Präsentation
Transcription
Präsentation
Kongress LESEN. LERNEN. 16. November 2005 in der Westfalenhalle in Dortmund Pubertierende Kids fürs Lesen begeistern Univ.-Prof. Dr. Peter Conrady Universität Dortmund Lesen kostet Kraft und ist oft mühevoll. Andere Medien bringen schneller Genuss sofort. Doch Lesen eröffnet ungeahnte Möglichkeiten – das können auch leseungewohnte Jugendliche erleben und erkennen. Durch konkrete didaktisch-methodische Anregungen erhalten Lehrkräfte Tipps. Aber nicht, um das Jugendbuch zu verschulen, sondern um „ihren“ Jugendlichen eine (neue) vergnügliche und wichtige Freizeittätigkeit zu ermöglichen. Schwerpunktthemen des Vortrages 1. Die „Welt der Jugendlichen“ Jeder ist ernst zu nehmen mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, seinen Erfahrungen und Problemen, seinen Wünschen und Hoffnungen. Es gibt natürlich nicht DEN oder DIE Jugendlichen. Aber Strukturen und Tendenzen von Verhalten und Interessen lassen sich erkennen. Wichtig ist es für uns als Erwachsene und Erzieher, auch entsprechende Daten aus Untersuchungen zum Leseverhalten der Jugendlichen zu Rate zu ziehen (s. z. B. Peter Conrady: Lesen und CD-ROM) 2. Wahrnehmen und Lernen Auch Lesen ist nur dann möglich, wenn ich wahrnehme und lerne. Wichtig sind beschreibbare Voraussetzungen und Fähigkeiten des Menschen, die sich sozial-historisch verändern können. Dazu gehören insbesondere die „Netzwerk-Organisation des Gehirns“ und die „Neurobiologie des Lesens“. Bei der Wahrnehmung bedarf das Verhältnis von Text und Bild einer besonderen Entwicklung der „viewing-literacy“ bzw. „visual literacy“. 3. Lernen sind immer aktive Tätigkeiten und Aneignungen Rezeptionen und Produktionen sind dabei aufeinander bezogen als Zerlegung und Arrangement durch ein Individuum in der Gesellschaft. Dabei bilden Hören und Sprechen und Lesen und Schreiben ein glückliches Kleeblatt und einen konstruktiven Widerpart. 4. Lebenslanges Lernen Lernen hat nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein Ende. Es kann auch nicht begriffen werden im Sinne eines stufenweisen Emporklimmens auf einer Kultur- oder Kanonleiter. Notwendig ist lebenslanges Lernen in konzentrischen Kreisen und in denen jeweils wichtige Lernfelder ausgeweitet werden. 5. Lernen als soziale Tätigkeit Nicht die Einsiedelei mag beispielhaft sein, vielmehr das Lernen in der 1 Gemeinschaft, auch wenn es die Zwangsgemeinschaft Schulklasse ist, z. B. in angemessenen Projekten. 6. Geschlechtsspezifika Beim Umgang mit Medien verhalten sich Mädchen und Jungen anders. Die Geschlechterdifferenzen sind anzuerkennen, aber Verfestigungen ist entgegenzuwirken. 7. Das alphabetische Lesen Dieses Lesen i. e. S. ist eine zentrale Voraussetzung für das verantwortliche und distanzierte Benutzen von Medien überhaupt. Das lernt sich nicht von selbst. Um dieses Lesen zu fördern, sind die Jugendlichen „dort abzuholen, wo sie sind“: – bei ihren Leseinteressen – bei ihrem Medien-Verhalten – bei ihren geschlechtsspezifischen Vorlieben – bei ihren altersbedingten Boom- und Knick-Zeiten – bei ihrem von der Schulform beeinflussten Tun – bei dem Stadt-Land-Unterschied 8. Lerngegenstände Inhalte und Layout sind sehr viel stärker auf das spezifische Wahrnehmungsund Lernvermögen und –verhalten abzustimmen. Das gilt besonders für Bücher. So sind manche Jugendliche überhaupt erst zu erreichen – um sie dann auf einem kleinen Teil ihres Lernweges zu begleiten und zu fördern. Die Verlage in Deutschland tun sich sehr schwer, spezifisch für Jugendliche ein solches Buch-Angebot anzubieten. Reihe „short and easy“ vom Verlag Ravensburg Reihe „Zoom“ vom Arena-Verlag Reihe „Streifzüge“ vom Bildungsverlag EINS (Hg. dieser Reihe: Peter Conrady; Titelliste s. meine Homepage) 9. Schule und Didaktik Jugendbücher im Unterricht sind ein wichtiges Mittel, um Jugendlichen so etwas wie Lesespaß spürbar zu machen. Für die didaktische Arbeit liegen zahlreiche Unterrichtserarbeiten vor. S. dazu unten: ZUM LESEN VERLOCKEN (Hg. Peter Conrady) 10. Lerninstitutionen Im Sinne eines Netzwerkes müssen sich die Aktivitäten in Kindergarten, Schulen, Universitäten und Bibliotheken verknüpfen. Angeregt wird ein lokaler RUNDER TISCH, an dem sich regelmäßig eine konstante Gruppe von Erwachsenen und Jugendlichen zum Themenbereich „Lesen und Medien“ treffen. Dazu gehören auch Verantwortliche aus örtlichen Vereinen, z. B. Sportvereinen usw. 11. Gesellschaftliche Aufgabe Wenn sich die politischen Kräfte für das Lesen in Freizeit und Schule nur mit einem Teil der Energie einsetzen würden, wie es z. Zt. vollmundig für die Computerausrüstung der Schulen („Schulen ans Netz“) geschieht, dann wäre 2 ein wichtiger Schritt getan. Wer mag darauf hoffen? Empfohlen wird hier die Eltern-Fortbildung. Anregungen über Bücher und Auswahlkriterien finden sich: Stiftung Lesen (Mainz) www.StiftungLesen.de Arbeitskreis Jugendliteratur (München) www.jugendliteratur.org Bücherliste, auf die im Vortrag verwiesen wurde Welsh, Renate Sonst bist du dran! Bieniek, Christian Svenja hat’s erwischt Beyerlein, Gabriele / Herbert Lorenz Die Sonne bleibt nicht stehen Röhrig, Tilman In 300 Jahren vielleicht Jugendbücher für leseungewohnte Jugendliche Reihe „Streifzüge“ (Titel s. Homepage: peter-conrady.de) Schliwka, Dieter Hakenkreuz und Gänseblümchen Gemmel, Stefan Wirklich NICHTS passiert Olbrich, Johannes Maria Gefressen werden die Kinder Reihe „short and easy“ im: Ravensburger Buchverlag Reihe „ZOOM“ im Arena-Verlag Sachinformationen für Jugendliche = Reihe: Erfolg mit Wissen z. B. Kaufmännisches Rechnen Deutsch 3 Univ.-Prof. Dr. Peter Conrady Universität Dortmund Kinder- und Jugendbücher im Unterricht Didaktisch-methodische Anregungen LERNEN als Leistungen im > Kognitiven > Emotionalen > Sozialen Vorinformationen (advance organizers) - zum Inhalt - zum Thema - zur Lebenssituation (evtl. auch Historisch; Geografisch) - zu den Figuren - zur Sprache (mit schwierigen Wörtern; ggf. Zubringertexte) - zur Textsorte Konkret: So beginnen ... (Möglichkeiten für den Einstieg) 1. Titel und Umschlagillustrationen nennen und zeigen 1. mögliche Handlung antizipieren lassen 1. eventuell Klappentext gemeinsam lesen und erarbeiten (Tafel / OHP) 1. Historische / geografische Informationen zum Hintergrund 1. Figuren nennen, kurz charakterisieren 1. mögliche Konstellationen der Figuren antizipieren lassen 1. Ort und Zeit der Handlung nennen 1. DAS wichtige oder EIN wichtiges Thema / Problem nennen 1. Diese Thema / Problem von den eigenen Erfahrungen her erarbeiten 1. Anlesen eines Textauszuges 4 weitere unterrichtliche Arbeit mit folgenden Schwerpunkten: Zentral ist sicherlich der Deutschunterricht/Literaturunterricht Aber fächerübergreifende Aspekte müssen – auch für die Sekundarstufe – von Anfang an mitbedacht werden. Denn Kinder und Jugendliche leben und denken nicht in Fachwissenschaften, sondern in sozialen Zusammenhängen und eigenen Erfahrungen („Sitz im Leben“). So sollten die Unterrichtsanregungen die emotionalen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen verknüpfen mit den sozialen Zusammenhängen, in denen sie leben und verbinden mit kognitiven Lernzielen. Dabei ist es wichtig, „Lesen in der Schule“ in einer sog. Brückenfunktion zu sehen: Hinführung vom schulischen Lesen zum Freizeitlesen bis hin zum Lesevergnügen. So ist prinzipiell vor der Verschulung von Literatur zu warnen. Sinnvoll wäre es immer, die Unterrichtsreihe auf max. 2 Wochen zu begrenzen. Denn es darf primär nicht darum gehen, ein Buch in Länge und Breite und Höhe und Tiefe durchzuarbeiten, vielmehr das Umgehen mit Literatur als ein freudiges Tun erfahrbar zu machen – auch für mich als Lehrerin und Lehrer! Dafür sind vielfältige Lernaktivitäten zu ermöglichen, über das reine Lesen und Analysieren hinaus. Denn jede und jeder lernt auf seine Weise. Und wir wissen zudem, dass handelndes Umgehen das Lernen aktiver und munterer, auch effektiver macht. So sind Möglichkeiten für produktives Agieren im Sinne von Handlungsorientierung anzuregen, besonders auch in andere und anderen medialen Formen - unter Einbeziehung der sog. Mediengesellschaft. aktive Verfahren Inselfrage: 3 Dinge ... Kartenabfrage (dann Clusterbildung; Blitzlicht) Antizipation Brainstorming / mind map / Clusterbildung Arbeit in Kleingruppen / Partnerarbeit 5 ergänzende Texte Lebenslauf (fiktiv; zu einer Figur) Interview Zeitreise in die Vergangenheit / in die Zukunft interkulturelle Reise Fishbowl-Verfahren / Aquarium (Experten aus den Kleingruppen zu einem Thema) Standbild / eingefrorene Szene Kugellagermethode (bei polaren Themen) szenisches Spiel (nach Vorgaben spielen) Rollenspiel (nach strukturellen Vorgaben weiter entwickeln) Pro-Kontra / Gerichtsverhandlung Puzzle (Sätze zu einer Geschichte formen; in Kleingruppen) Schreibanlässe Korrespondenz; auch @Mail Projektarbeit mit authentischem Material interdisziplinäres Arbeiten (Fächer übergreifend) multimediales Arbeiten 6 Fotoroman (Digitalkamera + PC) Kniebuch (Bilderbuch zerlegt, dann laminiert, dann Spiralheftung) Literatur-Markt (Achtklässler inszenieren Bücher für Fünftklässler) ZUM LESEN VERLOCKEN. Hg. Peter Conrady (Arena-Verlag, Würzburg; www.arena-verlag.de) = Zwei Ordner mit jeweils ca. 30 Unterrichtserarbeitungen für „Kinder- und Jugendbücher im Unterricht“ Andreas Schlüter für den Unterricht. Arena – Materialien für die Schule (15 UE) Kurzvita Peter Conrady, 1. und 2. Staatsprüfung, Diplom in Erziehungswissenschaften. Lehrer an der Grund- und Hauptschule und Sonderschule. Promotion (1975) und Habilitation (1979). Seit 1981 Universitätsprofessor an der Universität Dortmund, Institut für deutsche Sprache und Literatur (Fakultät Kulturwissenschaften) Arbeitsschwerpunkte: Kinder- und Jugendliteratur, Theorie und Didaktik des Lesens und Schreibens, Rezeptionsforschung. Leuchtturmprojekt „Lese(r)förderung“; Herausgeber der UE zur Kinder- und Jugendliteratur „Zum Lesen verlocken“; Mitherausgeber der Reihe „Lesen und Medien“ Mitglied in den Beiräten zu den Zeitschriften „Grundschule“ und „Praxis Grundschule“ seit mehreren Jahren Mail: [email protected] www.peter-conrady.de (wird z. Zt. erneuert) 7