Ich bin ein Häufchenmacher - Vogtland

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Ich bin ein Häufchenmacher - Vogtland
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"Ich bin ein Häufchenmacher"
Plauen – Hört man sich seine aktuelle CD „Reimgold“ an, sollte man dies tunlichst nicht im
Auto tun. Die Gefahr, alles, aber auch wirklich alles um sich herum zu vergessen, ist immens.
Und der Ärger-Faktor nicht minder. Über sich selbst. Weil man auch mit normalerweise
ausreichendem IQ nicht in der Lage ist, alle Pointen des Wortakrobaten Willy Astor
aufzunehmen. Feine Sache für den am 6. September 1961 im Zeichen der Jungfrau geborenen
Münchners – so müssen sich seine Fans eben mehrmals mit ihm befassen, und wer auf der
Bühne nur den halben Astor mit seinem Will-Helm mitbekommen hat, für den ist das
„Reimgold“-Album sowieso Pflicht. Fast wäre der Willy übrigens nach einer
Werkzeugmacherlehre bei BMW hängen geblieben, was den Autobauer aber wahrscheinlich
auch nicht vor der aktuellen Absatzflaute bewahrt hätte. Morgen gastiert der Wortakrobat im
Reichenbacher Neuberinhaus. Vorab hatte unser Mitarbeiter Torsten Piontkowski Gelegenheit,
ihn telefonisch in einem Leipziger Hotel zu erwischen.
Wie oft sitzen Leute in Ihrem Programm, die eigentlich zu Tom Astor wollten? Und wie
trösten Sie die?
Im Laufe der vergangenen 20 Jahre nicht wirklich. Wer zu mir kommt weiß in aller Regel,
worauf er sich einlässt, der will lachen. Aber es hat schon mal eine Agentur angerufen, die mich
für ein Country-Festival buchen wollte. Übrigens sind sich der Tom und ich voriges Jahr auf
irgendeiner Premiere in München mal begegnet, da konnten wir uns endlich mal die Hand
schütteln.
Ihr Album „Reimgold“ liegt seit fast genau einem Jahr in den Regalen. Interessieren
Sie sich überhaupt für Verkaufszahlen?
Ich komme ja von der Bühne und nicht so aus der Retorte. Aber ich finde, für einen Künstler
gehören Programm und CD irgendwie zusammen. Doch inzwischen ist der CD-Markt ja
regelrecht zusammengekracht, auch ich könnte vom Verkauf nicht leben. CDs sind einfach zu
teuer und 16 Euro für ein Album nicht gerechtfertigt.
Für einen Wortakrobaten bietet sich sächsisch doch geradezu an. Schon mal probiert?
Ich befinde mich in der Übungsphase. Aber das sehen die Sachsen anders, die meinen, ich hätte
noch viel zu tun. Auf der Bühne habe ich mich noch nicht getraut zu sächseln. Aber ich bin Fan
des sächsischen Dialekts – da liegt unglaublich viel Amplitude drin.
Immi-grantig, über-russian, crisen-themen oder Art-Rose. Woher kommen Ihre Ideen,
bei welcher Tätigkeit bevorzugt?
Es gibt keine Betriebsanleitung für kreative Arbeit. Das wichtigste Handwerkszeug aber ist
Disziplin. Disziplin und Intuition. Die meisten Ideen kommen einen, wenn man enspannt ist –
kurz vorm Einschlafen oder kurz vorm Aufstehen.
Muss man sich Ihre Wohnung Zettel übersät vorstellen?
Ja, ich bin ein Häufchenmacher. Ich schreibe alle Ideen auf Zettel und dann kann ich meine
Handschrift nicht mehr lesen. Aber jeder Künstler braucht das kreative Chaos.
Welche Art Gehirnjogging betreiben Sie, um fit zu bleiben?
Ich war jetzt vier Wochen im Urlaub und hatte gestern meinen ersten Auftritt – mit richtig
schweren Aussetzern. Aber das Leipziger Publikum, Sachsen eben, hat mir verziehen.
Ansonsten ist das Texte lernen und das fehlerfreie Wiedergeben Gehirnjogging genug.
Sehen Sie sich in Sachen Humor als Nachfolger von Heinz Erhardt?
Also ich weniger, aber wenn die Leute das tun, ist das natürlich ein Lob, mit dem ich gut leben
könnte. Erhardt war ja ein phantastischer Wortpoet und ich habe Ende der 80er Jahre versucht,
das Wortspiel wieder salonfähig zu machen. Das Publikum scheints zu mögen.
Sie haben die Bayern-Hymne komponiert. Sind Sie Fan mit Jahreskarte?
Ich besitze weder Jahreskarte, noch bin ich Vereinsmitglied. Aber wenn seit nun zehn Jahren
der „Stern des Südens“ im Stadion erklingt, dann ist das was Wunderbares. Eigentlich bin ich
aber mehr Fan von Underdog-Vereinen wie Gladbach, die seit 20 Jahren gegen den Abstieg
kämpfen. Außerdem war Netzer mein Lieblingsspieler. Da könnte ich mir schon was vorstellen.
Sie agieren bundesweit. Wann wurde Ihnen Bayern zu klein?
Irgendwann hatte ich das Gefühl, in Bayern alles erreicht zu haben. Ich wollte mich nicht
auspressen, bis ich den Leuten aus den Ohren raushänge. Publikum und Künstler bilden ja auch
eine gewisse Beziehung, und wenn man sich über die Jahre sieht, stumpft die ab. Momentan
stimuliere ich mich im Osten und fühle mich dabei gut aufgehoben.
Welcher deutsche Stamm hat den besten Humor?
Die Menschen im Ruhrpott. Wunderbar schwarz, sehr englisch. Das ist eine richtige
Malochergemeinde, die sich gegen politisches Ungemach jeder Art wehrt. Aber eigentlich habe
ich in jedem Bundesland typischen Humor entdeckt. Es macht unheimlich viel Spaß, so einer
Vielfalt an Dialekten und landestypischen Eigenheiten zu begegnen.
Haben Sie eine Ahnung, um wie vieles größer Ihr Wortschatz ist, als der eines
normalen Deutschen?
Nee, weiß ich nicht, ich habe ja auch nicht Germanistik studiert, sondern mir das alles selber
draufgeschaufelt. Ich bin halt ein neugieriger Hund und laufe mit offenen Antennen durchs
Leben.
Welches Wortspiel würden Sie Ihren Mitpassagieren bei einem Flugzeugabsturz noch
zurufen?
Vielleicht „Runter kommen sie alle.“ Aber mal im Ernst. Ich würde definitiv nichts mehr rufen,
weil mir der Humor abhanden gekommen wäre. Ich hätte unglaublichen Düsengang.
Macht es beim Begriff Reichenbach Klick?
Der Saal in Reichenbach ist richtig klasse. Ich war schon einige Male dort – er ist einer der
wenigen wirklich schönen Säle.