Kriterien für die Einstufung öffentlicher Straßen im - Sachsen

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Kriterien für die Einstufung öffentlicher Straßen im - Sachsen
Kriterien für die Einstufung öffentlicher Straßen im Geltungsbereich
des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (StrG LSA)
1. Rechtsnatur
Die Einstufung konkretisiert die öffentliche Zweckbestimmung einer Straße durch Einordnung in das System der Straßengruppen. Sie ist sowohl unabdingbarer Bestandteil der
Widmung nach § 6 StrG LSA, mit der die Eigenschaft einer öffentlichen Straße begründet
wird, als auch der Umstufung in eine neue Straßengruppe nach § 7 StrG LSA.
2. Kriterien für die Einstufung
Nach § 3 StrG LSA werden die öffentlichen Straßen nach ihrer Verkehrsbedeutung in
Straßengruppen eingeteilt. Hieran knüpft die gesetzliche Zuweisung der Straßenbaulast an.
2.1 Verkehrsbedeutung
Das Kriterium der Verkehrsbedeutung beinhaltet eine quantitative und eine qualitative Komponente. Es ist zu ermitteln, welchem Verkehr die betreffende Straße tatsächlich dient und
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welche Funktion ihr im Verkehrsnetz zukommt (sog. Netzfunktion) .
Die tatsächliche Verkehrsbedeutung ist Ausgangspunkt der Einstufung. Da die Straßen im
Regelfall einen gemischten Verkehr aufweisen, stellt das Straßengesetz innerhalb der Straßengruppen jeweils auf den überwiegenden Verkehr ab. Hierbei kommt es auf die Relation
der Verkehrsanteile an. Der die Einstufung bestimmende Anteil des Gesamtverkehrs muss
höher sein als der Anteil jeder Art der übrigen Verkehrsvorgänge. Zudem muss diese Verkehrsbeziehung über größere Zeiträume, d.h. nicht nur anlassbezogen bestehen. Ziel- und
Quellverkehr sind ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Anbindung einer Gemeinde
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an das klassifizierte Netz von Bedeutung und nicht dem überörtlichen Verkehr zuzuordnen .
Im Zweifelsfall werden sich eindeutige Feststellungen nur aufgrund von Verkehrsuntersuchungen treffen lassen.
Neben den tatsächlichen Verkehrsbeziehungen stellt das Gesetz mit der Formulierung „zu
dienen bestimmt“ auch auf die Zweckbestimmung ab, die nach § 3 Abs. 2 StrG LSA im Ermessen des Trägers der Straßenbaulast steht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Einstufung aus einer bloßen Willensbekundung des Baulastträgers folgt. Vielmehr geht die Zweckbestimmung als planerische Entscheidung der Einstufung voraus, während die Einstufung
selbst - in gebundener Rechtsanwendung – lediglich die Folge einer anderweitigen rechtli3
chen oder tatsächlichen Entwicklung ist . Im Zweifel geben die o.g. objektiven Bewertungskriterien den Ausschlag, da anderenfalls die einheitliche Handhabung der Klassifizierungsmerkmale nicht gewährleistet werden kann.
Selbständig neben der quantitativen Komponente steht die Lage der Straße und ihre Funk4
tion im Gesamtstraßennetz . Dieses Kriterium erlangt vor allem bei höher klassifizierten
Straßen Bedeutung. So kann einer Straße überörtliche Verkehrsbedeutung nur zukommen,
wenn die räumlichen Verhältnisse dies zulassen und eine hinreichende Verknüpfung mit
anderen überörtlichen Straßen gegeben ist.
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VGH München, Urteil vom 24. Februar 1999, Az: 8 B 98.1627
VG Dessau, Urteil vom 14. November 2002, Az: 2 A 63/01 DE
Hessischer VGH, Urteil vom 2. Juli 1996, Az: 2 UE 698/94
VG Dessau, Urteil vom 14. November 2002, Az: 2 A 63/01
Der Ausbauzustand der Straße oder die finanzielle Leistungsfähigkeit des Baulastträgers
sind keine Einstufungskriterien.
2.2 Straßengruppen
Die Einteilung der öffentlichen Straßen nach § 3 StrG LSA ist abschließend. Das Gesetz
definiert folgende Straßengruppen:
2.2.1 Landesstraßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 StrG LSA)
Landesstraßen dienen überwiegend dem Durchgangsverkehr innerhalb des Landesgebietes. Diese Straßengruppe ist einerseits von den Bundesfernstraßen abzugrenzen, die durch
weiträumigen Verkehr über die Landesgrenzen hinaus gekennzeichnet sind. Andererseits
erstreckt sich der Verkehr einer Landesstraße zumindest über das Gebiet mehrerer benachbarter Landkreise bzw. kreisfreier Städte.
Das Gesetz fordert weiter, dass Landesstraßen untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden.
2.2.2 Kreisstraßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 StrG LSA)
Kreisstraßen dienen alternativ
- dem Verkehr zwischen benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten,
- dem überörtlichen, d.h. übergemeindlichen Verkehr innerhalb eines Kreises oder
- dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege.
Mit der Alternative des unentbehrlichen Anschlusses wird sichergestellt, dass Gemeinden
und räumlich getrennte Ortsteile mit zumindest einer nicht in ihrer Baulast stehenden Straße
an das überörtliche Straßennetz angebunden sind. Das Kriterium entfällt folglich, wenn der
Anschluss bereits durch Bundes- oder Landesstraßen gegeben ist. Da das Gesetz neben
den Gemeinden die räumlich getrennten Ortsteile ausdrücklich nennt, ist ihr Anschluss selbständig neben dem des Hauptortes zu gewährleisten. Nach Sinn und Zweck der Regelung
sind örtliche Besonderheiten im Einzelfall zu berücksichtigen. Der Begriff des Ortsteils ist
bauplanungsrechtlich zu verstehen. Danach handelt es sich um einen Bebauungskomplex
im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.
2.2.3 Gemeindestraßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA)
Gemeindestraßen dienen überwiegend ortsgebundenem Verkehr. Das Gesetz unterscheidet
zwischen
- Straßen im Außenbereich einer Gemeinde, die dem Verkehr zwischen benachbarten Gemeinden (Verbindungsfunktion) oder dem weiteren Anschluss an überörtliche
Verkehrswege dienen (Anschlussfunktion) und
- Straßen, die dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde dienen (vorrangige Erschließungsfunktion). Hierzu zählen nicht Ortsdurchfahrten der Bundes- Landes- und
Kreisstraßen, da hier die Netzfunktion als bestimmendes Einstufungskriterium hervortritt.
2.2.4 sonstige öffentliche Straßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 StrG LSA)
Bei den sonstigen öffentlichen Straßen handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der
keine bestimmte Verkehrsbedeutung voraussetzt. Bei der Widmung/Einstufung ist der Baulastträger zu bestimmen (§ 42 Abs. 1 Satz 3 StrG), da es für diese Straßengruppe keine
gesetzliche Zuweisung der Baulast gibt. Zu den sonstigen öffentlichen Straßen zählen insbesondere beschränkt öffentliche Wege, bei denen der Gebrauch hinsichtlich der Verkehrsart, wie z.B. bei selbständigen Geh- oder Radwegen, oder des Verkehrszwecks, wie etwa
bei Anliegerwegen und Wirtschaftswegen, beschränkt sein kann. In diese Kategorie fallen
aber auch Eigentümerwege, die vom Eigentümer des Straßengrundstücks dem öffentlichen
Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.
3. Verfahren
Widmung und Umstufung sind Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen nach
§ 35 Satz 2 VwVfG LSA, die mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt zu machen sind.
Zuständig ist der künftige Träger der Straßenbaulast. Nach § 7 Abs. 3 Satz 4 StrG LSA
i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Durchführung straßenrechtlicher Vorschriften für das Land Sachsen-Anhalt (StrVO LSA) entscheidet das Landesverwaltungsamt,
wenn sich die an einer Umstufung beteiligten Straßenbaulastträger nicht einigen. Im Übrigen
gelten vorbehaltlich der §§ 6 und 7 StrG LSA die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen. Besondere Sorgfalt sollte der hinreichenden Bestimmtheit des Verfügungstenors nach § 37 Abs. 1 VwVfG LSA gelten. Es ist darauf zu achten, dass der betroffene Straßenabschnitt durch Bezugspunkte möglichst eindeutig bezeichnet ist.