„Ich will mich mit dem Leben draußen messen“

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„Ich will mich mit dem Leben draußen messen“
„Ich will mich mit dem Leben draußen messen“
31.01.2007
ESSLINGEN: Chansonnier Tommy Mammel schenkt sich zum Fünfzigsten ein Künstlerleben Bibliotheken-Tour geplant
Von Gaby Weiß
„Zum 50. Geburtstag schenk‘ ich mir die Freiheit“, erfüllt sich Tommy Mammel einen lang gehegten
Traum: Der Chansonnier, der der Musik bislang nur in seiner Freizeit frönen konnte, will als
Geschäftsführer einer internationalen Spedition in Esslingen in Zukunft kürzertreten und dafür seine
Leidenschaft zum Beruf machen, „als Vollzeitbohémien mit Weltanschluss“: Die zweite Hälfte seines
Lebens will er nur noch am Klavier, singend, schwadronierend, rezitierend und kabarettisierend durch die
Lande ziehen.
Ab in die künstlerische Freiheit
Schon lange fühlte der Sänger sich hin- und hergerissen,
jetzt will er es packen: „Die Kinder sind groß und
selbstständig, es muss kein Zehn-Stunden-Job mehr sein,
und finanziell reicht mir auch ein bisschen weniger“, sagt
er und zieht los in die künstlerische Freiheit. „Vor 20
Jahren war das Aufbrechen leichter“, erinnert sich
Mammel, der einst als Keyboarder der Thommie-BayerBand unterwegs war: „Alles blühte und strotzte vor Kraft.
Jeder wusste: Es geht alles.“ Die heute vorherrschende
Stimmung Marke „Es geht gar nichts“ weckt in Mammel
den Dickkopf: „Ich will nicht einstimmen in dieses
allgemeine Lied. Ich will, auch mir selbst, beweisen, dass
es trotzdem geht. Und ich will mich mit dem Leben
draußen messen.“
Obwohl er in der Esslinger Spedition, die auf
Wertsachentransporte spezialisiert ist, einen spannenden
Job hat, der ständige, oft weit reichende Entscheidungen
von ihm fordert, wird Tommy Mammel die tägliche Arbeit
an vorderster Front nicht vermissen: „Dieses tägliche
Müssen ist sehr einfach: Aufstehen müssen, Frühstück für
die Kinder machen müssen, ins Büro gehen müssen und
ohne besondere Kreativität diese zehn Stunden
rumbringen müssen.“ Tommy Mammel wird in Zukunft
seine langjährige Stellvertreterin stärker in die Verantwortung nehmen und hofft, dass er die für den
Geschäftsführer notwendige Selbstdisziplin auch ins Künstlerleben hinüberretten kann und ein
befriedigendes Wechselspiel zwischen Disziplin und Genuss hinbringt: „Ich muss mich ja nicht so
wahnsinnig dazu zwingen, ans Klavier zu sitzen und zu texten. Aber ich muss mich zwingen, stundenlang
herumzutelefonieren, Auftritte zu organisieren, Werbebotschaften zu formulieren und Plakate zu
verschicken“, kennt er seinen inneren Schweinehund ganz genau.
In den letzten Jahren hat das Publikum Tommy Mammel und seine Band „Nachtausgabe“ mit seinen
anspruchsvoll-lyrischen Texten, sehnsuchtstrunkenen Rock-Balladen und lässigen Jazzarrangements
schätzen gelernt. Die Italiener nennen diese singenden Poeten „Cantautore“, die Amerikaner „SingerSongwriter“, die Franzosen „Chansonnier“ - im Deutschen fehlt eine griffige Bezeichnung. Seine
tiefgründig-poetischen Texte, seine melancholischen Geschichten über das Leben, das Lieben und das
Nicht-mehr-Lieben sind Tommy Mammel wichtig. Rechtzeitig zu seinem Geburtstag will er fünfzig seiner
Songtexte aus den vergangenen zwanzig Jahren als Büchlein herausbringen.
Dichterlesung mit Musik
Immer wieder hat er Songtexte auch einfach rezitiert. Daher stammt die Idee, künftig mit einer Art
Dichterlesung mit Musik in Büchereien aufzutreten - derzeit stellt er den Fahrplan seiner BibliothekenTour zusammen. „Dort wo das Wort zuhause ist, mittendrin im literarischen Geist“ will er auftreten. Eine
Bücherei, so Mammel, biete die Freiheit, gute Laune zu verbreiten und trotzdem profundere Texte zu
bringen. Ein spannendes Konzept, das Musik- und Literaturfreunde gleichermaßen ansprechen soll. Aber
wie heißt es doch so trefflich in einem von Mammels Songs fürs neue Album „Stadt Land Fluss“, das im
Herbst erscheinen soll? „Ich schwimme gegen den Strom und mit ihm wieder zurück.“ Bei dieser
Verschmelzung von Wort und Musik werden neben lokalen Gastkünstlern seine spielfreudigen
„Nachtausgabe“-Kollegen in unterschiedlicher Besetzung mit dabei sein: Percussionist Matthias
Bergmann, mit dem er musikalisch perfekt harmoniert und sich kabarettreife Wortgefechte liefert, die
großartige Karin Miller mit ihrem Akkordeon oder Bassist Zimmi Zimmermann.
www.tommymammel.de