Muscle-Boats
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Muscle-Boats Words: Mike Principato | Pictures: Southern Towing Schubboote, Mississippi Sie sind die Giganten des Mississippi, die heimlichen Stars, denn was sie können, sieht man ihnen nicht an. Die Rede ist von Schubbooten. Sie manövrieren motorlose Schiffe über den 3.778 Kilometer langen Strom und müssen dabei das Fünfzigfache ihres eigenen Gewichts schieben oder ziehen. Gerade ist ein neues dieser gigantischen Muscle-Boats entstanden. Die Captain H.R. Kirtley – ein wahres Muscle-Boat. Er schlängelt sich durch nahezu das gesamte Staatsgebiet der USA und durchquert auf seinem Weg von Nord nach Süd ganze acht Bundesstaaten – der Mississippi. Als unscheinbarer Bergfluss macht er sich vom Lake Itasca in Minnesota auf die Reise, vereint sich in St. Louis mit dem Missouri, trifft wenig später in Illinois auf den Ohio und mündet schließlich als breiter Strom bei New Orleans in den Golf von Mexiko. Mit seinen Nebenflüssen bildet der Mississippi das größte Flusssystem der Vereinigten Staaten und das viertgrößte der Erde. Einst die wirtschaftliche Lebensader für die Besiedelung des riesigen Kontinents, werden auch heute noch gigantische Warenmengen über den Mississippi transportiert. Schubboot zieht und schiebt Schubleichter Im Jahr 1823 fuhren die ersten Dampfschiffe auf dem Oberlauf des Mississippi. Sie transportierten Baumwolle, Holz, Kohle und Nahrungsmittel stromabwärts. In den 1920er-Jahren ersetzten Schubboote die meisten Dampfschiffe. Heute werden 60 Prozent des aus den USA exportierten Getreides auf Schubverbänden über den Mississippi zum Golf von Mexiko transportiert: Ein oder mehrere motorlose Schubleichter werden von einem Schubboot gezogen oder geschoben. Am Unterlauf des Mississippi befördern diese riesigen Schubverbände hauptsächlich Erdöl und Erdölprodukte, Eisen und Stahl, Getreide, Gummi, Papier, Holz, Kaffee, Kohle, Chemikalien und Speiseöle. Giganten des Mississippi Die Dimensionen dabei sind kaum vorstellbar: Ein Schubleichter kann so viel Fracht befördern wie in 15 Eisenbahnwagen passt. Und bis zu 40 dieser Schubleichter müssen von einem Schubboot geschoben oder gezogen werden. Diese Giganten in den Häfen zu manövrieren, ist keine einfache Aufgabe. Denn die Schubleichter zusammen sind um ein Vielfaches schwerer, länger und breiter als das Schubboot selbst. Diese Kolosse über den Mississippi, vorbei an Treibgut, durch den Schiffsverkehr und gegen die heftigen Strömungen zu navigieren, erfordert Kraft und Wendigkeit. Captain H.R. Kirtley mit 3.200 PS Im amerikanischen Bundesstaat Missouri ist gerade ein neues dieser Muscle-Boats entstanden. Schon bald soll die Captain H.R. Kirtley die Schubleichter von Southern Towing antreiben. Dies ist eines der erfolgreichsten Tankschubleichter-Unternehmen der USA. Es ist spezialisiert auf den Transport von flüssigem Massengut, also Düngemitteln oder Erdöl. Um seine Muskeln spielen lassen zu können, hat der neue Gigant zwei Tier-2-zertifizierte Zwölfzylinder-Motoren der MTU-Baureihe 4000 im Maschinenraum. Jeder von ihnen hat eine Leistung von 1.600 PS, die von einem Z-Antrieb von ZFMarine auf das Wasser übertragen wird. Lebendiges Museum maritimer Raritäten Entstanden ist dieser neue Gigant des Mississippis in der Steiner-Werft in Alabama. Unter Russell Steiner, der das Unternehmen in zweiter Generation führt, ist die Anzahl der Aufträge für Arbeitsboote wie die Kirtley in letzter Zeit unglaublich gewachsen. „In diesem Bereich haben wir sehr viel zu tun“, erzählt Russel Steiner und ergänzt: „Vor allem Schubboote mit modernen Dieselmotoren und ZAntrieben werden stark nachgefragt. Southern Towing ist ein sehr guter Kunde von uns und die Zusammenarbeit mit ihnen ist sehr angenehm. Unsere Aufgabe hier ist es, ein erfolgreiches Schiff zu bauen – egal welche Vorgaben wir vom Kunden zu Motor und Antrieb erhalten. Die Kirtley ist ein perfektes Beispiel für diese Zusammenarbeit.“ Ein Haus auf dem Wasser Der Rundgang durch die Kirtley ähnelt dem Rundgang durch ein kleines Haus. Denn außer dem Maschinenraum in der Mitte des Schiffes und einem erstaunlich geräumigen Steuerhaus oben besteht ein Schubboot fast nur aus den Räumen für die Besatzung. Die Kirtley ist quasi ein schwimmendes vierstöckiges Haus auf einem über 250.000 Liter fassenden Dieseltank. Und dabei komfortabel eingerichtet: Die Kombüse in der Mitte ist mit Granitarbeitsplatten und großen, modernen Elektrogeräten ausgestattet. Die Schlafräume der Besatzung sind schön eingerichtet, die Gemeinschaftstoiletten sind modern und gut ausgestattet. Unter Deck befindet sich ein großer Gemeinschaftsraum mit Fitnessgeräten, Waschmaschine und Trockner. Auch während der Fahrt stehen der Besatzung WLAN und Satellitenfernsehen zur Verfügung. Die Mannschaft muss sich auf dem Schiff wohlfühlen, denn sie ist oft einen ganzen Monat ununterbrochen an Bord. Deshalb achten wir beim Design unserer Boote auf den Komfort.Tommy McCoin, Southern Towing Sicherheit als ökonomischer Faktor „Die Mannschaft muss sich auf dem Schiff wohlfühlen, denn sie ist oft einen ganzen Monat ununterbrochen an Bord. Das ist auf so engem Raum eine lange Zeit. Deswegen achten wir beim Design unserer neuen Boote auf Komfort“, erklärt Tommy McCoin, erster Maschinist der Kirtley. Er erläutert, dass dies auch eine Frage der Sicherheit sei. Denn die Besatzungen von Schubbooten arbeiten in der Regel in Sechs-Stunden-Schichten rund um die Uhr. Schieben, das Vertäuen der Leichter und das Entkoppeln der Schubverbände zum Laden und Entladen an Häfen kann gefährlich sein. Da ist der Wohlfühlaspekt an Bord auch ein ökonomischer Faktor. Southern Towing denkt unternehmerisch, nicht nur bei der Sicherheit ihrer Schiffe. Tommy McCoin ist fest davon überzeugt, dass Erfolg im Binnenschiffstransport wesentlich davon abhängt, sich von den in der Vergangenheit häufig verwendeten Detroit-Diesel-Zweitaktmotoren zu trennen – schließlich verbrauchen sie mehr Kraftstoff und ihre Emissionen liegen über den heutigen und zukünftigen Abgasnormen der USamerikanischen Umweltbehörde EPA. Und mit diesem Wechsel ist das Unternehmen kein Einzelfall. Mehr Leistung, weniger Kosten Auf den etwa 12.000 Meilen schiffbarer Binnengewässer der USA, die vom U.S. Army Corps of Engineers instand gehalten werden, sind ungefähr 10.000 Schubboote im Einsatz – meist gebaut zwischen den Jahren 1950 und 1990. „Viele dieser Boote müssen in den nächsten Jahren neu motorisiert werden. Wir haben schon Bestellungen für zahlreiche Motoren der Baureihe 4000 bekommen“, erzählt Chad Lemoine vom MTU-Distributor Stewart & Stevenson. Das sei wohl erst der Beginn einer Auftragswelle, fügt er hinzu. „Natürlich sind einige Veränderungen an den Schiffen erforderlich, wenn wir neue Motoren einbauen. Aber die neuen Motoren verbrauchen wesentlich weniger Kraftstoff und haben mehr Leistung. Die Investition zahlt sich also aus für Kunden, deren Schiffe derzeit noch mit diesen alten Motoren angetrieben werden“, ergänzt Lemoine. McCoin stimmt ihm zu: „Ja, und man muss auch bedenken: Größere Schiffe lassen sich leichter manövrieren, wenn sie mit einem Z-Antrieb ausgestattet sind. Unsere neuen, leistungsstärkeren Schubboote wie die Kirtley können mehr Fracht mit geringerem Kraftstoffverbrauch weiter transportieren als zwei kleinere Schubboote“, sagt er. Allein die Ersparnisse durch den geringeren Kraftstoffverbrauch seien riesig, und diese Einsparungen können Southern Towing an seine Kunden weitergeben. Die neuen Motoren verbrauchen wesentlich weniger Kraftstoff und haben mehr Leistung. Die Investition zahlt sich aus für Kunden, deren Schiffe derzeit noch mit diesen alten Motoren angetrieben werden.Chad Lemoine, Stewart & Stevenson Kampf gegen die Wand Nach neunmonatiger Bauzeit lief die Kirtley vom Stapel, doch die erste große Prüfung steht ihr noch bevor. Bevor das neueste Schubboot von Southern Towing den ersten Leichterverbund flussaufwärts schieben darf, muss es sich an einem unbeweglichen Objekt beweisen: den Ufern des nahegelegenen Pascagoula River. Bei diesem Initiationsritus wird das Schubboot unter hoher Motorlast getestet. Dazu drückt die Kirtley mit ihrem flachen, neu glänzenden Bug gegen ein Pier am Fluss während die Drehzahl der MTU-Motoren steigt. McCoin und zahlreiche Techniker überwachen dabei, wie sich die Motoren bewähren. Wer bei diesem Test gewinnt, steht von vornherein fest. Und wenn sich die Kirtley gut schlägt, ist das neue Muscle-Boat bereit für die echte Herausforderung: den Einsatz auf dem gewaltigen Mississippi. Kontakt Ryan Szubinski Tel.: +1 504 467-3811 Email [email protected]