Bibliotheken strategisch steuern

Transcription

Bibliotheken strategisch steuern
Bibliotheken strategisch steuern
Projekte, Konzepte, Perspektiven
Herausgegeben von
Andreas Mittrowann, Meinhard Motzko und Petra Hauke
Mit einem Geleitwort von
Gudrun Heute-Bluhm
Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach
Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. – dbv
2011
BOCK + HERCHEN Verlag
Bad Honnef
.
Anmerkung:
Entsprechend der europäischen Grammatiktradition ist in dieser Veröffentlichung die Verwendung eines grammatischen Geschlechts (Genus) grundsätzlich nicht mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) gleichzusetzen. So
schließt z. B. das generische Masculinum „Nutzer“ sowohl männliche als auch
weibliche Personen ein. Aus stilistischen und ästhetischen Gründen wurde
i. d. R. – nach Rücksprache mit den Autoren – auf eine konsequente Doppelnennung (Nutzer und Nutzerinnen bzw. NutzerInnen, Nutzer/innen) verzichtet.
Die zitierten Internetquellen wurden zuletzt am 08.07.2011 aufgerufen.
Diese Veröffentlichung unterliegt einer Creative Commons Licence:
Die Beiträge sind frei zugänglich im Internet:
http://bibliothekskonzepte.ekz.de
ISBN 9978-3-88347-281-2
BOCK + HERCHEN Verlag, Bad Honnef
Printed in Germany
Inhalt
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................3
Grußwort – Wenn ich was zu sagen hätte ...
GUDRUN HEUTE-BLUHM ..................................................................................7
Einleitung – Oder: Wir haben doch das Internet!?
PETRA HAUKE ...............................................................................................11
Strategische Bibliotheksarbeit – wozu? Anmerkungen einer
Kommunalpolitikerin
JOHANNA RUMSCHÖTTEL ...............................................................................15
Bibliothekskonzepte in Dänemark –
Ein vorsichtiger Blick von/nach außen
NIS-EDWIN LIST-PETERSEN ............................................................................21
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen
Bibliotheken
ANDREAS MITTROWANN ................................................................................27
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
MEINHARD MOTZKO ......................................................................................37
Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer
Landesfachstelle – Das Beispiel der Landesfachstelle für das
öffentliche Bibliothekswesen in Bayern
UTE PALMER-HORN........................................................................................51
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeption“
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Schwerpunkt: Mit Zielvorgaben und Konzepten überzeugen
ANETTE HAGENAU, URSULA LAY .............................................................61
Hessen: Stadtbibliothek Dietzenbach
Schwerpunkt: Interkulturelle Bibliotheksarbeit
BETTINA KUSE ..........................................................................................71
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten
Schwerpunkt: Zielvereinbarungen
STEPHAN SCHWERING, GEORG MOENIKES ...............................................85
4
Inhalt
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen
Schwerpunkt: Synergieeffekte durch Zusammenarbeit auf
Kreisebene
BRUNHILDE WEBER, UWE FRIEDL ............................................................93
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens
Schwerpunkt: Die Bibliothek als Aushängeschild der Stadt
ULRIKE WEIL ..........................................................................................101
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Neustadt/Weinstraße
Schwerpunkt: Konsequent Kinder und Jugendliche im Fokus
ULRIKE SCHWARTZ, MARC WEIGEL .......................................................109
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
Schwerpunkt: Feste Verankerung in der Kultur- und
Bildungslandschaft
ANNETTE KASPER ...................................................................................113
Sachsen: Stadtbibliothek Pirna
Schwerpunkt: Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen
GABY LANGMANN ..................................................................................123
Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln
Schwerpunkt: Ein Träger – drei Finanzierer: Ein Büchereiprofil als
Leitschnur und Imagevermittler
SABINE HAASE-HENKEL .........................................................................131
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler
Trägerschaft
Konzepte auch für Öffentliche Bibliotheken kirchlicher Träger!
Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg
LOTHAR GANTER ....................................................................................137
Übergreifendes Entwicklungskonzept für Öffentliche Bibliotheken
in Stadt und Landkreis Bamberg aus Fachstellensicht
Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e.V.
MICHAEL SANETRA.................................................................................143
Wissenschaftliche Bibliotheken
Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden?
Ausschlaggebend: Strategie und Management des Trägers
RAFAEL BALL .........................................................................................149
Inhalt
Anhang
Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von
Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben .....................................157
Autoren und Herausgeber ......................................................................165
Weiterführende Informationen und Kontakte ........................................168
5
Wenn ich was zu sagen hätte ...
GUDRUN HEUTE-BLUHM
Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach
Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. – dbv
... würde ich als erstes fragen, wozu eine Bibliothek eine Konzeption braucht.
Wenn wir vielleicht noch die Mittel für die Erarbeitung der Konzeption aufbringen, haben wir ganz sicher kein Geld für die Umsetzung einer kostspieligen Strategie. Hat der Bürger nicht mehr davon, wenn man die knappen
Ressourcen für die Anschaffung neuer Medien oder die Verlängerung der
Öffnungszeiten verwendet?
So könnte die Frage eines virtuellen Stadtrats lauten. Gerade weil ich als
Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach etwas zu sagen habe, kann ich nicht
verleugnen, dass mir seit Übernahme der Aufgabe als Präsidentin des
Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. solche Zweifel nicht mehr selbstverständlich sind. Und aus diesem Grund unterstützte ich den Vorschlag
unserer Lörracher Stadtbibliothek, einen Bibliotheksentwicklungsplan zu
erstellen. Dieser wurde im Wintersemester 2009/2010 von Studenten des
Masterstudiengangs „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ der Hochschule der Medien in Stuttgart erarbeitet.
Die Kommunalpolitik gerade in Klein- und Mittelstädten ist es nicht
gewohnt, Strategien zu entwerfen und konsequent zu verfolgen. Dies liegt
wohl weniger an den Zyklen der Wahlperioden als vielmehr an der Neigung
der Gemeinderäte, in Einzelfällen zu denken. Traditionell rekrutiert sich das
kommunale Ehrenamt aus dem Kreis derjenigen, die für ihre Stadt einen
8
Gudrun Heute-Bluhm
Beitrag leisten wollen, die sich als Vertreter der Bürger verstehen und die
weniger durch eine konsequente politische Zielsetzung motiviert sind. So hat
es sich gezeigt, dass die meisten Lokale-Agenda-Prozesse eher projekt- als
zielorientiert ablaufen, wenn sie von Bürgergruppen gesteuert werden. Bei der
Lokalen Agenda handelt es sich um ein zukunftsweisendes Handlungsprogramm, das zahlreiche Städte und Gemeinden mit ihren Bürgerinnen und
Bürgern entwickelten und regelmäßig überarbeiten. Generell geht in Zeiten
äußerster Haushaltsdisziplin der Trend eindeutig dahin, die knappen Mittel für
das Tagesgeschäft einzusetzen und einen langfristigen Blick auf künftige
Aufgaben als nicht finanzierbar anzusehen.
Gefordert: Der langfristige Blick auf künftige Aufgaben
In Lörrach haben wir vor mehr als zehn Jahren gemeinsam mit der Bürgerschaft das erste Leitbild für die Stadt entwickelt und seitdem kontinuierlich
fortgeschrieben. Impulse aus diesem Leitbild führten dazu, dass wir zunächst
die Zertifizierung mit dem Schweizer Label Energiestadt® 1 verwirklichen
konnten und inzwischen den European Energy Award® 2 ni Gold erreicht
haben. Dieser Auszeichnung geht ein komplexes Verfahren voraus, in dessen
Rahmen die Klimaschutzaktivitäten einer Kommune erfasst, bewertet, geplant,
gesteuert und regelmäßig überprüft werden. Solche Erfolge sind nur möglich,
weil wir unsere Energiepolitik permanent einem konsequent überwachten
Strategieprozess unterwerfen. Warum also nicht für die Stadtbibliothek eine
neue Konzeption entwickeln?
Inzwischen müssen wir unseren Gemeinderat nicht mehr in jedem Einzelfall
überzeugen. Die Stadträtinnen und Stadträte werden in die Entwicklung der
großen Leitlinien ebenso einbezogen wie Bürgergruppen und die fachkundigen
Mitglieder der Verwaltung. Es hat sich bewährt, wenn alle miteinander sich die
Zeit nehmen, über die Zukunft nachzudenken. Ein sinnvolles Vorgehen
berücksichtigt dabei immer, dass die Moderation aus der örtlichen Verwaltung
heraus erfolgt. Die Partner vor Ort müssen gemeinsam über neue Ziele
diskutieren und diese dann beschließen. Es darf nicht der Eindruck entstehen,
ein externer Gutachter spreche Empfehlungen aus, und diese würden dann
umgesetzt.
Nach diesem Muster erarbeiteten die Masterstudenten unter der Leitung von
Prof. Cornelia Vonhof den Bibliotheksentwicklungsplan für die Lörracher
Stadtbibliothek gemeinsam mit dem örtlichen Bibliotheksteam und stellten
1
2
www.energiestadt.ch.
www.european-energy-award.de.
Wenn ich was zu sagen hätte ...
9
anschließend die Ergebnisse im Kulturausschuss der Stadt Lörrach zur
Diskussion. Von der Umfeld- und Zielgruppenanalyse über eine Untersuchung
der Arbeitsprozesse bis hin zu praktischen Zukunftsperspektiven beleuchtet die
Konzeption alle wichtigen Aspekte, um die Lörracher Stadtbibliothek auf
veränderte gesellschaftliche Bedingungen vorzubereiten. Der Kulturausschuss
begrüßte die vorgeschlagene Bibliothekskonzeption einmütig. Empfehlungen
wie eine Personalstelle, die vor allem Schulkontakten gewidmet ist, wurden
bereits realisiert. Andere – wie ein Internetportal für Schulen – stehen kurz vor
der Umsetzung.
Fünf Faktoren
Fünf Faktoren trugen in Lörrach dazu bei – und können sicherlich in anderen
Städten dazu beitragen – dass ein solcher strategischer Meinungsbildungsprozess aufgenommen wird:
1. Wir berichten regelmäßig über die Bibliothek und ihre Projekte.
Es hat sich gezeigt, dass eine städtische Einrichtung, sei es die Bibliothek, die
Wirtschaftsförderung oder die Wohnungsbaugesellschaft, umso besser bedacht
wird, je häufiger sie sich im Gemeinderat mit ihren Aufgaben vorstellt. Hier
gilt die alte Einsicht: Man liebt nur, was man kennt.
2. Die Bibliothek muss selbst zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme bereit sein.
Unsere Ausschussmitglieder waren besonders angetan von der Offenheit der
Stadtbibliothek, ihre Problemfelder zu benennen. Als Mittel einer
transparenten und über einige Jahre ablesbaren Leistungsübersicht eignet sich
der Bibliotheksvergleich „BIX“ (Bibliotheksindex).3 Mit diesem Instrument
können sich Bibliotheken nicht nur messen und voneinander lernen. Sie
können anhand der Ergebnislinien auch auf Defizite aufmerksam machen, auf
andere erfolgreiche Kommunen verweisen und konkrete Unterschiede
aufzeigen. Insoweit lässt sich der BIX auch als Lobby-Instrument einsetzen.
3. Der Einstieg in den Strategieprozess sollte zunächst kostengünstig sein.
Studentische Projekte sind daher besonders geeignet. Daneben hat sich bei uns
wie schon erwähnt gezeigt, dass die aktive Mitarbeit der Verwaltung in den
3
www.bix-bibliotheksindex.de.
10
Gudrun Heute-Bluhm
Bereichen „Moderation“ und „Prozesssteuerung“ oft besser ankommt als die
Besetzung dieser Aufgaben mit Externen.
4. Die Bibliotheksstrategie sollte sich in die allgemeinen Leitziele der Stadt
einfügen und sich an den Schwerpunkten orientieren, die der Gemeinderat
für seine Arbeit festgelegt hat.
Besonders leicht und einladend ist es natürlich, wenn der Gemeinderat – wie
bei uns – einmütig den Bereich „Bildung“ zum Schwerpunktthema der
Stadtpolitik erklärt hat. So ist in Lörrach eine Bildungspartnerschaft mit den
Schulen ein großes, aber durchaus erreichbares Ziel. Eine Bibliotheksstrategie
sollte also durchaus kühn in die Zukunft zeigen, dabei aber gleichzeitig das in
der jeweiligen Kommune finanziell Machbare im Auge haben.
5. Die Bibliothek muss sich starke Partner suchen.
Wir haben seit zehn Jahren einen äußerst aktiven Freundeskreis. Den
Mitgliedern geht es weniger um die aktive Mitarbeit in der täglichen
Bibliotheksarbeit. Sie organisieren Veranstaltungen und Benefizaktivitäten.
Zudem wirkt der Freundeskreis in den Gemeinderat hinein als bürgerschaftliche Lobby. So setzte die Vorsitzende des Freundeskreises seinerzeit die Verlängerung der Öffnungszeiten gegen den aus finanziellen Erwägungen heraus
kleinmütigen Vorschlag der Verwaltung durch.
Fazit
Zurück zur Bibliothekskonzeption: Einmal verabschiedet, darf diese nicht in
einer Schublade verschwinden. Sie muss jährlich fortgeschrieben und überprüft werden. Die einzelnen Vorhaben der Folgejahre sollten ausdrücklich aus
der Konzeption entwickelt und ihm Hinblick darauf begründet werden. Ferner
ist das Feedback der Nutzer aktiv einzubeziehen. Gerade Bibliotheken, die
unter den Kultureinrichtungen die höchsten Besucherzahlen aufweisen, haben
viele Möglichkeiten, auf das Wissen und die Meinungen ihrer Nutzer
zuzugreifen. Ob direkte Befragungen, Feedback-Boxen oder Wunschkarten –
die Bibliotheksnutzer sind nach unseren Erfahrungen gern bereit, mit ihren
Vorschlägen an der Weiterentwicklung mitzuwirken. Auch die zuständigen
Beschlussgremien des Gemeinderates müssen regelmäßig in die Arbeit der
Bibliothek eingebunden werden, um die weitere Umsetzung zu ermöglichen.
Ein Strategieprozess ist, wenn man ihn einmal begonnen hat, nie wirklich zu
Ende. Er hat nur Erfolg, wenn er auch in den Folgejahren gelebt und vermittelt
wird. Er muss ein gemeinsames Projekt von Bibliothek, Gemeinderat, Bürgerschaft und Stadtoberhaupt werden. Dann hat er eine Chance.
Einleitung – oder: Wir haben doch das Internet!?
„Warum eigentlich? Wir haben doch das Internet
und googeln uns alle Informationen zusammen,
die wir brauchen. Unseren Kindern kaufen wir die Bücher,
und außerdem spielen die Kids sowieso am liebsten am Computer.“ 1
Ja: Warum eigentlich noch Bibliotheken? So fragt sich wohl auch mancher
Stadt- oder Gemeindeobere, wenn er sich seinen schmalen Stadtsäckel besieht
und überlegt, wo die Prioritäten zu setzen sind und wo eingespart werden
könnte.
Spätestens dann gilt es für Bibliotheken, mit einer überzeugenden Strategie
aufzutreten und mit einer fundierten Bibliothekskonzeption ihrem jeweiligen
Träger deutlich zu machen, dass die in manchen Köpfen noch immer herumspukende Leihbücherei der 1950/60er Jahre längst der Vergangenheit angehört
und was und wieviel die Öffentliche Bibliothek von heute tatsächlich für die
Stadt, die Gemeinde, die Kommune leistet, welches ihre Zielgruppen sind, wo
die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen.
Aber nicht nur nach außen wirkt eine strategische Bibliothekskonzeption –
auch für die eigene Arbeit, für eine fruchtbare Arbeit im Team, für ein
überzeugendes Auftreten gegenüber Sponsoren und Freundeskreisen, für die
Identifikation der Bibliotheksnutzer mit ‚ihrer‘ Bibliothek ist es wichtig, dass
die Bibliothek ein Gesicht, ein Profil zeigt, dass sie ihre – natürlich immer viel
zu begrenzten – Ressourcen bündelt und gezielt einsetzt, ggf. auch unter
Verzicht darauf, alle und jeden bedienen und zufriedenstellen zu wollen.
Zum Thema „Strategische Bibliotheksplanung“ führt die ekz gemeinsam mit
dem Trainer Meinhard Motzko und in Kooperation mit den jeweiligen Landesfachstellen seit einigen Jahren das Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ in
mehreren Bundesländern durch. Ziel ist es, gemeinsam mit Bibliotheken einen
Masterplan für die weitere, lokale Entwicklung zu erstellen. 220 Bibliotheken
haben bisher an diesem Projekt teilgenommen.
Daraus erwuchs der Wunsch eines Buchprojektes, um die gemachten Erfahrungen an andere Bibliotheken weitergeben zu können. Mit der vorliegenden
Publikation soll diesem Wunsch entsprochen werden.
1
21 gute Gründe für Bibliotheken. Hrsg. von der BID – Bibliothek &
Information Deutschland. Berlin 2009. www.bideutschland.de/download
/file/2_21 GUTE GRUENDE_endg_4-9-08.pdf.
12
Petra Hauke
Die Herausgeber freuen sich sehr, dass sie mit Gudrun Heute-Bluhm, der
Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach und Präsidentin des Deutschen
Bibliotheksverbandes eine nicht nur herausragende, sondern auch erfahrene
Fürsprecherin für das Geleitwort gewinnen konnten. („Wenn ich was zu sagen
hätte ...“).
Aber auch die Anmerkungen der – auch als Bibliothekarin – erfahrenen
Kommunalpolitikerin Johanna Rumschöttel „Strategische Bibliotheksarbeit –
wozu?“ enthalten viele wertvolle Argumente, mit der ggf. die eigenen Kommunalpolitiker überzeugt werden können, ein Seminar zur Bibliotheksstrategie
zu befürworten.
Aus dem bibliothekarischen „Vorzeigeland“ Dänemark – auf dessen im
Jahre 1920 erlassenes und zuletzt im Jahre 2000 novelliertes Bibliotheksgesetz
wir neidvoll blicken, während in Deutschland die allgemeine Literaturversorgung noch immer zu den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“ der
Kommunen gehört – verrät uns Nils-Edwin List-Petersen eines der Geheimnisse der erfolgreichen dänischen Bibliotheksarbeit: „Der Kunde ist König und
wird in die Analyse von Bedarf und Zielorientierung einbezogen, Benchmarking ist die Regel, und zusätzliche staatliche Förderungen sind an Zielvereinbarungsverträge gebunden.“
Andreas Mittrowann sieht große „Herausforderungen für die Zukunftsrolle
der Öffentlichen Bibliotheken“ und plädiert einerseits für Veränderungen als
Motor für den notwendigen Wandel in Bibliotheken, andererseits muss eine
formulierte Bibliothekskonzeption mit Geduld und Kontinuität zu den
verschiedenen Zielgruppen im Umfeld der Bibliothek transportiert werden.
Meinhard Motzko stellt in seinem Beitrag die „Inhalte einer Bibliothekskonzeption“ zusammen und berichtet von seinen Erfahrungen bei der
Umsetzung solcher Konzepte. Ganz lapidar stellt er fest: „Und jetzt können
Ressourcenforderungen zum ersten Mal mit Leistungsversprechen verbunden
werden. ... Das überzeugt nämlich und wird oft auch honoriert: Wer klarmachen kann, was beim Ressourceneinsatz herauskommt, der bekommt diese
Ressourcen auch eher.“
Am Beispiel der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in
Bayern unterstreicht Ute Palmer, dass die „Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle“ zu sehen ist und dass sie
in diesem Kontext mit Beratung, Bereitstellung statistischer Angaben, Vermittlung von Kontakten und auch Gesprächen mit den Entscheidungsträgern
behilflich sein kann.
Es folgen Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ aus
den Ländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,
Thüringen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Die Berichte aus den einzelnen
Öffentlichen Bibliotheken verfolgen unterschiedliche Schwerpunkte wie
Einleitung – oder: Wir haben doch das Internet!?
13
„Interkulturelle Bibliotheksarbeit“ (Stadtbibliothek Dietzenbach), „Zielvereinbarungen“ (Stadtbibliothek Emsdetten), „Bibliothek als Aushängeschild
der Stadt“ (Stadtbibliothek Pirmasens), „Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen“ (Stadtbibliothek Pirna) etc., z. T. kommentiert von einem
Kulturdezernenten (Marc Weigel, Neustadt a. d. Weinstraße: „... die Aufbruchstimmung, die ein solches Konzept auslöst ...“), einer Kulturreferentin (Ursula
Lay, Traunstein, „Besonders gut gefallen hat mir ...“) oder eines Bürgermeisters (Uwe Friedl, Euskirchen, „Die Bibliotheken fungieren in ihrer
Kommune als ‚Problemlöser‘ für bildungsferne Schichten“).
Doch auch Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft „gleich welcher Größe, Trägerschaft, ob mit hauptamtlicher oder neben/-ehrenamtlicher Leitung brauchen klar kommunizierbare
Konzepte und Strategien“ – immerhin sind, betont Lothar Ganter, Leiter der
Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg, „zwei Drittel
der Öffentlichen Büchereien in Deutschland mit neben- oder ehrenamtlicher
Leitung ... in der Trägerschaft der evangelischen und katholischen Kirche. Mit
hohem bürgerschaftlichem Engagement tragen diese Einrichtungen zur
allgemeinen Literaturversorgung bei.“ Der Autor empfiehlt, bei sog.
„gemischter“ Trägerschaft (zum Beispiel zwischen zwei kirchlichen Trägern
oder zwischen kommunalem und kirchlichem Träger) einen paritätisch
besetzten Beirat der beiden Partner einzurichten, in dem nicht nur die
Finanzen, sondern auch die Interessen der Träger diskutiert und als Vorgabe
für die Büchereien formuliert werden.
Unter der Federführung des Sankt Michaelsbundes ist in Stadt und Landkreis
Bamberg ein trägerübergreifendes Bibliothekskonzept erarbeitet worden, das
vorhandene bibliothekarische Ressourcen nutzt und die Errichtung neuer
Büchereien forciert, wobei die Schwerpunkte bei der Leseförderung und der
Zusammenarbeit mit Schulen liegen. In Bezug auf die künftige Planung stellt
Michael Sanetra jedoch auch kritische Fragen zur Debatte: „Wie können –
oder wollen – die Büchereien mit dem gegenwärtigen ‚Kundenschwerpunkt
Kinder‘ auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren?
Oder auch: Müssen die kleinen Büchereien fit für Web 2.0 und die Teilhabe an
den social media gemacht werden?“
Last but not least stellt sich Rafael Ball der Frage „Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden?“ Schließlich unterscheiden sie
sich prinzipiell und unter organisatorischen Aspekten nicht von Öffentlichen
Bibliotheken. Und: „Eine Organisation strategisch zu steuern bedeutet ja nichts
anderes, als ein Management nach objektiv messbaren Zielen zu organisieren
und umzusetzen. Insofern lässt sich jede Wissenschaftliche Bibliothek
prinzipiell strategisch steuern. ... Die entscheidende Frage allerdings ist die Art
der Steuerung der jeweiligen Trägereinrichtung.“ Handelt es sich dabei jedoch
14
Petra Hauke
um eine „Behörden-Universität“, so funktioniert sie nach kameralistischem
Prinzip – wesentlicher Maßstab ist die Einhaltung von Regeln und Vorschriften. „Fragen nach Effektivität und Effizienz, nach Service, QualityLevel oder einem ‚return on investment‘ werden hier nicht gestellt und Antworten darauf vergeblich gesucht.“
Unternehmensorientierte Universitäten dagegen, wie z. B. die an Zahl zunehmenden Privatuniversitäten, folgen einer anderen Führungsphilosophie und
werden über definierte strategische Ziele gesteuert – und mit ihnen die ihnen
zugehörigen Wissenschaftlichen Bibliotheken. Ball fordert von den einschlägigen Ausbildungs- und Studieneinrichtungen umfassend und professionell betriebswirtschaftliches und unternehmensorientiertes Denken und setzt
für die Zukunft auf junge Bibliothekare mit einem offenen Verständnis für
output-orientiertes Denken und mit ausgeprägter Nutzerorientierung.
Den Beiträgen folgt eine Zusammenstellung der Bibliotheken, die in den
Jahren seit 2001 an den Projekten zur Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben – eine stattliche Liste, die allerdings in
Anbetracht einer Zahl von 1964 hauptamtlich geleiteten Öffentlichen
Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland2 (denen noch die große Zahl
von ehren- bzw. nebenamtlich geführten Bibliotheken hinzuzudenken ist) in
Zukunft noch stark ausbaufähig sein dürfte.
Für weiterführende Informationen und Kontakte sind am Schluss des Bandes
Bezugsadressen für auf CD erhältliche Dokumentationen von Konzepten und
Ansprechpartner für weitere Projekte genannt.
Das Buch wendet sich an alle Bibliothekare, die zwar auch nicht
konzeptionslos arbeiten, „allerdings haben nur die wenigsten ihre konzeptionellen Grundlagen formuliert bzw. als Auftragsgrundlage vom Träger
beschließen lassen.“ (M. Motzko) Das Buch wendet sich an die Träger von
Öffentlichen, aber auch von Wissenschaftlichen Bibliotheken und von
Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft. Sie
alle mögen daraus Anregungen schöpfen, die Notwendigkeit und den Vorteil
deutlich formulierter Strategiekonzepte erkennen und daraus Gewinn ziehen.
Petra Hauke
Juni 2011
2
Jahrbuch der Öffentlichen Bibliotheken, Ausg. 2010/11. Bad Honnef, 2010.
Strategische Bibliotheksarbeit – wozu?
Anmerkungen einer Kommunalpolitikerin
VON JOHANNA RUMSCHÖTTEL
Das Bild der Bibliothek als Verleihstation von Büchern ist noch weit
verbreitet. Bibliotheken übernehmen aber längst wichtige gesellschaftliche und
soziale Funktionen und verfügen über große Potentiale, um bei der
Problemlösung kommunalpolitischer Fragen einen wertvollen Beitrag zu
leisten. Es ist überlebenswichtige Aufgabe der Bibliotheken, mit strategischen
Bibliothekskonzepten auf sich aufmerksam zu machen und sich als
unentbehrlichen Dienstleister im Rahmen der Kommunalpolitik zu
positionieren.
Überall dort, wo es Bibliotheken gibt, werden diese in aller Regel als selbstverständlicher Teil der kulturellen Daseins- und Zukunftsvorsorge verstanden.
Man muss über sie nicht viel reden oder nachdenken. Sie gehören ganz einfach
dazu. Aber ist es bei einer Bibliothek nicht wie bei der Gesundheit des Menschen? Was man an ihr hat, bemerkt man meist erst dann, wenn sie plötzlich
nicht mehr da ist, oder wenn – scheinbar überraschend – als selbstverständlich
angesehene Funktionen ausfallen. Jetzt erst wird klar, dass man viel früher
etwas hätte tun müssen. Bibliotheken sind nicht nur Einrichtungen der Zukunftsvorsorge, sie bedürfen selbst der permanenten Pflege, um zukunftsfähig
bleiben zu können. Strategische Bibliotheksarbeit heißt, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen. Nur was sich ändert, hat Bestand.
Natürlich sind Bibliotheken nicht der Dreh- und Angelpunkt der modernen
Gesellschaft, sie sind keine Heilsbringer oder umfassenden Problemlöser. Aber
sie übernehmen wichtige, ja unverzichtbare Funktionen in unseren Gemeinwesen – ein Potential, das von den politischen Verantwortungsträgern oft verkannt, zumindest jedoch zu wenig genutzt wird.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die Bibliotheken in Deutschland
bis heute zwar im Rahmen der kommunalen Kulturförderung mit verfassungsrechtlichem Auftrag, jedoch größtenteils ohne verbindliche gesetzliche
Rechtsgrundlage arbeiten. Selbst in den Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt
und Hessen, in denen es mittlerweile Bibliotheksgesetze gibt, werden Bibliotheken bestenfalls als Bildungseinrichtungen festgeschrieben. Ein wichtiger
Schritt in die richtige Richtung, dennoch fehlt den Bibliotheken auch hier noch
immer der Status einer kommunalen Pflichtaufgabe. Der Abhängigkeit von der
16
Johanna Rumschöttel
Leistungsfähigkeit der Sitzkommunen bzw. der Prioritätensetzung amtierender
Kommunalpolitiker ist damit kein Einhalt geboten.
Die Fachverbände dürfen also nicht müde werden, auf die Bedeutung, die
Unverzichtbarkeit der Bibliotheken hinzuweisen und zugleich auf eine gesicherte gesetzliche Verankerung zu drängen. Doch sie bedürfen hierzu der Unterstützung der Kommunalpolitik, sie brauchen die Unterstützung der Basis:
der Bibliotheken. Nur wenn es den Bibliotheken gelingt, die kommunalen
Entscheidungsträger von der Wichtigkeit der Einrichtung Bibliothek zu überzeugen, haben sie eine Chance auf breite Unterstützung durch die Politik. Je
stärker sie jedoch von Sparmaßnahmen betroffen sind, desto schwieriger wird
es für die Bibliotheken, ihre Aufgaben auch adäquat auszufüllen und ihre Bedeutung in den Vordergrund zu stellen.1 Die Bibliotheken müssen sich also mit
ihrer Überzeugungsarbeit beeilen. Dies gelingt am besten durch Profilbildung,
durch strategische, mit der Kommunalpolitik abzustimmende Bibliothekskonzepte. Die Bibliotheken müssen den Entscheidungsträgern beweisen, dass sie
eine wichtige Stütze bei der Lösung kommunaler Probleme sind, dass sie
wertvolle Dienstleister für Kommunalpolitik und Gesellschaft sind.
Im Folgenden sollen exemplarisch drei mögliche Problem- und Handlungsfelder dargestellt werden.
Themenfeld Bildung
Die Assoziation von Bildung und Bibliothek ist naheliegend. Dass Bibliotheken aber weitaus mehr zu bieten haben, als Literatur zur Verfügung zu stellen,
ist dem Kommunalpolitiker oft nicht bewusst. Nicht umsonst wird in der
Fachwelt auch mit Nachdruck betont, dass die Festschreibung der Bibliothek
als Bildungseinrichtung in den bisher verabschiedeten Bibliotheksgesetzen der
maßgebliche Fortschritt ist.
Lesefähigkeit und die Fähigkeit, das Gelesene auch zu verstehen, sind die
Grundvoraussetzungen für den Erwerb von Bildung, für schulischen und beruflichen Erfolg. Was die Lesefähigkeit von Kindern im Grundschulalter und
auch darüber hinaus angeht, so ist unsere Gesellschaft äußerst heterogen auf-
1
Laut einer Umfrage des Deutschen Bibliotheksverbandes waren 2010 fast
59 % aller befragten kommunalen Bibliotheken von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen betroffen. 10 % haben darüber hinaus bereits dauerhaft Personalkapazitäten eingebüßt, für ein Viertel aller Bibliotheken galt eine Wiederbesetzungssperre. Siehe Deutscher Bibliotheksverband e. V. (2010): Ergebnis der
dbv-Befragung zur Finanzlage der Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland.
www.bibliotheksverband.de.
Strategische Bibliotheksarbeit – wozu?
17
gestellt. Kinder aus Familien, in denen wenig gelesen wird oder deren Eltern
diese Fähigkeit selbst nicht oder nur in geringem Maße besitzen, tun sich wesentlich schwerer in der Schule als Kinder, bei denen Lesen zum Alltag gehört,
die noch dazu gerne lesen. Das belegt auch eine Studie der „Stiftung Lesen“
aus dem Jahr 2009.2 Bibliotheken übernehmen hier wichtige Funktionen. Sie
verfügen über das Handwerkszeug, Kinder schon früh für das Lesen zu begeistern. Erzieher und Lehrer haben oft nicht die Zeit, diese Rolle zu übernehmen.
Aber nicht nur die Fähigkeit zu lesen ist ein Schlüssel zum Erfolg, Medienkompetenz bzw. das Wissen über Strategien zum Informationserwerb sind
nicht weniger bedeutsam. Keine Frage: Das Internet hat die Verfügbarkeit von
Informationen nicht nur nahezu ins Unendliche potenziert, sondern auch erleichtert. Doch längst nicht jeder verfügt heute über einen eigenen Zugang zum
World Wide Web3 und schon gar nicht über die Fähigkeit, zielgerichtet zu
recherchieren und brauchbare Informationen von unbrauchbaren zu unterscheiden. Bibliotheken haben diese Kompetenz. Bibliothekare verfügen darüber hinaus auch über das Wissen um Lizenzen und Urheberrechte. Bereits
lange vor der „Causa zu Guttenberg“ wurde in der Fachwelt über die Rolle der
(Wissenschaftlichen) Bibliotheken bei der Identifizierung von Plagiaten in
wissenschaftlichen Veröffentlichungen diskutiert. Von der Kompetenz der
Bibliotheken wird vom Hochschulbetrieb hier noch viel zu wenig Gebrauch
gemacht. Dies könnte sich jetzt ändern.
Doch zurück zu den Öffentlichen Bibliotheken. Bislang war nur von der für
einen Kommunalpolitiker eher schwer fassbaren Rolle der Bibliotheken als
Vermittler von Lese- und Medienkompetenz die Rede. Konkreter lässt sich der
Nutzen der Bibliothek zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Ganztagsschulbetrieb darstellen, der die Sachaufwandsträger vor große finanzielle Herausforderungen stellt. Das von den Ministerien zur Verfügung gestellte Personal reicht zur Abdeckung aller Betreuungsstunden längst nicht aus, die
Kommunen gehen daher Kooperationen mit Volkshochschulen, Musikschulen,
Jugendringen oder Sportvereinen ein. Warum aber denkt kaum jemand an die
Bibliotheken? Als kommunale Einrichtungen könnten sie hier eine wesentlich
größere Rolle spielen. Es ist also an den Bibliotheken, sich ins Gespräch zu
bringen.
2
Hildebrandt, L. (2010). Bildungspartner Bibliothek. Startvorteile für lesefreudige Schüler. BuB, Forum Bibliothek und Information 62 (1), S. 17.
3
Laut dem von der Initi@tive D21 herausgegebenen (N)ONLINER Atlas 2010
sind 24,2 % der Deutschen ab 14 Jahre sogenannte Offliner. Siehe: Initi@tive
D21 (2010). (N)ONLINER Atlas 2010, S. 10. www.nonliner-atlas.de.
18
Johanna Rumschöttel
Auch die Kooperation mit Schulbibliotheken, die häufig immer noch ein
Stiefkind des Schulbetriebes sind, ist ein wertvolles Handlungsfeld, das aber
glücklicherweise schon in den Köpfen der bayerischen Landespolitik angekommen ist. Sichtbarer Ausdruck dafür ist das Gütesiegel „Bibliotheken –
Partner der Schulen“4, das das Bayerische Staatsministerium für Unterricht
und Kultus gemeinsam mit dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst seit 2006 an Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken vergibt.
Themenfeld Soziales
Mehr als 200 Millionen Besuche jährlich zählen Deutschlands Bibliotheken.
Das sind mehr als alle Museen, Theater, Konzertsäle oder Kinos, sogar mehr
als die Fußballbundesliga Zuschauer hat.5 Dieser Tatsache sind sich nur wenige Kommunalpolitiker bewusst, obwohl die Bibliothek Teil ihrer Verwaltung
ist.
In vielen Köpfen herrscht auch heute noch das überkommene Bild der Bibliothek als Verleihstation von Büchern vor. Das ist nicht nur bedenklich für die
Einrichtung Bibliothek, sondern sollte die Alarmglocken läuten lassen. Man
denke nur an die tatsächlich reinen Verleihstationen von Videos, an die Videotheken in den 1980er Jahren – sie sind heute fast von der Bildfläche verschwunden. Es sind aber nur die Bibliotheken selbst, die dem entgegenwirken
können, die ihre Kompetenz und den Mehrwert der Einrichtung gegenüber der
‚Verleihstation von Medien‘ vermitteln können. Marketing und Imagepflege
beim eigenen Arbeitgeber? Das mutet vielleicht seltsam an, ist aber heute
nahezu unerlässlich.
Bibliotheken übernehmen zahlreiche gesellschaftliche, soziale Funktionen.
Ihre Bedeutung als öffentlicher Ort, als Treffpunkt, Freizeit- oder auch Lernort, an dem nicht konsumiert werden muss6, nimmt auch vor dem Hintergrund
steigender Armut immer weiter zu. Bücher zu kaufen, ist für viele alles andere
als selbstverständlich, auch hat längst nicht jeder einen eigenen Internetzugang. Das gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im erwerbsfähigen
Alter, das gilt aber auch für die immer größer werdende Zahl an Senioren. Im
Zuge des rasant fortschreitenden demographischen Wandels – für den Land-
4
www.lfs.bsb-muenchen.de/Guetesiegel-fuer-Bibliotheken.1325.0.html.
Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv) (2010). Bericht zur Lage der Bibliotheken 2010, S. www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload
/DBV/publikationen/Bericht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010.pdf.
6
Ebd., S. 4.
5
Strategische Bibliotheksarbeit – wozu?
19
kreis München etwa prognostiziert man im Jahr 2029 einen Anstieg der über
60jährigen um beinahe 44 Prozent, der über 80jährigen sogar um 128 Prozent
– gilt es auch für die Bibliotheken, ihr Angebot für ältere und alte Menschen
zu überprüfen und in Abstimmung mit der Kommunalpolitik weiter auszubauen. Die Teilhabe an der Gesellschaft ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Aufgabenfeld der kommunalen Seniorenpolitik. Ohne starke Partner wird
sie jedoch einer zunehmenden Vereinsamung kaum effektiv entgegenwirken
können – eine Chance für die Bibliothek als Dienstleister der Kommune.
Gesellschaftliche Teilhabe ist aber nicht nur ein Handlungsfeld in der Seniorenpolitik, es ist ganz besonders auch eine Aufgabe der Integrationspolitik.
Nach Erhebungen der „Stiftung Lesen“ machen Menschen mit Migrationshintergrund deutschlandweit gut 20 Prozent der Bibliotheksnutzer aus. Beachtenswert ist dabei insbesondere, dass in dieser Gruppe das Durchschnittsalter
mit 27,2 Jahren deutlich unter dem der Bibliothekskunden ohne Migrationshin7
tergrund mit 42,3 Jahren liegt. Hier zeigen die Bemühungen der Bibliotheken
also Wirkung, die Zahlen führen aber auch vor Augen, dass auf diesem Gebiet
noch großes Handlungspotential vorhanden ist. Das Vorhalten von Medien
zum Erlernen der deutschen Sprache, von fremd- und zweisprachigen Medien
können dabei nur Teile eines Konzeptes sein. Niederschwellige Angebote auf
verschiedenen Ebenen erleichtern zum Beispiel den Erstkontakt zur Bibliothek, das gilt jedoch für bildungsferne Bürgerinnen und Bürger mit und ohne
Migrationshintergrund gleichermaßen Der Bildungsarmut kann man hier ebenso entgegensteuern wie mangelnden sozialen Kontakten.
Die Bedeutung von Bibliotheken als Kultur- und Freizeitorte, als weiche
Standortfaktoren in diesem Sinne, wird von der Kommunalpolitik am ehesten
erkannt. Weitaus seltener dagegen werden Bibliotheken in einem wirtschaftlichen Kontext gesehen.
Themenfeld Wirtschaft
Bibliotheken sind nicht zu unterschätzende Frequenzbringer für den Einzelhandel und die Belebung der Innenstädte und Ortszentren. Nicht selten verbinden Bibliothekskunden den Bibliotheksbesuch mit einem Einkauf. Nach einer
Befragung aus dem Jahr 2005 war das in Baden-Württemberg sogar bei jedem
8
zweiten Nutzer der Fall. Umso wichtiger ist es, dass Bibliotheken in zentraler
Lage situiert sind. Veranstaltungskooperationen mit dem örtlichen Buchhan-
7
Ebd., S. 9.
Siehe u. a. Blim, J. (2005). Der Besucher – Das unbekannte Wesen. Gutes
Zeugnis für Baden-Württembergs Bibliotheken. www.bibliotheksportal.de.
8
20
Johanna Rumschöttel
del, mit der Gastronomie oder mit Spezialitätenläden können für diese darüber
hinaus ein Instrument zur Kundenbindung sein. In jedem Fall heben Bibliotheken die Attraktivität der Stadt- und Ortszentren, nicht nur durch ihr Angebot,
oft auch durch ihre architektonische Gestaltung. In Bibliotheken zu investieren, heißt damit auch, den örtlichen Einzelhandel zu fördern.
Doch sieht es mit Investitionen in die deutschen Bibliotheken vergleichsweise düster aus. Während in Finnland im Jahr 2009 54,55 Euro und in den USA
umgerechnet rund 27 Euro pro Kopf für Bibliotheken ausgegeben wurden, so
9
waren es in Deutschland gerade einmal 8,21 Euro. Dieser Vergleich sagt viel
darüber aus, welcher Stellenwert den Bibliotheken in Deutschland beigemessen wird. Darauf zu warten, dass die Politik das (Dienstleistungs-)Potential der
Bibliotheken selbst erkennt, hieße an ein Wunder zu glauben. Es ist also an
den Bibliotheken, der Politik das Angebot zu machen. Dies funktioniert jedoch
nicht, wenn man nur im Stillen gute Arbeit leistet. Erfolg versprechend ist nur
offensive Eigenwerbung, und diese muss auf fundierter Profilbildung beruhen.
Die Erarbeitung strategischer Bibliothekskonzepte muss demnach ganz oben
auf der Tageordnung der Bibliotheken stehen. Dabei gilt es, auch (volks-)
wirtschaftliche Betrachtungen anzustellen und der Kommunalpolitik die Angst
zu nehmen, dass die Inanspruchnahme des Dienstleisters Bibliothek zu einer
horrenden Kostensteigerung führt. Dafür muss dem Bibliothekar das nötige
Werkzeug an die Hand gegeben werden. In der Ausbildung muss daher auch
verstärkt auf solche Aspekte wert gelegt werden. Nur so kann das Überleben
des Berufsstandes, das Überleben der Bibliotheken gesichert werden.
Schließlich noch ein Hinweis auf die Bedeutung von Kooperationen nicht
nur mit anderen Bildungseinrichtungen, sondern auch mit anderen Bibliotheken – zur Bestandserweiterung, zur Bestandsergänzung, zur Angebotsvernetzung.
Um mit den Worten von Joseph Beuys zu sprechen:
„Die Zukunft, die wir wollen,
muss erfunden werden,
sonst bekommen wir eine,
die wir nicht wollen.“
Auch für die Bibliotheken heißt es daher, strategisch zu denken und lokal zu
handeln.
9
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv) (2010): Bericht zur Lage der Bibliotheken 2010 (S. 4), www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload
/DBV/publikationen/Bericht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010.pdf.
Bibliothekskonzepte in Dänemark
Ein vorsichtiger Blick von/nach außen
NIS-EDWIN LIST-PETERSEN
Dänemark gilt auf dem Gebiet der Öffentlichen Bibliotheken als
‚Vorzeigeland‘. Der Blick von hier auf die deutsche Bibliothekslandschaft
bietet Einsichten in Unterschiede, Möglichkeiten und Strategien, wobei
bezüglich der Voraussetzungen der fundamentale Unterschied im Spannungsfeld zwischen ‚freiwilliger Leistung‘ und Pflichtaufgabe zu suchen ist.
Empfehlungen für eine zukunftsorientierte Bibliotheksarbeit in Dänemark hat
im Jahre 2010 die sog. Carina-Kommission vorgelegt.
Einleitung
Für viele Kollegen in Deutschland sind die skandinavischen Länder, und hier
insbesondere Dänemark, ‚Vorzeigeländer‘ oder gar der ‚bibliothekarische
Garten Eden‘.
Nun wird hier im Norden auch nur mit Wasser gekocht, doch die
Voraussetzungen für die Arbeit von Bibliotheken unterscheiden sich
fundamental von denen in der Bundesrepublik Deutschland und sind daher
auch nur schwer zu vergleichen – will heißen: die Dänen spielen aus diesem
Grunde in einer anderen Liga.
Es ist insofern eigentlich unfair, die Situation in Deutschland mit der
dänischen zu vergleichen, und lässt man sich dazu hinreißen, wird einem von
interessierter Seite häufig das ‚Totschlag-Argument‘ entgegengehalten: Ihr
könnt das ja leicht, weil in Eurem Staat nur 5,5 Mio. Einwohner leben.
Wenn ich dennoch der Bitte um einen Blick von außen auf die Situation in
der Bundesrepublik entspreche, geschieht dieses, weil ich hoffe, damit den
deutschen Kollegen ein wenig Rückenwind geben zu können: Rückenwind bei
dem Versuch, auch in ihrem Land eine Strategie zu ermöglichen, Bibliotheken
zu dem zu entwickeln, was sie in meinem Land sind: Kulturvermittlungs-,
Beratungs-, Versammlungs- und Kommunikationsstätten, die von der großen
Mehrheit der Bevölkerung als unverzichtbarer Teil ihres Alltags gesehen und
genutzt werden.
22
Nis-Edwin List-Petersen
Faktencheck
Einige Fakten zu den Öffentlichen Bibliotheken:
• Der Etat der dänischen Kommunen für das Öffentliche Bibliothekswesen beträgt im Durchschnitt 57 Euro pro Einwohner und
Jahr.
• 64 % aller Dänen nutzen ihre Öffentliche Bibliothek mindestens
einmal im Jahr, 29 % benutzen sie monatlich oder häufiger.
• Die Zahl der entliehenen Medien liegt im Durchschnitt bei 13,6
Medien pro Einwohner und Jahr.
• Das Öffentliche Bibliothekswesen erhebt für keine seiner
Leistungen Nutzergebühren, lediglich Säumnisgebühren für zu spät
abgelieferte oder Erstattungsgebühren für abhanden gekommene
Medien.
• Grundlage der Bibliotheksarbeit ist ein im Jahre 1920 erlassenes
und zuletzt im Jahre 2000 novelliertes Bibliotheksgesetz, welches
das Vorhalten von Bibliotheken zu einer Pflichtaufgabe der
Kommunen macht und die Zuständigkeiten von Staat und
Kommunen, bzw. Ortsbibliotheken, Zentralbibliotheken und
nationaler Bibliotheksbehörde (Styrelsen for Bibliotek og Medier)
klar regelt. Ehrenamtlich geleitete Bibliotheken gibt es in diesem
System nicht.
Gäbe es im ‚Land der Dichter und Denker‘ ähnliche Voraussetzungen, wäre
ein Vergleich angemessener und auch fairer.
So bleibt festzustellen, dass dem Öffentlichen Bibliothekswesen in Deutschland weder politisch die gleiche Förderung noch in der breiten Bevölkerung
die gleiche Akzeptanz zuteil wird.
Die spärlichen Versuche, den Bibliotheken mit Landesbibliotheksgesetzen
eine andere Ausgangslage zu verschaffen, scheitern regelmäßig am Unwillen
der Politiker, die Öffentlichen Bibliotheken aus der Kategorie ‚freiwillige
Leistung‘ in eine ‚Pflichtaufgabe‘ umzuwandeln, weil das bei notleidenden
öffentlichen Haushalten nur durch Umverteilung und Änderung von Prioritäten
möglich erscheint. Dies ruft zwangsläufig Konflikte an anderen Fronten hervor
und kostet damit Wählerstimmen.
Entwicklungsfonds für „Bibliotheksversuche“
Wie sieht es nun in Dänemark mit Strategien für die Bibliotheken aus? Im
Gegensatz zu Deutschland gibt es in Dänemark die vorgenannte „Styrelsen for
Bibliotek og Medier“, die Nationale Bibliotheksbehörde, in der alle Fäden der
Bibliothekskonzepte in Dänemark
23
Bibliotheks- und Medienarbeit zusammenlaufen und von der alle Strategien für
diesen Bereich initiiert und koordiniert werden.1
Nun ist in Dänemark das Konsensprinzip die bevorzugte Entscheidungsvariante, weshalb eine zentralistische Steuerung nicht gleichbedeutend ist mit
einem durchgängigen ‚Top-down System‘.
So bietet die Behörde einen Entwicklungsfonds (Udviklingspulje), aus dem
eine große Zahl von „Bibliotheksversuchen“ finanziert wird – nicht nur an den
großen Bibliotheken in Kopenhagen, Århus und Odense, sondern auch in
ländlichen Gebieten oder in Kooperationen mehrerer Bibliotheken, für die eine
Teilnahme an Projekten sowohl ökonomisch als auch hinsichtlich der Innovationsmöglichkeiten attraktiv ist.
Zu den verpflichtenden Voraussetzungen für eine Partizipation an diesen
Mitteln gehören vertragliche Vereinbarungen, die sowohl Ziele, das Prozedere,
die Dauer als auch Auswertungs- und Qualitätskriterien beinhalten.
Vorschläge zur „Rolle der Öffentlichen Bibliotheken in der
Wissensgesellschaft“
Durch die 2007 durchgeführte Kommunalreform und die damit einhergehende
Reduzierung auf 98 Gemeinden und Städte wurde ein grundlegender Umbau
der kommunalen Bibliothekssysteme notwendig, der unter anderem auch die
Schließung vieler kleiner Bibliotheken zur Folge hatte.
Dies veranlasste die damalige Kulturministerin Carina Christensen 2009, die
sog. „Carina-Kommission“ einzusetzen, deren Aufgabe es war, Vorschläge zur
„Rolle der Öffentlichen Bibliotheken in der Wissensgesellschaft“ zu
erarbeiten.
Im Zentrum stand die grundlegende Frage, welche Rolle die Öffentlichen
Bibliotheken in der Wissensgesellschaft haben sollen angesichts der Fokussierung der Globalisierungsstrategie auf Ausbildung, lebenslanges Lernen und
Integrationskraft in der Gesellschaft.
Gleichzeitig sollte die Kommission beurteilen, in welchem Umfang
Möglichkeiten bestehen, neue Konzepte für Bibliotheksservices zu etablieren,
die dem Bedarf der Bürger nach Information, Ausbildung und kultureller
Aktivität bürgernah gerecht werden. Erwartet wurde ebenfalls eine Einschätzung der Möglichkeit, die traditionellen Kernaufgaben, wie Literaturvermittlung, weiter zu entwickeln.
Außerdem bestand die Aufgabe in einer Analyse des Bedarfs der Bibliotheken für den weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur, und dies im
1
www.bibliotekogmedier.dk.
24
Nis-Edwin List-Petersen
Zusammenspiel zwischen digitalen und traditionellen Dienstleistungen sowie
der Beschreibung von Modellen zur Vermittlung von digitalem Kulturerbe und
urheberrechtsgeschützten digitalen Medien in der Bibliothek.
Schließlich ging es um Möglichkeiten zukunftsorientierter, interdisziplinärer neuer Kooperationen, um die Verpflichtung zur Netzwerkbildung und
um den Bedarf an Kompetenzentwicklung bei den Mitarbeitern der Bibliotheken.
Die Leitung der Kommission hatte der Direktor der nationalen Bibliotheksbehörde, Jens Thorhauge. Ihr gehörten darüber hinaus Vertreter von allen
bibliotheksrelevanten zentralen Organisationen Dänemarks an, in denen
parallel zur Arbeit der Kommission diskutiert wurde.
Das Resultat ihrer Arbeit legte die Kommission im März 2010 in einem
Kompendium vor. Es enthält fünf Empfehlungen:
1.
Die offene Bibliothek
Es sollen laufend neue Konzepte für die ‚physische‘ Bibliothek
entwickelt werden. Darüber hinaus sollen die Bibliotheken
systematisch Alternativen zu den traditionellen Bibliotheksräumen
entwickeln, beispielsweise durch Integration in andere
Institutionen und neue flexible Bibliotheksangebote.
2.
Inspiration und Lernen
Die Bibliotheken sollen ihr Lern- und Inspirationsangebot
orientiert am Bedarf der Nutzer systematisch weiterentwickeln
und ausbauen.
3.
Die Digitale Bibliothek der Dänen
Die Kommission empfiehlt die Errichtung der „Digitalen
Bibliothek der Dänen“ – „Danskernes Digitale Bibliotek“ (DDB)
als gemeinschaftliche digitale Vermittlung für die Dänen.
Damit wird den Bibliotheken ermöglicht, außerhalb der physischen Bibliotheksräume digitale Medien wie Filme, Spiele,
Musik und Literatur anzubieten. Die DDB wird sowohl ein
gemeinsames Portal zu den Bibliotheken im Netz bieten als
auch dazu beitragen, dass die Bürger der Bibliothek an anderen
Stellen des Internets begegnen – nämlich dort, wo dieses jeweils
relevant erscheint.
4.
Kooperationen
Die Bibliotheken sollen systematisch verpflichtende Kooperationen vereinbaren und so ein den öffentlichen Sektor,
die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft übergreifendes,
vielfältiges und interdisziplinäres Angebot schaffen.
Bibliothekskonzepte in Dänemark
5.
25
Professionelle Weiterentwicklung
Die Kommission empfiehlt einen verstärkten Fokus auf
Kompetenz- und Organisationsentwicklung in den Bibliotheken
sowie eine stärker strategisch und systematisch am Bedarf der
Bürger orientierte Auswahl der Angebote der Bibliotheken.
Die Empfehlungen der Carina-Kommission, die natürlich mit konkreten
Ergänzungen versehen sind, die den Rahmen dieses Beitrages sprengen
würden, sind bereits an vielen Orten umgesetzt worden oder in Planung
befindlich.
In einer großen Zahl der nach der Kommunalreform neu entstandenen
Großkommunen übernehmen die Bibliotheken auch Bürgerservicefunktionen,
die ursprünglich in den Rathäusern angesiedelt waren.
Die Digitale Bibliothek der Dänen ist ‚in Arbeit‘. Der Kunde ist König und
wird in die Analyse von Bedarf und Zielorientierung einbezogen, Benchmarking ist die Regel, und zusätzliche staatliche Förderungen sind an
Zielvereinbarungsverträge gebunden.
Eine Vielzahl von Bibliotheken – auch im ländlichen Raum – sind
inzwischen an allen Wochentagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet, am Wochenende
von 8 bis 17 Uhr, wobei die Ausleihe außerhalb der Kernzeiten über Selbstverbuchung und Selbstbedienung erfolgt, Onlineservices haben 24 Stunden
geöffnet.
Fazit
Beim Blick über die inzwischen offene und nicht mehr kontrollierte Grenze
nach Süden steht das Öffentliche Bibliothekswesen in Deutschland angesichts
der skandinavischen Standards vor großen Herausforderungen.
Hindernisse gibt es viele, nicht zuletzt durch den nicht immer
innovationsfreundlichen Kulturföderalismus. Andererseits gibt es trotz vielerorts mangelnder politischer Einsicht hoffnungsfrohe Ansätze, nicht zuletzt
befördert durch den nachhaltigen Einsatz der bibliothekarischen Kollegen.
Dass ich mich über die am dänischen Bibliotheksgesetz orientierte, unlängst
im schleswig-holsteinischen Landtag eingebrachte Vorlage eines Landesbibliotheksgesetzes freue, wird niemanden überraschen. Bleibt nur zu hoffen,
dass irgendwann einmal der Sprung von der ‚freiwilligen Leistung‘ zur
‚Pflichtaufgabe‘ geschafft wird.
Denn hierin liegt meines Erachtens die größte Hürde, nicht in der Qualität
und der Innovationsbereitschaft oder -fähigkeit der deutschen Kollegen und
ihrer Öffentlichen Bibliotheken. Ein Blick über die – in diesem Sinne nach wie
vor vorhandene – Grenze nach Norden zeigt: Es ist möglich – man muss es nur
wollen – und die Bürger mitnehmen!
26
Nis-Edwin List-Petersen
Literatur
Fakta – Udvalget om folkebibliotekerne i vidensamfundet –
www.bibliotekogmedier.dk/fileadmin/user_upload/dokumenter/servicemenu/
Presse/pressemeddelelser/fakta_-_biblioteksrapport.pdf.
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der
Öffentlichen Bibliotheken
ANDREAS MITTROWANN
Dieses Kapitel beschreibt die gedankliche Ausgangsbasis, die Grundlagen der
Vorgehensweise sowie die Evaluationsergebnisse des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“, das durch Meinhard Motzko vom Praxisinstitut Bremen
entwickelt wurde und gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH sowie
den Staatlichen Beratungsstellen für Bibliotheken einzelner Bundesländer in
Deutschland durchgeführt wird. Die kontinuierlichen Veränderungen in
Gesellschaft, Bildung, Technologie und Wirtschaft werden als Ausgangsbasis
für die Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung von Bibliotheksarbeit
diskutiert und beschrieben.
Einleitung
Dieses Buch beschreibt im Kern die Ergebnisse des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“, das durch Meinhard Motzko vom Praxisinstitut Bremen
entwickelt wurde und gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH sowie
den Staatlichen Beratungsstellen für Bibliotheken einzelner Bundesländer in
Deutschland durchgeführt wird. Darüber hinaus existieren weitere
inhaltsgleiche Projekte, die in direkter Kooperation mit anderen Partnern
realisiert wurden und werden. 220 Bibliotheken haben bisher an dieser
Initiative teilgenommen: Jeweils 15 bis 20 Bibliotheken in einem Bundesland
entwickeln dabei in einer Gruppe ihr individuelles Strategiekonzept über einen
Zeitraum von rund 18 Monaten. Während dieser Periode finden drei Workshops statt, in denen durch den Trainer Input gegeben wird, Erfahrungen
ausgetauscht und Zwischenergebnisse diskutiert werden. Am Ende des
Prozesses steht ein schriftliches Konzept, das idealerweise im letzten
Workshop in einem Festakt von den beteiligten Bibliotheken an den
Bürgermeister übergeben und anschließend im Rat der Gemeinde oder Stadt
erörtert und beschlossen werden soll.
Im Laufe des Projektes erhielten die Partner aus dem Land Brandenburg den
Vorschlag, die Ergebnisse in einer Publikation zu veröffentlichen. Der
vorliegende Band stellt die Umsetzung dieser Idee dar und verfolgt das Ziel,
die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Prozess der Strategiebildung mit
weiteren Bibliotheken zu teilen. Darüber hinaus erschien es sinnvoll, über den
‚Tellerrand‘ des Projektes hinauszublicken und auch die Erfahrungen aus
28
Andreas Mittrowann
anderen Bereichen des Bibliothekssektors – namentlich der wissenschaftlichen
und der kirchlichen Bibliotheken – mit einzubeziehen. Während in den
folgenden Kapiteln im Wesentlichen der ‚Mikrokosmos‘ beschrieben wird –
also die konkrete Situation der jeweiligen Bibliothek oder Institution – wollen
wir zu Beginn ganz bewusst den Blick auf den ‚Makrokosmos‘ richten, also
die generellen Trends und Entwicklungslinien, die für Bibliotheken und ihre
nächsten Schritte in die Zukunft wichtig sind. Dabei stehen die technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Vordergrund, die für die
Bibliothekslandschaft zweifellos von Bedeutung sein werden.
Veränderung als Motor für den Wandel in Bibliotheken
Die Jahre 2010 und 2011 werden aus Sicht der künftigen Generationen von
Bibliothekaren vielleicht als die Jahre erinnert werden, in denen das E-Book
seinen Durchbruch errang. Ob Apples iPad oder das Kindle-Lesegerät der
Firma Amazon – um nur zwei Beispiele zu nennen – E-Books verändern zum
Teil die Medien- und Lesegewohnheiten der Bürger: Man muss nicht mehr
zwangsläufig in einen Kiosk, eine Buchhandlung oder eine Bibliothek gehen,
um ein Buch oder eine Zeitung lesen zu können. Weitere Innovationen in
diesem Feld werden in schneller Reihenfolge den Markt erobern, und es ist nur
eine Frage der Zeit, bis die Zahl der E-Books auch am jeweiligen
Bibliotheksbestand einen signifikanten Anteil verzeichnen wird. Strategische
Frage: Welche Konsequenzen muss jede Bibliothek daraus für sich bezüglich
Service, Raumangebot und Zielgruppenorientierung ziehen?
Das Jahr 2011 wird aber vielleicht in Europa auch als das Jahr erinnert
werden, in dem einzelne Staaten mittels des EU-Rettungsschirms vor dem
Bankrott gerettet werden mussten. In Deutschland schließlich mögen sich in
späteren Jahren vielleicht viele daran erinnern, dass die Geburtenrate 2010 so
niedrig war wie nie zuvor, trotz Elterngeld und Elternzeit.1
Diese drei Beispiele aus Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft zeigen
den kontinuierlichen Wandel, der nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern
auch die Bibliotheken als eine ihrer zentralen Bildungs- und Kulturinstitutionen betrifft. Mehr als 200 Millionen Besuche konnten im Jahr 2009 in
deutschen Bibliotheken verzeichnet werden: mehr als in Kinos, Museen oder
1
Spiegel Online vom 17.05.2010: Geburtenzahl in Deutschland sinkt dramatisch, www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,695184,00.html.
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken
29
Fußballstadien.2 Wie fatal wäre es, wenn diese wichtige Institution sich nicht
dem kontinuierlichen Wandel stellen und auf ihn reagieren würde? Seit ihrer
Gründung haben Bibliotheken diesen Wandel reflektiert und aufgenommen:
Sei es der Übergang vom geschriebenen zum gedruckten Wort, die Einführung
der Datenverarbeitung oder der überwältigende Wunsch ihrer Nutzer, direkten
Zugriff auf die Bestände zu erhalten. Wie müssen sich nun Öffentliche
Bibliotheken zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufstellen, um weiterhin bestehen
zu können?
Im Folgenden wollen wir einen etwas genaueren Blick auf die Entwicklungen in einigen Feldern werfen, um die Sinnhaftigkeit einer strategischen
Ausrichtung von Bibliotheksarbeit zu unterstreichen.
Finanzpolitik und Bibliotheken
Die öffentlichen Haushalte werden in den kommenden Jahren weiterhin stark
belastet sein, das zeigen die Steuerschätzungen und Prognosen für die
kommenden Jahre. So teilte der Deutsche Landkreistag in einer Pressemeldung
vom 23. Juni 2009 mit:
Bund, Länder und Kommunen müssten sich in den nächsten
Jahren auf sinkende Steuereinnahmen in einem bisher nicht
gekannten Ausmaß gefasst machen. Allein von 2010 bis 2012
werden nach der aktuellen Steuerschätzung kommunale
Steuereinnahmen in einem Umfang von 35 Mrd. Euro fehlen.
Noch in diesem Jahr würden sich die Einnahmen der Kommunen
aus der Gewerbesteuer als wichtigste kommunale Steuerquelle
um bis zu 15 % verringern.3
Die Nachwirkungen der Finanzkrise und die Finanznot der Kommunen und
der Länder lassen die Bibliotheksetats also nicht in den Himmel wachsen.
Selbst wenn die Bibliotheksnutzung weiterhin steigt, ist es zweifelhaft, ob sich
allein durch die Bekanntmachung dieser gestiegenen Nutzung in der
Lokalpresse direkte Verbesserungen für die finanzielle Situation ableiten
lassen – also mehr Geld aus dem Stadt- oder Landessäckel. Führt also weniger
Geld zu einem eingeschränkten Leistungsspektrum? Welche Aufgaben-
2
Deutscher Bibliotheksverband (2010). Bericht zur Lage der Bibliotheken,
www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/publikationen/Beric
ht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010_01.pdf.
3
Deutscher Landkreistag, Homepage: www.landkreistag.de/.
30
Andreas Mittrowann
bereiche können oder wollen Bibliotheken sich noch leisten? Reicht das Geld
noch für die ‚Bibliothek für alle‘? Welche Schwerpunkte und Prioritäten
müssen gesetzt werden?
Vor diesen Fragen und der Notwendigkeit schlüssiger Antworten stehen
faktisch alle Bibliotheken. Solche Bibliotheken, die eine strategische Ausrichtung ihres Hauses im Rahmen des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“
vorgenommen haben, berichten teilweise von positiven Effekten auf
Öffnungszeiten, Etat oder Personalstand – siehe dazu auch die Ergebnisse zur
Projektevaluation weiter unten. Eine klar kommunizierbare Ausrichtung der
Bibliotheksarbeit und ein langfristiger und mit dem Gemeinderat abgestimmter
Plan helfen also bei der Profilierung nach außen und können zur Sicherung
und zielgerichteteren Nutzung von Ressourcen beitragen.
Bildung und Gesellschaft
Weniger – älter – bunter: Das ist die Botschaft des demographischen Wandels.
Ganz besonders in Deutschland kündigen sich durch das sehr niedrige
Bevölkerungswachstum konkrete Auswirkungen für die Gesellschaft an. Die
Geburtenraten sinken, viele Menschen erreichen ein höheres Alter, und
Migration ist in vielen Teilen Deutschlands ein bedeutsames Thema.4 So
sprach der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart beim Richtfest für die neue
Zentralbibliothek die Tatsache an, dass ein hoher Prozentsatz der Kinder und
Jugendlichen in Stuttgart über einen Migrationshintergrund verfügte und die
neue Bibliothek für diese Zielgruppe eine besondere Bedeutung habe.5 Sind
die Folgen aus diesen Entwicklungen kleinere Kinderbibliotheken, mehr
externe Bibliotheksdienste für Senioren oder ein deutlich höherer Bestand an
zweisprachigen Inhalten? Welche Konsequenzen muss jede Bibliothek aus
diesen Entwicklungen ziehen? Hinzu kommen die bekannten Veränderungserscheinungen unserer pluralistischen Gesellschaftsform: Ein-Eltern-Familien
brauchen andere Unterstützungsstrukturen – auch im Kultur- und Bildungsbereich – als die ‚klassische‘ Familie.
Durch den Wegfall der Mehrgenerationen-Familie und die Veränderung
nachbarschaftlicher Strukturen fehlt in vielen Fällen der ‚persönliche Rat‘, den
beispielsweise Elternbibliotheken in Form von Buch-Ratgebern verstärkt
4
Bertelsmann Stiftung (2010). Demographie konkret - soziale Segregation in
deutschen Großstädten. Daten und Handlungskonzepte für eine integrative
Stadtpolitik. Gütersloh: Verl. Bertelsmann Stiftung.
5
Eigene Mitschrift des Autors.
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken
31
anbieten. Viele Bibliothekare berichten von veränderten Lesegewohnheiten in
der Familie – es wird weniger vorgelesen, und in vielen Elternhäusern fehlt
durch die Berufstätigkeit beider Eltern häufig die Zeit, sich mit dem Lesen in
der notwendigen Weise auseinanderzusetzen – hier springt die Bibliothek
gemeinsam mit der Schule in die Bresche, stößt dabei aber auch oft an ihre
Grenzen. Diese sollten in einem übergreifenden Konzept auch definiert
werden. Weniger und mehr ältere Menschen führen im Ergebnis zu einer
längeren Lebensarbeitszeit und der verstärkten Notwendigkeit des lebenslangen Lernens: Der kürzere Abstand technischer Innovationen und
wechselnde Aufgaben in einer Organisation erfordern die ständige Neuorientierung des Arbeitnehmers.
Das Thema ‚Lernen‘ insgesamt bildet darüber hinaus eine spannende
Schnittstelle zwischen Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken. Wer
heute eine moderne Wissenschaftliche Bibliothek wie das Jacob-und-WilhelmGrimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin oder die SLUB Dresden
besucht, findet in den Lesesälen Scharen von Studenten an ihren Notebooks
vor, die über das WLAN gleichzeitig mit den Bibliotheksressourcen und ihren
Mitstudenten verbunden sind, parallel aber die konzentrierte Ruhe einer
großen Bildungsinstitution als inneres Schwungrad für ihre akademischen
Aufgabenstellungen nutzen. Damit wird auch die Frage der Partnerschaft
zwischen verschiedenen Bibliothekstypen aufgeworfen. Wie können diese
vielen Aspekte in einer schlüssigen Vorgehensweise gebündelt werden? Jede
Bibliothek muss für sich die Frage beantworten, wie der Wandel hin zu neuen
entsprechenden Angeboten auf eine fundierte Basis mit einer strategischen
Ausrichtung gestellt werden kann. Eine Bibliothekskonzeption bietet diese
Möglichkeit.
Wettbewerb und Wissensökonomie
Im 21. Jahrhundert haben auch rohstoffarme Staaten wie Finnland, Dänemark
oder die Schweiz eine reelle Chance zum Erfolg auf dem Weltmarkt.6 Diese
Länder haben es größtenteils geschafft, ihr Bildungssystem so zu optimieren,
dass jeder Mensch die Chance zur größtmöglichen Nutzung seines
6
GREIVE, M., & WILDERMANN, J. (2009). World Economic Forum: Diese
Länder sind im Wettbewerb am stärksten. Die Welt, Online-Ausgabe vom
08.09.2009, www.welt.de/wirtschaft/article4487672/Diese-Laender-sind-imWettbewerb-am-staerksten.html.
32
Andreas Mittrowann
individuellen Potenzials erhält.7 Auch, wenn Deutschland durch seinen Exportschwerpunkt aktuell am Weltmarkt viele Vorteile erzielen kann, so kommt es
um eine weitreichende Verbesserung seines Bildungssystems nicht herum.
Zwar sind zwischenzeitlich einige PISA-Ergebnisse – beispielsweise im
mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich – deutlich besser als zu Beginn
der Messungen, die Lesekompetenz lässt in vielen Bundesländern aber
weiterhin zu wünschen übrig.8
Zur künftigen Aufgabenstellung vor dem Hintergrund des demographischen
Wandels gehört es also, aus jedem Menschen ‚das Beste herauszuholen‘, das
Weniger an Menschen mit einem Mehr an Bildung auszugleichen und damit
die Konkurrenzfähigkeit zu sichern. In diesem Prozess können Bibliotheken
eine Schlüsselrolle übernehmen. Aber welcher Politiker und Bildungsexperte
denkt dabei bisher an Bibliotheken? Eine klare Profilierung hilft bei der
‚Sichtbarmachung‘ der Wirkung von Bibliotheksarbeit. Wenn Bibliothekare in
diesem Bereich eine erweiterte Rolle übernehmen wollen, sind aber auch die
Fortbildung und Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen relevant. Alles
dies kann in einer zukunftsorientierten und schriftlich fixierten Strategie für
eine Bibliothek zusammengeführt werden: in einer Bibliothekskonzeption.
Medien und Internet
Das Internet mit seinen Werkzeugen wie Wikipedia oder Suchmaschinen wie
Google trägt dazu bei, dass immer mehr Informationen von zuhause aus
abgerufen werden können. Hinzu kommt die immer stärker werdende Nutzung
von Smartphones und anderen mobilen Geräten, durch die Informationen von
fast jedem Ort aus abgerufen werden können.9 Viele Bibliotheken haben sich
früh auf die neuen Technologien eingestellt und bieten den Zugriff auf
7
Innovationsindikator Deutschland (2009). Ein Vergleich der Innovationsfähigkeit in den wichtigsten Industrieländern.
www.innovationsindikator.de/der-innovationsindikator/kurzbericht/,
Abschnitt „Bildungssysteme im Vergleich“.
8
Pisa 2009: Deutschland holt auf / Bundesministerium für Bildung und
Forschung, www.bmbf.de/de/899.php.
9
Smartphones gewinnen an Fahrtwind in Deutschland. Pressemitteilung vom
12.02.2011 der comScore Inc.,
www.comscore.com/ger/Press_Events/Press_Releases/2011/1/Google_Andro
id_Shows_Fastest_Growth_Among_Smartphone_Platforms_in_Germany.
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken
33
bibliographische Informationen sowie, durch Werkzeuge wie „Munzinger
online“ oder die „Onleihe“ der DiViBib GmbH, sogar auf konkrete Inhalte an.
Hier besteht die Chance, neue Zielgruppen wie ‚Postmaterielle‘ oder ‚Moderne
Performer‘ zu erreichen, die gleichzeitig besonders techniknah und bibliotheksfreundlich eingestellt sind.10 Diese Entwicklungen führen zu der Frage:
Stehen wir bald vor immer leerer werdenden Bibliotheken? Es scheint fast so,
dass die Zahl der Medien abnimmt, die Zahl der Besucher aber deutlich
spürbar steigt. Mehr Tische, Sitzmöglichkeiten und Lernbereiche? Wie
strukturieren? Diese Fragen müssen von den Bibliothekaren beantwortet
werden, wenn sie auch weiterhin den Wandel erfolgreich gestalten wollen – so
wie in den ersten 15 Jahren der weltweiten Internetnutzung, die hinter uns
liegen. Erste Beispiele für Antworten finden sich in den konkreten
Praxisbeispielen auf den folgenden Seiten.
Lohnt sich strategische Arbeit?
Die am Projekt beteiligten Bibliotheken haben im Lauf des gemeinsamen
Projektes immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um zeitintensive,
aufwändige und manchmal auch Kopfschmerz bereitende Mehrarbeit
gehandelt hat.
Kein Wunder: Strategisches Denken ist in vielen gesellschaftlichen Handlungsfeldern eher die Ausnahme und muss eingeübt werden. Auch die
Aufbereitung komplexer Daten, die Einbindung der lokalen Bibliotheksteams,
die Formulierung von messbaren Zielen und die Definition der richtigen
Partner brauchen oft Zeit und Reflexion.
Am Ende steht neben dem schriftlichen Konzept und einer neuen Klarheit
über die Bibliotheksausrichtung auch die Frage: Hat es sich gelohnt? War es
das wert? Aus diesem Grund hat die ekz.bibliotheksservice am Ende der
jeweiligen Projektlaufzeit eine Befragung der teilnehmenden Bibliotheken
durchgeführt, von der wir hier ausgewählte Ergebnisse der Bundesländer
Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen wiedergeben
wollen.
10
Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2005). Buchkäufer und Leser
2005. Profile, Motive, Wünsche. Verbraucherstudie des Börsenvereins des
Deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für
Konsumforschung (GfK) und Sinus Sociovision (2005). www.boersenverein.
de/sixcms/media.php/976/Verbraucherstudie_Presse%20neu.pdf.
34
Andreas Mittrowann
• Zunächst zu den Rückmeldequoten: Antworten auf den Fragebogen
erhielten wir in Bayern von 47 %, in Hessen von 54 %, in Sachsen von
64 %, in Schleswig-Holstein von 75 % und in Thüringen von 53 % der
Teilnehmer.
• Auf die Frage: „Würden Sie wieder an diesem Projekt teilnehmen?“
antworteten mit „Ja“ in Bayern 86 %, in Hessen 86 %, in SchleswigHolstein 71,4 %, in Sachsen 78 % und in Thüringen 75 %.
• Auf die Frage „Wie wichtig ist das Projekt für die Zukunftssicherung
Ihrer Bibliothek?“ nutzten zusammengefasst die Antwortmöglichkeiten
„unerlässlich“, „sehr wichtig“ oder „wichtig“ in Bayern 57 %, in
Hessen 86 %, in Schleswig-Holstein 44 %, in Sachsen 100 % und in
Thüringen 75 %.
Fast alle anderen Befragten und damit der kleinere Teil nutzten die
Antwortmöglichkeit „Wahrscheinlich von Nutzen“. Nur eine einzige
Bibliothek im Gesamtfeld der genannten Bundesländer antwortete mit
„Für die Zukunftssicherung hat das Projekt keine Bedeutung“.
Als besonders aufschlussreich stellen sich die freien Antworten auf die Frage
nach den tatsächlichen Auswirkungen dar: „Können Sie bereits über konkrete
Auswirkungen des Projektes in Ihrer Bibliothek berichten?“
• „Bereits während des Projektes lieferten die Ergebnisse (Umfeldanalyse, Zielgruppen ...) sehr oft Argumente gegenüber Trägern und
Politik und trugen damit zur Transparenz der Arbeit bei.“
• „Schon während der Erarbeitung verschiedener Maßnahmen wurde mit
deren Ausführung begonnen. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter wurden
gewonnen.“
• „Sehr gute Argumentationsgrundlage!“
• „Auch die Schwerpunkte unserer Arbeit haben sich bereits verlagert.“
• „Es wird Auswirkungen haben auf Arbeitsabläufe, Verteilung von
Medienmitteln auf Zielgruppenarbeit, Öffnungszeiten, Selbstverständnis der Mitarbeiter.“
• „Erste Erkenntnisse: Zielgruppen definiert, intensive Diskussionen,
Klarheiten über Möglichkeiten und Grenzen der Bibliotheksarbeit –
Was kann die Bibliothek leisten?“
• „Erweiterte Öffnungszeiten.“
• „Halbtagsstelle und 400-Euro-Kraft genehmigt.“
• „Steigende Ausleihzahlen.“
• „Mehr Neuanmeldungen aus den formulierten Zielgruppen.“
• „Neue Kontakte zur Grundschule, neue Führungen erarbeitet.“
Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken
35
• „Erweiterung der Bibliothek hat höhere Dringlichkeit.“
• „Verständnis für die beengte Raumsituation der Bibliothek durch das
Konzept.“
• „Schwerpunkte im Bestandsaufbau verändert.“
• „Zustimmung und positives Echo aus der Politik.“
• „Fortbildungen der Mitarbeiter erfolgten verstärkt am Bedarf der
Maßnahmen.“
Sehr zurückhaltend und heterogen fielen schließlich die Antworten auf die
Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung Ihrer Entscheidungsgremien vor Ort für das Projekt?“ aus.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen geben wir hier keine
detaillierten Zahlen über das Gesamtprojekt wieder, haben aber als Beispiele
für die Spannweite der Bewertungen Bayern und Sachsen ausgewählt: In
Bayern wurde zweimal die Schulnote „4“ und zweimal eine „3“ vergeben
sowie zweimal eine „2“ und einmal eine „1“.
Der Durchschnitt beträgt hier 3,16. In Sachsen hingegen gab es eine „6“,
zweimal die „5“, eine „4“ sowie zweimal eine „3“ und dreimal eine „2“ für die
kommunalen Entscheider. Durchschnitt: 5,33.
Lobbyarbeit im Großen spiegelt sich im Kleinen wider
Diese in die negative Richtung weisenden Bewertungen zeigen, wie
ausbaufähig einerseits der Dialog zwischen den kommunalen Entscheidern und
den Bibliotheken ist, andererseits unterstreichen die Ergebnisse aber auch noch
einmal die Notwendigkeit einer ständigen Kommunikation und ‚hartnäckigen‘
Öffentlichkeitsarbeit seitens der Bibliothek in Richtung Politik.
Der Bedarf nach ‚Lobbyarbeit im Großen‘ in der deutschen Politikwirklichkeit für Bibliotheken spiegelt sich ganz klar im Kleinen wider.
Konkrete Beispiele für die Unzufriedenheit mit der mangelnden Unterstützung
durch die kommunalen Entscheider wurden in Thüringen auf die Frage
„Welche Unterstützung hätten Sie sich gewünscht?“ beispielsweise so
formuliert:
• „Mehr nutzbringende Diskussion und mehr Mitsprache bei den
fachlichen Belangen auch bezüglich der Arbeiten in der Bibliothek.“
• „Ich wünsche mir Vorlage vor Ausschüssen und Beschluss durch
Stadtrat.“
• „Sehr gute Unterstützung von Seiten der Referatsleiterin.“
• „Gefreut über positive Reaktion, Tenor ‚Ihr habt euch Gedanken
gemacht ...‘ aber leider keine Reaktion.“
36
Andreas Mittrowann
• „Arbeit und Ergebnis wurden ‚wohlwollend‘ zur Kenntnis genommen,
mit Erstaunen ob des Umfangs, konkrete Aussagen zur Umsetzung
fehlen noch durch die Verwaltung.“
• „Anerkennung der Arbeit einer Bibliothek in ihrer Stadt.“
Fazit
Eine Bibliothekskonzeption als strategisches Instrument kann also für die
politische Wirkung, die Bürgerorientierung und die Qualitätsausrichtung ein
essentieller Baustein sein. Die Herausgeber haben sich vor diesem Hintergrund
entschlossen, die Begriffe „Bibliothekskonzeption“ und „Bibliotheksstrategie“
in dieser Publikation als synonym zu betrachten.
Wir verstehen beide Wörter als Bezeichnungen für eine fundierte, zukunftsorientierte, mit einer Ist-Analyse und einem Soll-Konzept sowie klar
definierten Zielen versehenen Vorgehensweise. Grundsätzlich gilt: Strategische Arbeit wirkt nicht sofort.
Auch wenn eine fertige Konzeption vorliegt, muss sie mit Geduld und
Kontinuität zu den verschiedenen Zielgruppen im Umfeld der Bibliothek
transportiert werden. Die Ergebnisse der Evaluation unseres Projektes machen
jedoch deutlich, um was für einen lohnenswerten Prozess es sich handelt. Die
folgenden Seiten zeigen, wie es gehen kann.
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
Gliederungsstruktur und Erfahrungen
MEINHARD MOTZKO
Der Beitrag leitet die Gliederungsstruktur einer Bibliothekskonzeption aus
Umfeldanalyse und Problemlagenbewertung her. Er begründet, warum Zielgruppenschwerpunkte und messbare Ziele künftig Grundlagen jeder Bestandsentscheidung, jeder Entscheidung über Räume, Technik, Organisation,
Öffnungszeiten usw. sein müssen. Er schlägt ein ausführliches Gliederungsraster für Bibliothekskonzeptionen vor, das bereits in vielen Bibliotheken
erfolgreich erprobt wurde.
Einleitung
Bibliotheken arbeiten zwar nicht konzeptionslos, allerdings haben nur die
wenigsten ihre konzeptionellen Grundlagen formuliert bzw. als Auftragsgrundlage vom Träger beschließen lassen. Das führt zu einer Situation, in der
falsche Bilder über die Arbeit in den heutigen Öffentlichen Bibliotheken nicht
nur bei Entscheidungsträgern weit verbreitet sind. Allzu oft wird die Bibliothek mit dem Stand der eigenen (Kindheits)Erinnerung assoziiert: eine
Büchersammlung mit rigiden Nutzungsbedingungen (Psst!), strengem Personal
und wenig Freiräumen – die Leihbücherei der 1950/60er Jahre. Dieses
Klischee hält sich hartnäckig und muss gründlich widerlegt werden. Kaum
eine öffentlich geförderte Einrichtung genießt bei Verantwortlichen in Politik
und Verwaltung so wenig Aufmerksamkeit wie die Öffentliche Bibliothek. Die
Bibliotheken können machen, was sie wollen – und tun das auch. Auch darum
ist eine schriftliche Konzeption so wichtig.
Innerhalb der Teams gibt es meist höchst unterschiedliche Auffassungen
über die ‚richtige‘ Ausrichtung der Bibliothek. Zu groß sind in den Teams die
biografischen Unterschiede, der Stand der Qualifikationen, die Akzeptanz auch
schwieriger Zielgruppen in einer sich immer mehr ausdifferenzierenden
Gesellschaft, die Nähe oder Ferne zu neuen Lebensstilen und Mediengewohnheiten. Die Niederlegung einer Konzeption erzwingt eine Klärung
dieser oft unter der Oberfläche brodelnden Konflikte und hat die Chance, das
Team für eine gemeinsame Ausrichtung zu gewinnen.
Die Ressourcen in Öffentlichen Bibliotheken, insbesondere die Personalressourcen, sind in den letzten Jahren so weit gesunken, dass längst nur noch
38
Meinhard Motzko
eine Basisfunktion angeboten werden kann. Viele Zweigstellen wurden
geschlossen, Öffnungszeiten reduziert, Medienbestände veralten, der technische Modernisierungsrückstand wird immer größer. Trotzdem versuchen die
verbliebenen Bibliothekare oft weit über eine akzeptable Belastungsgrenze
hinaus das ‚vollständige‘ Grundangebot aufrechtzuhalten und sich technischen
Modernisierungen zu stellen. Eine Konzeption schafft die Möglichkeit,
Schwerpunkte zu setzen und auch deutlich zu sagen, was künftig nicht mehr
geht.
Die Grundlagen Öffentlicher Bibliotheken (KGSt Empfehlungen,
Bibliotheken ´93 usw.) sind hoffnungslos veraltet und stammen weitgehend
aus Zeiten, als es noch keine Computer gab (geschweige denn SMS, MP3,
Facebook usw.). Es gibt keine bundesweit gültigen Standards oder Qualitätsmerkmale, die eine moderne Öffentliche Bibliothek erfüllen müsste. Manche,
auch von Bibliotheksverbänden nach wie vor geforderten Standards sind
zumindest missverständlich:
• 2 Medien pro Einwohner: Was wird da eigentlich gezählt, auch online
zugängliche Medien?
• 30 m2 pro 1 000 Medien: Werden Räume nur für die Medienaufstellung
gebraucht? Wo bleiben Veranstaltungsflächen, Treffpunkträume,
Internet-Arbeitsplätze, ein Lesecafé?
• Anzahl der Ausleihen als Qualitätsmerkmal: Sollen Bibliotheken
‚Umsatzschieber‘ sein, oder ist die (oft mühsame) Leseförderung nicht
wichtiger (auch wenn diese keinen Umsatz bringt)?
• Anzahl der Besucher als Qualitätsmerkmal: Macht es da die Masse? Ist
es egal, wer da kommt?
Die IT-Systeme und auch ein großer Teil der bundesweiten Bibliotheksstatistik
(DBS) basieren auf einer Ausleihstatistik, nicht auf einer Nutzungsstatistik. Es
kann zwar sehr genau gesagt werden, welche Medien wie oft ausgeliehen
werden, aber Strukturdaten über die Kunden liegen kaum vor. Da weiß jeder
Baumarkt mehr über seine Kunden als die Öffentlichen Bibliotheken.
Was ist wichtiger: Die Angebotsstruktur oder die Kundenstruktur?
Öffentliche Bibliotheken orientieren ihre Arbeit nur selten an harten Daten und
Fakten. Man hat zwar ein ‚Gefühl‘, wer da so im Einzugsbereich wohnt, weiß
es aber nicht genau. Und über Prognosen sind allenfalls allgemeine Zukunftsannahmen im Hinterkopf, obwohl das heute auch für kleine Sozialräume sehr
genau prognostiziert werden kann.
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
39
Auch das Einzugsgebiet ist für die meisten Öffentlichen Bibliotheken nicht
klar. Zwar kann man feststellen, wie hoch der Anteil ‚auswärtiger‘ Kunden ist,
aber es ist ungeklärt, ob das positiv oder negativ ist. Ohne ein klar begrenztes
Einzugsgebiet kann allerdings niemand eine Zielgruppenanalyse betreiben,
wirkungsvolle Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit entwickeln, messbare
Ziele aufstellen oder den Erfolg der eigenen Anstrengungen feststellen.
Über zentrale Strukturdaten liegen in vielen Gemeinden auch keine
statistischen Daten vor (weil das keiner wissen will): So ist z. B. in vielen
kleineren Städten und Gemeinden noch immer weitgehend unbekannt, wie
viele ihrer Bürger einen Migrationshintergrund haben. Da wird immer noch
mit der ‚Ausländerstatistik‘ gearbeitet, obwohl jeder weiß, dass damit
allenfalls die Hälfte der Migranten erfasst wird. Und dann wundert man sich,
dass in vielen Kindergärten und Grundschulen der Anteil von Kindern mit
Migrationshintergrund schon weit über 50 % liegt.
In Zeiten knapper Kassen werden öffentlich geförderte Einrichtungen immer
stärker danach beurteilt, wie hoch ihr Problemlösungsbeitrag für die Gesellschaft ist. Das gilt inzwischen auch für Kultureinrichtungen wie Theater,
Musikschulen und natürlich auch für Öffentliche Bibliotheken. „Problemlösungen? Seit wann sind wir Sozialarbeiter? Damit haben wir nichts zu tun.“
Diese oder ähnliche Positionen, denen ein Verständnis bürgerlicher Hochkultur
zugrunde liegt, sind wohl nicht in der Mehrheit, aber auch nicht selten in
Öffentlichen Bibliotheken anzutreffen. Dabei sind Bibliotheken bei einigen
gravierenden Zukunftsproblemen unserer Gesellschaft oft sogar die Einzigen,
die hier ein Alleinstellungsmerkmal haben könnten, z. B.:
• Informationsbereitstellung und Vermittlung von Medien- und
Recherchekompetenz in einer Informationsgesellschaft,
• Leseförderung nach dem PISA-Schock als Schlüsselqualifikation für
Bildung schlechthin,
• Strategien gegen die „Digitale Spaltung“.
Schwerpunktsetzungen
Bibliotheken sind Problemlöser! Darum sind sie auch unverzichtbar! Reine
Mediensammlungen und ‚Büchermuseen‘ müssen nicht öffentlich gefördert
werden. Nur wenn Bibliotheken deutlich machen können, in welcher Weise sie
zu Problemlösungen beitragen, haben sie eine Chance auf öffentliche Finanzierung, die dann aber auch dem Aufgabenprofil entsprechen muss.
Aus den harten Daten der Bevölkerungsstruktur im definierten Einzugsgebiet und den diagnostizierten Problemlagen ergibt sich eine Aufgabenstruktur, die zwingend Schwerpunktsetzungen erfordert: Der Abschied von der
40
Meinhard Motzko
„Bibliothek für alle“ ist unabdingbar, trifft viele Mitarbeiter in Bibliotheken
aber in den Grundfesten: Das war doch bisher die Leitorientierung! Und jetzt
soll alles anders werden?
Zielgruppenschwerpunkte sind die unabdingbare Konsequenz! Aber welche
Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Wie lassen sich Zielgruppen konkret
benennen, wenn Unterscheidungsmerkmale wie Alter und Geschlecht in
unserer sehr ausdifferenzierten Gesellschaft nicht mehr ausreichen?
Diese Fragen nach den Zielgruppenschwerpunkten ist die wohl schwierigste
in einer Bibliothekskonzeption. Das gilt auch für messbare Ziele. Hauptgrund
dafür ist eine bisher weitgehend rückwärts gewandte ‚Berichtskultur‘. Man
schaut sich das zurückliegende Jahr an (Jahresbericht) und findet es meistens
„ganz in Ordnung“, oder manchmal auch: „hätte etwas mehr sein können“.
Konkrete messbare Ziele für eine Zukunftsperiode sind die große Ausnahme.
Und man liefert den Entscheidungsträgern (trotz enormer innerer Widerstände)
immer noch die falschen Daten als Qualitätsmerkmale (Anzahl der Ausleihen,
Anzahl der Besuche usw.). Vorschläge für messbare Ziele in der Zukunft?
Fehlanzeige.
Aber man hat jeden Tag eine neue Idee für neue Maßnahmen (oder hat von
erfolgreichen Projekten gehört, die man jetzt auch ausprobieren möchte): Man
„rödelt sich zu Tode“, und dann kommt da einer, der wissen will: „Was wolltet
Ihr damit eigentlich erreichen? Was sollte dabei herauskommen?“ Eine Frage,
die bei der Alltagsbelastung als Affront empfunden wird. Dabei ist es doch
ganz einfach: Ohne Ziel ist jeder Weg der falsche (Koran).
Ohne eine Orientierung ...
• an den harten Daten und Fakten im Einzugsgebiet,
• an den Problemlagen im Medienzeitalter,
• an Schwerpunktzielgruppen,
• an messbaren Zielen
... kann kein Maßnahmenkatalog einer Öffentlichen Bibliothek sinnvoll
entwickelt werden:
• Wo muss die Bibliothek stehen und welche Räume braucht sie?
• Welche Öffnungszeiten sind ‚zielgruppengerecht‘?
• Welcher Bestand muss angeboten werden?
• Wer soll auf welche Veranstaltungen kommen und warum?
• Wer sind die richtigen Kooperationspartner?
• Welche Formen der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind
treffsicher?
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
41
• Welche Technik und welche modernen Medien und Kommunikationsmittel müssen eingesetzt und bereitgestellt werden?
• Welche personellen und finanziellen Ressourcen braucht die
Bibliothek?
• Wie muss sie nach innen und außen organisiert sein?
• Mit welchen Daten und Fakten weist die Bibliothek ihren Erfolg nach?
Alle diese Fragen lassen sich ohne eine Klärung der o. a. Grundsatzfragen
nicht beantworten. Dennoch wird das massenhaft getan. Und oft in der
Tendenz auch gar nicht falsch. Das ‚Bauchgefühl‘ ist ja oft auch ganz richtig.
Nur lässt sich damit schwer argumentieren. Vor allem, wenn es mal wieder um
Kürzungen und Sparmaßnahmen geht.
Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses wurde in allen bisher durchgeführten Projekten zur Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen nach einem
gemeinsamen Gliederungsraster gearbeitet. Dieses Gliederungsraster wurde
den aktuellen Entwicklungen immer wieder angepasst, hat seine grundsätzliche
Struktur aber weitgehend beibehalten. Es wird am Ende dieses Beitrags
abgebildet und gern zur Benutzung empfohlen.
Erfahrungen
Orientierung an harten Daten und Fakten!
Der Ansatz, eine Bibliothekskonzeption auf der Basis harter Daten und Fakten
aus dem Einzugsgebiet der Bibliothek heraus zu entwickeln, überrascht
besonders Entscheidungsträger. Das sind sie, vor allem von Kultureinrichtungen, nicht gewohnt. Entsprechend groß ist die positive Wirkung, zumal
viele Ergebnisse der Recherchen von Entscheidungsgremien auch für andere
Politikfelder (Bildung, Soziales, Stadtentwicklung usw.) genutzt werden
können. So machen Bibliotheken auch deutlich, welch großes Recherchepotenzial in ihnen liegt (das haben viele Entscheidungsträger den Bibliotheken
gar nicht zugetraut).
Bibliotheken als Problemlöser!
Eine Orientierung an Problemlösungen ist ebenfalls eine große Überraschung
für Entscheidungsträger (aber auch für manche Teammitglieder). Dass
Bibliotheken keine ‚Luxus-Kultureinrichtungen‘ für eine literaturbegeisterte
Elite sind, sondern dass sie unverzichtbare Beiträge zur Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen der Bildung (z. B. Lesekompetenz) leisten, wird
vielen Entscheidungsträgern erst mit der Konzeption klar. Zu oft werden
42
Meinhard Motzko
Bibliotheken nur mit dem verbunden, was man von außen sehen kann: Das
Herausgeben und Zurücknehmen von Büchern und Medien. Alles andere sieht
man nicht und nimmt es demzufolge auch nicht als Kerngeschäft einer
Bibliothek wahr. „Das wusste ich ja gar nicht!“ oder „Das hätte ich nicht
gedacht!“ sind häufige Originaltöne bei Entscheidungsträgern nach der
Vorstellung der Konzepte.
Abschied von der „Bibliothek für alle“
So schwer den Bibliotheken eine Schwerpunktsetzung auf Zielgruppen auch
fällt: Entscheidungsträgern ist das schneller klar als manchem Teammitglied.
Ihnen ist längst klar, dass die Ressourcen keine „Bibliothek für alle“ ermöglichen. Mit einer klaren Schwerpunktsetzung, zu der auch gehört, bestimmte
Aktivitäten künftig aufzugeben, rennen Bibliotheken bei vielen Entscheidungsträgern offene Türen ein.
In diesem Punkt sind die Widerstände in den Teams größer als bei den
Entscheidungsträgern. Das ist ein Paradigmenwechsel: Sich künftig auf
Problemlösungsziele zu konzentrieren – und dafür manch liebgewonnenes
Format aufzugeben; das ist eine schwere Entscheidung.
Hier liegt die erste große Hürde bei der Entwicklung von Konzeptionen: Das
Team muss mitgenommen und gewonnen werden. Das ist mit der Botschaft,
künftig problemlösungsorientiert zu arbeiten, nicht einfach.
Auch die Definition von Zielgruppen auf der Basis neuester soziologischer
Erkenntnisse (z. B. Milieuforschung) fällt schwer. Zu lange wurde der Illusion
aufgesessen, eine Kinderbibliothek oder eine Jugendabteilung wäre doch
genug der Zielgruppendifferenzierung.
Sich künftig mit ‚Hedonisten‘ und ‚Konsum-Materialisten‘ zu beschäftigen,
ist für viele Teammitglieder völlig neu, aber es weckt auch Neugierde. Denn
Zweifel an der Treffsicherheit der allgemeinen Zielgruppen „Kinder“,
„Jugendliche“ oder – noch schlimmer – „Senioren“ hatten viele schon lange.
Messbare Ziele und Leistungsversprechen
Mit dem traditionellen Verzicht auf die Formulierung messbarer Ziele kann
man sich in eine Vielzahl von Maßnahmen stürzen. Das ist konkret, praktisch
und macht manchmal sogar Spaß. Irgendwas Gutes wird dabei schon herauskommen. Wirklich? Kann man das beweisen?
Dass es einer Kultureinrichtung (oder doch besser Bildungseinrichtung?) wie
der Bibliothek gelingen kann, messbare Ziele zu entwickeln und im Sinne
klarer Leistungsversprechen auch zu formulieren und regelmäßig zu evaluieren, das überrascht nicht nur Entscheidungsträger. Auch so manche andere
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
43
Kultur- oder Bildungseinrichtung horcht da auf: Müssen sie das künftig auch
tun?
Obwohl in vielen Steuerungseinheiten auch in der öffentlichen Verwaltung
das Prinzip des „Steuerns durch Ziele“ eingeführt wurde, ist das (Zwischen)Ergebnis doch meist beschämend: Da wird bei Zielen ‚geblubbert‘, dass
die Blasen nur so platzen: „Beitrag zur Verbesserung der Bildungschancen“,
„Verbesserung der kulturellen Bildung“ usw.
Und nun kommen ausgerechnet Bibliotheken daher und machen es vor:
Klare Nutzungsziele für unterschiedliche Zielgruppen mit Prozentangaben, die
Senkung des Leseförderbedarfs vor der Einschulung um x %, da sind viele
dann doch sehr überrascht.
Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, wie schwer sich (nicht nur)
Bibliotheksteams tun, Ziele von Aufgaben und Maßnahmen zu unterscheiden.
Die o. a. langjährige Maßnahmenorientierung („rödeln bis man umfällt“)
macht es schwer, nun erstmal innezuhalten und sich zu fragen: Was sollte
eigentlich dabei herauskommen? Warum machen wir das eigentlich? Wie
könnte man dann Erfolge unseres Tuns messen? Sind unsere bisherigen
Messinstrumente (z. B. Anzahl der Besuche, Anzahl der Ausleihen) nicht
sogar falsch und kontraproduktiv? Welche brauchen wir stattdessen?
Ressourcen und Organisation folgt Aufgabe
Die Diskussionen und letztlich auch Entscheidungen über messbare Ziele sind
der Schlüssel für alle weiteren Themen und Aufgaben einer Bibliothekskonzeption. Das ist für Viele neu: Dass sogar Öffnungszeiten von den Zielgruppen und Zielen abhängen, wird noch einzusehen sein, aber auch
• Kooperationspartner,
• Kommunikationsformen,
• Fragen der Organisation,
• Stand der Technik,
• Personalanforderungen?
Diese Themen wurden scheinbar getrennt von der inhaltlichen Ausrichtung.
Wenn im Rahmen der Konzeption die Grundorientierungen klar und deutlich
(ja sogar messbar) auf dem Tisch liegen, fallen Entscheidungen über die
Konsequenzen nicht mehr schwer. Jetzt gibt es inhaltliche Grundlagen und
Begründungen für jedes der o. a. Themen:
• Wer sind künftig die Kooperationspartner, wer nicht mehr?
• Wo und mit welchen Mitteln wird künftig Öffentlichkeitsarbeit
betrieben? Wer muss da erreicht werden (und wer nicht)?
44
Meinhard Motzko
• Welche Formen der Organisation und welchen Führungsstil brauchen
wir künftig? Welche Arbeitsabläufe müssen wir regeln, welche nicht?
• Welche Technik, welche Räume, welche Medien, welche Software
brauchen wir (und welche nicht)?
• Welches Personal brauchen wir künftig? Muss es eigentlich immer eine
Bibliothekarin oder ein Bibliothekar sein?
• usw.
Und jetzt können Ressourcenforderungen zum ersten Mal mit Leistungsversprechen verbunden werden. Da überrascht es nicht, dass so manche
Bibliothekskonzeption zu besserer Ressourcenausstattung geführt hat. Das
überzeugt nämlich und wird oft auch honoriert: Wer klarmachen kann, was
beim Ressourceneinsatz herauskommt, der bekommt diese Ressourcen auch
eher.
Vom Bibliothekskonzept zum Qualitätsmanagement
Eine besondere Entwicklung gab es im Bundesland Niedersachsen. Nach der
Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen entstand sowohl in der Büchereizentrale Niedersachsen als auch bei vielen beteiligten Bibliotheken der
Wunsch nach einer Verallgemeinerung der Erfahrungen: Warum entwickeln
wir nicht Kriterien für moderne Bibliotheken und führen sie verbindlich ein?
Natürlich freiwillig aber mit wertvoller Auszeichnung (Zertifikat)? Nach
kurzer Befassung mit den Alternativen entschied man sich, an die bereits im
Bibliothekswesen vorliegenden Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten in
Südtirol, bei Kunst- und Museumsbibliotheken und bei den weltweit tätigen
Informationseinrichtungen der Goethe-Institute anzuknüpfen. Herausgekommen ist ein bundesweit (noch) einmaliges Ergebnis eines umfassenden
Qualitätsmanagement-Programms mit klaren Kriterien, einem systematischen
Auditverfahren, kontinuierlicher Verbesserung und Anpassung der Kriterien
und drei Jahre gültigem Zertifikat (unterzeichnet von der zuständigen
Ministerin oder dem Minister.1
1
Einzelheiten
finden sich
unter:
www.bz-niedersachsen.de/cms
/final_index.php?type=dl-list&pw=# -> QS Bewertungsverfahren -> QS
Kriterienkatalog.
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
45
Gliederungsraster einer Bibliothekskonzeption
0
Einleitung
• Beschreibung der Ausgangsbedingungen für die Konzeptdiskussion,
• Beschreibung einer Vision für die Bibliotheksentwicklung.
1
Umfeldanalyse
• Besonderheiten zur geografischen Lage im jeweiligen Umfeld, z. B.
eigenständiges Selbstverständnis einzelner Ortsteile,
• klare Definition eines Einzugsgebietes der Bibliothek,
• Besonderheiten zur Mobilität und zur Verkehrslage in der Region, z. B.
Pendlerströme, Erreichbarkeit der Bibliothek für Schwerpunkzielgruppen,
• Verwaltungsstruktur (wer ist Träger der Bibliothek, welches sind die
Entscheidungsgremien, wer ist Ansprechpartner/Vorgesetzter?),
• sozio-ökonomische Struktur des Einzugsgebiets: Ist-Zustand und
Prognose von:
o Altersstruktur, demografischem Wandel, Milieustruktur,
Familienstruktur,
o Bildungsstruktur der Bevölkerung,
o Kultur- und Freizeitangeboten und -gewohnheiten,
o Einkommensstruktur der Bevölkerung,
o Anteil und Struktur der Migranten, nicht nur Ausländerstatistik!
o Branchen- und Wirtschaftsstruktur,
o Besonderheiten einzelner Ortsteile (vor allem bei Zweigstellensystemen).
• Künftige Schwerpunkte der Stadt-/Gemeindeentwicklung.
46
2
Meinhard Motzko
Beschreibung der Problemlagen für das Aufgabenfeld
„Informationsverhalten und Mediengewohnheiten“ in der Region,
z. B.:
• Globalisierung und Innovationsorientierung,
• PISA und die Folgen: Bildungskatastrophe und die Bedeutung der
Schlüsselqualifikationen „Lese- und Recherchekompetenz“,
• Frühkindliche Sprachförderung,
• Lebenslanges Lernen, z. B. angesichts „Rente mit 67“ und Altersarmut,
• Familienförderung, Betreuungsstandards,
• Demografischer Wandel: Integration Zugewanderter, Bevölkerungsrückgang, mehr Ältere,
• Gewaltbereitschaft, soziale Integration und Begegnung,
• Digitale Spaltung, veränderte Mediengewohnheiten und fehlende
Medienkompetenz,
• Informationsflut.
Botschaft dieses Kapitels: Die Bibliothek als Problemlöser!
3
Auftrag der Bibliothek/Aufgabenprofil
aus Gesetzen, Anforderungen bzw. Beschlüssen der politischen Gremien,
Wünsche und Anforderungen der relevanten gesellschaftlichen Gruppen
usw.
• Schwerpunktsetzungen, entwickelt aus der Umfeldanalyse, den
Problemlagen und dem Auftrag (soweit vorhanden): Der ‚rote Faden‘
für die Zukunft.
4
Konkrete messbare Zielgruppenfestlegungen
entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgabenprofil
und dem Auftrag:
• Abschied von der „Bibliothek für alle“,
• Milieuorientierung,
• Alters- und Lebenslagen-/Themenorientierung.
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
5
47
Konkrete messbare Ziele
entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgabenprofil
und den Zielgruppenfestlegungen.
6
Kooperationen und Partnerschaften
entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgabenprofil, den Zielen und den Zielgruppenfestlegungen:
Auf Ortsebene, z. B.:
• Kindergärten und vergleichbare Initiativen und Träger,
• Schulen und Bildungseinrichtungen,
• Ausbildungssektor
(Berufsschulen,
Fachschulen,
Hochschulen
usw.),
• andere Kultureinrichtungen,
• andere Jugend-, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen,
• Wirtschaftsbetriebe (z. B. Ausbildung, Fortbildung, Sponsoring),
• Einzelhandel (z. B. Buchhandel).
Auf regionaler Ebene, z. B.:
•
•
•
•
•
andere Bibliotheken in der Region,
Bibliotheksverbünde, Fachstellen,
nationale (und ggf. internationale) Partner im Bibliotheksbereich,
Fernleihverkehr,
überregionale Kultur und Bildungseinrichtungen.
Formen und Organisation der Kooperationen, z. B.:
•
•
•
•
Verträge und Vereinbarungen,
Gemeinsame Finanzierungen,
Regelmäßige Abstimmungen und Weiterentwicklungen,
Verantwortlichkeiten.
48
7
Meinhard Motzko
Maßnahmen/Angebote
entwickelt aus Aufgabenprofil, Zielen und Zielgruppenfestlegungen und
unter Berücksichtigung der Kooperationen:
• Zielgruppengerechte Öffnungszeiten,
• Erreichbarkeit außerhalb der Öffnungszeiten (Online-Angebot, Umgang
mit Anfragen usw.),
• Bestandsprofile,
• Rechercheangebote,
• Beratungsangebote,
• Vermittlungsangebote,
• Veranstaltungen,
• ggf. Projekte.
8
Kommunikationsformen
mit Trägern, Kunden und Partnern:
• Kommunikation mit den Entscheidungsträgern (Lobbyarbeit),
• Kommunikation mit der Verwaltung,
• direkte Kommunikationswege mit den (unterschiedlichen) Kundengruppen,
• indirekte Kommunikationswege mit den Kundengruppen (Werbung,
Pressearbeit),
• Kommunikationswege mit Kooperationspartnern,
• Beschwerdemanagement.
9
Die besondere Bedeutung moderner Technik und Ausstattung
•
•
•
•
•
Möbel,
IT (WLAN, Web-OPAC, Online Service usw.),
RFID,
Lizenzen,
usw.
Inhalte einer Bibliothekskonzeption
49
10 Ressourcengrundsätze
Einnahmequellen
•
•
•
•
Zuschüsse aus öffentlichen Quellen (EU, Bund, Land, Gemeinde),
Mischfinanzierung verschiedener öffentlicher Ressorts,
Eigeneinahmen (Gebühren, Vermietungen, Veranstaltungen usw.),
Sponsoring, Spenden, Mäzenatentum (Fördervereine usw.).
Ausgabengrundsätze
•
•
•
•
•
•
•
Gebäude, Gebäudeunterhaltung,
Personal (Hauptamtliche, Beschäftigte aus Personalüberlassungen),
Beschäftigte aus Arbeitsmarkt und Förderprogrammen,
Honorar-/Projektkräfte, Freiwillige,
Medienetat,
Programmetats (Vermittlungsangebote, Veranstaltungen usw.),
Technik.
11 Organisations- und Führungsgrundsätze
• Aufbauorganisation: Organigramm und Entscheidungsstrukturen,
• Ablauforganisation: Interne Organisation, Geschäftsgänge usw.,
• Führungsstruktur: Führungsstil, Teamverantwortlichkeiten, interne
Kommunikation/Besprechungskultur usw.
12 Erfolgskontrolle/Evaluation
abgeleitet aus den messbaren Zielen und Maßnahmen.
Was wird evaluiert: Themenfelder
•
•
•
•
•
•
Umfeldanalyse,
Zielerreichung,
Zielgruppendurchdringung,
Kundenzufriedenheit,
Leihverkehr,
Recherche-, Beratungs- und Vermittlungsangebote,
50
Meinhard Motzko
•
•
•
•
Veranstaltungen,
Projekte,
Kooperationen,
Ressourcenverbrauch.
Wie wird evaluiert: Messmethoden
•
•
•
•
•
Statistische Erhebungen,
Befragungen,
Messintervalle,
Auswertungsmethoden,
Zyklen zur Anpassung des Konzeptes auf der Basis der Auswertungsergebnisse.
Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als
Kerngeschäft einer Landesfachstelle
Das Beispiel der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in Bayern
UTE PALMER
Das Seminar „Bibliothekskonzeptionen“ wird 2010/11 in Bayern bereits zum
zweiten Mal durchgeführt. Im Text wird primär auf die erste Seminarreihe aus
den Jahren 2007/08 eingegangen, da die zweite Reihe noch nicht abgeschlossen ist. 11 Bibliotheken aus Oberbayern haben 2008 ein
Zukunftskonzept erstellt. Die Landesfachstelle setzte dabei Impulse für
konzeptionelles Arbeiten und unterstützte und förderte diese. Im vergangenen
wie im laufenden Projekt lagen bzw. liegen ihre Schwerpunkte auf Beratung,
Bereitstellung statistischer Angaben, Vermittlung von Kontakten und auch
Gesprächen mit den Entscheidungsträgern. Anstoß und Beitrag einer
Landesfachstelle begünstigen den Erfolg.
Bibliothekskonzepte in Bayern – ein Überblick
In Bayern wird 2010/11 bereits zum zweiten Mal das Seminar „Bibliothekskonzeptionen“ mit dem Trainer Meinhard Motzko in Kooperation mit der
ekz.bibliotheksservice GmbH und der Landesfachstelle durchgeführt. Das erste
Seminar (bestehend aus drei Modulen, einer Initiativ- sowie einer
Abschlussveranstaltung) fand in den Jahren 2007/08 statt.
Das zweite Seminar befindet sich erst in seinen Anfängen: Es begann im
Oktober 2010 und wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 abgeschlossen sein.
Folgende Bibliotheken arbeiten momentan intensiv an ihrem Konzept:
Stadtbibliothek Alzenau, Stadtbibliothek Böblingen (Baden-Württemberg),
Stadtbibliothek Burghausen, Stadtbücherei Dachau, Stadtbibliothek Donauwörth, Gemeindebücherei Eckental, Stadtbibliothek Freilassing, Marktbücherei Manching, Stadtbücherei Penzberg, Stadtbibliothek Schwabach,
Gemeindebücherei Wendelstein, Gemeindebücherei Vaterstetten. Außerdem
nimmt aus Burghausen noch die Belegschaftsbücherei des Chemie-Unternehmens Wacker teil. Zum Verlauf und zu den Ergebnissen des zweiten
Seminars kann noch kein Fazit gezogen werden. Im Mittelpunkt dieses
Beitrags stehen deshalb die Erfahrungen aus der ersten Workshopreihe.
52
Ute Palmer
Die Situation in Bayern
Bayern ist ein Flächenstaat, es gibt zahlreiche mittlere und kleinere
Bibliotheken, viele davon werden neben- und ehrenamtlich betreut. Strukturelle Unterschiede spielen eine große Rolle. Neben strukturschwachen
Gebieten gibt es durchaus relativ prosperierende Regierungsbezirke wie beispielsweise Oberbayern. Die Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in Bayern1 betreut mit ihren vier Dienststellen in München, Nürnberg,
Regensburg und Würzburg insgesamt 676 öffentlich-kommunale Bibliotheken.
Zu den Hauptaufgaben gehören die Beratung in allen bibliothekarischen
Belangen wie Gründung, Ausbau und Aufbau von Bibliotheken, Bibliotheksorganisation, Management, Bewilligung von Fördermitteln, Fortbildungsangebote und die Herausgabe von Publikationen.
Bibliothekskonzeptionen 2007/08
Um strategisches Arbeiten in Bibliotheken zu unterstützen und das Bewusstsein für dessen Notwendigkeit zu wecken, fiel im Jahr 2007 der Startschuss für
die erste Seminarreihe „Bibliothekskonzeptionen“. Neben der ekz.bibliotheksservice GmbH und dem Praxisinstitut Motzko konnte auch der Bibliotheksverband Oberbayern als Partner gewonnen werden. 11 Bibliotheken aus dem
Regierungsbezirk Oberbayern haben das Projekt abgeschlossen und ein
fertiges Konzept erstellt: Stadtbücherei Bad Aibling, Stadtbibliothek Fürstenfeldbruck, Gemeindebücherei Gräfelfing, Gemeindebibliothek Krailling, Stadtbücherei Miesbach, Gemeindebibliothek Neubiberg, Gemeinde- und
Schulbibliothek Oberhaching, Stadtbibliothek Töging am Inn, Stadtbücherei
Traunstein, Gemeindebücherei Unterhaching, Stadtbibliothek Unterschleißheim. Der Landesfachstelle fielen dabei die folgenden Aufgaben zu:
• Initiierung und Organisation des Seminars,
• Akquirierung der Teilnehmer,
• Begleitung des Seminars über eineinhalb Jahre,
• Einbeziehung der politischen Instanzen vor Ort,
• Organisation der Initiativ- und Abschlussveranstaltung,
• Erstellen einer CD mit den finalen Konzepten.
Die besondere Rolle der Landesfachstelle liegt darin begründet, dass sie die
individuelle Lage der Bibliotheken, die Bibliotheksleiter und auch die Ent-
1
www.oebib.de.
Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle
53
scheidungsträger gut kennt. Sie weiß, welche Bibliotheken für konzeptionelle
Arbeit offen sind oder welche dringend verstärkt strategisch arbeiten müssen,
weil beispielsweise eine Veränderung in Form von Umzug, Neuorganisation
oder ähnlichem ansteht. Sie besitzt in der Regel auch das Vertrauen der
Bibliotheken und kann die Leitung von der Notwendigkeit konzeptionellen
Arbeitens überzeugen.
Die Workshop-Reihe der Jahre 2007/08 begann mit einer Auftaktveranstaltung im Juli 2007 unter dem Motto „Bibliotheken wohin? Trends,
Profile, Konzepte“ in Neubiberg (Landkreis München), einer der am Konzept
mitwirkenden Gemeinden. Eingeladen waren Bürgermeister, Kulturverantwortliche aus der Verwaltung und bibliothekarische Fachkräfte aus den
beteiligten Kommunen.
Mit der Veranstaltung sollte Sensibilität für die Bedeutung konzeptionellen
Arbeitens in Bibliotheken geweckt werden. Impulsvorträge von Prof. Dr.
Hans-Christoph Hobohm (Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Informationswissenschaften), Johanna Rumschöttel (damalige Bürgermeisterin von
Neubiberg) und Henner Grube (damaliger Bibliothekarischer Direktor der
ekz.bibliotheksservice GmbH) lieferten Ideen und Ansatzpunkte.
Hobohms Vortrag „Bibliothek als Konzept und Realität – zum strategischen
Marketing einer Institution im Wandel“ stellte die erste Studie in Deutschland
vor, die im betriebs- und volkswirtschaftlichen Sinn den Wert von
Bibliotheken anerkennt: Mit jedem in die Stadtbibliothek investierten Euro
werden 5,60 Euro Gewinn erwirtschaftet. Johanna Rumschöttel erläuterte
anhand ihres Referats „Bibliotheken aus kommunalpolitischer Sicht“ die
Notwendigkeit für Öffentliche Bibliotheken, sich immer wieder neu erfinden
und definieren zu müssen. Sie unterstrich vor allem den Aspekt der
Chancengleichheit im Bezug auf den Arbeitsmarkt und warb für eine
Vernetzung der Bibliotheken mit anderen Bildungseinrichtungen. Henner
Grube plädierte in seiner Rede „Gesellschaftlicher Nutzen, Trends und die
Profilierung von Bibliotheken“ dafür, Bibliotheken als Zukunftsinvestition ins
Bewusstsein zu rücken.
In der Folge arbeiteten die Bibliotheken innerhalb von gut 12 Monaten an
ihren Konzepten. Drei intensive Workshops, moderiert von Meinhard Motzko,
unterstützten die Teilnehmer zu Themen wie Erstellen der Umfeldanalyse,
Auftragsdefinition und Aufgabenprofil einer Bibliothek, Themensammlung für
die Konzeptentwicklung und so weiter. In der Zeit zwischen den Seminaren
bekamen die Teilnehmer durch Meinhard Motzko persönliche Unterstützung
per E-Mail oder per Telefon.
Die Beteiligten hatten während ihrer Arbeit mit den für Bibliotheken
typischen Rahmenbedingungen zu kämpfen: Zeitpuffer finden, Daten
sammeln, Team einbinden, Entscheidungsträger überzeugen. Die meisten
54
Ute Palmer
Kollegen brachten erstmals strategische Aspekte in komplexen Zusammenhängen zu Papier. Doch nur die detaillierten Recherchen und die professionelle
Aufbereitung ermöglichen fundierte Rückschlüsse und dienen als Grundlage
für die Kommunikation mit den Entscheidungsträgern.
Bei der Abschlussveranstaltung am 21. Oktober 2008 in der Gemeinde- und
Schulbibliothek Oberhaching stellten die Teilnehmer ihre Arbeitsergebnisse
vor. Landrätin Johanna Rumschöttel und Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor der ekz.bibliotheksservice GmbH seit 2008, beschrieben im
Rahmen dieser Veranstaltung in ihren Referaten Rahmenbedingungen,
Perspektiven und Zielsetzungen zeitgemäßer Bibliotheksarbeit.
Der feierliche Projektabschluss hatte auch seinen heiteren Aspekt: Die
Bibliotheksleiter überreichten ihr Zukunftskonzept an ihren Bürgermeister
zusammen mit einem kleinen Geschenk, das auf ihre Vision der Bibliothek
innerhalb der Kommune anspielte. So schenkte eine der Teilnehmerinnen
ihrem Bürgermeister ein Playmobil-Set bestehend aus Bauarbeiter, Schubkarren und Sandhaufen sowie weiteres Zubehör für eine Baustelle. Der
dahinter liegende Gedanke machte deutlich: Bautechnisch muss etwas
geschehen, die Bibliothek ist nicht optimal untergebracht. Andere Kolleginnen
entschieden sich für eine Espressotasse, um den Wunsch nach einem Lesecafé
zu verdeutlichten.
Konzeption und Strategie sind unabdingbar für Professionalität
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer konzeptionellen bzw.
strategischen Ausrichtung der bibliothekarischen Arbeit ist noch nicht übergreifend vorhanden. Oft ist Widerstand zu spüren. Die Bereitschaft,
zusätzliche Arbeit in konzeptionelles Arbeiten zu investieren, scheitert oft an
äußeren Gründen wie Zeitmangel, fehlende Unterstützung durch den Träger,
mangelnde Einbeziehung der Mitarbeiter. Doch auch innere Widerstände
spielen eine Rolle: Wird mein Konzept überhaupt von den Verantwortlichen
gelesen und anerkannt? Kann ich damit etwas bewegen? Sind der Kommune
und dem Stadt- oder Gemeinderat nicht andere Belange wichtiger? Wissen und
kennen wir nicht sowieso alle Fakten? Auch fehlt vielen Kollegen der Wunsch
nach Optimierung und Veränderung der Situation, ebenso das Bewusstsein für
die Notwendigkeit der Kommunikation und der professionellen Aufbereitung
von bereits vorhandenen Daten und Materialien.
Wir als Landesfachstelle sehen konzeptionelles und strategisches Arbeiten in
Bibliotheken als unabdingbar für professionelles Wirken in Bibliotheken an.
Der Spardruck der letzten Jahre, veränderte Medien- und Freizeitgewohnheiten, neue berufliche Herausforderungen und Interessen der Kunden zwingen
Bibliotheken zur Bestandsaufnahme und Neuausrichtung ihrer Arbeit: Sollten
Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle
55
Bibliotheken wirklich für alle Bürger da sein? Wäre es nicht besser, Schwerpunkte zu setzen und innovative Wege zu beschreiten?
Zukunftssicherheit und Erfolg basieren auf einem durchdachten Fundament
und nicht auf gefühlten, sondern auf realen und nachprüfbaren Fakten. Die
Institution bekommt durch die Vorlage eines Konzeptes einen höheren Stellenwert in der Kommune, die Leiter und Mitarbeiter der Bibliotheken werden als
professionelle Partner wahrgenommen. Konzeptionelles Arbeiten stärkt das
Selbstbewusstsein von innen heraus und verdeutlicht die Bedeutung der Arbeit
im Rahmen der örtlichen Bildungs- und Kulturarbeit.
Durch ein Seminar bekommen die Teilnehmer Instrumente an die Hand, um
auf den gesellschaftlichen Wandel sowie das veränderte Medienverhalten zu
reagieren. Damit können notwendige finanzielle und personelle Ressourcen
überzeugender gefordert werden, wenn z. B. die Förderung von Lese- und
Informationskompetenz als wichtiger bildungspolitischer Beitrag seitens der
Bibliothek in Spiel gebracht wird.
Wir möchten bei den Kollegen in den Bibliotheken das Bewusstsein dafür
entwickeln, sich Faktoren wie Bevölkerungsstruktur, Pendlersituation oder
mögliche Kooperationspartner vor Ort genau anzuschauen. Oft meint man ja
zu wissen, wie sich diese Faktoren zusammensetzen. Doch bei genauem Blick
ist manchmal festzustellen, dass die Fakten anders liegen. Anhand der
tatsächlichen Fakten können dann Antworten gefunden werden auf Fragen
wie:
• Passt unsere bisherige Zielgruppenarbeit bezüglich Bestand und Veranstaltungen zu unserer Bevölkerungsstruktur?
• Müssen wir diese Arbeit überdenken?
• Müssen wir vielleicht Aufgaben über Bord werfen, die uns als Team
Freude bereiten, die jedoch unseren Zielen nicht dienen?
• Welche Veranstaltungen möchten wir anbieten?
• Passen unsere Öffnungszeiten zu den Zielgruppen?
• Wird ausreichend Lobbyarbeit betrieben?
• Sind die passenden Kommunikationskanäle zu den Entscheidungsträgern installiert?
• Welches sind mögliche in das Profil passende Kooperationspartner?
• Welche Arbeiten können nach außen gegeben werden?
Konzeptionelles Arbeiten erfordert, sich bewusst Zeit zu nehmen, um die Lage
vor Ort zu analysieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und daraus eine Vision
für die kommenden Jahre abzuleiten. Ein Goethe-Zitat ist durchaus auf
konzeptionelles und strategisches Wirken übertragbar:
56
Ute Palmer
Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns
liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein
werden.2
Ist eine Idee geboren, können auch die Wege festgelegt werden, die gegangen
werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Es können die notwendigen
finanziellen, personellen und strukturellen notwendigen Ressourcen eingeplant
werden. Fundierte Bibliothekskonzepte geben dem Team eine Richtung vor
und erleichtern die Argumentation nach außen.
Erfahrungen mit den Kosten
Gut 1000 Euro für einen insgesamt 6-tägigen Workshop zu bezahlen, ist für
viele Bibliotheken ungewohnt. Doch letztendlich kommt es auf die Argumentation und auch die eigene Überzeugung an. In den meisten Fällen begrüßen
die Träger der Bibliothek die Erstellung eines Bibliothekskonzeptes und stellen
finanzielle Mittel dafür zur Verfügung.
Die Seminarreihe ist keine Fortbildung im herkömmlichen Sinn. Durch die
Erstellung eines Bibliothekskonzeptes liegen der Kommune meist erstmals
fundierte Fakten und Daten in diesem Zusammenhang vor. Würde sie solch
eine Arbeit nach außen vergeben, wären die Kosten ungleich höher. Die
Kommunen tragen die Kosten für die drei Module sowie die Einzelbetreuung
durch Meinhard Motzko. Bei der Seminarreihe der Jahre 2007/08 wurden die
zusätzlich anfallenden Kosten (Reisekosten und Honorare der Referenten etc.)
für die Initiativ- und Abschlussveranstaltung von der Landesfachstelle
getragen. Sie wurde dabei vom Bibliotheksverband Oberbayern unterstützt, der
einen Teil der Catering-Kosten der Abschlussveranstaltung übernahm.
Ausgewählte Erfahrungen mit dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Gut ein Jahr nach Beendigung der Workshop-Reihe 2007/08 lud die
Landesfachstelle die Teilnehmer zu einem Rückblick ein. Allgemeines
Resümee war: „Der zusätzliche Arbeitsaufwand für das Konzept hat sich
gelohnt.“ Die Kollegen empfanden die Arbeit nicht nur in beruflicher Hinsicht
weiterführend, sondern haben sie auch als persönliche Bereicherung
empfunden. Einige Bibliotheksleiter haben sich das fertiggestellte Konzept
vom Stadt- oder Gemeinderat bestätigen lassen und arbeiten nun Schritt für
Schritt an den erarbeiteten Zielen und Visionen.
2
J. W. von Goethe, Dichtung und Wahrheit IX.
Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle
57
So hat die Bibliothek in Krailling neue Räume bekommen. Die Leiterin,
Frau Widmann, arbeitete noch während der Bauphase am Konzept und konnte
es in Teilen in der Bauplanung umsetzen.
Bad Aibling bekommt im Jahr 2012 neue Räume für die Bibliothek. Das
erarbeitete Konzept diente als wichtige Informationsgrundlage für die
Architekten.
Die Finanzkrise hat die Konzepte in der Regel nicht außer Kraft gesetzt,
manche Planungen verschieben sich lediglich. Natürlich gibt es auch Gemeinden, in denen beispielsweise ein Bürgermeisterwechsel stattgefunden hat oder
die Bibliothek sich (ausgelöst durch Gewerbesteuereinbrüche) anderen
Prioritäten unterordnen muss.
Einige Zitate verdeutlichen am besten, was das Seminar den Teilnehmern
gebracht hat:
Diana Rupprecht, Stadtbibliothek in der Aumühle, Fürstenfeldbruck:
Die auf fünf Jahre angelegte Bibliothekskonzeption formuliert
zum ersten Mal konkret und in schriftlicher Form die Aufgaben,
Ziele und Zielgruppen der Stadtbibliothek. Sie dient als roter
Faden für den Alltag und vor allem als Basis für die Auswahl
von Schwerpunktprojekten des folgenden Jahres. Den Verantwortlichen in Verwaltung und Stadtrat hat die ausführliche
Konzeption gezeigt, wie vielfältig und wichtig Bibliotheksarbeit
ist, gerade im Bereich der Bildung. In Krisenzeiten ist sie eine
hervorragende Argumentationsgrundlage, da die Konzeption
verbindlich vom Stadtrat anerkannt wurde.
Elke Naeve, Gemeindebücherei Gräfelfing:
Die viele Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch die Entwicklung eines Bibliothekskonzeptes ist zielgerichtetes Arbeiten
möglich, sowohl intern als auch in der Argumentation dem
Entscheidungsträger gegenüber. Nach zwei Jahren sind wir
überrascht, wie viele Ziele, die zunächst fast zu hoch gegriffen
schienen, nun erreichbar sind.
Diana Widmann, Gemeindebibliothek Krailling:
Das Bibliothekskonzept der Gemeindebibliothek Krailling
wurde als Grundlage für die Arbeit der Bücherei am neuen,
zentraleren Standort geschrieben. Es war sehr zeitintensiv, die
Arbeit hat sich aber gelohnt. Es bietet einen detaillierten Überblick über das Aufgabenprofil, die gesteckten Ziele und Zielgruppen. Durch die jährliche Erfolgskontrolle werden alle Fort-
58
Ute Palmer
und Rückschritte sofort sichtbar. Die Bücherei ist durch das
Konzept wieder mehr ins Blickfeld des Gemeinderates sowie der
politischen Entscheidungsträger gerückt und wurde sehr positiv
aufgenommen.
Fazit
Die Landesfachstelle kann und soll Impulse für konzeptionelles Arbeiten
setzen, dieses unterstützen und fördern. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf
der Beratung, der Bereitstellung statistischer Angaben, der Vermittlung von
Kontakten und auch Gesprächen mit den Entscheidungsträgern. Anstoß und
Beitrag von einer offiziellen Seite haben i. d. R. eine stärkere Wirkung. Die
Koordinierung, die Anleitung und die Qualitätssicherung durch die begleitende
Fachstelle können strategisches Denken und Arbeiten in den Bibliotheken
initiieren. Darüber hinaus sind lokale Bildungsstrategien wichtig, um die
bibliothekspolitische Ausrichtung des Bundeslandes durch die Arbeit der
Fachstellen zu befruchten. Wünschenswert wäre sicher auch die Zusammenarbeit der Fachstellen in den Bundesländern, um die Erarbeitung übergreifender Strategien zu fördern.
Praxisbeispiele aus dem Projekt
„Bibliothekskonzeptionen“
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Schwerpunkt: Mit Zielvorgaben und Konzepten überzeugen
ANETTE HAGENAU
Traunstein, die Stadt an der Traun – 10 km östlich des Chiemsees und 15 km
nördlich der Chiemgauer Alpen gelegen – ist seit alters her der zentrale Ort des
Chiemgaus. Mit ihrer Eingliederung in den Landkreis Traunstein zum 1. Juli
1972 erhielt Traunstein den Status einer Großen Kreisstadt. Es leben rund
18 700 Menschen in Traunstein, einer sehr lebendigen Stadt mit hohem Freizeitwert, viele junge Familien leben hier. Durch die Ansiedlung wichtiger
öffentlicher Gebäude und Ämter (z. B. Finanzamt, Landgericht) gilt Traunstein
auch als Ämter- und Beamtenstadt.
Der Ort gilt darüber hinaus als zentrale Schulstadt. Fast 10 000 Schüler besuchen die 17 Schulen: Gymnasien, Fachoberschule und Berufsoberschule,
Realschulen, Wirtschaftsschulen. Es gibt ferner u. a. eine Fachschule für
Krankenpflege, das Sozialpädagogische Förderzentrum und eine Fachschule
für Physiotherapie. Die Handwerkskammer unterhält das für die berufliche
Bildung wichtige Bildungs- und Technologiezentrum Haslach-Mühlwieden.
Traunstein ist beliebt als Einkaufsstadt, viele kleine Handwerksbetriebe und
Läden prägen das Bild der Innenstadt, größere Gewerbegebiete sind ausgelagert an den Stadtrand. Eine rührige Werbegemeinschaft unterstützt den
Einzelhandel.
Verpflichtend: Literaturversorgung für die Stadt und den Landkreis
Traunstein gilt als „mögliches Oberzentrum“, und daraus ergibt sich eine doppelte Verpflichtung für die Stadtbücherei Traunstein. Die Besucherstatistik und
die genaue Auswertung der Leserstatistik, auf die zu einem späteren Zeitpunkt
genauer eingegangen wird, belegen die Zuständigkeit für die Literaturversorgung der Bürger der Stadt und des Landkreises Traunstein. Die Trägerschaft
der Stadtbücherei liegt jedoch ausschließlich bei der Stadt Traunstein.
Die Stadtbücherei liegt zentral inmitten des Stadtparks, die TouristInformation und Schulungsräume der Volkshochschule sind im selben Gebäude untergebracht. Hinweisschilder in der Stadt weisen auf die Stadtbücherei
und das Kulturzentrum hin.
62
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Nach Fertigstellung des umfangreichen Bibliothekskonzepts Lesen – Lernen
– Leben im Oktober 2008 präsentierte die Leiterin der Stadtbücherei Traunstein, Anette Hagenau, das Konzept im darauffolgenden April 2009 zunächst im
Kultur- und Sportausschuss und anschließend vor dem gesamten Stadtrat.
Angelegt ist das Konzept vorerst auf fünf Jahre für den Zeitraum 2008 bis
2012.
Das Bibliothekskonzept stieß im Stadtrat auf breite Zustimmung. Vier Stadträte stellten im Anschluss an die Präsentation noch sehr interessiert Fragen
zum Zeitaufwand der Erstellung und zum Inhalt. Thematisiert wurden dabei
Problemlagen, Ressourcengrundsätze und die räumliche Situation im Gebäude.
Workshops: Meilensteine und Ansporn
Ein Bibliothekskonzept, in dessen Rahmen eine Umfeldanalyse erstellt, die
Position der Bibliothek innerhalb der Kommunalverwaltung und der Trägerschaft beurteilt und aufgrund dieser Fakten die inhaltliche, bibliothekarische
Arbeit intensiv beleuchtet wird, kann innerhalb eines Jahres entstehen. Während der regulären Arbeitszeit ist es jedoch kaum zu schaffen.
Das Preseminar zur Workshopreihe „Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen“ fand bereits im Juli 2007 in Neubiberg statt. Die prominente
Besetzung des Seminars machte sowohl den erschienenen Kulturverantwortlichen als auch den Bibliotheksleitern deutlich, welche Tragweite
eine Bibliothekskonzeption haben würde.
Die drei ganztägigen, gemeinsamen Workshop-Termine mit den anderen
Seminarteilnehmern und die Abschlussveranstaltung mit der Präsentation
ausgewählter Konzepte (darunter auch Traunstein) waren im September 2007
sowie im März und Oktober 2008 angesetzt. Sie bildeten wichtige Meilensteine und waren Ansporn, auch bei schwierigen Kapiteln am Ball zu bleiben. Der
Austausch zwischen den einzelnen Bibliotheksleitern per E-Mail funktionierte
optimal, man unterstützte und half sich gegenseitig, so gut man konnte.
Die entstandenen Bibliothekskonzepte wurden durch die Landesfachstelle
auf einer CD-ROM den teilnehmenden Bibliotheken zur Verfügung gestellt.
Zum Preis von 12 Euro wird sie Interessierten auf Wunsch auch zugeschickt.1
1
E-Mail-Anfragen an: [email protected].
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
63
Das Team aktiv einbeziehen
Als die Leiterin der Stadtbücherei dem Team im Sommer 2007 in einer
Dienstbesprechung die Teilnahme an der Workshopreihe ankündigte, begegnete ihr zunächst tolerante Skepsis.
Bei der Umfeldanalyse holte die Leiterin viele Informationen durch zwei gebürtige Traunsteiner Kollegen ein und nutzte gerade im Hinblick auf die sozialen Milieus somit Wissen, das in keiner Statistik nachzulesen ist.
Durch zahlreiche Anrufe im statistischen Landesamt und weiteren Einrichtungen der Stadtverwaltung und des Landratsamts wurde recht schnell bekannt, dass eine umfassende Untersuchung Traunsteins und der Region seitens
der Stadtbücherei im Gange war.
Lesekompetenz durch Spaß am Umgang mit Medien vermitteln: Vorlesestunde in der Stadtbücherei Traunstein. © A. Hagenau.
Die Reaktionen waren in vielen Abteilungen überwiegend positiv, niemand
zweifelte an der Sinnhaftigkeit einer Bibliothekskonzeption, obwohl mancher
Anruf der Bibliotheksleitung umfangreiche Recherchen im Einwohnermeldeamt, im Bauamt oder im Arbeitsamt nach sich zog. Es war allerdings
auch interessant, sich mit der Geschichte des Hauses zu beschäftigen: Vor der
64
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Umnutzung zur Bibliothek war die Semmelbröselfabrik Leimer im Gebäude
untergebracht.
Bei den konkret messbaren Zielen und den Problemlagen wurde das Team
ebenfalls aktiv in die Arbeit einbezogen. In moderierten Gesprächsrunden und
unter Anwendung unterschiedlicher Kreativitätstechniken wurden konkrete
Ziele gemeinsam erarbeitet. Es wurden nach oft heftiger interner Diskussion
Ziele formuliert und Zielgruppen festgelegt. Das Team überlegte sich Maßnahmen, um die gesteckten Ziele zu erreichen, und es wurden Indikatoren
bestimmt, die das Erreichen der Ziele belegen sollten. Dabei war es der Leiterin wichtig, den Mittelweg zwischen realistischen Zielen und Wunschzielen zu
finden und Marken zu setzen, um nach Ablauf eines Jahres auch belegbare
Erfolge verbuchen zu können.
Die Stadtbücherei arbeitete bereits vor dem Bibliothekskonzept mit jährlichen Zielsetzungen, um einerseits die Arbeit bei den Entscheidungsträgern
transparent zu machen und andererseits die Mitarbeiter an ihre Verantwortung
für einzelne Projekte zu erinnern. Diese bereits seit 2006 erstellten Zielplanungen erleichterten die Arbeit an den einzelnen Punkten der Konzeption sehr,
wie das folgende Beispiel zeigt.
Problemlage: Fehlende Lese- und Recherchekompetenz
Aufgabe 1
Ziel
Zielgruppe
Maßnahme
Besuch der Bücherei mit mind. 1
der folgenden Aktionen:
•
Vorlesen
•
Spielen
•
Bilderbuchkino
Bücherkisten entleihen
Lesekompetenz durch Spaß am
Umgang mit Medien vermitteln
50 % der Zielgruppe haben mind. 1 x
jährl. Kontakt zur Stadtbücherei
Kindergärten (v. a. der Stadt Traunstein)
Überwachung des Erfolgs / Messindikatoren
Statistik in der Zielgruppe
(Neuanmeldungen, Führungen, Bilderbuchkinos u. zusammengestellte Bücherkisten)
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Aufgabe 2
Ziel
Zielgruppe
Maßnahme
Besuch der Bücherei mit mind. 1 der
folgenden Aktionen:
•
Vorlesen
•
Spielen
•
Bilderbuchkino
•
Bücherkisten und Themenkisten entleihen
•
Lange Lesenacht
•
Autorenlesung
•
Vorlesewettbewerbe
•
Buchvorstellungen
Bücherkisten entleihen
Aufgabe 3
Ziel
Zielgruppe
Maßnahme
Für die Zielgruppe gibt es einen
Leseausweis mit attraktiven Konditionen (Blockausleihe)
Mind. 50 Bücherkisten (Klassensätze, Themenkisten, Bilderbuchkisten) werden pro Jahr an die Zielgruppe ausgeliehen.
65
Lesekompetenz durch Spaß am
Umgang mit Medien vermitteln;
Vermittlung von Recherche- und
Medienkompetenz
50 % der Zielgruppe haben mind. 1 x
jährl. Kontakt zur Stadtbücherei
Grundschulen und Orientierungsstufen in Stadt und Landkreis Traunstein
Überwachung des Erfolgs / Messindikatoren
Statistik in der Zielgruppe (Neuanmeldungen, Führungen, Bilderbuchkinos u. zusammengestellte
Bücherkisten, Klassensätze etc.)
Pädagogen und Eltern bei der Leseförderung unterstützen
30 % der Schulen in Stadt und Landkreis Traunstein sowie Berchtesgadener Land nutzen aktiv die Blockausleihe
Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen,
Lehrerinnen
Überwachung des Erfolgs / Messindikatoren
Leserstatistik
Statistik der Bücherkisten
66
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Die Bestandsgruppen werden in der
Elternbibliothek in unmittelbarer
Nähe zur Kinderbücherei attraktiv
präsentiert und aktuell gehalten. Die
Ausleihzahlen werden beobachtet.
Die Zielgruppen werden 1 x jährl. zu
einer Führung in die Stadtbücherei
eingeladen oder auf Fortbildungen
und Lehrerkonferenzen informiert.
2 x jährl. werden Veranstaltungen
im Rahmen der Elternbibliothek
angeboten.
Ausleihstatistik
Aufgabe 4
Ziel
Erhaltung der Freude am Lesen
Mind. 2000 Kinder und Jugendliche
kommen mind. 1 x jährl. in die Stadtbücherei zu einer Veranstaltung.
3- bis 16-jährige Kinder und Jugendliche
Überwachung des Erfolgs / Messindikatoren
Veranstaltungsstatistik
Zielgruppe
Maßnahme
An mind. 6 Vormittagen jährl. findet
ein Bilderbuchkino für 3- bis 7jährige Kinder statt
Beteiligung am Sommerferienprogramm mit einer jährl. unterschiedlichen Aktion rund um das
Thema „Lesen“
Jährl. werden mind. 8 Vorlesestunden veranstaltet
Jährl. wird mind. 1 Lesenacht oder
1 Stöberabend angeboten
Statistik der Führungen und Veranstaltungen
Veranstaltungsstatistik
Veranstaltungsstatistik
Veranstaltungsstatistik
Veranstaltungsstatistik
Die Jahresstatistik wird seit 2008 dahingehend ausgewertet, ob die gestellten
Aufgaben erfüllt und die gesteckten Ziele erreicht wurden. 2010 beispielsweise
hatten rund 2700 Kinder und Jugendliche Kontakt mit der Stadtbücherei, im
Sommerferienprogramm ist die Stadtbücherei seit 2010 mit dem Sommerleseclub vertreten, einer Aktion, die in Traunstein sehr erfolgreich gelaufen ist
und rund 90 Neuanmeldungen von Kindern zwischen 10 und 14 Jahren gebracht hat.
67
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Statistik der eingeschriebenen Leser in der Stadtbücherei
Altersstufen der Nutzer der Stadtbücherei: Kinder und Jugendliche.
Stand der Auswertung: Dezember 2008.
Alter
Lebenslagen
Einwohner
Traunstein
Aktive Leser
Traunstein
Aktive Leser
insgesamt
Einwohneranteil Stadtbücherei
Angestrebter
Anteil Nutzer
1-3 Jahre
Bilder, Sozialkontakte, Entdecken
Sozialkontakte
4-5 Jahre
Kindergarten,
Vorschule,
Neue Medien
Vorschule
9-11 Jahre
Schulwechsel
351
6-8 Jahre
Schulanfang,
Verkehr,
Radfahren
Verkehr,
Radfahren
478
468
6
9
58
121
8
12
90
199
1,3 %
2,6 %
12,1 %
24,2 %
1,5 %
5%
15 %
25 %
Alter
12-13 Jahre
Lebenslagen
Sexualität,
Medien, Hobbywechsel
Einwohner
Traunstein
Aktive Leser
Traunstein
Aktive Leser
insgesamt
Einwohneranteil Stadtbücherei
Angestrebter
Anteil Nutzer
Sport,
Abenteuer
501
16-17
Jahre
Sexualität,
Pubertät
359
14-15
Jahre
Sexualität,
Pubertät,
Internet,
Mofa &
Roller
345
18-19 Jahre
387
406
88
81
91
109
156
176
199
261
24,5 %
23,5 %
23,5 %
26,9 %
25 %
25 %
25 %
25 %
Sexualität, Auto,
Berufsausbildung, ggf.
Studium
68
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Die Tabelle zeigt Folgendes: Die Stadtbücherei Traunstein wird von sehr vielen Kindern und Jugendlichen genutzt, jedoch hat nur ein Bruchteil dieser
Altersgruppe einen eigenen Ausweis, nachdem die Ausstellung einer Leserkarte auch für sie kostenpflichtig ist. Die meisten Kinder lesen bei ihren Eltern
mit, ein Erwachsenenausweis wird als „Familienausweis“ verwendet. Diese
Interpretation wird gestützt von den Auswertungen, die für die DBS-Statistik2
2011 aktuell erstellt worden sind: Die Ausleihen für Kinder und Jugendliche
(rund 8000 Medien erzielten 43 059 Entleihungen) im Jahr 2010 stehen an
zweiter Stelle der Gesamtausleihen (184 591 Entleihungen). Allein durch die
Aktion „Sommerleseclub“3 erreichten wir 500 Ausleihen! Das Angebot an
Kinder- und Jugendliteratur bildet wie im Vorjahr des Berichtsjahrs 2010 mit
insgesamt 27 % den zweitgrößten Bestand.
Die Ausländerquote von aktuell 6,7 % im Landkreis Traunstein (davon rund
50 % österreichische Staatsbürger) zeigt, dass auch Kinder aus Familien mit
Migrationshintergrund eine mögliche Zielgruppe der Stadtbücherei Traunstein
sind. Diesen Zahlen wird Rechnung getragen, indem die Förderung von Kindern mit keinen oder nur geringen Deutschkenntnissen mittels Veranstaltungen
und Beschaffung von geeigneten Lernmaterialien in Kooperation mit den örtlichen Kindergärten in die Zielplanung 2011 aufgenommen wird.
Gerade in Migrationsfamilien aus dem Balkan ist das Vorlesen laut einer
Untersuchung der Stiftung Lesen4 nicht üblich. Umso mehr gilt es, diese Zielgruppe durch fest institutionalisierte, kostenlose Schulveranstaltungen in Form
von regelmäßigen Klassenausleihen, Besuch von Autoren und Lernmaterialien
in Form von Medien- und Themenkisten zu erreichen.
Aufgrund des aktuellen Doppelabiturjahrgangs sind derzeit Schüler der Abschlussklassen eine wichtige Zielgruppe der Stadtbücherei. Es wurden 2010
fast doppelt soviele Fernleihbestellungen bearbeitet: 2009 wurden 353 Fernleihen aus dem deutschen Leihverkehr und 106 Medien aus anderen umliegenden
Bibliotheken über den regionalen Bibliotheksverbund „biblio18“5 entgegengenommen, 213 Medien wurden verschickt. 2010 wurden 629 Fernleihbestellungen im deutschen Leihverkehr getätigt, über „biblio18“ kamen 217 Medien
zum Nutzer. 233 Medien wurden in andere Bibliotheken über „biblio18“ verschickt.
Die Leiterin und ihre Stellvertreterin besuchen zeitnah zur Vergabe der
Facharbeitsthemen die beiden Traunsteiner Gymnasien und erklären den Schü-
2
Deutsche Bibliotheksstatistik, www.bibliotheksstatistik.de.
www.sommerleseclub.de.
4
www.stiftunglesen.de.
5
www.biblio18.de.
3
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
69
lern des derzeitigen Q11-Jahrgangs vor Ort die Fernleihe und auch die Nutzung bekannter, interaktiver Lexika.
Fazit
Die Stadtbücherei und auch die weiteren in der Stadt vorhandenen kulturellen
Einrichtungen sind immer wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion.
Dabei hat die Stadtbücherei innerhalb der Stadtverwaltung einen sehr guten
Ruf, die Institution wird mit ihrem breiten Veranstaltungs- und Bildungsangebot vor allem für Kinder und Jugendliche von Seiten des Oberbürgermeisters als Imageträger der Stadt gesehen und von Sparmaßnahmen – wenn
möglich – ausgenommen.
Wie eine im Herbst 2009 und Frühjahr 2010 durchgeführte Besucherumfrage ergab, sind die Traunsteiner Bürger höchst zufrieden mit ‚ihrer‘ Bibliothek. Die Stadtbücherei hat ihr Image als anerkannter kultureller Treffpunkt
bestätigen und weiter ausbauen können. Es gab sowohl von Seiten der Schüler
als auch von Erwachsenen viel Lob für die Neugestaltung der Abteilungen, die
gelungene Medienauswahl und – mit das Wichtigste: Das Bibliothekspersonal
wird von den Besuchern als sehr kompetent und kundenfreundlich empfunden.
Es war erstaunlich zu erfahren, dass es bis zum Zeitpunkt der Entwicklung
des Konzepts kein klares und vom Stadtrat bestätigtes Aufgabenprofil der
Einrichtung „Stadtbücherei“ gab. Umso wichtiger ist es, anhand von klaren
Leitlinien und festgeschriebenen Zielen und aufgrund von belegbaren Fakten
auch Visionen zu entwickeln, um die Einrichtung „Bibliothek“ in Traunstein
weiter voranzubringen.
Besonders gut gefallen hat mir ...
URSULA LAY
Kulturreferentin der Stadt Traunstein
... dass aus der Umfeldanalyse heraus konkrete Ziele erarbeitet wurden, die
jährlich überprüft und der aktuellen Situation angepasst werden. Aus dieser
Zielsetzung heraus wurden konkrete Aufträge formuliert, wie dies zum Beispiel die Überlegungen zur Veränderung der Öffnungszeiten im Hinblick auf
Bürgerfreundlichkeit und Rückgabemodalitäten belegen. Im Konzept wird an
vielen Stellen deutlich, welchen großen Wert das Team der Stadtbücherei auf
Vermittlung und Beratung legt.
70
Bayern: Stadtbücherei Traunstein
Überraschend war der Anteil der Verteilung der Literaturversorgung auf die
Stadt und auf den Landkreis. Die Zuordnung der Besucher im Hinblick auf die
Sinus-Milieus ist sehr zukunftsorientiert, können sich doch daraus milieuorientierte Ansätze zur Werbung für die Stadtbücherei ergeben. Auch ist es aus
diesem Blickwinkel heraus möglich, Ziele und Visionen zu entwickeln, welche
Milieus man durch Aktionen zusätzlich in die Leserschaft holen könnte. Gerade im Hinblick auf audiovisuelle Medien eröffnen sich hier eventuell auch
neue Zielgruppen. Die eigene Arbeit wird im Zusammenhang mit den regionalen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen beschrieben, gesellschaftliche Entwicklungen und Prognosen werden einbezogen und
Schwerpunkte abgeleitet. Die Vorstellung im Stadtrat führte vielen vor Augen,
welch enormen Beitrag die Bücherei für die Kultur und Bildung in der Stadt
Traunstein leistet und welch breites Veranstaltungs- und Bildungsangebot es
für Kinder, Familien, Schüler und Schülerinnen, Lehrkräfte, Erzieher, Schulen
und Kindergärten gibt. Die Veröffentlichung des Büchereikonzepts auf der
Homepage wäre wünschenswert. Diese Dokumentation der hervorragenden
Arbeit der Stadtbücherei Traunstein sollte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die im Konzept genannten Ziele wie regelmäßige Führungen, Lesungen mit
Autoren, Bilderbuchkinos, Ausstellungen, Buchvorstellungen in Form von
Matinées, Beteiligung an überörtlichen Projekten wie dem Literatur Update6,
Sommerleseclubs, Gartensoirée, Vorlesestunden, Bücherkisten usw. machten
den Stadträten die Rolle der Bücherei als Bildungsträger noch einmal bewusst.
Beeindruckt war man auch von den Angeboten zur Leseförderung und den
Kooperationen mit den Schulen. Die Präsentation des Mediensortiments in
themen- und fächerübergreifenden Sinnzusammenhängen war nicht allen
Stadträten bekannt.
Das Interesse an der Bibliotheksarbeit hat sich durch die Diskussion um das
Konzept dahingehend verändert, dass bei allen angedachten Veränderungen im
kulturellen Bereich, auch von den Räumlichkeiten her, immer auch die Möglichkeiten der Bücherei z. B. für eine Erweiterung aufgenommen werden.
Ebenso wird Wert darauf gelegt, die Bücherei weitgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen. In Traunstein wurde der Beschluss gefasst, ein Kulturkonzept für die Stadt auszuarbeiten. Die Bücherei hat dabei mit ihrem Konzept
wichtige Impulse und Anregungen gegeben. Bibliotheken, die sich mit der
Erarbeitung einer Konzeption beschäftigen, kann ich aus meiner Sicht nur
raten, möglichst früh die Entscheidungsträger der Stadt bzw. der Gemeinde
einzubeziehen und auch die Einbindung Ehrenamtlicher zu erwägen.
6
www.literaturupdate.de.
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Schwerpunkt: Interkulturelle Bibliotheksarbeit
BETTINA KUSE
In diesem Kapitel wird die Rede sein von den Auswirkungen der
Konzeptentwicklung auf die Arbeit einer kleinen Stadtbücherei (30 000
Medien) in einer mittelgroßen Stadt in Südhessen (33 000 Einwohner, davon
ca. 30 % ohne deutschen Pass). Am Augenfälligsten war dabei folgende
Erkenntnis: Die Stadtbücherei Dietzenbach hat zwar schon seit 2004
ansatzweise interkulturell gearbeitet, das war jedoch bis zur Konzepterstellung
im Jahr 2008 niemandem in der Stadtbücherei bewusst, ganz zu schweigen
davon, dass diese Arbeit bis dahin gegenüber Politik und Verwaltung
überhaupt nicht ‚verkauft‘ wurde.
Ausprobieren, was möglich ist
Was dieses Kapitel nicht sein soll: ein ‚Rezept‘ für Interkulturelle
Bibliotheksarbeit, denn so wie jeder Ofen anders backt, ist auch jede Stadt mit
ihren Einwohnern und jede Bibliothek mit ihrem Bibliotheksteam ‚anders‘.
Außerdem macht Learning by Doing auch Spaß: Ausprobieren, was möglich
ist, Kooperationen überprüfen, nutzen und erweitern, auch mal ganz neue
Wege gehen, sich nicht frustrieren lassen und jeden Tag dazulernen. Und hat
man einmal begonnen, ist Interkulturelle Bibliotheksarbeit ein Selbstläufer,
allerdings würde die Vielzahl an Geschichten und Anekdoten, mit denen diese
These zu belegen wäre, den verfügbaren Rahmen sprengen.
Lernen von Anderen
Unser Stadtbücherei-Team hat – als Impuls-, Motivations- und Ideennehmer –
unendlich profitiert: von den Workshops zur Konzeptentwicklung und dem
offenen Austausch mit den dortigen Kollegen, von der Plattform
www.interkulturellebibliothek.de, von diversen, die Konzeptentwicklung
begleitenden Fortbildungen der Hessischen Fachstelle1, unter anderem mit
1
www.hlb-wiesbaden.de -> Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken.
72
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Birgit Lotz, auch von dem Buch „Brücken für Babylon“2und – last but not
least – von unseren Kunden. Der interkulturelle Baustein in der Arbeit der
Stadtbücherei Dietzenbach ist letztendlich nur ein auf die Stadt und ihre
Akteure hin modifiziertes Konzept bereits bestehender Best Practice-Beispiele.
Die Stadtbücherei als „Ort gelebter Integration“
Unsere Bibliothek hat im Herbst 2010 in einer Feierstunde des Stadtparlaments
eine vom Ausländerbeirat der Stadt gestiftete Urkunde „in Anerkennung der
herausragenden Verdienste um den Gedanken der Völkerverständigung“
verliehen bekommen. In der Laudatio wurde nicht nur das Konzept sondern
auch die Stadtbücherei als „Ort gelebter Integration“ besonders gewürdigt.
Welche Rolle das Bibliothekskonzept dabei gespielt hat, soll nun berichtet
werden.
Wie eingangs erwähnt, sind interkulturelle Ansätze schon seit ca. 2004
Bestandteil unserer Arbeit, doch waren diese ersten Versuche weder
zielgruppenorientiert noch in irgendeiner Weise ‚konzipiert‘. Der Bedarf
wurde weniger durch Faktenwissen belegt als ‚erahnt‘. Erfolge wurden nicht
definiert und schon gar nicht gemessen. In der Rückschau ist diese Phase
dennoch wichtig, denn in dieser Zeit des eher ‚pragmatischen Improvisierens‘
sind wertvolle Erfahrungen gemacht worden.
Eine zweite Phase, die der systematischen Interkulturellen Bibliotheksarbeit,
die zielorientiert, gesteuert und überprüfbar ist, begann mit der Konzeptentwicklung ab 2008 und dauert an. Heute ist Interkulturelle Bibliotheksarbeit
in unsere alltägliche Arbeit fest integriert, wird vom Team getragen, von der
Mehrheit der Entscheidungsträger begrüßt und findet Anklang und
Zustimmung in Presse und Bevölkerung.
Nächstes Ziel ist eine effizient(er) gestaltete und Ressourcen schonend(er)e
Interkulturelle Bibliotheksarbeit, die alle Akteure einbindet. Konkret schwebt
uns ein ehrenamtlicher Bibliotheks-Beirat vor, der die interkulturelle
Vermittlungsarbeit mit gestaltet bzw. mit übernimmt.
Kompetenter Partner in Bildungs- und Integrationsfragen
Es ist ein langer Prozess, mit Erfolg interkulturell zu arbeiten, wobei die
Konzeptentwicklung nicht nur äußerst hilfreich war, sondern einen Quanten-
2
Brücken für Babylon : Interkulturelle Bibliotheksarbeit. Grundlagen –
Konzepte – Erfahrungen / hrsg. von Petra Hauke und Rolf Busch. Bad Honnef
: Bock + Herchen, 2008. http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/babylon/.
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
73
sprung in unserer Arbeit darstellte. Wir nahmen dadurch die Zahlen, Daten und
Fakten unserer Kommune unter die Lupe. Wir sammelten wissenschaftliche
Erkenntnisse und Studien – von PISA mit den begleitenden und vertiefenden
Studien über die Ergebnisse der Studien der Stiftung Lesen, die SinusMigranten-Milieus bis hin zu den Veröffentlichungen der BertelsmannStiftung, des Berlin-Instituts, der Boston Consulting Group sowie vielen
Veröffentlichungen über die Bedeutung der Muttersprache beim Spracherwerb
und werteten sie aus. Wir setzten uns innerhalb des Teams sowie mit
Vorgesetzten auseinander und definierten, an welchen Stellen wir mithelfen
könnten, die interkulturellen Problemlagen unserer Kommune anzupacken.
Mit der halbwissenschaftlichen Vorarbeit für das Konzept gerieten wir ganz
zwangsläufig mitten in die aktuelle Integrationsdebatte der Stadt und wurden
so nicht nur bei der Erstellung eines Integrationskonzeptes ein kompetenter
Partner in Bildungs- und Integrationsfragen für unsere Stadt.
Der Haupteffekt ist jedoch, dass wir als Institution unverzichtbar(er)
geworden sind, denn ‚ein Buch über die Theke schieben kann jede/r‘, aber die
Vermittlungsarbeit, die wir leisten, den Beitrag zur Demokratisierung von
Bildung, die Verbesserung der Chancengerechtigkeit, außerschulischer Partner
für Schüler und deren Eltern zu sein, das sind Alleinstellungsmerkmale, die
beispielsweise im Falle einer Einsparung der laufenden Bibliothekskosten zu
einem mittlerweile in Zahlen zu belegenden Verlust von gesellschaftlicher
Teilhabe, Bildungs- und Kulturchancen in der Kommune führen würden.
Selbstbewusst gegenüber den politischen Entscheidungsträgern
Bei einem jährlichen Haushaltsdefizit von ca. 18 Mio. Euro steht der Betrieb
einer Stadtbücherei bei Haushaltsberatungen, wie alle freiwilligen Leistungen,
immer wieder auf dem Prüfstand. Mit der Konzepterstellung sind wir aber
nicht mehr allein auf die Sympathie wohlgesonnener Politiker angewiesen,
sondern können seitdem mit Auswertungen und Statistiken belegen, welche
notwendigen Funktionen die Bibliothek in dieser Kommune erfüllt. Dass
Medienetat und Personalkapazität in Dietzenbach nicht erhöht wurden, nimmt
angesichts der defizitären Haushaltslage nicht wunder, doch haben sich die
Bewertung und das Image unserer Arbeit mit ihrer Untermauerung durch das
Bibliothekskonzept entscheidend verbessert, sodass wir beispielsweise für
kleinere Projekte leichter Sponsoren finden. Entscheidend ist, dass wir unsere
Arbeit nun wesentlich professioneller und mit mehr Selbstbewusstsein gegenüber den politischen Entscheidungsträgern präsentieren und damit auch
qualifizierter argumentieren können, als das vorher der Fall war.
74
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Ein anderer Nutzen aus der Erstellung des Konzeptes und den vielen
Diskussionen im Team, mit Vorgesetzten und auswärtigen Kollegen ist, dass
die erarbeiteten Inhalte des Konzeptes so ‚sitzen‘, dass auch eine überraschende Anfrage aus Politik und/oder Verwaltung, egal zu welchem Sachverhalt (baulich, finanziell, personell ...), aus dem Stand beantwortet werden
kann – übrigens vom gesamten Team.
Die mehr und weniger ‚provokanten‘ Statements von Meinhard Motzko
während der Workshops haben uns – nebenbei bemerkt – ganz gut darauf
vorbereitet, welches Bild von Stadtbibliotheken noch in den Köpfen vieler
Entscheidungsträger vorherrscht. Wir haben einige Politiker an genau dieser
Stelle ‚abholen‘ können – tatsächlich mitten aus den 1950er Jahren!
... wenn gelegentlich mal ein Buch nach Curry riecht ...
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine der Schwerpunktsetzungen
unserer Arbeit auf „Bildungsintegration“ zu Zielkonflikten sowohl im Team,
als auch mit der einheimischen Kundschaft geführt hat (die gängigsten
Vorurteile sind dabei: Migranten sind „zu laut, zu ungebärdig, haben andere
Gerüche...“). Hier galt und gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten, niemanden zu
bevorzugen oder gar auszuschließen, gemeinsame Erlebnismöglichkeiten zu
schaffen und im Gespräch zu bleiben. Der Bibliotheksbetrieb ist bisher auch
noch nicht zusammengebrochen, weil gelegentlich mal ein Buch nach Curry
riecht, drei tief verschleierte Frauen an der Theke stehen, um etliche ihrer
zahlreichen Kinder anzumelden, oder ein Kleinkind in türkischer Sprache im
Lesesaal laut nach seiner Mutter ruft. Insgesamt ist die Stadtbücherei trotz
ihrer deutlich wahrnehmbaren Öffnung in Richtung von Familien mit
ausländischen Wurzeln ein Ort, an dem sich nun – mehr denn je – alle
Einwohner der Stadt begegnen.
Im Hinblick auf die Einstellung des Teams zu diesen Veränderungen war
einerseits die Sinus-Studie zu den Migranten-Milieus hilfreich (Migrant ist
eben nicht gleich Migrant), andererseits der Hinweis auf die ‚Kundschaft von
morgen‘ (von jährlich etwa 400 Neugeborenen in Dietzenbach haben ca. 350
einen Migrationshintergrund).
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich unsere Erwartungen an die
Konzeptentwicklung mehr als erfüllt haben – bis auf zwei Verheißungen der
Auftaktveranstaltung, die so nicht eingetreten sind:
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
75
• Politik und Verwaltung haben uns das Konzept (74 Seiten) keineswegs
aus den Händen gerissen, es hat de facto sogar zwei Jahre in der
Schublade des Vorgesetzten gelegen, und erst ein Wechsel an der
Verwaltungsspitze, verbunden mit einiger Lobbyarbeit, hat ermöglicht,
dass eine Zusammenfassung des Konzepts auf einer (!) Seite nebst
Maßnahmentabelle vom Stadtparlament überhaupt zur Kenntnis
genommen wurde.
• Die Arbeitsbelastung ist auch nicht wirklich weniger geworden, ganz
im Gegenteil, aber anders als vorher wissen wir nun ganz genau, was
wir alles machen, für wen, warum und mit welchem Ziel. Und wir
kommunizieren unsere Arbeit besser, klarer und selbstbewusster.
Was uns glücklicherweise im Anfangsstadium der Konzeptentwicklung noch
nicht bewusst war, ist der enorme Zeitaufwand, der damit verbunden war.
Dennoch und obwohl unser Konzept nicht in Gänze vor Politik und
Verwaltung zum Zuge gekommen ist, stellt es auch zwei Jahre später noch
eine Art Fundus dar für unsere tägliche Arbeit. Zudem ist es ein unschätzbarer
Vorteil, einmal – sozusagen aus der Vogelperspektive – die Stadt und die
Stadtbücherei Dietzenbach gesehen und ‚analysiert‘ zu haben.
Zu guter Letzt ...
... noch ein Dankeschön an die Fachstelle in Hessen: Unseren Beruf noch
deutlicher als Berufung zu sehen, das ist ein großer persönlicher Nutzen aus
der Arbeit an der Erstellung des Bibliothekskonzepts, denn in einer unserer
Hauptaufgaben sehen wir uns bestärkt: der des Vermittelns – von
Informationen, Geschichten, Recherchestrategien, Quellen. Dieses Vermitteln
in einem verbindlichen und entscheidungsfreudigen Stil zu tun, dabei Ziele vor
Augen zu haben, sich und das Team in diese Richtung zu motivieren, alle diese
(schon seit je her unserem Beruf immanenten) Faktoren haben durch die
Konzepterstellung eine Art Renaissance erfahren und machen unsere Arbeit,
das ist hier die einhellige Meinung vor Ort, zutiefst befriedigend, weil
entwicklungsfähig und erfolgreich und sinnvoll.
Immer mehr ist es üblich, auch die Erfolgsfaktoren einer Qualitätsentwicklung zu benennen. Unsere heißen: Konzeptentwicklung und viel (!) Geduld!
76
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Anhang / Konzept
Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel
Ziele und Maßnahmen 2010/15
Mit mehr als 35 000 Besuchern, gut 80 000 Ausleihen und über 150
Veranstaltungen – vom Bilderbuchkino für die Jüngsten über Rechercheworkshops für Schüler bis zu Lesungen namhafter Autoren für Erwachsene (s.
Jahresbericht 2009) – ist die Stadtbücherei eine der besucherstärksten
Bildungs- und Kultureinrichtungen der Stadt Dietzenbach.
Unter dem Motto „Fit für die Zukunft“ wurde im Rahmen eines Workshops
der Hessischen Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Hessen3 ein
Bibliothekskonzept erarbeitet, das als Meinungs- und Entscheidungsgrundlage
für die Zukunft der Stadtbücherei dienen kann.
Kernpunkte künftiger Bibliotheksarbeit in Dietzenbach sind:
• Der Bildungsaspekt ist in den Mittelpunkt gerückt!
• Abschied von der Bibliothek für alle, kein nach dem ‚Gießkannenprinzip‘ aufgebauter Medienbestand.
• Festlegung bestimmter Zielgruppen, Ziele und Maßnahmen mit
festgelegten Kriterien zur Erfolgsmessung.
• Aufbau eines Medienbestandes, der den Bedürfnissen der Zielgruppen
(Leseförderung, Integration, lebenslanges Lernen) mit entsprechenden
Angeboten entgegenkommt.
Für ihre erfolgreiche, effiziente und transparente Arbeit benötigt die
Stadtbücherei eine strategische Verankerung in der Dietzenbacher Bildungsinfrastruktur. Das Stadtparlament muss entscheiden, in welche Richtung sich
die Stadtbücherei Dietzenbach entwickeln soll, welches ihre Hauptaufgaben
sind, wo ihre Handlungsgrundlagen und -spielräume verbindlich festgelegt
werden und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Umsetzung des
vorliegenden Maßnahmenplans erfordert eine angemessene finanzielle und
personelle Ausstattung der Stadtbücherei, mindestens jedoch die Beibehaltung
des Status quo.
Bettina Kuse
Leitung Stadtbücherei
Dietzenbach im Januar 2010
3
www.hlb-wiesbaden.de -> Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken.
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
77
Aufgrund des derzeitigen (und absehbaren) Personal- und Mittelrahmens
können folgende Ziele und Zielgruppen (noch) nicht in den Mittelpunkt
der – mittelfristig – zukünftigen Bibliotheksarbeit gestellt werden:
(1) Frühförderung
Leseförderung vom Babyalter an ist nachgewiesenermaßen eine
sinnvolle Maßnahme (Bücherei-Flyer, Bücherkisten und Empfehlungslisten, stationiert bei Kinderärzten und Hebammen, alle etwa
350 neugeborenen Kinder pro Jahr erhalten ein Pappbilderbuch, die
jungen Eltern einen kostenlosen Jahresausweis der Stadtbücherei zur
Geburt geschenkt, Schoßkindergruppen-Nachmittage mit Liedern,
Fingerspielen und ersten Bilderbüchern, etc.). Sobald der Stadtbücherei mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, wird diese Zielgruppe ins Visier genommen, um die Leseförderung konsequent von
‚Null Jahren’ an zu betreiben (s. auch Hessischer Bildungs- und
Erziehungsplan von 0 – 10 Jahren4).
(1) Ältere In- und Ausländer (50 plus und älter)
Kulturelle Angebote für die „Generation 50 plus“ werden bereits im
bisherigen Veranstaltungskanon geleistet und angenommen, beim
Medienerwerb sind die Älteren auch im Blickpunkt (EDV, Gesundheit, Finanzvorsorge, Medien zur Unterstützung des Lebenslangen
Lernens), darüber hinausgehende Maßnahmen wie Vorlesestunden,
Literaturzirkel, Hol- und Bringdienste, Aktive Förderung des Lebenslangen Lernens, aktive Kooperation mit Arbeitsmarktinitiativen 50
plus, Anleitung und Betreuung von ehrenamtlichen Senioren in der
Bibliotheksarbeit (Zeitzeugen berichten, Vorlesepaten, Auf den
Spuren der Ortsgeschichte), Beratung bei digitalen Recherchen,
Leselupen- und Lampen kann sich die Stadtbücherei aus den oben
bereits genannten Gründen (noch) nicht leisten.
(2) Schüler/innen der Sekundarstufe II / Oberstufe
Die Stadtbücherei leistet bereits – im Sinne der Chancengleichheit –
die Bereitstellung von für das (heute: Zentral-) Abitur relevanten
Medien.
4
„Bildung von Anfang an“, www.bildungs-und-erziehungsplan.hessen.de.
78
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Sinnvoll wäre es, Recherche-Training, Erstellen von Facharbeiten,
Präsentationsmöglichkeiten in dieser Phase noch einmal zu vertiefen.
Noch sinnvoller erscheint uns aber – angesichts knapper Personalressourcen – die Leseförderung der Kinder von 3 bis 12 Jahren,
weshalb wir die Zielgruppe der angehenden Abiturienten (noch)
hintanstellen.
Bei allen diesen Themen mangelt es uns nicht an Ideen, sondern nur an
Ressourcen.
Gerade weil die Zielgruppe „50 plus“ – auch aus demografischen Gründen –
immer interessanter wird, wird für diese Zielgruppe als Nächstes ein differenziertes Konzept erarbeitet und den Entscheidungsträgern vorgelegt.
Mindestens 50 % der
Eltern von Kindern im
Alter 3-7 Jahre werden
über Elternabende
erreicht
Kindergärten nutzen
vermehrt das AusleihAngebot von Medienkisten
Information der
Eltern über das
Vorschulangebot der
Bücherei
Unterstützung der
Kitas bei frühkindlicher Bildung
Aufgabe
Leseförderung für
Grundschulkinder
Problemlage
Sinkende,
fehlende
Lesekompetenz
Alle (80%) der Vorklassen
und mind. 70% der 2.
Klassen besuchen die
Stadtbücherei bis
31.12.2015
Ziel
2. Grundschüler/innen, deren Eltern und Lehrer/innen
Grundschüler der staatl.
Schulen, deren Eltern und
Lehrer/innen
Zielgruppe
Maßnahmen zu „Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel 2010 – 2015“
Erzieher/innen
Schulanfänger-Flyer als
Einladung in die Bücherei für
alle Vor- und ersten Klassen,
Brief an alle Zweitklässler, ob
sie schon die Stadtbücherei
kennengelernt haben
Maßnahme
Bereitstellung von
altersgerechten Medienkisten
Neuanmeldungen von 7- bis
8-Jährigen
Messindikatoren
Ausleihzahlen
Statistik über
Veranstaltungen
Ausleihzahlen
Bestandspflege bei Bilderbüchern und Vorlesebüchern
Teilnahme an mindestens
einem Gesamt-Elternabend
jährl. in jeder städt. Kita mit
Vorstellung der Bücherei,
Leseempfehlungen und
Büchertisch
Statistik über
Veranstaltungen, Statistik
über Führungen
Bilderbuchkino mit
anschließendem Malen
und/oder Führung unter dem
Aspekt „Lesefreude wecken“
(für Vorschulgruppen)
Kindergartenkinder der
städtischen
Einrichtungen, deren
Eltern und Erzieher/innen
Alle (80%) städt.
Kindergartenkinder besuchen im letzten Kindergartenjahr mindestens 1 x
die Stadtbücherei bis
31.12.2015
Lesemotivation
fördern durch Spaß
an Geschichten und
den Umgang mit
Büchern
Sinkende,
fehlende
Lesemotivation
Eltern von
Kindergartenkindern,
„Elternlotsen“, „Mama
lernt Deutsch“
Messindikatoren
Maßnahmen
Zielgruppe
Ziel
Aufgabe
Problemlage
1. Kindergartenkinder und deren Eltern und Erzieher/innen
Maßnahmen zu „Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel 2010 – 2015“
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
79
Leseförderung für
Grundschulkinder
Beteiligung Dritter an der
Leseförderung
Schulklassen
Ausleihzahlen
Info-Flyer an die Grundschulen über Medien/Themenkisten
Attraktiver altersgerechter
Medienbestand
Attraktive Aufstellung nach
Themenbereichen
Lehrer/innen
Grundschüler/innen
Vorlese-Seminare
Fortbildung von Mitarbeitern
Das Team der
Stadtbücherei
Zahl der Fortbildungen
Statistik über
Veranstaltungen
Statistik über
Veranstaltungen
Statistik über
Veranstaltungen
Autorenlesungen vor
Schulklassen
Teilnahme an
Schulfesten/Projekttagen mit
Bibliotheks-Programm
(Bilderbuchkino, Schreiben,
Vorlesewettbewerbe)
Anzahl der beteiligten
Kinder
Ausleihzahlen
Leseförder-Projekte durchführen: Leseratten, Das
gespielte Buch etc.
Ehrenamtliche, am
Vorlesen interessierte
Mütter, Großeltern u.a.
Grundschüler/innen der
staatl. Schulen, deren
Eltern und Lehrer/innen
Ausleihzahlen
Teilnahme am Gesamt-ElternInformationsabend mit
Vorstellung der Bücherei,
Buchempfehlungen und
Büchertisch
Eltern
Statistik über
Veranstaltungen
Vereinfachte Terminabsprache durch standardisiertes
Anmeldungsverfahren über
das Schulsekretariat
Lehrer/innen
Statistik über Führungen
Bibliotheksrallye zur Vorstellung der Büchereiangebote
und des Medienbestandes
Schüler/innen
80
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Förderung
Sinkende,
fehlende
Informations-,
Rechercheund Medienkompetenz
Sinkende Lesekompetenz
(viele Schüler
können immer noch
nicht ausreichend sinnerfassend lesen (Schlüsselqualifikation fehlt).
- der Lesefreude
- des Lesens als
Freizeitbeschäftigung
Aufgabe
Förderung der
Kompetenzen, um
Referate und Hausarbeiten erledigen zu
können, aber auch
Freizeit-Interessen
zu verfolgen
Problemlage
Bessere sprachliche
Ausdrucksfähigkeit
Bildung (Neugier
erzeugen, Lerneifer
bestärken)
Selbstständiges
Recherchieren, Beurteilen
von Informationen,
Nutzen verschiedener
Medien
Ziel
Statistik über Führungen
Attraktives Medienangebot
insbesondere auch für Jungen
und Wenigleser
Statistik
Statistik über Führungen
Neuanmeldungen der 10bis 13-Jährigen
Info-Flyer an Lehrer/innen
über das Angebot von
Klassenführungen und
Ausleihmöglichkeit von
themenbezogenen
Medienkisten
Lehrer/innen
Messindikatoren
Neuanmeldungen der 10bis 13-Jährigen
Bibliotheksführung mit dem
Schwerpunkt „Lesen!“
Bibliotheksführung s. o. und
Information über den „Lernort“
Bücherei
Schüler/innen der
institutionalisierten
Hausaufgabenhilfe
Alle Schüler/innen der
Sekundarstufe I, als
freiwilliges zusätzliches
Angebot an die DeutschLehrer aller Schulzweige
SvO-Projekt: ReferateCoaches in der Stabü
Schüler/innen der 7.
Klassen und höher
Maßnahme
Bibliotheksführung mit den
Schwerpunkten: Recherche,
Benutzen verschiedener
Medien, Register und
Inhaltsverzeichnisse, Internet,
Urheberrecht, Gliederung,
Präsentation
Schüler/innen der 5. oder
6. Klassen aller
Schulzweige, als PflichtCurriculum mit den
Schulen vertraglich zu
vereinbaren
Zielgruppe
Maßnahmen zu „Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel 2010 - 2015“
3. Schüler/innen weiterführender Schulen (ERS und HMS)
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
81
Förderung der
Lesefreude
Unterstützung mit
Nachhilfe-Medien für
einen guten Abschluss, auch bei der
Vorbereitung der
ProjektPräsentationen
Unterstützung bei der
Suche nach einem
passenden
Berufsbild,
Bewerbung auf einen
Ausbildungsplatz
Vorbereitung auf die
Sekundarstufe II
Sinkende
Lesekompetenz
Viele Schüler
/innen haben
Probleme,
einen qualifizierten Hoder R-Abschluss zu
erlangen
Viele
Jugendliche
in
Dietzenbach
finden keinen
Ausbildungsplatz
Geringe Abiturientenquote im Vergleich zum
hessischen
Durchschnitt
Bibliotheksführungen mit dem
Schwerpunkt:
Methodentraining,
Recherchieren, Umgang mit
Quellen, Zitaten,
Urheberrechten
Fortbildung von Mitarbeitern
im Bereich Recherche,
Urheberrecht
Schüler/innen der
gymnasialen Mittelstufe
(Klasse 7 – 10)
Team der Stadtbücherei
50% aller
Gymnasialklassen
(7. – 10.) haben bis zum
31.12.2015 die
Stadtbücherei besucht
Recherche, Informationsbeschaffung, Umgang mit
Quellen, Gliederung,
Präsentation
Bibliotheksführung mit
Schwerpunkten:
Bereitstellen von aktuellen
Medien über verschiedene
Berufsbilder +
Bewerbungsratgeber
Schüler/innen der 9.
Hauptschul-Klassen und
10. Realschul-Klassen
Bereitstellung von mind. 4
Klassensätzen Kinder/Jugendromane
Schüler/innen der 9. HKlassen und 10. RKlassen
Kennenlernen und Benutzen der
berufsbezogenen Medien
der Stadtbücherei
Selbstständiges
Recherchieren, Beurteilen
von Informationen,
Nutzen verschiedener
Medien
Verbesserung von Bildung, Ausdruck, Wortschatz und Phantasie
Zahl der Fortbildungen
Statistik über Führungen
Ausleihzahlen in diesem
Segment
Statistik über Führungen
Ausleihzahlen
82
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Große Anzahl
bildungsferner
Familien mit
Migrationshintergrund
Schwellenängste
abbauen, Attraktivität
der Bücherei für
diese Kundengruppe
erhöhen
Die Zahl der
erwachsenen
Ausländer,
die die
Bücherei aktiv
nutzen, ist mit
2% (gemessen an der
Gesamtbevölkerung)
zu niedrig
Vernetzung mit den
sozio-kulturellen und
anderen Bildungsangeboten der Stadt
Information der
Eltern über ihre
Möglichkeiten den
Bildungserfolg ihrer
Kinder - mit Hilfe der
Angebote der
Bücherei - zu
unterstützen
Bücherei als Brücke
ins Inland
Aufgabe
Problemlage
Höhere Beteiligung der
Bücherei zur Lösung
kommunaler
Problemfelder
(Ziel s. oben: 5%)
Informationen über das
Bildungs-Angebot der
Stadtbücherei und die
Nutzungsmöglichkeiten
Die Zahl der
erwachsenen aktiven
Nutzer mit ausländischem
Pass ist am 31.12.2015
auf 5% gestiegen
Ziel
4. Interkulturelle Bibliotheksarbeit als Integrationsaufgabe
Stadtverwaltung intern
Regelmäßige und
systematische Teilnahme der
Bücherei an Besprechungen
Bibliotheksführungen und
Information über den „Lernort“
Bücherei
Ausländische und
Migranten-Eltern
(s. auch bei Elternarbeit
für Kindergarten- und
Grundschulkinder)
Bereitstellung relevanter
Medien nebst Vorbereitungshilfen zum
Einbürgerungstest
Regelmäßiger Austausch und
Zusammenarbeit mit dem
Ausländerbeirat und mind. 2
weiteren
Migrantenorganisationen
(Türkischer Elternverein?)
mind. 1 x Jahr, mit dem Ziel
ein besonderes Angebot zu
konzeptionieren
Maßnahme
Teilnehmer/innen der
Kurse Deutsch als
Fremdsprache
Einwanderer
Zielgruppe
Maßnahmen zu „Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel 2010 - 2015“
Statistik über
Kooperationspartner
Statistik über Führungen
Neuanmeldungen
Statistik über Führungen
Statistik über
Neuanmeldungen
Statistik über
Kooperationsgespräche
Messindikatoren
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
83
Interkulturelle Veranstaltungen unterstreichen
das Image der Bibliothek
als “Ort der gelebten
Integration” (mindestens 4
x jährl.)
Austausch mit den
Bibliotheken der Partnerund FreundschaftsStädte, um Gemeinsames
zu unterstreichen,
mindestens 3 x bis
31.12.2015
Förderung der
Interkulturellen
Kompetenz,
interkulturelle
Begegnungen und
Erfahrungen
ermöglichen
Bücherei als Brücke
ins Ausland
Mangelnde
Toleranz
Die Zahl der
erwachsenen aktiven
Nutzer mit ausländischem
Pass ist am 31.12.2015
auf 5% gestiegen
Attraktivität der
Bücherei für diese
Kundengruppe
erhöhen
Große Anzahl
bildungsferner
Familien mit
Migrationshintergrund
Bibliotheken der
Partnerstädte
Inländer und Ausländer
Einwanderer
Einladungen / Besuche
/Schriftverkehr / Austausch
von Informationen, ggf. von
Medien
Veranstaltungen wie der
Interkulturelle Salon, und
Lesungen während der
Interkulturellen Wochen
z. B. Literatur, Musik, Filme,
Zeitungen / Zeitschriften aus
den Herkunftsländern
Niedrigschwellige MedienAngebote sind noch zu
konzeptionieren
Anzahl der Kontaktaufnahmen, Besuche und
Gegenbesuche
Statistik – interkulturelle
Veranstaltungen
Ausleih-Statistik von
muttersprachlichen Medien
84
Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten
Schwerpunkt: Zielvereinbarungen
STEPHAN SCHWERING
Aufbauend auf Zielvereinbarungen der Stadtbibliothek Emsdetten mit der
Kommunalpolitik (Kontraktmanagement) seit 2000 wurde 2003 vom Rat der
Stadt Emsdetten eine Bibliothekskonzeption erstellt. Diese baute damit auf die
Reform- und Vertrauenskultur der Stadt Emsdetten auf und brachte in 10
Jahren für die Stadtbibliothek Emsdetten mess- und sichtbare Erfolge, sodass
die Stadtbibliothek mit RFID-Technologie und Onleihe heute auf dem neuesten
Stand ist.
Anfänge mit Kontraktmanagement und Zielen
Die Stadtbibliothek Emsdetten hatte im Jahr 2000 zum ersten Mal am interkommunalen Bibliotheksvergleich „BIX – Bibliotheksindex“1 teilgenommen.
Die Ergebnisse für die Stadtbibliothek waren im Vergleich mit anderen
Bibliotheken damals nicht so gut wie erhofft und wie man es aufgrund eines
lokalen „subjektiv sehr guten“ Eindrucks der Bibliothek erwartete. Die
Nutzung der Bibliothek durch die Bürger war beispielsweise viel geringer als
in vergleichbaren Kommunen. Dabei bot das großzügige und attraktive
Bibliotheksgebäude eine wichtige Voraussetzung für einen positiven
Fortschritt. Die Stadt Emsdetten beschloss, den Grundstein für eine künftige
erfolgreiche neue inhaltliche Ausrichtung der Stadtbibliothek Emsdetten zu
legen und aktiv zu werden.
Es wurde ein Zielbildungsverfahren mit Kommunalpolitikern in der Stadtbibliothek durchgeführt. Dabei wurde beschlossen, jährliche Leistungsziele für
die Arbeit der Stadtbibliothek mit dem zuständigen Fachausschuss des Rates
der Stadt zu vereinbaren. Erreicht werden sollte mit diesem Kontraktmanagement eine bessere politische Steuerung, mehr Transparenz über die
Arbeit der Stadtbibliothek für Bürger und Ratsmitglieder und der Aufbau einer
gemeinsamen Vertrauenskultur. In einem vierteljährlichen Controllingbericht
und einem ausführlichen Jahresbericht sollten dabei der Stand der vereinbarten
Leistungsziele und die allgemeinen Leistungsdaten der Stadtbibliothek
1
www.bix-bibliotheksindex.de.
86
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
vorgestellt werden. Die Formulierung der Ziele sollte sich an den Ergebnissen
des „BIX-Bibliotheksindex“ orientieren. Der „BIX-Bibliotheksindex“ ist bis
heute ein wichtiger Baustein der strategischen Planung der Bibliothek.
Das großzügige und attraktive Bibliotheksgebäude der Stadtbibliothek
Emsdetten. © Stadtbibliothek Emsdetten.
Die Bibliothekskonzeption
Auf der Reform- und Vertrauenskultur der Stadt Emsdetten aufbauend,
erschien es als logische Folge, dass auch die Stadtbibliothek Emsdetten als
Mittelstadtbibliothek eine fundierte inhaltliche Konzeption benötigte. Der
Bibliotheksleiter nahm an Seminaren zum Thema „Bibliothekskonzeptionen“
teil, die vom vbnw (Verband der Bibliotheken des Landes NordrheinWestfalen)2 in den Jahren 2001 und 2002 veranstaltet und von Meinhard
Motzko (Praxis Institut Bremen) durchgeführt wurden.
2
www.vbnw.de.
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten
87
Zielsetzung dieser Bibliothekskonzeptionen war, eine Grundlage für die
Arbeit zu schaffen und die inhaltliche Ausrichtung für Bürger und
Ratsmitglieder transparent zu gestalten. Ebenso wurde damit ein Stück
Planungssicherheit für die Bibliothek und den optimalen Einsatz der
Ressourcen geschaffen.
Der von der Bibliotheksleitung entworfene Entwurf einer Konzeption wurde
zunächst intern mit dem Bibliotheksteam, der Verwaltung und dann mit der
Politik kommuniziert und diskutiert und schließlich 2003 für einen fünfjährigen Zeitraum (2004-2009) vom Rat der Stadt Emsdetten verabschiedet.
Die Bibliothekskonzeption beschreibt die Ausgangssituation, das Aufgabenprofil der Bibliothek, die angestrebten Ziele, die Maßnahmen zur Erreichung
dieser Ziele und die Möglichkeiten der Erfolgskontrolle.
Inhaltlich war besonders die Fokussierung auf Zielgruppen ein wichtiger
Schritt für die Stadtbibliothek. Abseits von der Überzeugung, die Bibliothek
hat ‚für alle alles‘ zu bieten, wurden Schwerpunkte gesetzt und klargestellt,
was die Bibliothek leisten kann und will und was sie nicht kann. Schwerpunkt
war dabei von Anfang an die Leseförderung und die Erlangung von
Medienkompetenz. Hierfür wurden Kinder und Jugendliche sowie Schüler als
Zielgruppen vereinbart. Gerade auch im Hinblick auf finanziell begrenzte
Ressourcen ist eine Schwerpunkt- und Zielgruppenvereinbarung zu Beginn des
21. Jahrhunderts unerlässlich.
Konkrete politische Zielvereinbarungen
Die Zielvereinbarungen für die Bibliothek haben starke, positive Auswirkungen nach außen wie nach innen. Nach außen wird die Arbeit transparent
und belegt die inhaltlichen Schwerpunkte eines Jahres, die die Politik auch
vorgeben kann. Nach innen entsteht im Bibliotheksteam eine starke
Motivation, das vereinbarte Ziel zu erreichen.
Im Folgenden einige Beispiele aus der Praxis. Diese Ziele waren mit dem
Rat der Stadt Emsdetten in den jeweiligen Jahren vereinbart:
2004: Leseförderung: Mindestens 50 % der Grundschüler (6- bis 10-Jährige)
besitzen Ende 2004 einen Bibliotheksausweis und leihen pro Jahr mindestens
10 Bücher aus.
2004: Familienbibliothek: Das Bestandssegment Familienbibliothek soll
Ende 2004 mindestens 3 300 Medien (oder 8,0 % des Gesamtbestandes)
ausmachen und mindestens sechsmal entliehen worden sein.
2006: Ausgaben je Besuch: Die Ausgaben je Besuch liegen am Ende des
Jahres 2006 investitionsbereinigt nicht über 4,20 Euro.
88
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
2007: Zielgruppenarbeit/Leseförderung Jungen: Bis Ende 2007 haben sich
mindestens 210 Jungen im Alter von 6 bis 12 Jahren neu als Nutzer in der
Bibliothek angemeldet (Steigerung um 10 %).
2008: Lesefrühförderung: Es werden mindestens 250 Kinder im Alter von 0
bis 5 Jahren als neue Nutzer für die Bibliothek gewonnen, die im
Berichtszeitraum mindestens je 10 Bücher und Medien ausleihen.
2009: Leseförderung durch den JuniorLeseClub: Die Stadtbibliothek
motiviert 2009 mindestens 15 % aller Grundschüler für eine Beteiligung am
JuniorLeseClub, der vereinfachten Variante des SommerLeseClubs3.
2010: Zielgruppe Senioren: Angebot an Großdruckbüchern: Die
Stadtbibliothek erreicht im Segment „Angebote für Senioren /
Großdruckbücher“ mindestens eine Erneuerungsquote von 10 % bei einem
Angebot von mindestens 200 Titeln.
Folgen
Die Maßnahmen, die in den letzten Jahren veranlasst wurden, ließen die
Nutzungszahlen der Bibliothek steigen: Die Anmeldegebühr für Kinder und
Jugendliche wurde 2002 abgeschafft, 2008 wurde ein kostenloser Bibliotheksausweis für Kleinkinder ab 0 Jahren und die kostenfreie Nutzung für Schüler
bis 18 Jahren eingeführt. Flankierend nahm die Stadtbibliothek am Pilotprojekt
„Medienpartner Bibliothek und Schule“4 des Landes Nordrhein-Westfalen und
der Bertelsmann Stiftung teil. In diesem Rahmen wurden mit den Schulen in
Emsdetten Vereinbarungen getroffen, die die Zusammenarbeit auf eine
systematische Grundlage stellten.
Die Folgen der systematischen, strategischen Arbeit sind nach zehn Jahren
mehr als deutlich. Politiker in Emsdetten verstehen den Bibliotheksleiter heute,
wenn er in den politischen Gremien von „Erneuerungsquote“, „Aktiven
Lesern“ oder „Web-OPAC“ berichtet – diese bibliothekarischen Fachtermini
sind keine Fremdwörter mehr für die Ohren der Entscheidungsträger. Dadurch
werden sinnvolle bibliothekarische Sachentscheidungen gefördert.
Viele Projekte konnten in Emsdetten mit großer Unterstützung der
politischen Entscheidungsträger und der Verwaltungsspitze umgesetzt werden:
Für alle Besucher der Stadtbibliothek ist die Nutzung des Internets kostenfrei.
Im Rahmen des gültigen Haushaltsrechts konnte eine größtmögliche
3
4
www.sommerleseclub.de.
www.medienpartner-nrw.de.
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten
89
Flexibilität bei der Einführung neuer Angebote gewährleistet werden (z. B.
Bestseller-Service: Einnahmen fließen wieder zurück, um genügend Bestseller
kaufen zu können). 2010 wurde RFID-Technologie für die Selbstbedienung
bei Ausleihe und Rückgabe, inklusive einer 24-Stunden-Rückgabe, eingeführt.
Seit 2010 nimmt die Stadtbibliothek im Münsterland-Verbund
„muensterload.de“ an der Onleihe5 teil. Anfang 2011 wurde die komplette
Jugendbibliothek neu gestaltet.
Seit die Stadtbibliothek am BIX teilnimmt, eine Bibliothekskonzeption
erstellt hat und jährlich Ziele vereinbart, ist der Medienetat um 37,5 % erhöht
worden, die Personalkapazität ist um 10 % gestiegen.
Nachdem nun große Projekte der letzten Jahre erfolgreich abgeschlossen
wurden, wird derzeit an einer Aktualisierung der Bibliothekskonzeption
gearbeitet, die alle neuen Entwicklungen berücksichtigen wird.
Was hat die Bibliothekskonzeption der
Stadtbibliothek für die Stadt Emsdetten gebracht?
Statement des Bürgermeisters der Stadt Emsdetten
GEORG MOENIKES
Die Stadtbibliothek Emsdetten war eine der ersten Einrichtungen der Stadt
Emsdetten, die im Jahr 2000 beginnend bis heute auf der Grundlage konkreter
Zielvereinbarungen arbeitet. Die vom Rat der Stadt Emsdetten im Jahr 2003
zusätzlich verabschiedete Bibliothekskonzeption hat maßgeblich zum Erfolg
dieser wichtigen Kultur- und Bildungseinrichtung beigetragen.
Insbesondere die starke Ausrichtung der Stadtbibliothek am gesamtstädtisch
gesetzten strategischen Schwerpunkt „Familie und Bildung“ macht die
Bedeutung der Bibliothek deutlich.
Durch die Offenlegung ihrer Arbeit konnte die Stadtbibliothek ihren Auftrag
und ihre Leistungen transparent und deutlich machen. Sie genießt heute in der
Politik, in der Verwaltung und in der Bevölkerung hohes Ansehen.
Mehr als 100 000 Bürger besuchen jedes Jahr die Stadtbibliothek und
machen sie damit zu einem echten kommunalen Kommunikationstreffpunkt.
Sie bietet ihren Besuchern einen nicht-kommerziellen Raum von hoher
Qualität. Durch die modernen Angebote, wie Selbstbedienung durch RFIDTechnologie und Ausleihe virtueller Medien, haben wir heute eine Stadtbibliothek auf dem neuesten Stand, wie die Bürger es erwarten.
5
www.onleihe.net.
90
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten
91
92
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen
Schwerpunkt: Synergieeffekte durch Zusammenarbeit auf Kreisebene
BRUNHILDE WEBER
Die Leiterinnen der Bibliotheken im Kreis Euskirchen kamen auf Anraten von
Frau Rosemarie Allgeier von der Bezirksregierung Köln, Dez. Öffentliche
Bibliotheken, im Jahr 2005 überein, Bibliothekskonzepte für ihre jeweilige
Kommune zu entwickeln. Sieben Bibliotheken konnten sich in einer
mehrtägigen, über das Jahr 2007 verteilten Workshop-Reihe unter der Leitung
von Meinhard Motzko erfolgreich der Entwicklung ihrer Bibliothekskonzepte
widmen. Die Konzeption erfolgte mit finanzieller Unterstützung des Landes
Nordrhein-Westfalen als Landesprojekt und des Vereins der „Freunde und
Förderer der Bibliotheken im Kreis Euskirchen e. V.“.
Im Einzelnen beteiligten sich aus dem Kreisgebiet die Stadtbibliothek Euskirchen1 als Projektverantwortliche, die Stadtbüchereien Mechernich2, Schleiden3 und Zülpich4, die Gemeindebüchereien Kall5 und Nettersheim6 sowie die
Historische Kreisbibliothek im Kreishaus Euskirchen7.
Die Erstellung der Konzepte unterlag dabei folgenden Kriterien:
• Kostenneutralität – Ausrichtung auf Synergien,
• die Region im Blick - nicht nur die eigene Gemeinde,
• als Beispiel für alle Kommunen nutzbar,
• konkret, messbar und beschlussreif für die Entscheidungsgremien.
1
www.euskirchen.de/index.php?id=3.
www.mechernich.de/stadtbuecherei-mechernich.de.
3
www.stadtbibliothek-schleiden.de.
4
www.zuelpich.de -> Soziales & Bildung -> Stadtbücherei.
5
www.kall.de/einrichtungen/buecherei/index.php.
6
http://nettersheim.de/Seiten/Die_Gemeinde/Buecherei.php.
7
www.kreiseuskirchen.de/vv/produkte/bereich_10/106020100000021650.php.
2
94
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Die intensive Beschäftigung mit den für das Konzept gesammelten Daten
brachte die Erkenntnis, die künftige Bibliotheksarbeit auf bestimmte Nutzergruppen zu fokussieren. Dies bedeutete, sich von der „Bibliothek für alle“ zu
verabschieden, vor allem auch im Hinblick auf die geringer werdenden
Ressourcen. Vielmehr wird ausdrücklich gefordert, konkrete Aufträge,
verbindliche Aufgabendefinitionen und Zielvorgaben in den Bibliothekskonzepten zu entwickeln. Damit sollen weiterhin der Bestand der
Bibliotheken und der öffentliche Zugang für Jedermann gewährleistet sein,
jedoch zielgerichtet und unter Vermeidung von Doppelarbeiten sowie in
Ergänzung der jeweiligen Angebote an Medien und Service.
Wichtige Schlagworte für die beteiligten Bibliotheken bei der Erarbeitung
der Konzepte waren „Demographischer Wandel“ und „Migration“ sowie deren
Auswirkungen auf die Nutzerkreise. Hierzu wurden die demographische
Entwicklung, die Einkommensstruktur und die Pendlerdaten ermittelt, untersucht und ausgewertet. Anhand der Analysen wurden für die einzelnen
Bibliotheken spezifische Probleme, besonders aber überprüfbare Ziele und
Zielgruppen formuliert. Alle Konzepte folgten einem gemeinsamen Gliederungsraster, angefangen bei einer Umfeldanalyse über die Beschreibung von
Problemlagen der Kommune und die Definierung von Zielgruppen der
Bibliotheksarbeit bis hin zu Ressourcengrundsätzen.
So ließen sich die verschiedenen Konzepte im regionalen Überblick besser
vergleichen, verschiedene Probleme in der Umfeldanalyse, aber auch verschiedene Handlungsansätze, wurden leichter deutlich.
Als Ergebnis der Workshopreihe zeigte sich, dass Bibliotheken in zentraler
Lage und mit ansprechender Atmosphäre wichtige Standortfaktoren für den
Einzelhandel in den Kommunen sind. Sie sind für junge Familien wichtiges
Kriterium als Bestandteil der Bildungschancen ihrer Kinder, die bei Zuzug
oder Wegzug entscheidend sein können.
Gemeinsam lassen sich moderne Angebote umsetzen
Die hiesige ländliche Zergliederung erschwert die Erreichbarkeit der Bibliotheken, die Struktur als sechstgrößter Flächenkreis Nordrhein-Westfalens mit
der drittkleinsten Einwohnerzahl erschwert die fachliche Zusammenarbeit und
den Austausch der Medien zum Nutzen der Kunden. Nur gemeinsam lassen
sich – für die im Vergleich mit anderen Öffentlichen Bibliotheken in NRW
kleinen Einrichtungen im Kreisgebiet – moderne Angebote wie die Digitale
Bibliothek, der digitale Bestandskatalog (Web-OPAC), Öffentlichkeitsarbeit
und Sponsoring umsetzen.
Inzwischen wurden die 2008 vorgestellten Konzepte entweder vom Rat, vom
Fachausschuss oder von der Verwaltung als Handlungsgrundlage für die
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen
95
Arbeit der Bibliotheken beschlossen oder es wurde zumindest empfohlen, die
Bibliotheksarbeit an den Konzepten auszurichten. Bei der Vorstellung des
Bibliothekskonzeptes im Kulturausschuss der Stadt Euskirchen im Juni 2008
dankten alle Fraktionen der Bibliotheksleitung für die Erarbeitung und überzeugende Darstellung des modernen Konzeptes, insbesondere für die
detaillierte Umfeldanalyse.
Damit konnten die am Projekt beteiligten Bibliotheken erfolgreich mit den
ersten Umsetzungen starten. Dabei dürfen die verschiedenen Maßnahmen der
doch sehr unterschiedlich in Personal, Bestand und Finanzen aufgestellten
Bibliotheken nicht mit demselben Maßstab gemessen werden. Jede einzelne
hat im Rahmen ihrer finanziellen und personellen Möglichkeiten und dank der
Unterstützung durch Entscheidungsträger und Verwaltung wichtige Schritte
für ihre Weiterentwicklung getan.
Überblick über die einzelnen Maßnahmen von 2007 bis 2010:
Stadtbibliothek Euskirchen
•
•
•
•
•
•
Ausweitung der Bildungsarbeit: Führungen, Bilderbuchkino,
Kamishibai (ein japanisches Papiertheater), Mediennächte,
Facharbeitsrecherchen,
Vernetzung mit allen Kigas, Kitas und Schulen,
Biblio-Bus: Gewährleistung, dass alle Kinder aus den Außenorten
regelmäßig zur Bibliothek kommen können,
zukunftsorientiertes, benutzerfreundlicheres Ausleihsystem mit RFID,
Aufbau einer Seniorenarbeit ab 2011,
Neubau im Jahr 2012.
Gemeindebücherei Kall
•
•
•
Neue barrierefreie Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Hauptschule,
EDV-Katalog,
hohe Steigerung der Ausleihzahlen bis zu 24 %.
Stadtbücherei Mechernich
•
•
•
•
Eigener Internetauftritt mit Internetkatalog,
Medienboxen für Kindergärten,
Informationen für Neubürger,
Leseausweis für Schultüten.
96
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Stadtbücherei Schleiden
•
•
•
•
•
Cafeteria,
Überarbeitung der Internetseite,
Fristverlängerung online,
Medienboxen für Kindergärten,
Trägerschaft über Förderverein.
Stadtbücherei Zülpich
•
•
•
•
•
•
Rücknahmebox,
Ausleihe von Lesehilfen,
Langer Donnerstag,
Hörbuchsortiment,
Lesungen in Seniorenheimen,
Kooperation mit einer Grundschule und mit dem Stadtarchiv Zülpich.
Historische Kreisbibliothek
•
•
•
•
•
Rückgabe-Erinnerung,
Buchreservierungen,
Hörbücher zum Thema „Eifel“,
Vorbereitungen für die Übernahme der Bibliothekskataloge in eine
Datenbank,
öffentliche Lesung.
Dabei schaffte es eine ‚große Bibliothek‘ wie die Stadtbibliothek Euskirchen,
einen „Biblio-Bus“ der SVE – Stadtverkehr Euskirchen – für den kostenlosen
Transport der Kindergarten- und Schulkinder aus allen Außenorten in die
Stadtbibliothek zu organisieren, während die ‚kleinere‘ Gemeindebücherei
Nettersheim mit den „Büchereipaten“ Mitfahrgelegenheiten aus den Ortsteilen
zur Bücherei anbietet. Damit gelingt es beiden, im jeweiligen Rahmen, die
Hindernisse durch die Zergliederung des Kreisgebietes und die damit
verbundenen weiten Wege zu den zentralen Einrichtungen zu minimieren.
Bereits bestehende Internetangebote, wie das der Stadtbücherei Schleiden,
wurden den neuen Anforderungen angepasst und neue Online-Angebote, wie
die eigene Internetpräsentation der Stadtbücherei Mechernich, mit OnlineKatalog (dem sog. Web-OPAC) eingerichtet.
Die Gemeindebücherei Kall und die Historische Kreisbibliothek können nun
ihre gesamten Bestände mit der Hilfe von Bibliothekssoftware verwalten und
ihren Service für die Leser optimieren.
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen
97
Und die Stadtbücherei Zülpich dehnte ihr Rahmenprogramm auf 60 Veranstaltungen pro Jahr in Form von Bilderbuchkino, Lesungen im Seniorenheim
o. ä. aus.
Vorbildlich
Auf Wunsch des zuständigen Dezernats der Bezirksregierung wurden die im
Kreis Euskirchen erarbeiteten Bibliothekskonzepte den anderen Öffentlichen
Bibliotheken im Regierungsbezirk Köln über die Bezirksregierung für die
Weiterbildung und die Erstellung eigner Konzepte als gelungenes Beispiel zur
Verfügung gestellt.
Für 2012 streben die o. a. sieben Bibliotheken im Kreis Euskirchen mit den
Bibliotheken aus Bad Münstereifel und Weilerswist eine Vernetzung ihrer
Bibliothekskataloge mit DigiBib8 an. Bei dieser Vernetzung bieten die Bibliotheken einen gemeinsamen Auftritt in einem Internetportal an, über den die
Kunden für Recherchen und Anfragen Zugriff auf alle angeschlossenen
Kataloge haben.
Fazit
Die vielen Veränderungen in den Bibliotheken sind von den Bürgern positiv
wahrgenommen bzw. genutzt worden. Die Bibliotheken werden in ihrer Arbeit
weiterhin von den Entscheidungsträgern und den Verwaltungen mit einem
festgeschriebenen Etat ausgestattet, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Auch
die verschiedenen Fördervereine unterstützen ‚ihre‘ Bibliotheken mit finanziellen und personellen Ressourcen.
„Die Bibliotheken fungieren in ihrer Kommune als
‚Problemlöser‘ für bildungsferne Schichten“
Stellungnahme des Bürgermeisters der Kreisstadt Euskirchen
UWE FRIEDL
Im Kreis Euskirchen haben die Bürgermeister der Kommunen von Anfang an
die Erarbeitung der Bibliothekskonzepte wohlwollend begleitet.
8
www.bibnet.de/digibib.html.
98
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Dicht an der Zielgruppe: Hauptschule in der Stadtbibliothek Euskirchen.
© S. Heidt.
In der Bürgermeisterkonferenz am 30.09.2005 wurde den Bürgermeistern aller
Kommunen im Kreis Euskirchen das zukunftsweisende Projekt
„Kooperationsmodelle und neue Strukturen“ der Bibliotheken vorgestellt. In
dem ebenfalls im Jahr 2005 gegründeten Arbeitskreis „Zukunft der Bibliotheken im Kreis Euskirchen“, in dem ein Bürgermeister aus dem Kreis
mitarbeitete, wurde schließlich den Bibliotheken der Auftrag zur Erstellung
ihrer Bibliothekskonzepte erteilt.
Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen
99
Im Rahmen der einzelnen Haushaltskonsolidierungen des Kreises und der
Kommunen im Kreis Euskirchen wurden in den letzten Jahren alle Ausgabeposten auf den Prüfstand gestellt. Besonderes Augenmerk der Politik galt und
gilt hier den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“, zu denen auch das Öffentliche Bibliothekswesen gehört. In einem Spannungsfeld zwischen Aufgabenprofil, demographischem Wandel und Ressourcenknappheit kann eine Bibliothek nur mit einem den Erfordernissen angepassten Auftrag, einem vom
Bibliotheksträger genehmigten Konzept, sinnvoll arbeiten.
Dennoch: Von 2006 bis 2010 ist ein Anstieg des Personals von 13 auf 16
Stellen (23 %) kreisweit zu verzeichnen. Der Bestand in den Bibliotheken
vermehrte sich um 3 400 Medien von 153 700 Medien im Jahr 2006 auf
157 100 Medien im Jahr 2010. Die Entleihungen stiegen um 16 % in den
vergangenen 4 Jahren von 472 900 im Jahr 2006 auf 548 600 im Jahr 2010.
Am erfreulichsten ist der Anstieg im Erwerbungsetat, der von 81 000 € (2006)
auf 106 000 € (2010) gestiegen ist, ein Plus von über 30 %.
Im Frühjahr 2008 präsentierten die Bibliotheksleiterinnen in einer
Bürgermeisterkonferenz ihre neu erstellten Bibliothekskonzepte. Damit waren
die Bibliotheken im Kreis Euskirchen die ersten Öffentlichen Bibliotheken in
Nordrhein-Westfalen und bundesweit mit die Ersten, die ihre Bibliothekskonzepte der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern präsentierten.
Grundlage der Bibliothekskonzepte bildete die Umfeldanalyse für die jeweilige Kommune. Gerade diese haben in allen Kommunen die Entscheidungsträger überzeugt, da die Bibliotheken beispielhaft für weitere Vorhaben
in der Stadt oder der Gemeinde wertvolles Zahlenmaterial zu Daten und
Fakten der jeweiligen Kommune bereitstellen konnten.
In Euskirchen erfasste die Stadtbibliothek erstmals die Kinder mit
Migrationshintergrund in den Bildungseinrichtungen. Diese Daten konnten
von der Stabsstelle Demographie als Basis für weitere Auswertungen übernommen werden und stellten für das Arbeiten in den jeweiligen Arbeitskreisen
eine wertvolle Hilfe dar. Das führte zu einer engen Vernetzung der Stadt und
der Stadtbibliothek mit der türkisch-islamischen Gemeinde, die sich
vorbildlich in der Bildungsarbeit für ihre Kinder und Jugendlichen engagiert.
Die Bibliotheken fungieren in ihrer Kommune als ‚Problemlöser‘ für
bildungsferne Schichten, da sie über die Schulen, Kindergärten und Tagesstätten alle Kinder erreichten. Auch Familien mit Migrationshintergrund
werden durch die Bibliothek mit ihrem Medien- und Bildungsangebot erreicht.
Die Bibliotheken sind somit keine Luxus-Kultureinrichtungen für einige
wenige Bildungsbürger.
Mit den Konzepten zeigten die Bibliotheken ihrer Kommune und damit der
Öffentlichkeit ihren verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern
und den optimalen Einsatz der personellen Ressourcen. Diese Vorgehensweise
100
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
ist in Zeiten der Einsparungen mehr als notwendig. Besonders deutlich wurde
ebenfalls, dass Bildungsarbeit und Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz zu den wichtigsten Handlungsfeldern der Bibliothek gehören. Die
prozessgesteuerte, auf Zielgruppen ausgerichtete Bibliotheksarbeit hat sich für
die Bibliotheken bewährt, wie die Eckdaten der Bibliotheksstatistik eindrucksvoll zeigen.
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens
Schwerpunkt: Die Bibliothek als Aushängeschild der Stadt
ULRIKE WEIL
2008 konnte in dem gemeinsamen Projekt „Bibliothek 2010 plus“ in
Rheinland-Pfalz und im Saarland auch für die Stadtbücherei Pirmasens ein
Bibliothekskonzept erstellt werden. Ziel dieser Profilbildung war es, die eigene
Arbeit in Zusammenhang mit den regionalen, wirtschaftlichen, sozialen und
politischen Rahmenbedingungen zu beschreiben, gesellschaftliche Entwicklungen und Prognosen einzubeziehen und daraus Schwerpunkte für die
künftige Arbeit in der Bibliothek zu bilden. Auch sollte aufgezeigt werden, wie
die Stadtbücherei auf aktuelle und künftige Herausforderungen und
Problemlagen reagieren wird.
Einleitung
Pirmasens ist eine kreisfreie Stadt im Landkreis Südwestpfalz ohne lange
Stadtgeschichte bzw. historische Tradition. Welt- und Wirtschaftsgeschichte
haben Pirmasens stark beeinflusst. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt fast
völlig zerstört. Die neuen Entwicklungen, die Annäherung zwischen West und
Ost mit all ihren wirtschaftlichen Umwälzungen und die Globalisierung der
Wirtschaft sind ebenfalls nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen.
Der Abzug der amerikanischen Streitkräfte und der Zusammenbruch der
Ostmärkte haben die hiesige Wirtschaft durch Kaufkraftverlust sowie
Konkurse bzw. Schrumpfungsprozesse vieler Unternehmen geschwächt.
Pirmasens hatte zudem den Niedergang der ansässigen Schuhindustrie zu
verkraften und lernte, mit dem entstandenen Vakuum umzugehen. Seit Anfang
der 1980er Jahre gingen mehr als 15 000 Arbeitsplätze in der Schuhindustrie
verloren. Aufgrund der Krise dieser Monoindustrie beläuft sich die
Arbeitslosenquote seit Jahren um plus/minus 14 %.
Nach Rückgabe großer Teile der von den US-amerikanischen Streitkräften
genutzten Liegenschaften wurde in Zusammenarbeit mit dem Land RheinlandPfalz und privaten Investoren das zukunftsweisende Projekt „Konversion
Husterhöhe“ in Angriff genommen.
Die Vermarktung des Geländes führte zu einer rasanten Entwicklung, die
alle Erwartungen übertraf. Mittlerweile sind auf der Husterhöhe über 110
Betriebe ansässig mit etwa 1 700 zum Teil neu geschaffenen Arbeitsplätzen.
102
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Auch ‚alte‘ Pirmasenser Industrieunternehmen haben sich mit neuen
Produkten erfolgreich im Technologiebereich neue Märkte erschlossen. Zwei
der sechs Innovationspreisträger in Rheinland-Pfalz kommen 2010 aus
Pirmasens.
Dennoch sind die Bevölkerungszahlen rückläufig. Bei momentan etwa
42 000 Einwohnern wird bis 2020 ein weiterer Rückgang um 9,1 % auf dann
38 200 prognostiziert. Außerdem wird eine zunehmende Überalterung der
Bevölkerung deutlich. Pirmasens steht beim Seniorenanteil im bundesdeutschen Vergleich an vierter Stelle. Stark ansteigen wird der Anteil der über
80-Jährigen.
Ausgehend von einem Ausländeranteil von 9,75 % leben in Pirmasens etwa
20 % Menschen mit Migrationshintergrund. Bei den Schülern beläuft sich der
Anteil auf 9,3 %.
Weiterhin prekär ist das Bildungsproblem: Die Statistiken zeigen, dass in
Pirmasens im Vergleich zu anderen Städten in Rheinland-Pfalz die Zahl der
Schüler, die die Hauptschule ohne Hauptschulabschluss verlassen, am
höchsten ist. Pirmasens liegt an drittletzter Stelle bei den Schulabgängern mit
Hochschulreife und an zweitletzter Stelle bei Schulabgängern mit
qualifiziertem Schulabschluss.
Mit gezielten Maßnahmen auf die Problemlagen antworten
Das Bibliothekskonzept ging mit ausgewählten Zielen, Zielgruppen und
Maßnahmen auf diese Problemfelder ein. So konnte beispielsweise im Bereich
der „Generation 60 plus“ der Bestand für diese Zielgruppe ausgebaut und am
jährlichen Seniorenberatungstag durch Büchertische, Plakate und Literaturlisten darauf aufmerksam gemacht sowie vor Ort in den Seniorenwohnheimen
bei den jeweiligen Heimleitern das Angebot der Stadtbücherei vorgestellt
werden. Zusätzlich startete eine Veranstaltungsreihe speziell für Senioren.
Die Angebote für Besucher mit Migrationshintergrund wurden weiter
ausgebaut und verstärkt Sprachkurse und fremdsprachige Literatur
angeschafft. Geplant sind für das Jahr 2011 eine gemeinsame Veranstaltung
mit dem Beirat für Migration und Integration sowie ein Benutzungsflyer in
englischer Sprache.
Im Bereich der Kinder und Jugendlichen werden verstärkt Leseförderprojekte1 wie „Lesewelten entdecken“, „Aktion Schultüte“ und thematische
1
Vgl. auch „Landesweite Leseförderaktionen“,
/buechereistelle-neustadt/lesefoerderung/landesweitelesefoerderaktionen/index.html.
www.lbz-rlp.de/cms
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens
103
Klassenführungen angeboten und durchgeführt. Die Teilnahme am
Lesesommer Rheinland-Pfalz und die Bereitstellung eines gut ausgebauten
Antolin-Bestandes, auch in den Zweigstellen in den Schulen, sind
obligatorisch. Seit 2010 werden an die Eltern von Neugeborenen zusammen
mit den Begrüßungspaketen der Stadt die „Büchermini“-Taschen2 verteilt.
„Ein neuer Service Ihrer Bibliothek“: Onleihe in der Stadtbibliothek
Pirmasens. © U. Weil.
Im Dezember 2008 wurde das Bibliothekskonzept im Pirmasenser Stadtvorstand mithilfe einer Power-Point-Präsentation vorgestellt. Dem Stadtvorstand gehören der Oberbürgermeister, der Bürgermeister sowie zwei
Beigeordnete, darunter die zuständige Dezernentin für die Stadtbücherei, an.
Dabei flossen auch die Reaktionen einer kurz zuvor in der Stadtbücherei
durchgeführten Kundenumfrage ein (Beispiel: „Eine gute Bibliothek als
Aushängeschild einer guten Stadt“).
Außerdem wurde aufgezeigt, dass die Stadtbücherei mit ihren etwa 40 000
Besuchern jährlich die meist besuchte Einrichtung der Stadt ist. Man stelle ihr
beispielsweise die Zuschauer des Fußballklubs Pirmasens gegenüber, die mit
durchschnittlichen 1000 Besuchern in einem 10 000 Plätze fassenden neuen
Stadion untergebracht sind. Zitat eines der Beigeordneten: „Das hätte ich so
gar nicht gedacht!“. So wurde sehr deutlich gemacht, dass das bestehende
2
www.buecherminis.de.
104
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Gebäude, in dem die Stadtbücherei untergebracht ist, nicht den räumlichen
Anforderungen und Bedürfnissen genügt.
Der Oberbürgermeister betonte, dass bei einer eventuellen räumlichen
Veränderung der Stadtbücherei an einen neuen Standort eine qualitativ
hochwertige Lösung gesucht werde. Dabei sei es wichtig, die Öffentlichkeit zu
gewinnen um zu vermeiden, dass der Eindruck entstehe, es entstünde ein neues
‚Prestigeobjekt‘. Dazu müsse deutlich gemacht werden, wie die Stadtbücherei
mit ihren Funktionen in die Stadtentwicklung eingebunden ist. Der
Oberbürgermeister werde entscheiden, ob in den bisherigen Standort investiert
werden müsse oder räumlich eine andere Lösung möglich sei.
Aufgrund verschiedener Entwicklungen wurde bisher noch keine Entscheidung getroffen. Dass aber überhaupt mit dem Gedanken gespielt wird, die
Stadtbücherei anders und mit mehr Platz unterzubringen, kann schon als ein
Erfolg des vorgelegten Konzeptes verbucht werden.
Erste greifbare Erfolge
Von den Inhalten, Zielen und Visionen des Konzeptes (!) konnte bereits
Einiges realisiert werden:
• So wurden nach dem Vorstellen des Konzeptes mehr Gelder für
Werbung, für den Kauf von Mobiliar, für eine kleine Erhöhung des
Budgets für den Lesesommer und für die Einführung von neuen
Technologien zur Verfügung gestellt.
• Es konnten professionelle Benutzungsflyer für Erwachsene und für
Kinder und Jugendliche gestaltet und immer wieder neu aufgelegt
werden.
• Erstmals wurden im Jahr 2010 mit Radiospots im „Radio Pirmasens“
Veranstaltungen und Neuerungen in der Stadtbücherei beworben.
• In der Erwachsenenbücherei, in der Kinder- und Jugendabteilung sowie
in der größten Zweigstelle Kirchberg wurden nach und nach die alten
Regale durch ein neues Regalsystem ersetzt.
• Außerdem wurden neue Besucherstühle und Kinderhocker angeschafft
und somit die Aufenthaltsqualität in der Stadtbücherei gesteigert.
• Der Lesesommer, der 2011 in die dritte Runde geht und sich als kleine
Erfolgsgeschichte entpuppt hat, wurde jeweils durch den
Oberbürgermeister und die zuständige Dezernentin eröffnet. Diese
fungierten beim Abschlussfest auch als ‚Glücksfeen‘ für die Verlosung
der Preise. Die Anwesenheit des Oberbürgermeisters zeigt unter
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens
105
anderem die Anerkennung der Tatsache, dass die Stadtbücherei auch
einen wichtigen Beitrag im Bereich Bildung und Leseförderung leistet.
• Im Herbst 2009 wurde durch Verlegung von Lichtwellenleitern zur
Stadtbücherei auch die so dringend notwendige Internetnutzung an
jedem PC-Arbeitsplatz und dadurch eine deutliche Verbesserung von
Arbeitsabläufen möglich gemacht.
• Durch diese Technik konnte endlich auch die lang erhoffte und von
Lesern oft geforderte Realisierung eines Web-OPACs für die Stadtbücherei beantragt werden.
• Gleichzeitig ergab sich die Möglichkeit, mit Unterstützung des Landes
Rheinland-Pfalz an einem Onleihe-Verbund teilzunehmen. Beide Verfahren wurden im Stadtvorstand vorgestellt und beantragt – und beides
wurde trotz höherer laufender Kosten genehmigt.
Der Web-OPAC konnte wegen Bedenken seitens des Landesdatenschutzes
2010 nicht mehr realisiert werden. Es mussten technisch andere Lösungen
gefunden werden, was wiederum mehr Kosten verursachte. Trotzdem soll der
Web-OPAC nun 2011 installiert werden.
Die Onleihe wurde im Verbund mit sieben anderen rheinland-pfälzischen
Bibliotheken im Oktober 2010 eingeführt und mit einem großen Presseecho
begleitet. In diesem Bereich zählt Pirmasens nun zu den Vorreitern.
Die Leser – begeistert!
Die Leser der Stadtbücherei reagieren sehr positiv auf diese Veränderungen.
Dies zeigt sich an den trotz sinkender Bevölkerungszahlen wieder gestiegenen
Ausleihzahlen sowie an den gegenüber den Bibliotheksmitarbeitern geäußerten
begeisterten Kommentaren.
Im Bibliotheksteam gab es keine Widerstände. Allerdings waren Anzeichen
von leichter Überforderung zu erkennen. Nach Jahren, in denen nicht allzu viel
passierte, geschahen doch sehr viele Neuerungen und Umstellungen, und
manchen Mitarbeitern fiel es schwer, damit zurechtzukommen. So war es nicht
immer einfach, bei den Mitarbeitern eine Identifizierung mit dem jeweiligen
Projekt zu erreichen. Dies unterschied sich bei jedem Projekt je nach Interesse,
bereits vorhandener Sachkenntnis und auch je nach Alter. Bei vielen
Informationsgesprächen und durch Schulungen konnten jedoch Ängste und
Unsicherheiten zerstreut werden.
106
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Das Personalkarussell rotiert
2011 wird es größere personelle Veränderungen geben. Eine Mitarbeiterin
bekam ein Kind und befindet nun sich im Erziehungsurlaub. Diese halbe Stelle
konnte mit einer früheren Auszubildenden besetzt werden.
Die langjährige Leiterin der größten Zweigstelle wird in den Ruhestand
gehen. Momentan laufen Vorstellungsgespräche. Allerdings wird es schwer
werden, die dann fehlende Erfahrung aufzufangen.
Nicht zu übersehen: Das Aushängeschild der Stadt. © U. Weil.
Die Vertreterin der Büchereileitung – zuständig für die Kinder- und Jugendbücherei und die Betreuung der Zweigstellen – verlässt im Februar 2011
Pirmasens. Da diese Stelle schon seit Jahren eine Erziehungsurlaubsvertretung
ist und die eigentliche Stelleninhaberin voraussichtlich im Januar 2012 wiederkommt, wird es schwer werden, eine geeignete Kraft für diesen relativ kurzen
Zeitraum nach Pirmasens zu locken.
Positiv ist, dass alle Stellen wieder besetzt werden. Eine schon seit Jahren
geforderte Aufstockung um wenigstens eine halbe bibliothekarische Stelle
wurde seitens der Entscheidungsträger jedoch kategorisch abgelehnt.
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens
107
Weiterarbeit am Bibliothekskonzept
Ein nächster wichtiger Schritt ist die Aktualisierung und Anpassung des
Bibliothekskonzeptes.
Durch das Konzept befassen sich die Entscheidungsträger offensiv mit der
Stadtbücherei und suchen ihrerseits nach Lösungen. Dies ist besonders in einer
Zeit sehr schwierig, in der die Stadt eine hohe Schuldenlast trägt und ab 2011
dem Entschuldungsfond des Landes Rheinland-Pfalz beigetreten ist, wodurch
ein Drittel der Schulden der Stadt vom Land übernommen, allerdings auch ein
Drittel in den nächsten Jahren selbst getilgt werden muss. In den nächsten 15
Jahren müssen ca. 60 Mio. Euro eingespart werden, also durchschnittlich
4 Mio. Euro jährlich. Dies trifft auch den Bereich der freiwilligen Leistungen.
Die Entscheidungsträger bauen dabei auf Vorschläge zur Kostenersparnis aus
den einzelnen Ämtern. Das Bibliothekskonzept bildet hier eine wichtige
Unterlage.
Inwieweit unter diesen Voraussetzungen noch eine räumliche Veränderung
realistisch ist, bleibt abzuwarten. Dennoch – die Stadtbücherei ist in den Fokus
der Entscheidungsträger gerückt, und dies ist eine nicht zu unterschätzende
Reaktion auf das Bibliothekskonzept.
Fazit
Zum Abschluss sei ein Statement der Beigeordneten der Stadtbücherei zitiert:
„Frau Ulrike Weil, Leiterin der Stadtbücherei Pirmasens, hat das
Bibliothekskonzept ‚Bibliothek 2010 plus‘ im Dezember 2008 dem
Stadtvorstand der Stadt Pirmasens vorgestellt, und seitdem schlummert es in
meinem Schreibtisch vor sich hin – könnte man (oder frau) meinen!“
Tatsächlich hat die Präsentation des Bibliothekskonzeptes die Situation der
Stadtbücherei in den Fokus der Verantwortlichen gerückt und, obwohl es
bisher nicht im gewünschten Maß umgesetzt werden konnte, vieles bewirkt
und angestoßen:
• Klarheit über die äußeren Bedingungen der Stadtbücherei,
• Anerkennung der Leistungen im Bereich Bildung und Leseförderung,
• Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen sowohl in räumlicher
als auch in technischer Hinsicht,
• Web-OPAC,
• Onleihe,
• Aufklärung über Anforderungen an eine moderne Bücherei,
• Sensibilisierung der Entscheider für erforderliche Investitionen,
108
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
• Einbindung der Visionen der Stadtbücherei in die Zukunftspläne der
Stadtentwicklung.
In der Stadtbücherei selbst ist eine neue Aufbruchstimmung entstanden.
Zielorientierung, Vernetzung in der Stadt, Kommunikation und Kundenorientierung werden neu überdacht und in Zielvereinbarungen formuliert und
verwirklicht.
Ich gehe davon aus, dass trotz der finanziellen Situation der Stadt Pirmasens
die Bibliothek der Zukunft möglich gemacht werden wird: hell, kundenfreundlich, zentral gelegen, mit moderner Kommunikationstechnik, für alle
Generationen, für kulturelles Miteinander, Treffpunkt für die Menschen
unserer Stadt und nicht zuletzt ein moderner Arbeitsplatz, an dem unsere
motivierten Mitarbeiterinnen gerne arbeiten – zum Wohl der Menschen
unserer Stadt.
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Neustadt/Weinstraße
Schwerpunkt: Konsequent Kinder und Jugendliche im Fokus
ULRIKE SCHWARTZ
Die Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße erkannte in ihrem Konzept die
Kinder und Jugendlichen als wichtigste Zielgruppe. Sie schlug entsprechende
Maßnahmen vor und setzte diese dann auch um. So erreichte sie, dass die
Stadt u. a. auf Benutzungsgebühren für diese Zielgruppe verzichtete. Insgesamt
hatte die Projektarbeit positive Auswirkungen sowohl auf Politik und
Verwaltung als auch auf die Zufriedenheit der Kunden: Es ist gut, ein Konzept
zu haben, auch wenn es nicht immer voll umgesetzt werden kann. Zumindest
hat man immer ein Ziel vor Augen, das es weiter zu verfolgen gilt.
Das Projekt „Bibliothek 2010 plus“ kam zur rechten Zeit und war für uns alle
eine große Hilfe. Es hat mir, meinen Mitarbeiterinnen, der Politik und der
Verwaltung der Stadt Neustadt an der Weinstraße ein Konzept an die Hand
gegeben, wie die Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts gemeistert
werden können.
Die Stadt ließ sich überzeugen und finanzierte ein professionelles
Werbekonzept. © Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße.
110
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Ausgehend von veränderten Rahmenbedingungen wie Bevölkerungszahl und
-struktur, von der immer kürzeren Halbwertzeit einmal erlernten Wissens, von
den Auswirkungen der elektronischen Datenverarbeitung auf Informationswege und -menge, von der nachlassenden Lesekompetenz und damit einhergehend einer rückläufigen sozialen Kompetenz, ergeben sich für uns klare
gesellschaftliche Bedürfnisse rsp. Aufgaben: Diese können am besten
umschrieben werden mit frühkindlicher Sprach- und Leseförderung, der
Notwendigkeit lebenslangen Lernens und der Verbesserung der Lese- und
Recherchekompetenz.
Vor diesem Hintergrund ist es dann nur folgerichtig, dass für die
Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße Kinder und Jugendliche die
wichtigsten Zielgruppen sind.
Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass sich die Aufgaben unserer
Bibliothek stetig verändern. Neben den klassischen Aufgabenfeldern treten die
Bibliothekarinnen immer öfter als Impulsgeberinnen, Problemlöserinnen und
Ratgeberinnen auf. Die Bibliothek wird zur Drehscheibe für Informationen
jeder Art. Immer wichtiger wird die Vernetzung und die Zusammenarbeit auf
allen Ebenen. Die Bibliothekarinnen wandeln sich von Fach- zu
Methodenspezialistinnen und betreiben Wissensmanagement.
Auf dieser Grundlage haben wir den Veränderungsbedarf, die Ziele und
Maßnahmen definiert und diese mit Angaben zur Zeitschiene, zu Kosten und
zur Erfolgskontrolle hinterlegt.
Angesichts der meist schwierigen Haushaltssituation der Kommunen im
allgemeinen und der Stadt Neustadt im besonderen haben wir die Ziele nach
der Frage gegliedert, ob die Umsetzung einerseits nur mit zusätzlichem
Personal möglich wird, andererseits als ausgabewirksam oder als ausgabeneutral einzuschätzen ist. Es sollten keine Luftschlösser gebaut werden, die
zwar schön anzusehen, aber ohne jede Aussicht auf Verwirklichung sind.
Diese Realitätsbezogenheit unseres Konzepts hat Früchte getragen. Die
ausgabeneutralen Maßnahmen konnten fast alle recht zügig umgesetzt werden.
Beispiele dafür sind:
• Kundenbefragung,
• Hinweisschilder in der Stadt,
• Führungen und Rallyes für alle Grundschulklassen,
• Kontakt zu Gremien des Einzelhandels.
Darüber hinaus war die Stadt bereit, auch einige ausgabewirksame
Maßnahmen zu finanzieren. Beispiele dafür sind:
• Entwicklung eines professionellen Werbekonzepts,
• Web-OPAC,
Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Neustadt/ Weinstraße
111
• Rückgabebox für Medien (außerhalb der Öffnungszeiten),
• Verdopplung der Fläche der Kinder- und Jugendbücherei auf 150 m²
(durch Auflösung des Lesesaals),
• drei zusätzliche Internetplätze im Kinder- und Jugendbereich,
• Teilnahme am Projekt „Bücherminis“1 des Landesbibliothekszentrums.
Besonders hervorgehoben werden soll in diesem Zusammenhang die
Bereitschaft der Stadt und des Stadtrats, auf Benutzungsgebühren für Kinder
und Jugendliche zu verzichten. Im ersten Jahr seit dem Wegfall der Gebühren
haben sich fast dreimal so viele Kinder und Jugendliche neu angemeldet als in
den Vorjahren. Die konzeptionelle Ausrichtung auf diese Zielgruppe hat
offensichtlich überzeugt!
Werbung, zielgruppengerecht. © Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße.
Bleibt die Frage: Was ist noch nicht erledigt? Antwort: All das, was nur mit
zusätzlichem, qualifiziertem Personal zu bewerkstelligen ist, also alles, was
1
www.buecherminis.de.
112
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
mit den veränderten Aufgaben einer Bibliothek in einer vernetzten Datenwelt
zusammenhängt und dem Bedürfnis, durch diese Welt hindurchgelotst zu
werden.
Übrigens: Auch beim Personal ist die Stadt der Bücherei entgegengekommen: Seit August 2009 gibt es eine zusätzliche halbe Hilfskraft. Damit
kann man die bibliothekarische Welt zwar noch nicht aus den Angeln heben,
aber immerhin …
Die Öffentlichkeit jedenfalls nimmt uns seit der Umsetzung des Konzepts
viel deutlicher wahr und zollt uns reichlich Anerkennung!
„... die Aufbruchstimmung, die ein solches Konzept
auslöst ...“
Der Kulturdezernent der Stadt Neustadt an der Weinstraße
kommentiert
MARC WEIGEL
Neustadt an der Weinstraße hat sich in seiner Zielkonzeption u. a. die Aufgabe
gestellt, kinder- und familienfreundlichste Stadt zu werden. Hierzu passt in
besonderer Weise die Zielsetzung der Stadtbücherei, wie sie im Rahmen des
Projekts „Bibliothek 2010 plus“ herausgearbeitet wurde. Bibliotheken sind
eben schon lange keine Ausleihstellen für Romane mehr, sondern
Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Volkshochschulen, um
nur einige zu nennen.
Die öffentlichen Bibliotheken haben allerdings das Problem, nicht zu den
kommunalen Pflichtaufgaben zu gehören. In Zeiten knapper Haushaltsmittel
sind mir, als dem zuständigen Dezernenten, meist enge Grenzen gesetzt.
Dennoch bin ich froh, dass die Leiterin der Stadtbücherei und ihre Mitarbeiterinnen im Rahmen des Projekts kreative und konstruktive Vorschläge
erarbeitet haben, auch wenn diese nicht gleich morgen alle umgesetzt werden
können.
Eine Stadt braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sagen, was geht und
nicht nur, was nicht geht. Neben den zahlreichen Einzelmaßnahmen, die
inzwischen eingeleitet oder bereits umgesetzt wurden, kommt es mir auch auf
die Aufbruchstimmung an, die ein solches Konzept auslöst. Dies wird nicht
nur in den Gremien, sondern auch in der Öffentlichkeit der Stadt wahrgenommen und anerkannt.
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
Schwerpunkt: Feste Verankerung in der Kultur- und Bildungslandschaft
ANNETTE KASPER
Das im Januar 2008 gemeinsam mit 14 weiteren Öffentlichen Bibliotheken
Thüringens begonnene landesweite Projekt zur Erarbeitung von Bibliothekskonzeptionen wurde im September 2009 erfolgreich abgeschlossen. Die Jenaer
Bibliothek wurde dabei durch den Eigenbetrieb JenaKultur, zu dessen
Einrichtungen sie seit 2005 zählt, von Anfang an unterstützt. Das Konzept
wurde im Kulturausschuss und im Eigenbetrieb vorgestellt und wird seitdem,
obwohl nicht durch den Stadtrat bestätigt, gemeinsam mit Jenakultur in
vereinbarten Schwerpunkten umgesetzt. Die Umsetzung der Konzepte in den
anderen beteiligten Bibliotheken ist sehr differenziert und zum Teil schwierig.
Auf Landesebene ist die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungsplanes für
Thüringen mittlerweile in die Entwicklung eines Kulturkonzeptes für das Land
eingebunden, an der der DBV-Landesverband Thüringen beteiligt ist.
Ausgangslage in der Jenaer Stadtbibliothek
Auf Einladung der Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken beteiligte
sich die Ernst-Abbe-Bücherei ab Januar 2008 an einer Projektgruppe von 15
Bibliotheken unter der Leitung von Meinhard Motzko, Praxisinstitut Bremen,
an der Erarbeitung eines jeweils individuell auf die jeweilige Bibliothek
zugeschnittenen Bibliothekskonzeptes.
Unabhängig davon waren die Mitarbeiter der Bibliothek in den
zurückliegenden 20 Jahren mehrfach mit der Aufgabe konfrontiert, im
Hinblick auf die veränderte Trägerschaft der Bibliothek im Jahr 1991, auf neue
Anforderungen an Angebote und Dienstleistungen zu Beginn der 1990er Jahre,
auf neue technische Herausforderungen und nicht zuletzt bei der Fusion mit
der eigenständig arbeitenden Städtischen Kinderbibliothek im Jahr 1993 neue
konzeptionelle Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.
Konzentration und Modernisierung des Bibliotheksnetzes
Grundvoraussetzung dafür war zum einen ein entsprechender Stadtratsbeschluss, mit dem die Weichen für diesen Konzentrationsprozess in der
114
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Jenaer Bibliothekslandschaft und gleichzeitig für die umfassende Modernisierung des neuen gemeinsamen Bibliotheksnetzes gestellt wurden, zum anderen
war es ein Konzept, mit dem umfassende Arbeiten in allen Bereichen der
neuen Stadtbibliothek vorbereitet und umgesetzt werden konnten.
In den folgenden Jahren gehörten grundsätzliche Überlegungen und
Entscheidungen über die Entwicklung der bibliothekarischen Dienstleistungen
und Angebote regelmäßig und selbstverständlich zur Arbeit der Bibliothek,
ebenso wie ein umfangreiches Berichtswesen und die ständige Überprüfung
der Nutzung angebotener Dienstleistungen, der Nutzer- und Besucherzahlen
und der Wirksamkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek.
In größeren Abständen wurde über die Entwicklung der Bibliothek vor dem
Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten berichtet. Die Bibliothek konnte
für die Umsetzung ihrer vielfältigen Angebote und Leistungen Partner aus den
unterschiedlichsten Bereichen der Stadt gewinnen.
Ein Ergebnis der Arbeit in den letzten 20 Jahren sind permanent steigende
Nutzungs- und Besucherzahlen, auch in Jahren, in denen die Bibliothek nur
über einen stark reduzierten Erwerbungsetat verfügte. Für ihr Konzept der
„vernetzten Bibliothek“ wurde die Bibliothek 2005 durch den DBVLandesverband und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen mit dem
„Thüringer Bibliothekspreis“1 ausgezeichnet.
Am Anfang stand ein Konzept zur Existenzsicherung
Die konzeptionelle Arbeit begleitete also die Entwicklung der Bibliothek
durchgehend in den letzten 20 Jahren. Am Anfang dieser Entwicklung stand
ein Konzept zur Existenzsicherung und zum Überleben der Ernst-AbbeBücherei. Später waren konzeptionelle Überlegungen und Neuansätze immer
dann erforderlich, wenn sich grundlegende Veränderungen auf den
verschiedensten gesellschaftlichen Gebieten oder wissenschaftlich-technische
Veränderungen abzeichneten, die wiederum das Nutzerverhalten entscheidend
beeinflusst haben. Dazu zählen unter anderem die 2006 getroffene
Entscheidung zur intensiveren Zusammenarbeit mit den Jenaer Schulen und
die Gründung des Schule-Bibliotheks-Netzwerkes, aber auch die Entscheidung
über die Mitarbeit an der Gründung des Städtischen Eigenbetriebs JenaKultur,
zu dem die Bibliothek seit 2005 gehört, und die Entscheidung über die RFIDEinführung im Jahr 2007.
1
www.bibliotheksverband.de/landesverbaende/thueringen
/auszeichnungen.html.
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
115
Trotz dieser für die Bibliothek positiven und gesicherten Entwicklung, der
festen Verankerung in der Kultur- und Bildungslandschaft der Stadt, wurde bei
der Durchsetzung neuer Vorhaben und Projekte vor allem aus der Sicht der
Bibliothek argumentiert, wurde in kritischen Situationen eher reagiert als
agiert. Überlegungen zu regionalen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und
politischen Rahmenbedingungen, also die Sicht von außen auf die eigene
Arbeit, und die zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen spielten eine
eher untergeordnete Rolle.
Die Bibliothek als Teil eines umfassenden Kulturkonzeptes
Die Teilnahme an dem thüringenweiten Projekt zur Profilbildung Öffentlicher
Bibliotheken in den Kommunen und die Erarbeitung modellhafter Konzepte
war für die Ernst-Abbe-Bücherei eine Möglichkeit des Neuansatzes der Arbeit
für einen mittelfristigen Zeitraum. Hinzu kam, dass die Bibliothek Teil eines
Prozesses war, der mit dem Beschluss zur Erarbeitung eines Kulturkonzeptes
für die Stadt Jena in Gang gesetzt worden war. Das Bibliothekskonzept
ordnete sich damit in den Kontext mittelfristiger kommunaler Planungen ein.
Bei der Erarbeitung des Konzeptes selbst war der grundsätzlich veränderte
Ansatz wichtig für die Formulierung der strategischen Aufgaben, des Auftrags
und der daraus abgeleiteten konkreten Ziele. Ebenso wichtig war er für die
Darstellung der eigenen Leistungen und der selbstbewussten Einordnung der
Bibliothek in den Kreis der kommunalen Bildungs- und Kultureinrichtungen.
Positiv denken!
Daraus ergab sich im Folgenden eine deutlich veränderte Argumentationslinie
bei der Begründung notwendiger Veränderungen und Zielformulierungen.
Nicht mehr die Aufzählung von Mängeln, Fehlendem und Problemen, sondern
die Darstellung der Kompetenzen, Leistungen und Möglichkeiten der
Bibliothek bei der Mitarbeit an der Lösung kommunaler und allgemeiner
gesellschaftlicher Problemlagen bestimmte das Herangehen.
Dieser Denkansatz war für alle an der Konzeptentwicklung Beteiligten neu
und ungewohnt. Er ist aber die entscheidende Voraussetzung für die spätere
Formulierung von Zielen auf der Basis der Umfeldanalyse und die im Hinblick
auf die Stadt Jena konkretisierten gesellschaftlichen Problemlagen. Die für die
Umsetzung der Ziele notwendigen Ressourcen konnten auf dieser Basis
nachdrücklich und nachvollziehbar begründet werden.
Die Erarbeitung eines Personal-, eines Technik- und eines Raumkonzeptes
wurde ebenfalls als notwendiger nächster Schritt bereits im Rahmen des
Bibliothekskonzeptes festgeschrieben. Die Ziele selbst wurden gemeinsam
116
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
abgeleitet aus zum Teil bereits erprobten und bewährten Angeboten und
Dienstleistungen, wie es zum Beispiel die Arbeit und Weiterentwicklung des
Schule-Bibliotheks-Netzwerkes oder einige der Veranstaltungsangebote und
Veranstaltungsreihen waren. Ausgehend davon wurden dann für die
verschiedenen Bereiche der Bibliothek Ziele benannt, die realisiert werden
sollten, um die Zukunftsfähigkeit des betreffenden Bereichs und damit der
gesamten Bibliothek zu sichern. So wurden als wichtige Zielgruppen für die
Arbeit der Bibliothek Kinder und Jugendliche der verschiedenen Altersgruppen benannt und als zentrale Ziele die Umgestaltung der Kinderbibliothek,
die Einrichtung einer Freizeitbibliothek und einer Lernwerkstatt für Kinder
sowie die Einrichtung einer Jugendbibliothek definiert. In ähnlicher Weise
wurden alle anderen Bereiche der Bibliothek beleuchtet, vorhandene Angebote
und Dienstleistungen geprüft und im Hinblick auf die zu erreichenden
Zielgruppen in die Zielformulierungen aufgenommen oder überarbeitet und
damit in einen Überprüfungs- und Veränderungsprozess einbezogen.
Profilschärfung
Im Konzept scheint die beabsichtigte Profilschärfung durch die Festlegung der
Aufgaben und Ziele für die Ernst-Abbe-Bücherei erst einmal gelungen zu sein.
Befürwortet und unterstützt von der Werkleitung des Eigenbetriebs wurde sie
im Sommer 2009 abgeschlossen und im September des gleichen Jahres
gemeinsam mit den anderen beteiligten Öffentlichen Bibliotheken in einer von
der Thüringer Landesfachstelle organisierten Abschlussveranstaltung an die
Vertreter der Kommunen übergeben. In der Folgezeit wurde das Jenaer
Konzept dem Oberbürgermeister der Stadt im Rahmen eines Pressegesprächs
übergeben, in einer Dienstberatung der Werkleitung allen Bereichs- und
Einrichtungsleitern von JenaKultur und ebenfalls allen Mitgliedern des
Kulturausschusses erfolgreich präsentiert. Das Ziel, das Konzept auch im
Stadtrat vorstellen zu können und es in Teilen oder vollständig im Sinne eines
konkreten Auftrags an die Bibliothek zu bestätigen und zu verabschieden,
wurde jedoch bislang nicht erreicht.
Eine Ursache dafür ist das bereits genannte Kulturkonzept der Stadt Jena,
das nahezu parallel zum Bibliothekskonzept erarbeitet wurde. An diesem
Prozess hat die Bibliothek aktiv mitgearbeitet. Überlegungen und Ergebnisse
sind sowohl in die Erarbeitung der Gliederung als auch in die Arbeit der
Unterarbeitsgruppen „Bildung und Wissenschaft“ und „Theater, Literatur,
Film und Medien“ eingeflossen. In das Ende 2010 abgeschlossene
Kulturkonzept wurden sowohl die Eingangskapitel als auch die Festlegung der
kurz-, mittel- und langfristigen Handlungsziele der beiden genannten
kulturellen Handlungsfelder als Ergebnisse sowie einige Teilziele aus dem
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
117
Bibliothekskonzept aufgenommen. So wird zum Beispiel im Kapitel zum
Bedarf kultureller Angebote und Entwicklungen im Hinblick auf das
Handlungsfeld Bildung und Wissenschaft festgestellt:
Besonders gefragt sind öffentliche Bibliotheken, die von allen
Altersgruppen stark frequentiert werden. Leserinnen und Leser
sind nach der Jenaer Kinder- und Jugendstudie auch 70 % der
befragten Kinder- und Jugendlichen. Dieselbe Studie zeigt
aber, dass 30 % die Angebote seltener oder gar nicht
wahrnehmen.
Daraus erwächst die Aufgabe, nicht nur kostenfreie Nutzerkarten
auszugeben, sondern auch Schwellen abzubauen, um diese
Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Die Ernst-Abbe-Bücherei
hat sich dieser Aufgabe mit dem Aufbau des Schule-BibliotheksNetzwerkes (SchuBiNet)2 angenommen. Notwendig wäre jedoch
die Ausweitung dieses Aufgabengebiets im Hinblick auf die
Frühförderung von Kindern und eine ebenso intensive
Zusammenarbeit mit den Jenaer Kindertagesstätten.3
In diesem Kapitel werden bereits grundsätzliche Aufgabenstellungen für die
weitere Bibliotheksentwicklung angerissen:
Begegnungszentren in den Bibliotheken bieten die Möglichkeit
sich zu treffen, zu lesen, sich zu informieren und in jeder Phase
des Lebens zu lernen. Doch dafür fehlen die räumlichen
Voraussetzungen. Schon jetzt ist dort [in der Ernst-AbbeBücherei, d. Verf.] die Kapazitätsgrenze erreicht.
Um Nutzerschichten zu generieren, sollte zudem außerhalb des
Zentrums die kontinuierliche Versorgung mit Literatur
organisiert werden. Weiterentwickelt werden müssen auch
Nutzungsmöglichkeiten neuer Informationssysteme und –technologien, barrierearme Zugänge, kindgerechte Ausstattung und
Familienfreundlichkeit.4
Hier wird eines der Grundprobleme der Bibliothek, die Standortfrage und
damit die räumliche Erweiterung, angesprochen und im Folgenden in den
2
http://egov1.kommunenonline.de/schubinet-eab.
Kulturkonzept der Stadt Jena, 2010 bis 2015, S.35. www.jena.de -> Kultur.
4
Ebd.
3
118
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Festlegungen der kurz-, mittel- und langfristigen Ziele des Kulturkonzepts
weiter verfolgt.
Dort wird als langfristige Maßnahme festgehalten:
Ein Kultur- und Bildungszentrum, das verschiedene Einrichtungen wie die Ernst-Abbe-Bücherei, die Volkshochschule
und ggf. Teile des Städtischen Museen unter einem Dach
vereint, wird errichtet.5
Das bereits gedruckte Kulturkonzept wurde am 3. März 2011 einstimmig vom
Jenaer Stadtrat verabschiedet. Um einzelne Maßnahmen in Angriff nehmen zu
können, bedarf es jedoch noch konkreter und detaillierter Beschlüsse des
Stadtrates, mit deren Umsetzung dann die Verwaltung und die Eigenbetriebe
beauftragt werden können. Dieser Prozess wird sich in Jena wie in einigen
anderen beteiligten Kommunen Thüringens gegenwärtig vor dem Hintergrund
der Krise der kommunalen Haushalte schwierig gestalten, vor allem dann,
wenn es um Entscheidungen über Investitionen im Bereich der freiwilligen
Leistungen geht.
Sukzessive Umsetzung des Konzeptes
Unabhängig davon wurde jedoch bereits im Vorjahr zwischen der Bibliothek
und der Werkleitung von JenaKultur vereinbart, das Konzept daraufhin zu
überprüfen, welche der Ziele und Maßnahmen unter den gegebenen Rahmenbedingungen umgesetzt werden können.
Von der Bibliothek wurde daraufhin die Umgestaltung des Kinderbibliotheksbestandes, der weitere Ausbau des Netzwerkes SchuBiNet und ein
Angebot zur Frühförderung in Zusammenarbeit mit einem Berufsschulzentrum
als Schwerpunkte für 2010 beschlossen.
Seitdem wurde die systematische Aufstellung der Kinderliteratur von der
thematisch orientierten Aufstellung abgelöst. Die Zahl der Kooperationsverträge mit den Jenaer Schulen hat sich auf 25 erhöht. Es wurde eine AG
Schulbibliotheken gegründet, und es werden die „Biboknirpse“6, ihre Eltern
und Tagesmütter von angehenden Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen
spielerisch mit Büchern und der Bibliothek bekannt gemacht.
In der Bibliothek sind in das Aufgabengebiet der Zusammenarbeit mit
Schulen und Kitas mittlerweile alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
5
Ebd., S. 51.
www.ueag.jena.de/sixcms
/detail.php?id=194863&tagx=17.05.2011&_lang=en.
6
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
119
einbezogen. Diese Schwerpunktsetzung wirkt sich auch auf das Budget der
Bibliothek aus: 2011 wird die Bibliothek wie in den Vorjahren finanziell im
Hinblick auf den Bestandsaufbau des SchuBiNet-Projektes durch den
Bildungsservice der Stadtverwaltung unterstützt, und es werden diesem
Bereich erstmalig auch anfallende Personalkosten für die Netzwerkarbeit
anteilig in Rechnung gestellt.
Vom Erfolg überrollt
Wenn es heute auch noch kein vergleichbares Netzwerk für die Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten gibt, so wird die Bibliothek doch wesentlich
häufiger, d. h. oft täglich, von Gruppen aus den Jenaer Kitas besucht. Voranmeldungen von 4 bis 6 Wochen sind im Moment leider der Normalfall.
Die Bibliothek stößt hier deutlich an ihre räumlichen Grenzen. Dieser
Entwicklung war eine Informations- und Werbekampagne in den Kitas
vorangegangen. Sie war ebenfalls eine Maßnahme des Konzepts.
Die im Vorjahr wiederum gestiegenen Nutzungs- und Besucherzahlen der
Bibliothek scheinen zu belegen, dass sie mit ihrer Orientierung auf Kinder
aller Altersgruppen, Eltern, Erzieher und Lehrer auf dem richtigen Kurs ist,
vor allem auch deshalb, weil die Stadt im Thüringer Vergleich einen ständigen
Bevölkerungs- und Geburtenzuwachs verzeichnen kann, und auch deshalb,
weil sich die Jenaer Bildungslandschaft, beginnend bereits bei den Kitas,
immer weiter differenziert und sich daraus neue Anforderungen an die Arbeit
der Bibliothek ergeben.
Weitere Konzeptentwicklung
Im Jahr 2011wird es nun ähnliche Schwerpunktsetzungen auf der Basis des
Bibliothekskonzepts geben. Im Rahmen einer Beratung des Bibliotheksteams
mit der Werkleitung ist für März 2011 die Diskussion aller Ziele, Maßnahmen
und der dazu erforderlichen Ressourcen geplant.
Ein Schwerpunkt wird für die Bibliothek dabei der Bereich der Sachinformation / Sachliteratur für Jugendliche und Erwachsene sein. Es wird aber
auch zu besprechen sein, in welcher Weise an den geplanten Teilkonzepten zur
Personal- und Technikentwicklung zu arbeiten ist und welche konkreten, d. h.
realistischen Möglichkeiten zur Klärung der Standortfrage der Bibliothek
bestehen.
Die Konzeptentwicklung für die Jenaer Bibliothek war, wie zu Beginn
beschrieben, Teil eines thüringenweiten Projektes, das als solches mit der
Übergabe der fertigen Konzepte an die Träger der beteiligten Kommunen im
September 2009 abgeschlossen wurde.
120
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Gutes tun und darüber sprechen!
Um die Arbeitsergebnisse dieses Prozesses möglichst vielen Kollegen und
Kolleginnen der Thüringer Bibliotheken vorstellen zu können, wurde das
Thema „Bibliothekskonzepte“ in den Mittelpunkt des Thüringer Bibliothekstags 2009 gerückt. Drei Konzepte aus Kommunen unterschiedlicher Größe und
ein Vernetzungskonzept Wissenschaftlicher Bibliotheken wurden in diesem
Rahmen vorgestellt. Meinhard Motzko hatte einen Einführungsvortrag zum
Herangehen und zu grundsätzlichen Fragen der Konzeptentwicklung vorbereitet. Das Thema stieß bei den Kollegen und bei den Vertretern der
Kommunen auf große Resonanz und Zustimmung.
Die weitere Arbeit an den Konzepten in den beteiligten Städten gestaltete
sich im vorigen Jahr sehr unterschiedlich. In einigen Städten wurde sie durch
verschiedene Faktoren erschwert. Gravierend sind hier in den meisten Fällen
die hohen zusätzlichen Belastungen der kommunalen Haushalte, die in einer
der beteiligten Städte zur Zwangsverwaltung führte. Verwaltung und Rat sind
in diesem konkreten Fall, aber auch in einigen anderen Städten nicht bereit,
über Neuansätze der Arbeit in einem Bereich der freiwilligen Leistungen der
Kommune zu diskutieren.
Auch kleine Schritte führen zum Ziel
Wenn auch bis heute noch keines der vorgelegten Konzepte beschlossen
wurde, so konnten sie doch von einigen Bibliotheken in der Verwaltung und in
den Kulturausschüssen vorgestellt werden. Es haben sich für einige
Bibliotheken die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit verbessert.
Es werden, vergleichbar mit dem Jenaer Beispiel, Teilziele der Konzepte
umgesetzt. So wird das Konzept einer Bibliothek nach seiner Überarbeitung,
d. h. Reduzierung der vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen, im Stadtrat
beraten und beschlossen werden. Für eine weitere Bibliothek wurde auf der
Basis des Konzepts ein Neubau beschlossen. Mit dem Bau wurde bereits
begonnen.
Nicht locker lassen!
Die Arbeit auf Landesebene gestaltete sich ähnlich kompliziert. Bereits im
September war die Fortsetzung des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“ für
weitere Bibliotheken als auch die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungsplanes für die Öffentlichen Bibliotheken in Thüringen mit dem Schwerpunkt
der Qualitätszertifizierung geplant worden.
Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena
121
Dazu hatten sich ein Vertreter des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft
und Kunst, die Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken und der DBVLandesverband Thüringen mit Meinhard Motzko, Praxisinstitut Bremen, als
dem Leiter des Projektes verständigt.
Da das Ministerium jedoch die dafür erforderlichen Mittel nicht bereitstellte,
konnte das Projekt in diesem Umfang nicht in Angriff genommen werden. In
der Folge gründete sich unter der Leitung der Landesfachstelle eine Arbeitsgruppe, in der Bibliotheken unterschiedlich großer Kommunen, das zuständige
Fachministerium und der DBV-Landesverband Thüringen vertreten sind.
Ausgehend von einer Festlegung des Thüringer Bibliotheksgesetzes, in der
die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungsplanes gefordert wird, sollte ein
entsprechendes Papier bis zum Bibliothekstag, also bis zum Oktober 2010
erarbeitet werden.
Zuvor sollte der Bibliotheksentwicklungsplan sowohl mit dem Ministerium
als auch mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden. Ein
Entwurf des Plans wurde allen Kolleginnen und Kollegen der Öffentlichen
Bibliotheken im Frühsommer 2010 zur kritischen Prüfung und Stellungnahme
zugeschickt und im Anschluss dem Ministerium übergeben.
Dort befindet er sich noch jetzt, denn ähnlich wie in der Stadt Jena wurde
durch das Ministerium Anfang 2010 ein Prozess in Gang gesetzt, an dessen
Ende zuerst ein Leitbild Kultur und in einem zweiten Schritt eine Kulturkonzeption für Thüringen stehen soll.
Zu deren Erarbeitung waren alle kulturellen Fachverbände eingeladen und
aufgerufen worden. Das Leitbild wurde im Februar 2011 im Kabinett
beschlossen, für das Kulturkonzept wird das Jahr 2012 anvisiert.
Die Nichtbeschäftigung mit dem Bibliotheksentwicklungsplan wurde
gegenüber dem DBV-Landesverband einmal damit begründet, dass Impulse
und Anregungen daraus sowohl in das Leitbild als auch in das zu erarbeitende
Konzept einfließen können. Es liegt in der Sache selbst, dass Konkretes in
dieser ersten Phase der Arbeit kaum einfließen konnte.
Fazit
Ausschlaggebend wird für die Bibliotheken die Mitarbeit am Kulturkonzept
sein, hinsichtlich grundsätzlicher Aussagen und im Hinblick auf die
Themenfelder der zukünftigen Infrastruktur für die Bereiche und Institutionen
der kulturellen Bildung, ihrer Sicherung, Förderung und Weiterentwicklung
entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der Erarbeitung
konkreter Ziele und Maßnahmen für die weitere Entwicklung des Thüringer
Bibliothekswesens.
122
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Wenig befriedigend für die Öffentlichen Bibliotheken ist zurzeit die
Entscheidung des Ministeriums, den Bibliotheksentwicklungsplan erst nach
Abschluss des Kulturkonzepts als eine seiner Anlagen zu bestätigen und zu
veröffentlichen. Zu diesem Zeitpunkt ist dann auch die Verständigung mit den
kulturellen Spitzenverbänden geplant.
Daher hat nun der Vorstand des DBV-Landesverbandes Thüringen in seiner
Februarsitzung beschlossen, hier vorzuarbeiten und dem Thüringer
Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund Thüringen den
Bibliotheksentwicklungsplan bereits jetzt mit der Bitte der Begutachtung und
Stellungnahme vorzulegen, um damit die dringend notwendigen Diskussionen
mit den Trägern der Öffentlichen Bibliotheken auf der Verbandsebene endlich
zu beginnen.
Sachsen: Stadtbibliothek Pirna
Schwerpunkt: Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen
GABY LANGMANN
Die Erarbeitung einer Bibliothekskonzeption ist mit einem anfangs nicht
überschaubaren Aufwand verbunden, der sich künftig allerdings auszahlt. Von
Beginn an ist es wichtig, das ganze Bibliotheksteam und den Träger
einzubeziehen und regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Als Arbeitsgrundlage ist eine Bibliothekskonzeption für den Bibliotheksalltag unerlässlich
geworden. Sie bestimmt die Zielausrichtung, ist Argumentationsgrundlage,
enthält statistische Auswertungen und mehr. Gleichzeitig erhöht ihr
Vorhandensein die Akzeptanz und Anerkennung der Bibliotheksarbeit bei
Politikern, Trägern und in der gesamten Öffentlichkeit.
Ausgangssituation
Die Stadt Pirna befand sich seit Ende der 1990er Jahre in einem umfassenden
Prozess der Verwaltungsreform und Haushaltkonsolidierung. In diesem Rahmen musste der weitere Umgang mit freiwilligen Aufgaben der Kommune
überdacht werden.
In Sachsen gewährt das „Gesetz über die Kulturräume in Sachsen“1 Fördermittel für Bibliotheken und andere kulturelle Einrichtungen, wenn die Kommune entsprechende Eigenmittel aufbringt. Damit werden Kommunen finanziell unterstützt, die sich für eine Betreibung sogenannter freiwilliger Aufgaben
einsetzen.
Die Stadt Pirna entschloss sich, ein altes Bürgerhaus in bester Lage für ihre
Bibliothek zu sanieren. Mit der Fertigstellung 1999 konnten großzügige Räume in einem ansprechenden Ambiente bezogen werden. Politik und Verwaltung hatten damit ein eindeutiges Signal für die kommunale Öffentliche Bibliothek gesetzt und die Bedeutung als Bildungs- und Kultureinrichtung für
Pirna hervorgehoben.
Als nächsten Schritt galt es, ein zukunftsfähiges Modell zur weiteren Betreibung der Bibliothek und weiterer Kultureinrichtungen zu finden. Nach Prüfung
1
www.infoseiten.slpb.de/fileadmin/daten/dokumente
/KUlturraumgesetz_2008.pdf.
124
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
verschiedener Optionen wurde schließlich zum 1. Januar 2005 die Kultur- und
Tourismusgesellschaft Pirna mbH gegründet, finanziert u. a. aus einem Zuschuss der Stadt Pirna und Fördermitteln des Kulturraumes. Aus der Stadtverwaltung wurden die Bereiche Stadtbibliothek, Stadtmuseum, Richard-WagnerMuseum Graupa und Kulturmanagement zusammengeschlossen. Außerdem
erfolgte die Integration des TouristService, der vorher in der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna angesiedelt war.
An erster Stelle: Kundenorientierung! © G. Langmann.
Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen
Die Betriebsform einer GmbH gab eine eindeutige Ausrichtung als Wirtschaftsunternehmen vor. Für die Bibliotheksleitung bedeutete dies, alle Maßnahmen und Projekte unter wirtschaftlichem Aspekt zu betrachten. Die Herausforderung bestand in der Verknüpfung effizienter Ressourcenverwaltung
und kultureller Bildungsarbeit.
Als einen ersten Schritt strukturierte die Bibliotheksleitung das Personal um.
In der neu geschaffenen Teamstruktur wurde kundenorientiert gearbeitet, im
Unterschied zur bisherigen tätigkeitsbezogen Fokussierung.
Die Mitarbeitermotivation verbesserte sich spürbar. Jedes Team verfügte
nun über ein eigenes Budget und konnte dadurch besser und schneller auf die
Kundenbedürfnisse eingehen. Dieser Prozess entwickelte sich im Verlauf der
Sachsen: Stadtbibliothek Pirna
125
nächsten drei Jahre zu einer Spirale: Die Bedürfnisse der Kunden stiegen,
ebenso der Ehrgeiz der Mitarbeiter, und bald zeichnete sich ab, dass die Ressourcen (Personalkapazität, Mittel für Medien, Veranstaltungen und Fortbildungsbedarf etc.) den qualitativ und quantitativ gestiegenen Ansprüchen nicht
mehr gerecht wurden.
Überzeugungsarbeit
In diese Zeit fielen erste Überlegungen der Sächsischen Landesfachstelle für
Bibliotheken2, gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH und dem
Praxisinstitut Meinhard Motzko Zukunftsvisionen in Form von Konzepten für
Öffentliche Bibliotheken zu entwickeln.
Nach einigen Informationsveranstaltungen, Praxisberichten aus anderen Bibliotheken und zahlreichen Onlinerecherchen mussten das Bibliotheksteam und
die Geschäftsführung von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt werden.
Während der Geschäftsführer schnell die Wichtigkeit eines Bibliothekskonzeptes erkannte, standen die meisten Bibliotheksmitarbeiter diesem Projekt
skeptisch gegenüber. Die Gründe dafür waren unterschiedlich. In den meisten
Fällen fehlten einschlägige Erfahrungen, sodass nicht beurteilt werden konnte,
was mit einem solchen Projekt erreicht werden könnte. Dazu kamen teilweise
Ängste vor Veränderung der eigenen Arbeit, vor einer möglichen Mehrbelastung, um der Bibliotheksleitung die nötigen, nicht überschaubaren Freiräume für die Projektarbeit zu schaffen, und die Angst vor der Frage, welche
Konsequenzen sich ergeben würden.
Für die Bibliotheksleitung war klar, dass möglichst alle Mitarbeiterinnen in
die Projektarbeit einbezogen und der Verlauf transparent gestaltet werden
musste. Die Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen und die damit verbundenen Ziele und Maßnahmen sollten aus den Teams heraus entwickelt werden.
Dieser Anspruch würde eine der schwierigsten Aufgaben während der konzeptionellen Arbeit werden.
Die Analyse des Umfeldes
Den größten zeitlichen Arbeitsaufwand bereitete das Sammeln, Auswählen
und Aufbereiten der vielfältigen Daten zur Umfeldanalyse. Hier konnten wir
auf die guten Kontakte zur Stadtverwaltung (Bürgerbüro/Einwohnermeldeamt,
Fachdienst Statistik) und zu den Städtischen Gesellschaften (Wirtschaftsdaten)
bauen. Einschlägige Quellen im Internet waren ebenfalls schnell gefunden,
2
www.ldc.sachsen.de/10175.htm.
126
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
verfügten allerdings nicht immer über die aktuellsten Daten. Dadurch war eine
Kreuzstatistik mit den Nutzerdaten der Bibliothek zwar möglich, aber nicht
genügend aussagefähig.
Völlig unzureichend waren die Rechercheergebnisse zu Milieugruppen in
Pirna und Umgebung sowie deren Verteilung in den einzelnen Stadt- und Ortsteilen. Hier gab es nur wenige empirische Ergebnisse aus Studien anderer
Einrichtungen, die aber nicht für das Bibliothekskonzept relevant waren, weil
sie nur einen Stadt- oder Ortseil betrachteten. Auch die Ergebnisse einer im
gleichen Zeitraum laufenden Erhebung für ein Pirnaer Kulturkonzept waren
nur bedingt nutzbar, da sie ein anderes Ziel verfolgten.
Ungenügendes Datenmaterial lag auch über die Statistik von Ausländern,
Migranten und Spätaussiedlern in Pirna vor. Durch die Arbeit am Bibliothekskonzept ergab sich ein Informationsaustausch mit dem CJD (Christliches Jugenddorf) Jugendmigrationsdienst, der sich am bundesweiten Projekt „Diverse
City“3 beteiligt. Aus diesen Gesprächen entwickelte sich inzwischen eine Partnerschaft, die in der Mitarbeit der Bibliotheksleiterin in einer Arbeitsgruppe
von „Diverse City“ mündete. Überhaupt lässt sich sagen, dass die Netzwerkarbeit der Stadtbibliothek durch das Projekt „Fit für die Zukunft“ zugenommen
hat.
Der Auftrag der Stadtbibliothek
„Welchen Auftrag hat die Stadtbibliothek und woher bezieht sie diesen?“ war
eine der wichtigsten Fragen für das Pirnaer Konzept. Obwohl es viele politische Aussagen zu Kultur und Bildung gibt, waren nur wenige explizit zur
Bibliothek zu finden. Daraus ergab sich für uns eine ganz wichtige Aufgabenstellung: mit unserer Arbeit und den Ergebnissen in der Öffentlichkeit wesentlich deutlicher in Erscheinung zu treten.
Das gemeinsame Festlegen künftiger Zielgruppen, Ziele und Maßnahmen
gestaltete sich überaus schwierig und wurde unter dem Gesichtspunkt der
Personalkapazität heiß diskutiert.
Besonders auffällig war, dass sich die Mitarbeiterinnen weder von einer bisher bedienten Zielgruppe noch von einigen traditionellen Veranstaltungen und
anderen Maßnahmen trennen wollten. Dieses Umdenken war und ist für fast
alle Mitarbeiterinnen ein schwieriger Prozess. Hier hat die Bibliotheksleitung
rigoros auf die Ergebnisse der Umfeldanalyse verwiesen, um den ‚roten Faden‘
der Konzeption beizubehalten.
3
www.jmd-pirna.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21&Itemid=17.
Sachsen: Stadtbibliothek Pirna
127
Die Konzeption – ein ‚Work in Progress‘, überzeugend (nicht nur) für die
Stadtverwaltung. © Stadtbibliothek Pirna.
128
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Netzwerke
Wichtig war in der Selbstreflexion, die Kooperationen und Partnerschaften zu
hinterfragen und zu definieren, was uns verbindet und wie sich die Partnerschaft für beide Seiten auswirkt.
Spannend gestaltete sich auch die Betrachtung der Kommunikationsformen
mit Trägern, Kunden und Partnern. Lücken im täglichen Ablauf wurden deutlich. Zugleich boten sich Lösungen, auf die wir ohne die detaillierte Betrachtung unserer Prozessabläufe nicht oder nicht sofort gestoßen wären.
Das sicher heikelste Thema wurde an den Schluss gestellt: die Ressourcenund Organisationsgrundsätze. Den IST-Zustand objektiv zu beschreiben, fiel
manchmal schwer, war aber machbar. Aber wie können wir ebenso objektiv
darstellen, was mit mehr Ressourcen an Personal, Medienmitteln, Honoraren
für Autoren usw. machbar ist und wie sich dies letztlich positiv für die Bürger
und das Image der Stadt Pirna und ihrer näheren Umgebung auswirken würde?
Studien, wie die der Bertelsmann-Stiftung „Was unzureichende Bildung kostet“ (www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_30242_30243
_2.pdf), berühren den heutigen politischen Alltag kaum, wo es um die Grundsicherung vieler Kommunen geht. Trotzdem war es der Bibliotheksleitung
wichtig aufzuzeigen, was möglich wäre, wenn …
Die Konzeption – ein ‚Work in Progress‘
Die Pirnaer Bibliotheksleitung hat ihre Konzeption von Beginn an als ein Arbeitspapier gesehen und dies auch so vermittelt. Trotz aller Änderungen und
Ergänzungen erfolgte nach etwa einem Jahr Arbeit ein erster Schlussstrich –
die Arbeit an der Konzeption war beendet.
Bereits während der ersten Präsentation des ‚fertigen‘ Konzeptes vor den
Bibliothekskolleginnen gab es Zweifel und Bedenken, was alles fehle oder
anders dargestellt werden müsse. Deshalb wird die Bibliotheksleitung ständig
mit und an der Konzeption arbeiten, d. h. eine jährliche Evaluation der statistischen Zahlen vornehmen, wenn nötig verbunden mit einer Überarbeitung der
Maßnahmen und einer fortlaufenden Aktualisierung der Punkte Kooperationen, Kommunikation und Ressourcengrundsätze.
Öffentlichkeitsarbeit und Reflexion
Mit Beginn des Projektes erfolgten Presseinformationen, die Herausgabe von
Informationen für den Stadtrat und eine Vielzahl von Gesprächen, die der
Öffentlichkeitsarbeit dienten.
Sachsen: Stadtbibliothek Pirna
129
Die Resonanz hatte i. d. R. einen positiven Grundton, gemischt mit Erstaunen und Spannung. Kaum einer der Gesprächspartner hätte der Stadtbibliothek
ein solches Projekt zugetraut. Auch deshalb wurde das Ergebnis mit großem
Interesse erwartet.
In Sachsen war es der Leiterin der Landesfachstelle für Bibliotheken gelungen, die feierliche Übergabe der fertigen Konzeptionen mit einer Präsentation
von fünf Bibliotheken im Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und
Kunst zu organisieren. Im Beisein der Staatsministerin erhielten die Veranstaltung und die Leistung der beteiligten Bibliotheken einen hohen öffentlichen
Stellenwert. Dass der Termin in einen Zeitraum der Diskussion um die zeitliche und inhaltliche Diskussion der Weiterführung des Sächsischen Kulturraumgesetzes fiel, maß ihm noch mehr Bedeutung bei. Die Präsentationen im
Beisein von Politikern und Bürgermeistern der vertretenen Städte erwiesen
sich als überaus gelungen und leiteten eine konstruktive Diskussion um die
wichtige gesellschaftliche Rolle der Bibliotheken ein.
Nachdem auch Pirnas Stadtverwaltung die Konzeption im Rahmen der
Feierstunde im SMWK erhalten hatte, vergingen nur wenige Tage bis zu einer
Resonanz. Die wichtigsten Fakten, besonders zu den Ressourcengrundsätzen,
sollten in einer Präsentation vor dem Ausschuss für Ordnungs-, Kultur- und
Bürgerschaftsangelegenheiten des Pirnaer Stadtrates übermittelt werden. Auch
hier stießen die Ausführungen auf großes Interesse. Die Stadtbibliothek mit
ihren vielen positiven Leistungen, aber auch den bestehenden Herausforderungen, rückte in den Blickwinkel der politischen Öffentlichkeit.
Eine der Aufgaben besteht nun darin, das Interesse nicht abklingen zu lassen, weiter transparent über die tägliche Arbeit zu berichten und das umfangreiche Netzwerk der Bibliothek für ihre Lobbyarbeit zu nutzen.
Im Verlauf der Arbeit wuchs die Akzeptanz für das Projekt unter den Bibliotheksmitarbeitern. Nach der Präsentation des abschließenden Standes des Konzeptes wurde den Mitarbeiterinnen der Umfang der Arbeit deutlich. Sie fanden
darin ihre Ideen für eine Vielzahl von Maßnahmen wieder und einen klar formulierten Auftrag für die kommenden fünf Jahre. Messbare Ziele und eindeutig definierte Zielgruppen waren die Eckpunkte dieses Auftrages.
Evaluation
Durch die Bibliotheksleitung wird eine jährliche Überprüfung der statistischen
Zahlen erfolgen. Dabei wird vor allem analysiert, wie realistisch die gestellten
Ziele sind und wo eine Neuausrichtung erfolgen muss. Diese Evaluation wird
eine Grundlage für den Jahresbericht an den Aufsichtsrat der Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH bilden. Zu diesem Zweck wurde der Messbarkeit und der Machbarkeit der Ziele besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
130
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Bereits während der letzten Projektphase arbeitete das Bibliotheksteam an
der Umsetzung erster Maßnahmen. Entsprechend den Festlegungen aus der
Konzeption wurde das Team „Kinder & Junge Familien“ personell verstärkt.
So können bewährte und neu entwickelte Maßnahmen zur Sprach- und Leseförderung durchgeführt werden.
Ein halbes Jahr nach Abschluss des Projektes lassen sich erste Erfolge verzeichnen. Die Anzahl der Veranstaltungen im Vor- und Grundschulbereich hat
sich seit 2008 mehr als verdoppelt. 2011 werden die ersten Kooperationsvereinbarungen auch mit Tagesstätten abgeschlossen. Ein Träger mehrerer
Kindereinrichtungen zur Sprachförderung möchte mit der Stadtbibliothek
kooperieren.
In jeder Dienstberatung der Bibliotheksmitarbeiterinnen gehört der Punkt
„Umsetzung der Bibliothekskonzeption“ zur Tagesordnung. Regelmäßig werden Erfolge, aber auch Probleme aufgezeigt und lösungsorientiert besprochen.
Inwiefern alle Anstrengungen zur Sprach- und Leseförderung und zur Erzielung von Medienkompetenz in der gemeinsamen Arbeit mit unseren Partnern
tatsächlich eine positive Auswirkung haben, werden künftige Statistikzahlen
zu schulfähigen Kindern, Schulabgängern mit bzw. ohne Abschluss und letztlich zu Empfängern staatlicher Transferleistungen zeigen.
Fazit
Die Arbeit am Bibliothekskonzept war eine sehr arbeitsreiche und aufreibende
Zeit, die man sich gut organisieren musste. Besonders hilfreich waren die
beiden zweitägigen Schreibwerkstätten, die die Landesfachstelle organisierte,
und der Austausch mit anderen, an Bibliothekskonzeptionen arbeitenden Kolleginnen.
Für Pirna brachte die Projektarbeit:
• Klarheit über bisherige Arbeitsabläufe und darin enthaltene Unstimmigkeiten,
• Lösungsansätze für eine Neuorganisation,
• Klarheit über die Stellung der Bibliothek in der Region und ihre Wertigkeit,
• fundierte Informationen zum Bildungsstand in Pirna,
• zahlreiche neue Partnerschaften und Kooperationen,
• ein klare Struktur in der Arbeit und damit
• eine Argumentationsgrundlage gegenüber dem Träger, der Politik, den
Kunden …
Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln
Schwerpunkt: Ein Büchereiprofil als Leitschnur und
Imagevermittler
SABINE HAASE-HENKEL
Nach strukturellen Veränderungen und Renovierungsmaßnahmen in der
Stadtbücherei Kappeln wurde nach Möglichkeiten der besseren inhaltlichen
Strukturierung und Außenwirkung gesucht. Die Leiterin nahm an der
Fortbildungsveranstaltung: „Erstellen eines individuellen Bibliotheksprofils“
teil. Das Datenmaterial für das Büchereiprofil brachte wichtige Erkenntnisse
und neue Zielsetzungen und war besonders hilfreich, als im Jahr 2010 der
Kreis mit der Einstellung seiner Büchereiförderung drohte.
Kappeln liegt im nördlichsten Bundesland und im nördlichsten Kreis
Schleswig-Holsteins, im Kreis Schleswig-Flensburg. Die Stadtteile Kappelns
liegen zu beiden Seiten der Schlei, einer Förde der Ostsee. Die Ostsee ist 5 km
entfernt. Die Stadt hat ca. 10 000 Einwohner, es gibt einen Industriebetrieb,
viele Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe, Tourismus und Landwirtschaft. Kappeln hat keinen Bahnhof, ist nur mit dem PKW oder mit dem
Boot zu erreichen. Die Arbeitslosenzahl ist hoch, und die Kinderarmut liegt
seit ein paar Jahren bei ca. 25 %. Seit dem Spatenstich für das große
Ferienzentrum „Port Olpenitz“ im Jahr 2010 hofft die Region auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zurzeit muss die Stadt jedoch erst einmal hohe
Kosten übernehmen, um damit den Ausbau zu ermöglichen. Die Stadt Kappeln
musste dafür ihren Haushalt deutlich überschreiten.
Finanzierung des Ferienzentrums – Bibliotheksetat „Null“
Der Kreis Schleswig-Flensburg hat im Jahr 2010 die Absicht bekundet, die
langjährige Bezuschussung der Büchereien im Jahr 2011 auf „Null“ zu setzen.
Es gibt neun Standbüchereien und zwei Fahrbüchereien im Kreisgebiet, die
von dieser drastischen Kürzungsabsicht betroffen sind. Die Stadt Kappeln wird
aus den oben genannten Gründen nicht in Lage sein, diese zusätzlichen Kosten
aufzufangen.
Die Stadtbücherei hat eine Wochenöffnungszeit von 25,5 Stunden. Die
Bücherei hält ca. 20 000 Medien für ihre Nutzer bereit und erzielte im Jahr
132
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
2010 knapp 90 000 Ausleihen einschließlich der Verlängerungen der Medien.
Es arbeiten eine Diplom-Bibliothekarin mit 29 Stunden, 2 Verwaltungsangestellte mit je 15 und 16 Stunden und eine Reinigungskraft mit 12
Wochenstunden in der Stadtbücherei.
Die finanzielle Notlage der Bücherei im Jahr 2010 war im Jahr 2008, als ich
mich entschloss, das Seminar „Erstellen eines individuellen Bibliotheksprofils“ zu besuchen, nur zu erahnen. Meine Beweggründe für den Besuch des
Seminars hatten zu der Zeit einen betriebsinternen Grund. Seit 2005 leite ich
die Stadtbücherei. Nachdem ich die Bücherei umstrukturiert hatte und die
Bücherei, die sich in einem Gebäude der Stadt mitten in der Ladenstrasse
befindet, von der Stadt renoviert worden war, hatte ich den Wunsch, meine
tägliche Büchereiarbeit zu hinterfragen und zu optimieren.
Drei Träger gilt es zu überzeugen
Die Stadtbücherei Kappeln hat drei Träger: den Kreis Schleswig-Flensburg,
die Stadt Kappeln und der Büchereiverein Schleswig-Holstein e. V. Diese drei
Träger kommen jährlich zu einer Büchereiausschusssitzung zusammen. Für die
Sitzung im Jahr 2009 bereitete ich eine Power-Point-Präsentation vor, die sich
im Aufbau, in der Leistungsbeschreibung und in der Argumentation für
künftige Aufgaben der Stadtbücherei u. a. aus den ermittelten Daten und
gewonnenen Erkenntnissen des Büchereiprofils speisten. Während der
Präsentation entstand ein reger Informationsaustausch mit den Mitgliedern des
Büchereiausschusses. Strukturen, Arbeitsabläufe und Zielvorstellungen der
Stadtbücherei wurden den Teilnehmern klarer und führten zu mehr
Verständnis für die Arbeit der Bücherei.
Stark im Team
Meine beiden Kolleginnen musste ich nicht von der Notwendigkeit eines
Büchereiprofils überzeugen. Da die Veränderungen, die ich bis dahin vorgenommen hatte, viel positive Resonanz sowohl bei den Kunden als auch bei
ihnen hervorrief, waren sie davon überzeugt, dass diese Fortbildung von
allgemeinem Vorteil sein würde. Seitdem ich mit dem Büchereiprofil arbeite
und meine Kolleginnen über meine Erkenntnisse und Ziele informiere, ist die
Bereitschaft, an den Verbesserungsversuchen mitzuarbeiten, groß.
Arbeitsabläufe werden in gemeinsamen Dienstbesprechungen kritisch hinterfragt und Vorschläge zur Optimierung eingebracht. Jährliche Steigerungen der
Ausleihzahlen um rund eine Monatsausleihe und die Zunahme an
Neuanmeldungen bestätigen unsere Überlegungen und unsere Umsetzungsversuche.
Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln
133
Die Gründung eines Fördervereins erhöhte die Außenwirkung der Bücherei
und bietet nun die Möglichkeit, Anschaffungen zu tätigen, die sonst nicht
möglich gewesen wären.
Büchereiprofil: Wirkung nach außen – und nach innen
„Für die Stadt Kappeln kann die Stadtbücherei ein Treffpunkt für ihre Bürger
werden“ – das ist das neue Profil, das ich der Stadtbücherei geben möchte.
Dieses neue Profil entwickelte sich aus der Arbeit mit dem ersten Büchereiprofil.
Ebenso ist der dringende Wunsch nach optimierten Arbeitsabläufen
entstanden, weil sich der Arbeitsaufwand durch die vermehrten Ausleih-,
Nutzer- und Öffentlichkeitsarbeiten erhöht hat.
Anpassung an politisch gewollte Förderschwerpunkte
Der Kreis Schleswig-Flensburg droht mit der Einstellung des Büchereietats
und setzt seinen Schwerpunkt mehr auf die Förderung der Bildung als auf die
Förderung der freiwilligen Leistung der Kulturarbeit, zu der auch die
Öffentlichen Büchereien gehören. Unsere Antwort darauf ist die Ausdehnung
der bereits praktizierten Leseförderung. So bleibt die Stadtbücherei auch bei
dieser neuen Schwerpunktbildung ein wichtiger Partner – und darf auf weitere
finanzielle Förderung hoffen.
Das Profil als Argumentationshilfe
Als der Kreis 2010 seine Absicht erklärte, keine Zuschüsse für das Büchereiwesen mehr zu gewähren, waren mir durch das Büchereiprofil die Argumente
für die Erhaltung der Stadtbücherei sofort präsent:
Die Bücherei ist ein Frequenzbringer für die Stadt:
• Touristen nutzen die Bücherei ausgiebig, besonders, seit die Stadtbücherei in den Flyern des Tourismusvereins beworben wird.
• Die Stadtbücherei hat viele Nutzer aus dem Umland. Die Leser fahren
extra in die Stadt, um die Bücherei zu besuchen. Dabei werden meistens
auch notwendige Einkäufe getätigt.
• Somit ist die Stadtbücherei, verkehrsgünstig gelegen mitten in der
Ladenstraße mit angrenzendem großen Parkplatz, interessant für den
Handel.
134
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Der Frequenzzähler an der Eingangstür liefert die notwendigen Zahlen für
dieses Argument.
• Die Stadtbücherei ist als weicher Standortfaktor für das Interesse neu
hinzuziehender Bürger maßgeblich. Viele neue Leser der Stadtbücherei
sind Mitbürger über 50 Jahre, die sich Kappeln und Umgebung als
Alterswohnsitz ausgesucht haben. Neben einer guten medizinischen
Grundversorgung, einer Postfiliale, einem Kino und anderen kulturellen
Angeboten gehört eine Bücherei mit zu den wesentlichen Aspekten bei
der Wahl des neuen Wohnortes.
Da uns für dieses Argument zunächst die Zahlen fehlten, sammelten wir
schriftliche Äußerungen unserer Leser zu diesem Thema in einem Buch, das
wir bei Protestmaßnahmen gegen die drohenden Etatkürzungen des Kreises
nutzten.
Wichtig: Lobbyarbeit und Netzwerke
Durch das Arbeiten mit dem Büchereiprofil wurde mir klar, wie wichtig
Lobbyarbeit und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Institutionen
der Stadt sind.
Ich suchte die Institutionen persönlich auf, mit denen ich mir eine sinnvolle
Zusammenarbeit vorstellen konnte. So entstand schnell ein Netzwerk, in dem
Informationen ausgetauscht wurden und man sich gegenseitig zu
Veranstaltungen lud. Daraus ergaben sich wiederum gemeinsame Projekte und
Veranstaltungen. Sehr gute Unterstützung leistete die Presse vor Ort, die
bereitwillig über jede Aktion der Stadtbücherei berichtete.
Dieses Netzwerk ist gerade jetzt wichtig, wenn der Kreis seine Unterstützung für die Büchereien aufkündigen will. Auf der Basis des Büchereiprofils war ich in der Lage, schnell mit einer Power-Point-Präsentation zu
reagieren, um die Leistung der Stadtbücherei deutlich zu machen. Mit der
Präsentation lieferte ich den Stadtpolitikern einer Fraktion Argumente, mit
denen sie gegenüber den Kreistagsabgeordneten auftreten konnten. Den
Wirtschaftskreis der Stadt Kappeln konnte ich von der Wichtigkeit der
Besucherzahlen der Stadtbücherei und die dadurch bedingte Belebung der
Innenstadt überzeugen.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass durch das Erarbeiten des Büchereiprofils
die Stärken und Schwächen der Stadtbücherei Kappeln offengelegt wurden.
Das Formulieren von messbaren Zielen hat deutlich gemacht, in welchen
135
Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln
Arbeitsbereichen Zahlen fehlten und in wie vielen Arbeitsbereichen messbare
Ziele zwar nur schwer ermittelbar, deshalb aber nicht weniger wichtig sind.
Die Arbeit mit messbaren Zielen macht sicherer in der Argumentation für
die Arbeit der Bücherei. Der Aufwand für das Ermitteln und Verarbeiten der
Zahlen kostet aber auch Arbeitszeit, besonders bei steigenden Ausleih- und
Besucherzahlen und gleichbleibenden Arbeitsstunden. Ich überlege mittlerweile genau, ob und wofür ich Zahlen benötige.
Tabelle: Katalog der Maßnahmen.
Aufgabe
Maßnahmen
Kooperations- Zielgruppe Ziel /Messpartner
methode
Aufwand
pro Jahr
Leseförderung
Fachleiter/innen
Deutsch das
Leseförderungsprojekt den 5.
Klassen
vorstellen.
5. -Klässler
Direktion der
ansässigen
Schulen, zuständige Lehrer/innen
Teilnahme der
5. Klassen am
Projekt /
Anzahl der
Teilnehmenden
5.Klassen
maximal 20
Klassenbesuche der
vorhanden 10
5. Klassen in
Kappeln
Leseförderung
Adventskalender- s.o.
Projekt
fortführen und
erweitern
Grundschulen
von Kappeln
und
Umgebung
Teilnahme der
1.- 4. Klassen
am Projekt /
Anzahl der
teilnehmenden
Klassen
Telefonate mit
Direktion und
Lehrern,
Kaufen von
Literatur,
Abschlussveranst. für
jede Klasse
Leseförderung
Maxi-BücherClub
fortführen und
erweitern
Kindergartenleitung
Vorschulkinder
und deren
Eltern
Teilnahme
aller VorschulKinder, Anzahl
der Projektteilnehmer
Besuch der
Elternabende
zwecks
Information ,
Führen
eines MaxiBücher-ClubOrdners
Leseförderung
Leiterin des
„Hauses der
Familie“
ansprechen,
Vorlesedamen
einladen
Leiterin des
„Hauses der
Familie“
Kinder von
3-9 Jahren
im Stadtteil
Ellenberg
Vorlesegruppe
in Ellenberg
vergrößern,
Anzahl der
Teilnehmer
Vorleseschulung
mind. 2 mal
jährlich
136
Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“
Aufgabe
Maßnahmen Kooperations- Zielgruppe Ziel/Messpartner
methode
Lebenslanges
lernen
Ansässige Firmen
Ausbau des
für Sponsoring
Medienbestands für die
Bevölkerungsgruppe „50 +“
Unterhaltung Erweitern des
Zeitschriftendurch
Angebots
Medienvielfalt
Bevölkerung
von Kappeln
und
Umgebung
über 50 Jahre
10% der
Bevölkerung
lesen in der
Bücherei /
aktive
Leserzahlen
über 50
Erweitern des
Ansässige Firmen Leser und
für Sponsoring
Bürger ab 12 ZeitschriftenBestandes,
Jahre
Anzahl der
Zeitschriften
und deren
Ausleihe
Unterhaltung Einrichten einer Landarztfond ,
LandarztFernsehsender
durch
Infoecke
Medienvielfalt
Leser, Bürger Ausleihe der
von Kappeln Medien,
und Touristen Ausleihzahl der
Medien
Aufwand
pro Jahr
Gespräche mit
Firmen führen , Bücher
kaufen und
einarbeiten
Gespräche mit
Firmen führen,
Zeitschriften
kaufen und
einarbeiten
Gespräche mit
LandarztfondVorsitzenden
führen,
Kontakt mit
dem Fernsehsender aufnehmen,
Medien
einarbeiten
Konzepte auch für Öffentliche Bibliotheken
kirchlicher Träger!
Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg
LOTHAR GANTER
Alle Öffentlichen Büchereien, gleich welcher Größe, Trägerschaft, ob mit
hauptamtlicher oder neben/-ehrenamtlicher Leitung brauchen klar
kommunizierbare Konzepte und Strategien. Standardisierte Vorgaben sind
wenig hilfreich. Mit Hilfe der Fachstellen müssen für die jeweilige örtliche
Situation realisierbare Konzepte entwickelt und in die politischen
Entscheidungen eingebracht werden.
Begriffe wie „Pfarrbücherei“ oder „kirchliche Bücherei“ verengen die Sicht
der Leistungen zur allgemeinen Literaturversorgung häufig auf rein kirchlichreligiöse Intentionen. Die kirchlichen Büchereiverbände sind Mitglied im
Deutschen Bibliotheksverband und orientieren sich im Rahmen ihrer
Möglichkeiten bei der Betreuung ihrer Büchereien vor Ort an Standards für
Öffentliche Bibliotheken.1 Daher werden sie im Beitrag als Kirchliche Öffentliche Büchereien (KÖB) bezeichnet.
Zwei Drittel der Öffentlichen Büchereien in Deutschland mit neben- oder
ehrenamtlicher Leitung befinden sich in der Trägerschaft der evangelischen
oder katholischen Kirche. Mit hohem bürgerschaftlichen Engagement tragen
diese Einrichtungen zur allgemeinen Literaturversorgung bei.2 Die Anerkennung dieser Leistungen ist in den verschiedenen Bundesländern oder auch
Kommunen unterschiedlich. Dennoch bieten sie – gerade weil sie in aller
Regel mit kleineren Beständen ausgestattet sind (3 000 bis 5 000 Medieneinheiten) – ein dichtes Netz benutzernah erreichbarer Medien. Zunehmend
entwickeln sich diese Büchereien zu intergenerativen und integrativen
Treffpunkten in den Gemeinden, da sie als KÖB für alle Bürger und alle
Altersgruppen frei zugänglich sind. Die Größe der Bestände erlaubt es den
1
In der sog. „Tutzinger Erklärung“ vom 27.06.1964 erklären kommunale und
kirchliche Büchereiverbände ihre gegenseitige Anerkennung und das Recht zur
eigenständigen Büchereiarbeit.
2
Vgl. Deutsche Bibliotheksstatistik 2009, www.hbz-nrw.de.
138
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
bürgerschaftlich engagierten Teams, auf aktuelle zeitgemäße Entwicklungen in
den Medienangeboten zu reagieren und mit überschaubarem Erwerbungsetat
einen qualitativ ausgewählten und auf die örtliche Bevölkerung zugeschnittenen Bestandsaufbau zu betreiben.
Ohne Konzept – keine Zukunft
Was für die großen kommunalen Bibliotheken gilt, gilt auch für kleine ehrenund nebenamtlich geleitete Öffentliche Büchereien: Es ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Büchereien einzurichten, zu unterhalten oder gar
auszubauen. Als öffentliche Einrichtungen müssen auch die kleineren auf allen
Ebenen intensive Lobbyarbeit betreiben, da sie sich im Bildungs-, Kultur- und
Mediengeschehen in einem immer größer werdenden Markt bewegen. Hinzu
kommt, trotz aller Bemühungen der Verbände um verpflichtende Bibliotheksgesetze, dass allgemeine Literaturversorgung noch immer zu den sogenannten
„freiwilligen Aufgaben“ der Kommunen gehört.3 Eine überzeugende
Lobbyarbeit gelingt allerdings nur dann, wenn man den Entscheidungsträgern
vor Ort in klar umrissenen Positionen und mit einem geschlossenen Konzept
Büchereiarbeit so vermitteln kann, dass sie im Rahmen der Leistungsfähigkeit
der Gemeinden sinnvoll realisiert werden kann. Überzogene, unrealistische
Forderungen machen Konzepte eher unglaubwürdig und verhindern mehr, als
dass sie Literaturversorgung für die Bürger ermöglichen.
Wer trägt Verantwortung? – Trägerschaft
Um Konflikte von vornherein zu vermeiden, muss in jedem Konzept die Frage
der Trägerschaft eindeutig geregelt sein. Damit sind die letzte Verantwortung
und die Entscheidungskompetenz klar geregelt. Die Fachstellen für die
kirchliche Büchereiarbeit empfehlen hier unmissverständliche Regelungen,
insbesondere dann, wenn es um sogenannte „gemischte“ Trägerschaft geht
(zum Beispiel zwischen zwei kirchlichen Trägern oder zwischen kommunalem
und kirchlichem Träger). Ein Automatismus, der Entscheidungskompetenzen
nach nur rein finanziellen Aufwendungen bestimmt, birgt hohe Risiken und
lässt gerade das finanziell kaum gerecht zu ermittelnde bürgerschaftliche
Engagement in den ehrenamtlich geführten Büchereien völlig außer Betracht.
In aller Regel wird empfohlen, einen paritätisch besetzten Beirat der beiden
Partner einzurichten, in dem nicht nur die Finanzen, sondern auch die
3
So auch bei den jüngsten verabschiedeten Bibliotheksgesetzen in Thüringen,
Sachsen-Anhalt und Hessen.
Kath. Fachstelle Freiburg
139
Interessen der Träger diskutiert und als Vorgabe für die Büchereien formuliert
werden (Zielformulierung, Zweck und Auftrag der Bücherei).
Was soll die Bücherei leisten? – Aufgabenbeschreibung
Träger und Büchereiteam brauchen ein klar definiertes Aufgabenfeld, das sich
an den Standards für eine zeitgemäße Öffentliche Bücherei orientiert. Diese
Standards weichen zwangsläufig von den Standards ab, die der Deutsche
Bibliotheksverband in seinen Publikationen für ausschließlich hauptberuflich
geleitete Öffentliche Bibliotheken definiert.
Zu dieser Zweckbestimmung der Einrichtung gehören eine Analyse und
Beschreibung der Zielgruppen, die erreicht werden sollen, die entsprechenden
Akzentuierungen beim Bestandsaufbau und die Benennung möglicher
Kooperationsabsichten mit gemeindlichen Einrichtungen wie Kindergärten,
Schulen, Jugendarbeit (medienpädagogische Aspekte), Erwachsenenbildung
und weitere für die Bücherei relevante Institutionen im Bereich der Bildung
und Kultur.
Zu diesen Vorgaben gehört nach Möglichkeit auch eine Verpflichtung zur
Zusammenarbeit mit Bibliotheken anderer Träger, soweit vorhanden, um
Synergien für die allgemeine Literaturversorgung zu optimieren (Absprachen
bei Bestandsaufbau, gemeinsame Kataloge, Veranstaltungsarbeit etc.).
Das alles muss jedoch immer auf der Grundlage der personellen, finanziellen
und räumlichen Ressourcen formuliert werden.
In dieses Kapitel gehört ebenfalls eine klare Beschreibung der Leistungsgrenzen einer ehren- oder nebenamtlich geführten Bücherei: so z. B. Begrenzungen in der Bestandsgröße (kritische Größe: bei rund 10 000 Medieneinheiten), in der Zahl der garantierten Öffnungsstunden, bei der Organisation
und Durchführung von Veranstaltungen etc.).
Welche Ressourcen braucht es? – Voraussetzungen
In diesem Abschnitt der Konzeption4 sind eine Reihe von Einzelheiten zu
klären und zu dokumentieren:
4
Um zielgenaue Konzepte zu erhalten, bedarf es einer fundierten
systematischen Analyse der Situation am Ort und einer intensiven Begleitung
durch die zuständige Fachstelle. Es ist hier nicht möglich, den gesamten
Katalog möglicher Punkte darzustellen.
140
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
Die räumliche Unterbringung der Bücherei
Anschrift, Räume, Raumgestellungskosten (Heizung, Reinigung, etc.),
Ausstattung, Beschilderung.
Das Büchereiteam
Größe des Teams, Ausbildung und Qualifizierung, Betreuung und Einarbeitung durch die Fachstelle, Fortbildungsmaßnahmen, Leitungsverantwortung, Aufteilung der Kapazitäten in die notwendigen Tätigkeiten für den
laufenden Betrieb unter dem Aspekt der Eignung und Neigung der
bürgerschaftlich Engagierten.
Finanzen
In der Regel sind bei neben- oder ehrenamtlich geführten Büchereien die
Raumgrößen vorgegeben. Von daher sind die in Bibliotheksplänen
vorgegebenen Größenordnungen nach Einwohnerzahlen für diese Büchereien
irrelevant, da diese kleinen Büchereien zwar einen Beitrag zur Literaturversorgung leisten, diese aber nicht allein gewährleisten können und auch nicht
wollen.
Auf der Grundlage der von äußeren Vorgaben bestimmten Größe des
Zielbestandes wird für den Erwerbungsetat von einem Euro pro vorhandenem
Medium in der Bücherei angestrebt, um eine vollständige Erneuerung des
Gesamtbestandes innerhalb von 10 Jahren zu erreichen. Grundsätzlich gilt
(nicht nur) für die kleinen Büchereien: Qualität statt Quantität! Zur Qualität
gehören die Aktualität (in der Regel Bestände, die nicht älter als 10 Jahre
sind), literarische Qualität (sogenannte ‚Konsumliteratur‘ können sich die
meisten Menschen selbst leisten, gleichzeitig darf die Bücherei nicht nur eine
Elite bedienen), inhaltliche Orientierung (wie in allen Öffentlichen Bibliotheken ist auch hier darauf zu achten, dass ethisch fragwürdigen oder
tendenziösen Medien keine Verbreitungsplattform geboten wird). Für die
Öffentlichen Büchereien kirchlicher Träger kommt hinzu, dass in ihren
Angeboten darauf geachtet wird, dass keine polemischen oder dem christlichen
Profil zuwiderlaufenden Titel angeboten werden (Grundlage dafür ist z. B.
Art. 1, Abs. 1 der Landesverfassung Baden-Württembergs).
Öffentliche Büchereien kirchlicher Träger leisten auf der Grundlage ihres
christlichen Profils einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Literaturversorgung, sie sind nicht vorrangig Einrichtungen der Katechese und
Missionierung. Im Sinne der Pluralität ist allgemeine Literaturversorgung, wie
in der Bildungs- und Kulturarbeit insgesamt, keine ausschließliche Angelegenheit kommunaler oder staatlicher Gebietskörperschaften. Folglich sind nach
Kath. Fachstelle Freiburg
141
dem Prinzip der Subsidiarität Einrichtungen zur allgemeinen Literaturversorgung durch freie Träger (zum Beispiel der Kirchen) adäquat durch die
öffentliche Hand zu fördern. Viele Kommunen unterstützen das hohe
bürgerschaftliche Engagement in diesem Bereich – vor allem in ländlichen
strukturschwachen Gebieten, indem sie entweder Räume bereitstellen oder
aber Mittel für die Erwerbung an die Büchereien geben, die zu nahezu 100 %
wieder in Form von Medienangeboten den Bürgern zugutekommen.
Büchereiarbeit und moderne Medien
Auch wenn in den meisten Öffentlichen Büchereien, die neben- oder
ehrenamtlich betrieben werden, das Medium Buch im Angebot deutlich
dominiert, gibt es auch in den kleineren Büchereien eine deutliche Zunahme an
Nicht-Buch-Medien. Dies erfolgt gemäß dem Grundsatz, dass in eine
Öffentliche Bücherei alle Medien gehören, die den Menschen zur individuellen
Nutzung dienen. Damit sind es gerade diese kleineren Büchereien, die einen
wesentlichen Beitrag in den strukturschwachen Regionen leisten, das mediale
Stadt-Land-Gefälle zu mindern.
In rasch zunehmendem Maß arbeiten auch die neben- und ehrenamtlich
betriebenen Büchereien mit moderner leistungsfähiger Bibliothekssoftware. In
den Öffentlichen Büchereien kirchlicher Träger werden die Ehrenamtlichen
darin eingehend von den Fachstellen beraten und geschult.
Recherchen für den eigenem Verwaltungsbedarf (Kataloge, Erwerbung, etc.)
und mögliche Serviceleistungen für andere Partner stehen bei diesen
Büchereien eindeutig im Vordergrund. Eher verzichtbar ist in den kleinen
Büchereien das Angebot an Internetarbeitsplätzen für das Publikum, da in
Deutschland über 70 % der Haushalte bereits über einen Internetzugang
verfügen. Angesichts einerseits reduzierter Öffnungszeiten, andererseits
Investitionen in die Technik und Aufwand für die Aufsicht wegen möglichen
Missbrauchs stehen die Aufwendungen in keinem darstellbaren Verhältnis
zum Nutzen.
Fazit
Alle Büchereien brauchen klar kommunizierbare Konzepte – nicht nur die
hauptamtlich geleiteten Büchereien der Kommunen. Die Ökonomisierung in
den öffentlichen Haushalten zwingt dazu, politische Entscheidungen ‚pro
Bücherei‘ transparent und nachvollziehbar zu vermitteln, unabhängig von
momentanen persönlichen, politischen oder finanziell günstigen Konstellationen bei den Entscheidungsträgern. Will man in den Gremien einen positiven
142
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
Beschluss bewirken, dann müssen zu allen oben genannten Punkten klare
Aussagen getroffen werden.
In diesen Fragen hilfreich zu beraten, ist eine – wenn nicht die zentrale –
Kernaufgabe für alle Fachstellen. Bibliothekspläne und daraus abgeleitete
Vorgaben mögen hilfreich sein, aber sie werden dann zur Verhinderung von
Bibliotheken, wenn sie a priori die Träger vor Ort in ihren Möglichkeiten
überfordern.
Vielmehr ist es allerhöchste Zeit, dass sich die Büchereiverbände und Fachstellen über die Trägerschaftsfragen hinaus auf ein sinnvolles Zusammenwirken hauptberuflich und neben- oder ehrenamtlich geleiteter Büchereien
verständigen und sinnvolle Kooperationen anstreben.
Übergreifendes Entwicklungskonzept für Öffentliche
Bibliotheken in Stadt und Landkreis Bamberg aus
Fachstellensicht
Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e.V.
MICHAEL SANETRA
Unter der Federführung des Sankt Michaelsbundes ist in Stadt und Landkreis
Bamberg ein trägerübergreifendes Bibliothekskonzept erarbeitet worden, das
vorhandene bibliothekarische Ressourcen nutzt und die Errichtung neuer
Büchereien forciert. Dabei werden besondere Schwerpunkte auf die Leseförderung und die Zusammenarbeit mit Schulen gelegt. Die hohe Akzeptanz
und die organische Weiterentwicklung der Bibliotheken beweisen die Nachhaltigkeit dieses auch wirtschaftlich interessanten Modells.
In Stadt (Sitz der gleichnamigen Erzdiözese und der diözesanen Büchereifachstelle) und Landkreis Bamberg spielen traditionell die Öffentlichen Bibliotheken in kirchlicher Trägerschaft die wichtigste Rolle bei der örtlichen
Literaturversorgung. In den meisten größeren Orten des Landkreises, wie etwa
in Hallstadt, Hirschaid oder Memmelsdorf, existieren oft schon seit vielen
Jahrzehnten katholische Öffentliche Bibliotheken. Inzwischen arbeiten fast alle
Büchereien auf der Basis von Kooperationsverträgen in gemeinsamer Trägerschaft von Kommune und Pfarrkirchenstiftung. Die Stadtbücherei Bamberg
wird seit 50 Jahren gemeinsam von der Erzdiözese Bamberg und der Stadt
Bamberg getragen. Alle diese Bibliotheken werden vom Sankt Michaelsbund,
dem ältesten Büchereiverband in Bayern, fachlich betreut.
Einstellung des Bücherbusses als Anstoß für ein Entwicklungskonzept
Ende der 1990er Jahre stellte die Kreisfahrbücherei, die bis dahin überwiegend
kleinere Gemeinden ohne stationäre Büchereien im Landkreis versorgt hatte,
ihren Betrieb ein. Zum einen waren die Kosten bei stagnierenden Nutzungszahlen permanent gestiegen, zum anderen hatte 1992 das sog. „Eichenauer
Urteil“ des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) die freiwilligen
Leistungen des Landkreises, zu denen auch der Betrieb von Öffentlichen
Büchereien gehört, stark ein- bzw. abgegrenzt.
144
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
Der Wegfall des Bücherbusses und die Tatsache, dass die Stadtbücherei
Bamberg schon seit vielen Jahren mehr als unzulänglich untergebracht war,
veranlassten die Landesfachstelle des Sankt Michaelsbundes und die
Bamberger Diözesanstelle zur Erarbeitung eines Bibliothekskonzepts für Stadt
und Landkreis Bamberg. Dabei wurde ganz bewusst darauf verzichtet, diese
zwangsläufig konzertierte Aktion in einen festen und von allen Beteiligten
‚abgesegneten‘ Rahmen zu pressen, der langwierige Entscheidungsprozesse
mit sich gebracht, die Flexibilität stark eingeschränkt und durch programmatische Formulierungen pragmatische Lösungen erschwert hätte.
Vielmehr agierten die beiden Fachstellen auf der Basis eines nur intern
vereinbarten Entwicklungskonzepts, das die verschiedenen Partner manchmal
sogar unabhängig voneinander zu aktivieren versuchten. Ein derartiges nicht
‚abgesichertes‘ Vorgehen setzt einerseits eine ebenso enge wie vertrauensvolle
Kooperation der beiden Fachstellen und andererseits eine bereits vorhandene
enge Vernetzung der diözesanen Fachstelle mit kirchlichen und kommunalen
Institutionen in Erzdiözese, Stadt und Landkreis voraus.
Sensible Überzeugungsarbeit
Die drei wesentlichen Kernpunkte dieses Konzepts waren:
• Fachlich angemessener und attraktiver Neubau der Stadtbücherei Bamberg,
• Neugründung von stationären Büchereien in möglichst vielen Gemeinden, in denen Haltepunkte des Bücherbusses lagen,
• weiterer Ausbau der Austauschbücherei der Diözesanstelle mit großzügigen Möglichkeiten zur Blockausleihe.
In der Stadt Bamberg decken die Stadtbücherei Bamberg, die Staatsbibliothek
Bamberg und die Universitätsbibliothek den sog. ‚gehobenen Bedarf‘ ab, daher
schien es nicht unbedingt notwendig, bei der Neugründung von kleinen
Gemeindebüchereien bibliothekarische Maximalziele zu formulieren bzw.
anzustreben, vielmehr mussten in einem ersten Schritt die Verantwortlichen
vor Ort von der Notwendigkeit der Einrichtung stationärer Büchereien überzeugt werden. Erst dann galt es, in einem zweiten Schritt die realistischen
Umsetzungsmöglichkeiten konzeptionell einzupassen und zügig umzusetzen.
Forderungen & Empfehlungen
Als quantitative Minimalanforderung beim Aufbau eines Erstbestandes wurde
1 Medieneinheit (ME) pro Einwohner (EW) der politischen Gemeinde genannt, als
Mindestgröße des Büchereiraums wurden ca. 60 m2 angesetzt. Unerlässlich In
Sankt Michaelsbund
145
diesem Zusammenhang waren ferner die verbindlichen Zusicherungen der
Träger, die Erwerbungsetats so auszustatten, dass mittelfristig ein Bestandsziel
von 2 ME pro EW erreicht werden konnte.
Als unverzichtbare Bestandsschwerpunkte wurden die Kinderliteratur, aber
auch die nutzungsintensive Sachliteratur im Ratgeberbereich (Stichwort:
Elternbibliothek) festgelegt. Von der Forderung nach Einstellung von
hauptamtlichem Personal wurde Abstand genommen, da keiner der
betreffenden Orte zu dieser Zeit mehr als 5 000 Einwohner aufwies, viele
lagen sogar deutlich unter der 3 000-Einwohner-Grenze. Durch die räumliche
Nähe zur Stadt Bamberg und zur diözesanen Fachstelle waren die besten
Voraussetzungen für die Grundausbildung und die Weiterbildung des ehrenamtlichen Personals durch hauptamtliches Fachpersonal gegeben.
Schwierige Rahmenbedingungen
Bei der Beurteilung all dieser Maßzahlen bzw. Empfehlungen muss
berücksichtigt werden, dass Oberfranken seit 1945 als Grenzland zur CSSR
und zur DDR zu den wirtschaftlich eher benachteiligten Regionen Bayerns
gehörte. Seit der Wende 1989 ist Oberfranken immer weiter zum wirtschaftlichen Schlusslicht aller bayerischen Regierungsbezirke abgerutscht.
Ungeachtet dieser schwierigen Rahmenbedingungen konnten ab Ende der
1990er Jahre Pfarreien und Kommunen, die Erzdiözese Bamberg, Stadt und
Landkreis Bamberg und der Sankt Michaelsbund in bemerkenswert kurzer Zeit
ein stabiles Netz leistungsfähiger Öffentlicher Bibliotheken in der Region
Bamberg knüpfen. Während die Erzdiözese den Neubau der Stadtbücherei in
zentraler Stadtlage realisierte, stellten in zahlreichen kleineren Orten (u. a.
Breitengüßbach, Litzendorf, Stegaurach) vorwiegend die Kommunen
Räumlichkeiten für die neuen Büchereien zur Verfügung, deren Grundbestand
gemeinsam von Pfarreien und Kommunen finanziert wurde. In vielen Orten ist
es dabei gelungen, die Büchereien in die Grund- und/oder Hauptschulen zu
integrieren und so kombinierte Öffentliche Büchereien/Schulbüchereien zu
entwickeln. Der Sankt Michaelsbund vermittelte – es waren noch die Jahre vor
dem Stoiber‘schen Sparwahn bei den freiwilligen Leistungen des Freistaats –
diesen Einrichtungen gerade für die Medienbeschaffung großzügige staatliche
Fördergelder. Sogar der Landkreis Bamberg unterstützte trotz des eigentlich
zur ‚Sparsamkeit einladenden‘ Eichenauer Urteils die neuen Büchereien mit
spürbaren einmaligen Zuschüssen.
Gemeinsam entsteht Großes
Der Neubau der Stadtbücherei Bamberg mit einer Nutzfläche von knapp
1 500 m2 war schon wegen des finanziellen Umfangs die am schwierigsten zu
146
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
bewältigende Aufgabe. In der Erzdiözese führte der Neubau zu einigen
Diskussionen: Die Kritiker argumentierten vor allem mit den hohen Kosten,
die für eine einzige große Bibliothek aufgebracht werden sollten, während
manche anderen kleinen Öffentlichen Büchereien in noch strukturschwächeren
Gebieten nicht adäquat unterstützt werden könnten. Letztendlich setzten sich
die Befürworter des Neubaus durch, die in den entscheidenden Gremien nicht
nur auf die ‚individuellen‘ fachlichen Argumente für den Neubau, sondern
auch auf die hohe Bedeutung der Stadtbücherei für alle Büchereien im Umland
verweisen konnten. Die in diesem baulichen Kontext ebenfalls realisierte
Unterbringung der Diözesanstelle in direkter räumlicher Nachbarschaft zur
Stadtbücherei dokumentiert augenfällig die angestrebte, sich gegenseitig
unterstützende Vernetzung. Im Juni 2002 konnte der Neubau eröffnet werden,
2007 gehörte die Stadtbücherei zu den ersten Gewinnern des E.ON Bayern
Kinderbibliothekspreises1, 2010 schließlich hat sie sich im ersten
Tabellendrittel des bundesweiten BIX-Rankings2 von Städten mit 50 000 bis
100 000 Einwohnern etabliert.
Beispielhaft
Genauso beeindruckend verlief die Entwicklung von einigen Neugründungen
in den kleineren Gemeinden und Marktflecken im Landkreis Bamberg.
Exemplarisch kann die Gemeindebücherei Frensdorf (2009: 4 878 EW)
genannt werden, die 2001 mit einem Grundbestand von ca. 5 000 ME
gegründet worden ist. Bis 2010 hat sich der Bestand mehr als verdoppelt und
hat damit die immer noch oft zitierte ‚bibliotheksplanmagische‘ Zahl von
2 ME pro Einwohner erreicht. Der Wert von rund sechs Entleihungen pro
Einwohner pro Jahr liegt weit mehr als doppelt so hoch wie der
Durchschnittswert aller ehren- bzw. nebenamtlich geleiteten ÖBs dieser Ortsgrößenklasse in Bayern.3 Die Bibliotheksverwaltung ist schon zwei Jahre nach
Eröffnung auf EDV umgestellt worden. Eine besonders enge Kooperation
besteht mit dem Kindergarten; es gibt u. a. spezielle Öffnungszeiten für
Kindergartengruppen und Informationsveranstaltungen für junge Eltern. Den
E.ON-Bayern-Kinderbibliothekspreis hat die Gemeindebücherei im Jahr 2009
erhalten, 2010 wurde sie darüber hinaus bereits zum zweiten Mal mit dem
Gütesiegel „Bibliotheken – Partner der Schulen“4 ausgezeichnet. Ebenfalls
1
www.eon-bayern.com/lesezeichen.
www.bix-bibliotheksindex.de.
3
Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik 2009. www.hbz-nrw.de/angebote/dbs.
4
www.lfs.bsb-muenchen.de/Guetesiegel-fuer-Bibliotheken.1325.0.html.
2
Sankt Michaelsbund
147
2010 hat der Gemeinderat den Bau eines „Kinderhauses“ beschlossen, in dem
neben Kindergarten-, Krippen- und Hortgruppen auch die Bücherei auf 120 m2
neue Räume beziehen soll – ein mehr als überzeugender Beleg dafür, dass in
Frensdorf selbst von den andernorts oft so wenig bibliotheksaffinen
Kommunalpolitikern die Vorteile gesehen werden, wenn Kinder von klein an
mit dem Medium Buch vertraut gemacht werden können.
Zusammenarbeit mit Schulen
Die schon im Entwicklungskonzept vorgesehene enge Zusammenarbeit der
Büchereien mit Schulen wurde konsequent und nachhaltig umgesetzt. Seit
Beginn der Veranstaltungen zum „Kulturpädagogischen Tag“ in Bamberg, der
auf die Bedeutung der kulturpädagogischen Vernetzung unterschiedlichster
Einrichtungen mit den Schulen aufmerksam machen will, beteiligen sich die
Diözesanstelle und die Stadt- und Kreisarbeitsgemeinschaft (SKAG) Bamberg
daran. Die Büchereien erzielten dabei für eine von ihnen organisierte Lesereise, die fast 2 000 Schüler erreichte, auch schon einmal den zweiten Platz
beim von einem Schulbuchverlag vergebenen C. C. Buchner-Preis für kulturpädagogische Kooperationsprojekte aus Stadt und Landkreis Bamberg.
Die SKAG Bamberg der vom Sankt Michaelsbund betreuten Büchereien ist
ein informeller Zusammenschluss, der parallel zu seinem Forumscharakter
seine Hauptaufgabe u. a. darin sieht, die Büchereien gerade im Bereich der
Öffentlichkeitsarbeit zu vertreten. Beim Ehrenamtstag 2009 konnte der
Präsident der Universität Bamberg gewonnen werden, der sich auf dem Stand
des Sankt Michaelsbundes in einem öffentlichen Statement für die Arbeit der
Bibliotheken stark machte und u. a. betonte, dass auch die Universitäten
großes Interesse an wohnortnahen Büchereien hätten, die eine unverzichtbare
Basisarbeit leisten.
Das Entwicklungskonzept lebt weiter
Nicht nur die statistischen Erfolgszahlen oder die Preise und Auszeichnungen,
sondern auch die aktuell geplanten Büchereineubaumaßnahmen in mindestens
drei Orten im Landkreis Bamberg sind ein Beleg dafür, dass das Entwicklungskonzept aufgegangen ist. Natürlich kamen einige Faktoren zusammen,
die das Ganze beförderten. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen, die
sich um das Jahr 2000 herum noch deutlich besser darstellten als heute, waren
es besonders die Personen und Persönlichkeiten, die in der Diözesanleitung
und in der Diözesanstelle überzeugten, waren es bibliothekarisch interessierte
Kommunalpolitiker, überdurchschnittlich motivierte hauptamtliche Bibliothekarinnen in der Stadtbücherei Bamberg und außerordentlich engagierte und
kreative Ehrenamtliche in den kleineren Büchereien.
148
Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft
Hätte sich auch nur ein Baustein nicht passgenau in dieses Puzzle einfügen
lassen, hätte das Gesamtbild empfindliche Risse bekommen können. Die
Frage, ob dieses Konzept beliebig transponierbar ist, kann daher auch nicht
eindeutig beantwortet werden. Schon allein das informelle und daher
zwangsläufig instabilere Gerüst basierte auf einem Grund, der durch
bestimmte Verwerfungen hätte erschüttert werden können. Andererseits
bewies das Gerüst auch eine Flexibilität, die manche Schwachstellen leichter
kompensieren konnte als zu fest miteinander verschweißte Einzelstreben.
Keinesfalls kann die nur scheinbare Unverbindlichkeit als Alibi für Zauderer
gelten, die sich vor konkreten Maßnahmen oder Auseinandersetzungen
drücken wollen.
Herausforderungen für die Zukunft
Selbstverständlich ist nicht alles Gold, was glänzt, gibt es Fragen und Probleme, die sich aktuell stellen oder in einigen Jahren möglicherweise stellen werden: Die Stadtbücherei Bamberg belegt beim BIX 2010 in der Zieldimension
„Wirtschaftlichkeit“ Platz 1, was vereinfacht – und etwas polemisch
ausgedrückt – auch heißt, dass ausgezeichnete Leistungsdaten bei geringstem
Mittel- und Personaleinsatz erzielt werden, was sich parallel dazu im eher
bescheidenen Rang 32 bei der Zieldimension „Entwicklung“ niederschlägt.
Die Stadtbücherei muss, um entsprechend leistungsfähig zu bleiben, personell besser ausgestattet werden! Wollen und/oder können Stadt und Erzdiözese
bei eher klammen kommunalen und kirchlichen Kassen diese Mittel aufbringen? Kann gerade in den (Markt-)Gemeinden, in denen demnächst Neubauten
realisiert werden, auch in Zukunft das Prinzip der ausschließlich ehrenamtlichen Betreuung, das dort unter den jetzigen Rahmenbedingungen optimal
funktioniert, weiter aufrecht erhalten werden – Stichwort Öffnungszeiten? Wie
können – oder wollen – die Büchereien mit dem gegenwärtigen ‚Kundenschwerpunkt Kinder‘ auf die Herausforderungen des demografischen Wandels
reagieren? Oder auch: Müssen die kleinen Büchereien fit für Web 2.0 und die
Teilhabe an den social media gemacht werden? Die ‚Macher‘ von damals
haben sich von allen möglichen Fragezeichen weniger beeindrucken lassen als
von den in Aussicht stehenden Ausrufezeichen. Das sollte allen Machern von
heute – oder den Visionären von morgen – Mut machen und zur Gelassenheit
anregen.
Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch
gesteuert werden?
Ausschlaggebend: Strategie und Management des Trägers
RAFAEL BALL
Wissenschaftliche Bibliotheken können nur dann strategisch gesteuert werden,
wenn ihre Trägereinrichtung keine „Behörden-Universität“ ist, sondern ein
nach modernen Managementprinzipien arbeitendes ‚Unternehmen‘. Dann
aber lassen sich durch die Bestimmung von quantifizierbaren Zielen und
Parametern auch Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch steuern. Ganz
zentral sind hierbei aber Qualifikation und Bereitschaft des Bibliothekspersonals, diese Instrumente einzusetzen und zuzulassen. Dies zu erreichen ist
aber die schwierigste Aufgabe in der Vorbereitung eines strategischen
Bibliothekscontrollings.
Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden? Diese
Ausgangsfrage muss und kann mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet
werden. Trotzdem erfordert es ein ausführliches und erläuterndes „Aber“.
Wissenschaftliche Bibliotheken sind zunächst Einrichtungen wie jede andere
Organisation auch. Sie unterscheiden sich prinzipiell und unter organisatorischen Aspekten auch nicht von Öffentlichen Bibliotheken. Eine Organisation
strategisch zu steuern bedeutet ja nichts anderes, als ein Management nach
objektiv messbaren Zielen zu organisieren und umzusetzen. Insofern lässt sich
jede Wissenschaftliche Bibliothek prinzipiell strategisch steuern.
Die entscheidende Frage allerdings ist die Art der Steuerung der jeweiligen
Trägereinrichtung. Hier ist grundsätzlich zu überlegen, auf welcher Basis das
Management und die Strategie, etwa einer Universität, beruhen. Denn im
Wesentlichen können wir hier zwei Strategietypen unterschieden:
• Die erste Gruppe nenne ich „Behörden-Universitäten“,
• die zweite Gruppe „unternehmensorientierte Universitäten“.
Universitäten der ersten Gruppe, also „Behörden-Universitäten“, funktionieren
nach dem kameralistischen Prinzip auf der Basis von gesetzlichen Regelungen
und Verordnungen. Sie sind im Prinzip beamten-technokratische Einrichtungen, deren Strategien und Ziele ausschließlich den aktuellen, finanziellen, gesetzlichen und Regelungs-Rahmenbedingungen untergeordnet sind.
150
Wissenschaftliche Bibliotheken
„Behörden-Universität“: Einhaltung von Regeln und Vorschriften
Insofern ist die Bezeichnung „Behörden-Universität“ durchaus treffend.
Fragen nach Effektivität und Effizienz, nach Service, Quality-Level oder
einem ‚return on investment‘ werden hier nicht gestellt und Antworten darauf
vergeblich gesucht. Diese Kategorien gehen an einer „Behörden-Universität“
komplett vorbei. Erfolgskriterien sind nicht in einem Strategiepapier oder einer
allgemeinen Policy oder einem Leitbild verankert. Als Erfolgskriterien werden
ausschließlich die Einhaltung oder Nichteinhaltung von Gesetzen und
Regelungen der übergeordneten Behörde, gegebenenfalls des vorgesetzten
Ministeriums, gesehen.
Wissenschaftliche Bibliotheken in „Behörden-Universitäten“ lassen sich
demnach nicht strategisch steuern. Sie sind auf den ‚good will‘ des
Zuwendungsgebers angewiesen und beschränken sich – ebenso wie die
Trägereinrichtung – auf die Einhaltung von Regeln und Vorschriften.
Ist eine Wissenschaftliche Bibliothek konservativ orientiert, fällt diese
Philosophie nicht auf. Wenn die Einhaltung von Katalogregeln und
Vorschriften, das Erfüllen von Fernleihregeln und das Abarbeiten von
Schlagwörtern und Schlagwortketten Sinn erschöpfend für Bibliothek und
Bibliothekare sind, wird man sich in einer „Behörden-Universität“ gut
positionieren können und wohlfühlen. Eine strategische Steuerung im Sinne
eines modernen Management-Verständnisses hingegen ist für solche Einrichtungen unmöglich.
Unternehmensorientierte Universitäten: gesteuert über definierte Ziele
Universitäten der zweiten Gruppe, die ich mit dem Terminus „unternehmensorientierte Universitäten“ beschreibe, sind Einrichtungen mit einer anderen
Führungsphilosophie. Sie sind, wenn auch im Rahmen gesetzlicher Regelungen und Erlasse von Ministerien und Ländern, gegebenenfalls auch von
anderen Institutionen gegründete Einrichtungen, aber ihr Handlungs- und
Verantwortungsfreiraum entspricht eher dem eines Unternehmens als dem
einer Behörde.
Eine „unternehmensorientierte Universität“ verfügt über eine ausformulierte
Strategie und wird über definierte Ziele gesteuert. Sie hat eine klare Policy
verabschiedet und entsprechende Erfolgskriterien definiert.
Ist eine Universität so aufgestellt, kann auch eine Universitätsbibliothek
strategisch gesteuert werden. In diesem Sinne haben Bibliotheken, deren
Trägereinrichtung eine „unternehmensorientierte Universität“ ist, durchaus die
Chance, ja sogar die Pflicht, strategisch gesteuert zu werden.
Strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken
151
Die zentrale Aufgabe für die strategische Steuerung einer Wissenschaftlichen Bibliothek in einer „unternehmensorientierten Universität“ ist die
Entwicklung von qualitativen und quantitativen Parametern und Indikatoren,
die den Beitrag der Wissenschaftlichen Bibliothek und ihrer Dienstleistungen
zum Unternehmenserfolg belegen. Dies sind aber längst nicht mehr klassische
Kennzahlen wie Buchbestand, Ausleihe und Ausleihzahlen.1
Von weit aus größerer Bedeutung als die tradierten klassischen Kenngrößen,
wie Bestand und Umsatz, sind Parameter für die Messung des ‚return on
investments‘. Längst ist es da nicht mehr unanständig, auch das Wort „Geld“
und „Kunde“ in den Mund zu nehmen.2 Seit einigen Jahren sind auch
einschlägige Studien und Zeitschriftenbeiträge zu diesem Thema erschienen.
Beispielhaft sei der Beitrag von Carol Tenopir genannt.3
Indikatoren zur Leistungsmessung
Für die Frage einer erfolgreichen strategischen Steuerung bedarf es jedoch der
Entwicklung und Festlegung von geeigneten und genügend präzisen
Indikatoren, die einerseits mit vertretbarem Aufwand ausreichend genau
ermittelt werden können und deren Aussagewert gleichzeitig die leichte
Anpassung der Mess- und Stellgrößen ermöglicht. Denn grundsätzlich lässt
sich alles messen: Prozesse, Personal, Kommunikation, Output usw.
Für die strategische Steuerung einer Wissenschaftlichen Bibliothek ist es
heute sinnvoll, Indikatoren zu entwickeln, die prinzipiell geeignet sind, den
Beitrag zum Unternehmen (zur Universität) zu quantifizieren und
nachzuweisen.
Dabei geht es zunächst und allgemein um ein ausgewogenes Verhältnis von
Input (Ressourcen-Verfügbarkeit), Befähigung (Prozessfähigkeit), Output
(Nutzen), Wirkung (Effektivität) und Ergebnissen. Wenn Wissenschaftliche
1
„The indicators that served as benchmarks in the past, such as number of
volumes and number of journal subscriptions, are no longer sufficient because
of the more expansive role that the contemporary library has assumed“,
Weiner (2005), S. 434.
2
„It used to be that the way you put together a library budget was to look at
like institutions and then argue for a little more. Now my provost is saying to
me, ‘If I give you x dollars, what is the return on investment to the
University?’”, T. S. Plutchak, Librarian, University of Alabama at
Birmingham, zitiert in: Luther (2008), S. 3.
3
Tenopir (2009).
152
Wissenschaftliche Bibliotheken
Bibliotheken strategisch gesteuert werden, müssen deshalb alle ‚alten Zöpfe‘
auf den Prüfstand. Dienstleistungen, Produkte und Kenngrößen, die nur um der
guten akademischen oder bibliothekarischen Tradition willen aufrechterhalten
werden, sind hier nicht mehr zu verantworten und zumindest überflüssig
geworden.
Welche Kennzahlen im Einzelnen erhoben werden, wie sie zu messen und
später bei der Steuerung zu interpretieren sind, wird jede Einrichtung vor dem
Hintergrund der je spezifischen Situation zu beantworten haben. Sie können
nicht identisch sein für alle Wissenschaftlichen Bibliotheken. Vielmehr ist aus
der Kundenperspektive heraus der jeweils spezifische Unternehmensbeitrag
herauszufinden und dann auf messbare Größen herunterzubrechen.
Dies können etwa die Verbesserung der Forschungsleistung der Wissenschaftler sein (Publikationsperformance, Zitierquote, Einwerbung von Drittmitteln, Berufungssituation), die Verbesserung der Studienbedingungen
(Zufriedenheit, Verweildauer, Examensnoten) oder die Gesamtperformance
einer Universität.
Messbar: Der Beitrag der Bibliothek zum Unternehmen
Ganz häufig macht die Umstellung von klassischen bibliothekarischen Kenngrößen auf performance-getriebene Parameter gerade dem eher traditionellen
Mitarbeiter einer Wissenschaftlichen Bibliothek große Schwierigkeiten.
Kommt man auch ohne betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse mit den tradierten Kennzahlen gerade noch zurecht („Statistik muss eben sein“), ist
bereits für die Erhebung von Kennzahlen zum Unternehmensbeitrag der
Bibliothek weder Verständnis noch Bereitschaft zu erkennen. Und diese
Vorbehalte gelten noch stärker bei der Nutzung dieser Kenngrößen für die
Steuerung von Prozessen oder Zielen innerhalb der Bibliothek. Auch ohne
bösen Willen bleibt häufig nur Unverständnis:
All dies impliziert jedoch, dass die Organisation der postkapitalistischen Gesellschaft die Menschheit ununterbrochen
beunruhigen, desorganisieren und destabilisieren muss. Sie
müssen die Anforderungen nach Fähigkeiten und Wissen
verändern: Genau in dem Moment, in dem jede Technische
Universität in der Lage ist, eine Fakultät für Physik einzurichten,
brauchen die Organisationen Genetiker. Genau in dem Moment,
in dem Bankangestellte Kreditanalysen perfekt beherrschen,
Strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken
153
müssen sie sich mit einem Job als Anlageberater zufrieden geben
… Solche Schritte jedoch versetzen die Menschen in Aufruhr. 4
Kennzahlensysteme und strategische Steuerung
Die Einführung von speziellen Kennzahlensystemen und die strategische Steuerung einer Wissenschaftlichen Bibliothek darf deshalb insbesondere von eher
klassischen Bibliothekaren nicht als brutale Top-down-Aktion erfahren
werden. Dies führt nicht nur zu einem Erschrecken der Mitarbeiter, sondern im
schlimmsten Falle zum Boykott der Mitarbeit und zum ‚Dienst nach
Vorschrift‘.
Vielmehr kann das Verständnis für output-orientierte Unternehmensdaten
und -kennzahlen und die Freude an ihnen nur durch ein verinnerlichtes
Verständnis der Kundenperspektive erreicht werden.
Fazit
Die strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken erfordert deshalb
einen ganzheitlichen Führungsansatz. Junge und frisch ausgebildete Informationsspezialisten sind hier allerdings deutlich im Vorteil. Wenn auch noch
nicht an allen einschlägigen Ausbildungs- und Studieneinrichtungen umfassend und professionell betriebswirtschaftliches und unternehmensorientiertes Denken geschult wird, kommen junge Bibliothekare doch mit einem
weitaus offeneren Verständnis für derartige Zusammenhänge in die
Bibliotheken als der klassisch, eher noch humanistisch-akademisch geprägte
Bibliothekar alter Schule.
Aber auch den „Aufruhr der Menschen“ muss eine strategisch gut gesteuerte
Bibliothek im Griff haben. Begeisterungsfähige, innovative und leistungsbereite Mitarbeiter lassen sich nicht in Aufruhr versetzen, auch wenn an der
strategischen Steuerungsschraube der Bibliothek kräftig gedreht wird.
Literatur und Internetquellen
[1] DRUCKER, P. F. (1996). Umbruch im Management. Was kommt nach dem
Reengeneering? Düsseldorf: ECON.
[2] LUTHER, J. (2008). University investment in the library: What’s the
return? A case study at the University of Illinois at Urbana-Champaign.
4
Drucker (1996), S. 83.
154
Wissenschaftliche Bibliotheken
Library connect, White paper, 1. http://libraryconnect.elsevier.com
/whitepapers/0108 /lcwp0101.pdf.
[3] TENOPIR, C. (2009). Measuring the Value and Return on Investment of
Academic Libraries. http://crl.du.ac.in/ical09/papers/index_files/ical2_158_377_1_RV.pdf.
[4] WEINER, S. A. (2005). Library Quality and Impact: Is There a
Relationship between New Measures and Traditional Measures? Journal
of Academic Librarianship, 31(5), 432-437.
Anhang
Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von
Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben
Autoren und Herausgeber
Weiterführende Informationen und Kontakte
Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von
Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben
(1) Veranstalter: PraxisInstitut Meinhard Motzko
in Kooperation mit der jeweiligen Landesfachstelle
Nordrhein-Westfalen I (2001–2003)
- Stadtbücherei Altena
- Stadtbücherei Arnsberg
- Zentralbibliothek Bergheim
- Stadtbibliothek Brilon
- Stadtbücherei Detmold
- Stadtbücherei Dülmen
- Stadtbibliothek Emsdetten
- Stadtbücherei Espelkamp
- Stadtbücherei Haan
- Stadtbibliothek Hattingen
- Stadtbibliothek Langenfeld
- Stadtbücherei Olsberg
- Stadtbücherei Schwelm
- Stadtbücherei Warendorf
- Stadtbücherei Wermelskirchen
Niedersachsen (2006–2008)
- Stadtbibliothek Achim
- Stadtbücherei Bad Fallingbostel
- Bibliothek am Meer Bad Zwischenahn
- Stadtbibliothek Cuxhaven
- Fahrbücherei Cuxhaven
- Stadtbibliothek Garbsen
- Stadtbibliothek Göttingen
- Stadtbibliothek Hannover-Linden
- Stadtbücherei Munster
- Stadtbibliothek Neustadt am Rübenberge
- Euregio Bücherei Nordhorn
- Stadtbücherei Peine
- Stadtbibliothek Salzgitter
- Gemeindebücherei Seevetal
- Bibliothek Waldmühle Soltau
- Stadtbibliothek Verden
158
Bibliotheken
Kreis Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) (2006–2008)
-
Stadtbücherei Brühl
Stadtbibliothek Euskirchen
Kreisbibliothek Euskirchen
Gemeindebücherei Kall
Stadtbücherei Mechernich
Stadtbücherei Nettersheim
Stadtbücherei Schleiden
Stadtbücherei Zülpich
Rheinland-Pfalz / Saarland (2007–2009)
-
Stadtbücherei Bad Dürkheim
Stadtbibliothek Bad Kreuznach
Gemeindebücherei Bobenheim-Roxheim
Stadtbibliothek Diez
Verbandsgemeindebücherei Eisenberg
Stadtbücherei Frankenthal
Stadtbibliothek Germersheim
Stadtbücherei Grünberg
Stadtbibliothek Koblenz
Stadtbibliothek Landau
Gemeindebücherei Limburgerhof
Stadtbibliothek Ludwigshafen
Stadtbibliothek Merzig
Stadtbücherei Neustadt / Weinstr.
Stadtbücherei Pirmasens
Stadtbibliothek Saarbrücken
Stadtbücherei Speyer
Zentralbücherei der Verbandsgemeinde Waldfischbach-Burgalben
Stadtbücherei Wittlich
Stadtbücherei Oberursel
Stadtbücherei Reinheim
Stadtbücherei Viernheim
Kreis- und Stadtbücherei Weilburg
Stadtbibliothek Wetzlar
Stadtbücherei Zwingenberg
Bibliotheken
159
(2) Veranstalter: PraxisInstitut Meinhard Motzko
in Kooperation mit der ekz.bibliotheksservice GmbH und der jeweiligen
Landesfachstelle
Bayern I (2007–2008)
-
Stadtbücherei Bad Aibling
Stadtbibliothek Fürstenfeldbruck
Gemeindebücherei Gauting
Gemeindebücherei Gräfelfing
Stadtbücherei Ingolstadt
Gemeindebücherei Karlsfeld
Gemeindebücherei Krailling
Stadtbücherei Miesbach
Gemeindebücherei Neubiberg
Gemeinde- und Schulbibliothek Oberhaching
Gemeindebücherei Ottobrunn
Stadtbücherei Starnberg
Stadtbücherei Töging
Stadtbücherei Traunstein
Gemeindebücherei Unterhaching
Stadtbibliothek Unterschleißheim
Stadtbücherei Waldkraiburg
Hessen I (2007–2009)
-
Stadtbibliothek Bad Homburg
Stadtbücherei Bad Nauheim
Stadtbücherei Bad Vilbel
Stadtbücherei Baunatal
Stadtbibliothek Bensheim
Stadtbibliothek Bruchköbel
Stadtbücherei Dietzenbach
Stadtbücherei Dreieich
Stadtbibliothek Friedberg
Stadtbücherei Friedrichsdorf
Stadtbibliothek Hanau
Stadtbücherei Hattersheim
Stadtbibliothek Kelkheim
Stadtbücherei Kronberg
Stadtbücherei Lampertheim
160
Bibliotheken
-
Stadtbücherei Langen
Bücherei Liederbach
Stadtbücherei Nidderau
Stadtbücherei Oberursel
Stadtbücherei Reinheim
Stadtbücherei Viernheim
Kreis- und Stadtbücherei Weilburg
Stadtbibliothek Wetzlar
Stadtbücherei Zwingenberg
Thüringen (2008–2009)
-
Stadtbibliothek Altenburg
Stadtbibliothek Apolda
Stadt- und Kreisbibliothek Arnstadt
Stadtbücherei Bad Frankenhausen
Bibliothek der Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt
Stadtbibliothek Eisenach
Stadt- und Regionalbibliothek Gera
Stadtbibliothek „Heinrich Heine“ Gotha
Stadt- und Kreisbibliothek Greiz
Bibliothek der Verwaltungsgemeinschaft Heldrungen
Stadtbibliothek Hermsdorf
Ernst-Abbe-Bücherei Jena
Stadt- und Kreisbibliothek Meiningen
Gemeindebibliothek Menteroda
Stadt- und Zentralbibliothek Meuselwitz
Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“ Nordhausen
Stadtbibliothek Bilke Pößneck
Stadtbibliothek Rudolstadt
Stadt- und Kreisbibliothek Saalfeld
Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda
Stadtbibliothek „Johann Karl Wezel“ Sondershausen
Stadtbibliothek Sonneberg
Stadt- und Kurbibliothek Tambach-Dietharz
Stadtbibliothek Zeulenroda
Schleswig-Holstein (2008–2009)
-
Stadtbücherei Ahrensburg
Stadtbücherei Bad Segeberg
Stadtbücherei Eckernförde
Stadtbücherei Elmshorn
Bibliotheken
-
Stadtbibliothek Itzehoe
Stadtbücherei Kappeln
Gemeindebücherei Kronshagen
Stadt- und Schulbücherei Lauenburg
Stadtbücherei Norderstedt
Stadtbücherei Quickborn
Stadtbibliothek Reinbek
Stadtbücherei Wedel
Gemeindebücherei Wentorf
Rheinland-Pfalz (2009)
-
Stadtbibliothek Bad Neuenahr-Ahrweiler
Sachsen (2009–2010)
-
Stadtbibliothek Annaberg-Buchholz
Stadtbibliothek Aue
Stadtbibliothek Auerbach
Stadtbibliothek Crimmitschau
Pro Regio e. V. Bibliothek Deutzen
Stadtbibliothek am Lutherplatz Döbeln
Stadtbibliothek Freiberg
Stadtbibliothek Heidenau
Stadtverwaltung Lößnitz
Stadtbibliothek Pirna
Stadtbibliothek der FVG Riesa mbH
Stadtbibliothek Stollberg
Stadtbibliothek Waldheim
Stadtbibliothek Weißwasser
Nordrhein-Westfalen II (2009–2011)
-
Stadtbücherei Ahaus
Stadtbücherei Ahlen
Öffentliche Bücherei Beckum
Stadtbücherei Burscheid
Stadtbibliothek Detmold
Stadtbücherei Düren
Stadtbücherei Emmerich
Stadtbibliothek Gütersloh GmbH
Stadtbibliothek Kempen
Stadtbücherei Lüdenscheid
161
162
Bibliotheken
-
Dorte-Hilleke-Bücherei Menden
Bibliothek Monheim gGmbH
Stadtbücherei Radevormald
Stadtbücherei Schwerte
BIB im FoKuS Selm AöR
Stadtbücherei Soest
Stadtbibliothek Solingen
Stadtbücherei Velbert
Stadtbücherei Waldbröl
Baden-Württemberg
-
Stadtbibliothek Böblingen (2010–2011)
Stadtbibliothek Sindelfingen (2009–2010)
Brandenburg (2010–2011)
-
Stadtbibliothek Kupferschmiede e.V. Beeskow
Gemeindebibliothek Blankenfelde- Mahlow
Fouqué Bibliothek Brandenburg
Stadt-und Regionalbibliothek Cottbus
Stadtbibliothek Erkner
Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt / O.
Stadtbibliothek Fürstenwalde
Öffentliche Bibliothek Großbeeren
Bibliothek Gemeinde Hoppegarten
Stadtbibliothek Jüterbog
Öffentliche Bibliothek Kleinmachnow
Stadtbibliothek Luckenwalde
Stadtbibliothek Müncheberg
Stadtbibliothek Perleberg
Stadt- und Landesbibliothek Potsdam
Öffentliche Bibliothek Rangsdorf
Stadtbibliothek Schwedt / Oder
Stadtbibliothek Storkow
Heinrich-Mann-Bibliothek Strausberg
Stadtbibliothek Werder (Havel)
Stadtbibliothek „Martin Anderson Nexö“ Wittenberge
Bibliotheken
Bayern II (ab 2010)
-
Stadtbibliothek Alzenau
Stadtbibliothek Böblingen
Belegschaftsbibliothek Wacker Burghausen
Stadtbibliothek Burghausen
Stadtbücherei Dachau
Stadtbibliothek Donauwörth
Gemeindebücherei Eckental
Stadtbibliothek Freilassing
Stadtbücherei Landshut
Marktbücherei Manching
Bibliothek Markt Höchberg
Stadtbibliothek Schwabach
Stadtbücherei Penzberg
Gemeindebücherei Vaterstetten
Regionalbibliothek Weiden
Gemeindebücherei Wendelstein
Hessen II (ab 2011)
-
Stadtbücherei Eschborn
Hochschul- und Landesbibliothek Fulda
Stadtbücherei Geisenheim
Stadtbücherei Gernsheim
Stadtbibliothek Kassel
Stadtbücherei Lauterbach
Stadtbücherei Ober-Ramstadt
Stadtbücherei Obertshausen
Gemeindebücherei Rodenbach
Stadtbücherei Rödermark
Stadtbibliothek Schotten
Stadt- und Schulbücherei Taunusstein
163
164
Bibliotheken
Autoren und Herausgeber
BALL, RAFAEL, DR.
Bibliotheksdirektor,
Leiter
der
Universitätsbibliothek
Regensburg,
Universitätsstraße 31, 93053 Regensburg, E-Mail: [email protected], Homepage: www.bibliothek.uni-regensburg.de
FRIEDL, UWE, DR.
Bürgermeister der Stadt Euskirchen, Kölner Straße 75, 53879 Euskirchen, EMail: [email protected], Homepage: www.euskirchen.de
GANTER, LOTHAR
Leiter der Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg,
Landsknechtstraße 4, 79120 Freiburg, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.nimm-und-lies.de/
HAASE-HENKEL, SABINE
Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Kappeln, Schmiedestraße 15, 24376
Kappeln,
E-Mail:
[email protected],
Homepage:
www.stadtbuecherei-kappeln.de
HAGENAU, ANETTE
Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Traunstein, Haywards-Heath-Weg 1,
83278 Traunstein, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.stadtbuecherei-traunstein.de
HAUKE, PETRA, DR.
Autorin und Herausgeberin bibliotheksbezogener Fachliteratur; Lehrbeauftragte am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der
Humboldt-Universität zu Berlin, Hochkalterweg 3a, 12107 Berlin, E-Mail:
[email protected], Homepage: www.ibi.hu-berlin.de/institut/mitarbAZ/lehrbeauftragte/hauke
HEUTE-BLUHM, GUDRUN
Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach, Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes, dbv e. V., Rathaus Lörrach, Luisenstraße 16,
79539 Lörrach, E-Mail: [email protected], Homepage: www.loerrach.de
KASPER, ANNETTE, DR.
Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei Jena, JenaKultur, Carl-Zeiss-Platz 15, 07743
Jena, E-Mail: [email protected], Homepage:
www.stadtbibliothek.jena.de
166
Autoren und Herausgeber
KUSE, BETTINA
Buchhändlerin (IHK) und Fami (IHK), Leiterin der Stadtbücherei Dietzenbach,
Darmstädter Straße 7 + 11, 63128 Dietzenbach, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.stadtbuecherei.dietzenbach.de
LANGMANN, GABY
Dipl.-Bibl., Geschäftsbereichsleiterin Bibliothek in der Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH, Dohnaische Straße 76, 01796 Pirna, E-Mail:
[email protected], [email protected], Homepage: www.biblio
thek-pirna.de
LAY, URSULA
Kulturreferentin der Stadt Traunstein, Stadtverwaltung Traunstein, Stadtplatz
39, 83278 Traunstein, E-Mail: [email protected], Homepage:
www.stadtbuecherei-traunstein.de
LIST-PETERSEN, NIS-EDWIN
Direktor des Bibliothekswesens und Kulturkoordinator der Deutschen Minderheit in Dänemark, Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig, Deutsche
Büchereizentrale – Zentralbücherei Apenrade, Vestergade 30, DK – 6200
Aabenraa, E-Mail: [email protected], Homepage: www.buecherei.dk
MITTROWANN, ANDREAS
Dipl.-Bibl., Bibliothekarischer Direktor, ekz.bibliotheksservice GmbH,
Bismarckstaße 3, 72764 Reutlingen, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.ekz.de
MOTZKO, MEINHARD
Dipl. Sozialwissenschaftler und Qualitätsmanagement Auditor; Inhaber
PraxisInstitut, Westerdeich 88, 28197 Bremen, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.praxisinstitut.de
PALMER, UTE
Dipl.-Bibl., Leiterin der Fachstelle München, Landesfachstelle für das
öffentliche Bibliothekswesen, Kaulbachstraße 19, E-Mail: [email protected], Homepage: www.lfs.bsb-muenchen.de
RUMSCHÖTTEL, JOHANNA
Dipl.-Bibl., seit 2008 Landrätin des Landkreises München; 1985-2000 Leiterin
der Gemeinde- und Schulbibliothek, seit 1992 auch des Kulturamtes
Oberhaching; 2000-2008 Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Neubiberg;
2002-2009 stellv. Vorsitzende des Bayerischen Bibliotheksverbandes;
Landratsamt München, Mariahilfplatz 17, 81541 München, E-Mail:
Autoren und Herausgeber
167
[email protected], Homepage: www.landkreis-muenchen.de
/verwaltung-buergerservice-politik-wahlen/landraetin
SANETRA, MICHAEL
Dipl.-Bibl., Bibl. Referent der Geschäftsleitung, Sankt Michaelsbund,
Landesverband Bayern e. V., Herzog-Wilhelm-Straße 5, 80331 München, EMail: [email protected], Homepage: www.st-michaelsbund.de
SCHWARTZ, ULRIKE
Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße, Marstall 1,
67433 Neustadt an der Weinstraße, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.stadtbuecherei.neustadt.eu
SCHWERING, STEPHAN
Dipl.-Bibl., Leiter der Stadtbibliothek Emsdetten, Kirchstraße 40, 48282
Emsdetten,
E-Mail:
[email protected],
Homepage:
www.emsdetten.de/stadtbibliothek
WEBER, BRUNHILDE
Dipl.-Bibl., Bereichsleiterin Bibliothek, Kreisstadt Euskirchen, Stadtbetrieb
Kultureinrichtungen Euskirchen, Kirchstraße 5-7, 53879 Euskirchen, E-Mail:
[email protected], Homepage: www.euskirchen.de/stadtbibliothek
WEIGEL, MARC
Kulturdezernent der Stadt Neustadt an der Weinstraße, Hetzelplatz 1, 67433
Neustadt an der Weinstraße, E-Mail: [email protected], Homepage:
www.neustadt.eu/index.phtml?NavID=1441.389&La=1
WEIL, ULRIKE
Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Pirmasens, Dankelsbachstraße 19,
66953, Pirmasens, E-Mail: [email protected], Homepage:
www.pirmasens.de/buecherei
Weiterführende Informationen und Kontakte
Dokumentation von Konzepten auf CD
•
Niedersachsen
Anfragen sind zu richten an: info@bz-niedersachsen
•
Rheinland-Pfalz
http://www.lbz-rlp.de/cms/service/bibliothek-2010-plus/index.html
•
Bayern
Anfragen sind zu richten an: [email protected]
Ansprechpartner für weitere Projekte
•
PraxisInstitut, Organisations- und Personalentwicklung
Meinhard Motzko
Westerdeich 88, D – 28197 Bremen
Tel.: +49 (0) 421-34 00 92
Fax: +49 (0) 421-349 92 67
E-Mail: [email protected]
Internet: www.praxisinstitut.de
•
ekz.bibliotheksservice GmbH
Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor
Bismarckstaße 3, D – 72764 Reutlingen
Tel.: +49 (0) 7121 144-111
Fax: +49 (0) 7121 144-486
E-Mail: [email protected]
Internet: www.ekz.de

Documents pareils