Landtagspräsident Albert Frick sieht die Politik in Liechtenstein klar

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Landtagspräsident Albert Frick sieht die Politik in Liechtenstein klar
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DONNERSTAG
30. JULI 2015
Schwerpunkt Sommergespräch mit Albert Frick
Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Mehrheiten im Landtag erst gefunden werden müssen. Doch das Zwischenfazit von Albert Frick fällt durchaus positiv aus. (Archivfoto: Nils Vollmar)
Landtagspräsident Albert Frick sieht
die Politik in Liechtenstein klar auf Kurs
Interview Als Albert Frick vor mehr als zwei Jahren als Landtagspräsident gewählt wurde, lag keine einfache Aufgabe vor ihm. Im Sommergespräch mit
dem «Volksblatt» blickt er nun zurück. Sein persönliches Fazit: Die politischen Kräfte haben sich zusammengerauft. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen.
VON HOLGER FRANKE
Geschäftsordnung ausgestaltet werden und nicht als versteckte Interpellationen daherkommen. Um dies
in geordnete Bahnen zu bringen, haben wir eine maximale Länge des
Einleitungstextes und eine maximale Anzahl Fragen definiert. Diese
Vorgaben werden grösstenteils eingehalten. Dass mit Kleinen Anfragen
auch Politik gemacht wird, ist offensichtlich. Gelegentlich werden Anfragen gestellt, obschon die Antworten schon bekannt sind. Das dient
dann in erster Linie dazu, einen
Sachverhalt vermehrt ins öffentliche
Bewusstsein zu rücken.
«Volksblatt»: Herr Landtagspräsident, das «Volksblatt» berichtete am
20. Juli, dass der Landtag – rein statistisch – neue Rekorde aufgestellt
hat. So gab es im vergangenen Jahr
mit 37 so viele parlamentarische
Eingänge wie noch nie. Wie es
scheint, nehmen die Abgeordneten
ihre Aufgabe erst. Wie beurteilen
Sie dies?
Albert Frick: Es ist sicher so, dass
die Abgeordneten ihre Aufgabe
ernst nehmen. Der Landtag sah sich
vor allem zu Zeiten der absoluten
Mehrheiten oft dem Vorwurf ausgesetzt, lediglich Handlanger der je- Bedeutet die zunehmende Arbeitsweiligen Regierung zu sein. Ein ge- last des Parlamentes auch zusätzlisteigertes Selbstbewusstsein der chen Aufwand für den LandtagspräLegislative als eigenständiges sidenten?
Staatsorgan kann nicht schaden. Die Aufgaben und Verpflichtungen
Die parlamentarischen Instrumente nehmen tatsächlich laufend zu. Der
bieten vor allem
Zeitaufwand übers
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«Sicher darf es aber
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nicht darum gehen,
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einzubringen und
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Ranglisten zu führen,
bieten gleichzeitig welche Partei am meisten hier aber anmereine gute Bühne
ken, dass die FühVorstösse einbringt.»
zur Selbstdarstelrung des Landtages
lung. Ein parlaeine
herausformentarischer Eingang wird meist dernde Aufgabe im Dienste unseres
im Rahmen einer Pressekonferenz Landes ist, für die ich mich gerne
vorangekündigt, dann im Landtag einsetze.
ausführlich präsentiert, bei der allfälligen Beantwortung durch die Es gab vonseiten der Regierung aber
Regierung im Landtag erneut breit auch schon Kritik am Umfang eindiskutiert und über die ganze Dauer zelner Vorstösse und Anfragen. Parhinweg mit Fernsehinterviews und lamentarische Mitwirkung, ausbauPresseberichten zusätzlich beglei- fähigere Recherche oder doch Profitet. Eine intensiv genutzte Bühne lierung einzelner Fraktionen. Was
also.
lesen Sie aus diesen Zahlen?
Die parlamentarische Mitwirkung
Mit 198 wurden zudem so viele kleiund Recherche sind wichtig und solne Anfragen gestellt wie noch nie.
len keiner Einschränkung unterlieKann man dies als Wahrnehmung
gen. Es ist zulässig und ohnehin
der parlamentarischen Aufgaben
nicht zu verhindern, dass mit parladurch die Abgeordneten bezeichmentarischen Vorstössen auch parnen?
teipolitische Profilierung gesucht
Grundsätzlich ja. Wichtig ist, dass wird. Sicher darf es aber nicht dardie Kleinen Anfragen im Sinne der um gehen, Rekorde zu erzielen und
Ranglisten zu führen, welche Partei
am meisten Vorstösse einbringt. Dafür ist ein einzelner Vorstoss dann
doch zu kostspielig. Nach konservativen Schätzungen löst ein solcher
Vorstoss im Durchschnitt Kosten
von mindestens 10 000 Franken
aus.
zu Aktuellen Stunden geführt, die
dem angestrebten Sinn und Zweck
nicht gerecht wurden. In der Zwischenzeit ist der Umgang mit der
Themenbenennung entspannter,
was sich auf die Qualität der einzelnen Aktuellen Stunden vorwiegend
positiv auswirkt.
Zumindest könnte man aber sagen,
dass die Reform der Geschäftsordnung des Landtages mit dem Ziel
der Effizienzsteigerung erfolgreich war. Im vergangenen
Jahr wurde mehr erledigt, im etwa ähnlichen
Zeitrahmen, wie in
den vergangenen Jahren. Ziel erreicht?
Ja, Ziel erreicht. Wir
konnten, ohne den
Zeitaufwand zu steigern, ein grösseres
Arbeitspensum erledigen und damit zusätzliche
Kosten vermeiden. Der grösste
Zeitgewinn wurde dadurch erzielt,
dass Gesetzesvorlagen nicht mehr
vollumfänglich gelesen werden. Die
Lesung erfolgt in der Regel über Artikelaufruf. Damit ist aber kein Qualitätsverlust im Gesetzgebungsprozess verbunden. Die Abgeordneten
kennen die Vorlage bereits und wissen genau, bei welchen Artikeln sie
sich einbringen wollen.
Was sagen Sie zur Disziplin im Landtag? Es hat den Anschein, dass der
Ton und Umgang im Vergleich zu
früheren Jahren gemässigter
geworden ist – von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Was hat Sie in
diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren besonders geärgert?
Es ist nach meiner
Einschätzung
tatsächlich so, dass Ton
und Umgang im Ver- Im gleichen Interview sagten Sie dagleich zu früher besser ge- mals im Hinblick auf das Wahlerworden sind. Darüber bin ich gebnis auch, dass es offensichtlich
sehr erfreut. Ich habe diesbezüglich sei, dass die Menschen nicht zufrieauch schon Appelle an die Abgeord- den waren. Glauben Sie, dass dies
neten gerichtet: «Klar in der Sache, heute anders ist – glauben Sie, dass
überzeugend in der Argumentation, die Politik «das Schiff wieder auf
aber respektvoll im Ton – das för- Kurs» gebracht hat, wie Sie es dadert Vertrauen und bringt uns guten mals formulierten?
Lösungen näher.» Natürlich kommt Das Resultat der bisherigen Arbeit
es zu gelegentlichen Ausrutschern. darf sich sicher sehen lassen. Wir seEs kommt aber
geln in etwas ruhieher selten vor,
geren Gewässern.
«Die Koalition gibt
dass ich eine Ersich staatstragend und Es scheint in der
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hat ihre Bewährungsprobe Politik
chen muss. Ich
G e s e t z m ä s si g ke it
bisher grösstenteils
würde mir wünzu sein, dass stets
schen, dass wir dieneue Herausfordebestanden.»
ses Gesprächsnirungen auftreten.
veau halten können, auch wenn die Teilweise von einem Tag auf den annächsten Wahlen näherrücken.
deren. Sich zurückzulehnen, ist
nicht möglich. Der Dienst an Land
Kurz nach Ihrer Wahl zum Landund Heimat erfordert weiterhin untagspräsidenten vor über zwei Jahseren höchsten Einsatz und kluge,
ren haben Sie gesagt, dass der Landweitsichtige Entscheidungen. Ich
tag besser zusammenarbeiten müshoffe sehr, dass wir zielstrebig und
se, um die Probleme des Staates zu
lösungsorientiert weiterarbeiten
lösen (das «Volksblatt» berichtete
können, ohne dass ein verfrühter
am 4. April 2013). Wie fällt Ihr Fazit
Wahlkampf die Handlungsfähigkeit
mehr als zwei Jahre später aus?
beeinträchtigt.
Die Einführung der aktuellen Stunde wurde anfangs sehr begrüsst.
Doch die Euphorie scheint bereits
wieder abgeflacht zu sein. Es wurde
schon darauf verzichtet, selbst die
Abschaffung dieses parlamentarischen Instruments wurde vereinzelt
angesprochen. Wie stehen Sie zur
aktuellen Stunde?
Diesem Instrument muss etwas Zeit
eingeräumt werden, bevor eine abschliessende Beurteilung vorgenommen wird. Zu Beginn gab es in den
Fraktionen den selbstauferlegten
Druck, auf jeden Fall ein Thema benennen zu müssen. Das hat teilweise
Zu Beginn der Legislaturperiode befanden wir uns in einer sehr schwierigen Situation. Die Verunsicherung
der Bevölkerung ob des unausgeglichenen Staatshaushaltes und anderer Probleme war deutlich zu spüren
und fand auch Ausdruck im Wahlausgang. Keine der Fraktion verfügt
über eine Stimmenanzahl, die es erlauben würde, eine Politik im Alleingang durchzusetzen. Es war klar,
dass Mehrheiten im Landtag erst gefunden werden müssen. Das Fazit
fällt nach mehr als zwei Jahren positiv aus, auch was die Zusammenarbeit mit der Regierung anbelangt.
Die Koalition gibt sich staatstragend
und hat ihre Bewährungsprobe bisher grösstenteils bestanden. Den
Oppositionsparteien kommt eine andere Rolle zu, die sie fallweise unterschiedlich wahrnehmen.