.
4, 69; willst du jetzt mit, welsche hexe, und gut
thun? Hebel 2, 173;
nur fort, du braune hexe, fort!
Göthe 1, 214.
3) auch als halbes kosewort, für ein junges,
geschwindes weib: ich sage ihnen noch einmal,
die kleine schwarze hexe gefällt mir ungemein.
Bürger 500b; der Venediger lachte über die listige hexe. Riehl geschichten aus alter zeit (1864)
s. 92;
den ganzen nachmittag bis sechse
hab gestern ich umsonst geharrt —
umsonst, du kamst nicht, kleine hexe.
H. Heine 18, 302.
4) hexe, name für die nachtschwalbe, ziegenmelker, caprimulgus europaeus. Nemnich 2, 854. im
Innthale ist hexe auch der name eines
nachtschmetterlings. Fromm. 6, 150.
5) hexe, eine schneckenart, trochus magus, auch
hexenmeister.
6) hexe, tipula, die schnake.
7) hexe, figur einer besondern spielkartenart: das
spiel karten (in der hexenkarte) bestehet aus 36
blättern; und die bilder desselben stellen mancherlei männer, zwei hanswürste und zwei
hexen vor, und von den letzten haben sie auch
den namen erhalten. Jacobsson 2, 257a.