Färber
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Vergiftungen mit Haushaltschemikalien Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Inhalt • Akuttoxikologisch relevante Inhaltsstoffe von Haushaltschemikalien • Fallbeispiele und Produktbeispiele • Behandlungsempfehlungen bei einer Vergiftung Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Alles was sauber macht 1925 Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 1 Alles was sauber macht 2014 Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG „Alles was schön macht“ Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Einteilung der Haushaltsprodukte • Einteilung nach Verwendungszweck: Chemische Produkte „alles was sauber macht“ Kosmetische Produkte „alles was schön macht“ Pestizide • „alles was tot macht“ …werden an anderer Stelle besprochen Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 2 Bestandteile von Haushaltsprodukten • Relevante Inhaltsstoffe aus akuttoxikologischer Sicht Tenside Säuren Laugen Organische Lösemittel, z.B. Ethanol Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Bestandteile von Haushaltsprodukten • weiterhin: Farb-, Duft- oder Konservierungsstoffe Lichtschutzfilter, Füllstoffe sog. „Inhaltsstoffe mit biologischer Wirkung“ Enzyme, Keratolytika, Vitamine, Hautaufheller... ...spielen akut aus klinisch-toxikologischer Sicht eine untergeordnete Rolle Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Tenside engl.:surface-active agents: surfactans geringe systemische Toxizität LD 50 Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 3 Tensidklassen Einteilung der Tenside nach Ladung des Gesamtmoleküls anionische nichtionische Waschmittel, Geschirrspülmittel, Haarshampoo kationische u. a. in Weichspülmitteln amphotere v. a. in Hautpflegeprodukten Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Wasch- und Reinigungsmittel Rezeptur: Allzweckreiniger Die Formulierungen werden als Standardprodukte und als Konzentrate angeboten, neben neutralen bis alkalischen Rezepturen gibt es auch saure Reiniger Quelle: http://www.ikw.org/fileadmin/content/downloads/Haushaltspflege/HP_Allzweckreiniger-Internet.pdf Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Fallbeispiel 1 Waschmittel-Ingestion • 5 j. Junge füttert 3j. Schwester mit Feinwaschmittelpulver • heftiger Husten des Mädchens, die Mutter wird hinzugerufen • über 10 min ununterbrochenen Hustens mit begleitendem Erbrechen und beginnender Atemnot wird der Notarzt hinzugezogen • Kinderklinik: Gabe von 100 ml Tee sowie dimethiconhaltigem Entschäumer • Nach 4 h beschwerdefreie Entlassung Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 4 Fallbeispiel 2: Handspülmittel-Ingestion Eine 94jährige Seniorin (dement) wurde nach Aufnahme einer halben Tasse Geschirrspülmittel schwer atmend und aus dem Mund schäumend vorgefunden. Erbrochenes gelang in die Atemwege, sie wurde vom Notarzt mit einem Atemschlauch (Tubus) versorgt. Häufiges Absaugen der Atemwege bei massiver schaumiger Sekretbildung. Die künstliche Beatmung konnte binnen 12 Stunden beendet werden. Stationärer Aufenthalt 10 Tage Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Symptome Tensidingestion • Schleimhautreizung Augenreizung: leichte Bindehautentzündung meist ohne Hornhautschädigung Mund- Rachenraum: würgen, brennen, speicheln Magen- Darm- Reizung: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall • Atemwegs-Reizung: kurz anhaltender Hustenreflex Komplikation: Schaumaspiration Lungenentzündung Symptome: anhaltender Husten, Atemnot, Atemnebengeräusche, Luftnot Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Behandlung Tensid - Ingestion • Bei oraler Aufnahme und bewusstseinsklarem, symptomarmen Betroffenen Gabe von Flüssigkeit (1 Glas Leitungswasser) Gabe von simeticonhaltigem Entschäumer Arztvorstellung bei Symptomen Bei starken Symptomen und suizidaler Einnahme größerer Menge: Klinikeinweisung Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 5 Entschäumer • Simeticon= aktiviertes Dimetikon enthält zusätzlich Siliziumdioxid • nicht toxisch, nicht resorbierbar • Wirkung ist rein physikalisch, über die Reduzierung der Oberflächenspannung • Verwendung als Karmiativum Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG • bei Tensidingestion Si O Si O Si n Säurehaltige Reiniger organische Säuren Essigsäure, Citronensäure, Maleinsäure Entkalker für Kaffemaschinen, Badreiniger, WC- Reiniger anorganische Säuren Salzsäure, Phosphorsäure, Salpetersäure z.B. in: Spezialreinigern, gewerblich genutzte Reinigungsmittel, ausländische Produkte (z.B. türkischer Reiniger „Porcöz“) G e f ä h r d u n g : Haut– Augen und Schleimhautreizend bis ätzend ! Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Laugenhaltige Reiniger „Chlorbleichlauge“ Natriumhypochlorit (NaClO) Sanitärreiniger, Bleichmittel (z. B. Domestos) „Natron-“ oder „Kalilauge“ (NaOH, KOH) in Rohrreiniger, Backofenreiniger, Abbeizmittel Gefährdung: Haut –Augen und Schleimhautreizend bis ätzend (Konzentrations- und pH- abhängig (>pH12 ) Laugen verursachen i.d.R. tiefergehende Gewebeschädigungen als Säuren (Kolloquationsnekrose) Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 6 Fallbeispiel: Rohrreiniger-Ingestion • 2 j. Junge wird von Großmutter mit Flasche eines Rohrreinigers in der Hand aufgefunden • er antwortet und verweigert die Mundöffnung • bei Öffnen durch die Hand zeigt sich eine massiv geschwollene Zunge und ein geröteter Rachen mit viel zähem Speichel • Notarzt spült den Mund nach Gabe von Beruhigungsmitteln • Kinderklinik: Speiseröhrenspiegelung: Kehlkopf und Speiseröhre unauffällig • Abschwellen der Zunge nach 4 Tagen, keine (erkennbaren) Restschäden. Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Fallbeispiel: Abbeizer-Ingestion • 71j. Mann trinkt bei Renovierungsarbeiten im Hause seines Sohnes 2 kräftige Schluck eines Abbeizers (Ammoniumhydroxid-Lösung) aus einer Chianti-Flasche • es kommt sofort zu heftigem Schmerzen, Husten und Erbrechen • Endoskopie: Schleimhautverätzungen im Mund/ Rachen, Speiseröhre und Magen; Pneumonie • nach 48 h Kreislaufschock, Bauchfellentzündung (Peritonitis) • Tod nach 60 h im Kreislaufschock. Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Zusammenfassung ätzende Haushaltprodukte • Gefahr des Durchbruchs von Speiseröhre oder Magen und bedrohlicher Kreislaufwirkungen • Gefahr der dauerhaften Einengung der Speiseröhre • Gefahr schwerer Augenschäden Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 7 Verätzungsbehandlung • Flüssigkeitsgabe, Spülung von Haut und Auge • • • ggf. Kortison zum Abschwellen Schmerzmittel Spiegelung vom Magen- bzw. Speiseröhre (diagnostisch) • ggf. chirurgische Therapie bei Einengungen oder Perforation Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Dichlormethanhaltiger Abbeizer (+ 5 % Ameisensäure) Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG > 8 Porcöz Rost- und Kalkreiniger • 25 % Salpetersäure • Legaleinstufung als „ätzend“ • z. T. korrekt gekennzeichnet – z. T. mit „X“ (illegale Import?) • verkauft vorwiegend an Bürgerinnen und Bürgern mit türkischem Migrationshintergrund • verwendet zur Reinigung & Entkalkung im Haushalt • Als Reinigungsgeheimtipp in Internetforen beschworen Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Gefährliche Bilanz • 25 Expositionsfälle mit Porcöz-Produkten • (über 130 Fälle aus allen GIZn in D) 6 5 4 3 2 1 2 00 9 2 01 0 Q I / 20 08 2 00 7 20 06 2 00 5 20 04 2 00 3 20 02 20 01 20 00 19 99 19 98 19 97 19 96 0 Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Zusammenfassung • 25 Expositionsfälle, davon 44 % mit stationärem Behandlungsbedarf • 2/3 Erwachsene, 1/3 Kinder • Kinder sind vor allem durch Ingestionsunfällen betroffen • Erwachsene meist inhalativ exponiert, z. T. nach Fehlanwendung Fazit: Ende 2010 wurde Handel und Verkauf verboten. Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 9 Lösemittel Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Ethanol • häufigste Ursache akuter Vergiftungen weltweit • Vorkommen: – in Haushaltschemikalien: – Kosmetika (Parfum, Aftershave, Haarwasser) – Haushaltsreinigern (Glasreiniger, Fleckentferner) – …und natürlich in alkoholischen Getränken Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Ethanol: akute Toxizität • Schwere Intoxikationen ab 2- bzw. 5 Promille zu erwarten. • Rausch Narkose • Übelkeit Erbrechen – Aspirationsgefahr • Atemdepression – Erstickungsgefahr – Vasodilatation (Gefäßerweiterung) Erfrierungsgefahr Hypoglykämie (niedriger Blutzucker) Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 10 Ethanol: Therapie • Kinder reagieren schon auf geringe Mengen Ethanol mit Müdigkeit, Torkeligkeit oder „Übermut“ • wg. schleimhautreizender Wirkung meist nur geringe Aufnahme • Zuverlässig häuslich überwachen und Gabe von zuckerhaltigen Getränken • ab 0.6 Promille ärztliche Überwachung Behandlung allgemein: • Symptomatisch • Dialyse möglich aber selten nötig. Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Ethanol: Chronische Toxizität • Sucht • Leberzirrhose (Risiko ab [20-] 40-60 g /Tag über 5 Jahre) • Polyneuropathie / Encephalopathie () • Magenschleimhautentzündungen, Speiseröhrenblutungen • Bauchspeicheldrüsenentzündungen • Alkohol-Embryofetopathie (1 von 1000 Neugeborenen) Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG Zusammengefasst: • Die orale Aufnahme von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetikprodukten gehört zu den häufigsten Unfällen mit Haushaltschemikalien in Deutschland und weltweit. • Kinder zwischen 2-4 Jahren sind meist betroffen, hochaltrige, bzw. demente Menschen haben ein erhöhtes Risiko bei Exposition. • Rein Tensid-haltige Mittel sind i.d.R. akuttoxikologisch harmlos aber können schweren Verlauf zeigen. • Schwere Unfälle durch Reinigungsmittel werden durch stark saure oder alkalische Produkte und durch Umfüllen verursacht. • Giftinformationszentren spielen eine wichtige Rolle bei der Erkennung von bestimmten Produkt-Risiken für den Verbraucher. Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 11 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Haushaltschemikalien, Elke Färber,September 2014 © UMG 12