DS1992_Benennung VHS nach Gilberto Bosques

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DS1992_Benennung VHS nach Gilberto Bosques
Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
IV. Wahlperiode
Drucksache: DS/1992/IV
Ursprung: Antrag
Initiator: B'90 Die Grünen/DIE LINKE, Heck, Werner /Amiri, Reza
Beitritt:
Beratungsfolge
16.12.2015
Gremium
BVV
Erledigungsart
Antrag
Betr.: Benennung der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg nach Gilberto Bosques
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird beauftragt, die Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg nach Gilberto
Bosques zu benennen.
Begründung:
Gilberto Boques (*20. Juli 1892 in Chiautla - + 4. Juli 1995 in Mexiko-Stadt), mexikanischer Diplomat, der während des zweiten Weltkrieges zahlreichen deutschen (darunter auch vielen Berliner*innen) und österreichischen Flüchtlingen Hilfe und Asyl gewährte.
Gilberto Bosques war als mexikanischer Generalkonsul ab 1939 zunächst in Paris und dann, nach
der Besetzung großer Teile Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht, in Marseille, dem Sitz der
mit den Deutschen kollaborierenden Vichy-Regierung, tätig. In dieser Funktion stellte er zahlreichen Flüchtlingen – nach Südfrankreich geflohenen Kämpfern aus dem Spanischen Bürgerkrieg,
Juden, Antifaschisten, Sozialisten, Künstler*innen und weiteren vom Nazi-Regime bedrohten Menschen, – Ausreisepapiere und Visa für Mexiko aus, verschaffte ihnen auch die Schiffspassagen
nach Mexiko. Er ermöglichte auf diese Weise unter anderem auch Anna Seghers, Hanns Eisler,
Walter Janka, Marie Pappenheim, Egon Erwin Kisch und Bruno Frei die Flucht nach Mexiko. Einigen Quellen zufolge hat er so 40.000 Menschen das Leben retten können. Im englischsprachigen
Raum wird Bosques oft als der „mexikanische Schindler“ bezeichnet. Denn obwohl er dazu nicht
ermächtigt war, erteilte er auch Einreiseerlaubnisse an Personen, die in den Internierungslagern
des Vichy-Regimes interniert waren. Bei Marseille mietete er zwei Schlösser, in denen tausende
Flüchtlinge Schutz, Essen und medizinische Versorgung erhielten, bevor sie sich auf die Schiffsreise machen konnten. Für viele der Menschen, die so Zuflucht und Sicherheit in Mexiko bekamen,
war dies ein „Visa al Paradiso“, ein Visum fürs Paradies. Das Parlament Mexikos und Präsident
Lazaro Cardenas, wie auch sein Nachfolger Präsident Avila Camacho, verkörperten mit ihrer gegen den Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland gerichteten Politik das freie, hochherzige
Mexiko dieser Zeit.
Anna Seghers hat Gilberto Bosques und dem mexikanischen Generalkonsulat in ihrem Roman
Transit ein literarisches Denkmal gesetzt.
Als Mexiko im Mai 1942 an der Seite der Alliierten in den Krieg gegen Hitler-Deutschland eintrat,
wurden Gilberto Bosques und alle Mitarbeiter*innen des Konsulats von der Gestapo verhaftet,
nach Deutschland verschleppt und bis Februar 1944 in Bad Godesberg interniert, bis sie nach
über einem Jahr Hausarrest dann gegen deutsche Kriegsgefangene ausgetauscht wurden und in
ihre Heimat zurückkehren konnten. Als Bosques im März 1944 mit dem Zug in Mexiko-Stadt eintraf, bereiteten ihm tausende Menschen, die ihm ihr Leben verdankten, einen triumphalen Empfang.
Als Botschafter Mexikos in Portugal (1944-46) rettete Bosques dann abermals vielen Flüchtlingen
aus Spanien und anderen Verfolgten das Leben. Ebenso als Botschafter Mexikos in Kuba, wo er
auf eigenen Wunsch nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in Finnland und Schweden von 1953
bis 1964 tätig war. Auch hier erteilte er hundertfach Visa für Verfolgte der Batista-Diktatur, versorgte die in die Botschaft Geflüchteten bis zu ihrer Ausreise nach Mexiko. In seine Dienstzeit fiel dann
auch die Kubanische Revolution. 1964 nach Mexiko zurückgekehrt, trat er aus dem diplomatischen Dienst aus, wohl auch aus Protest gegen die sich verändernde Politik in seiner Heimat.
Damit wurde es dann bis zu seinem Tod im Juli 1995 still um ihn. Er und die von ihm verantworteten großen Rettungsaktionen Mexikos gerieten in Vergessenheit. Das sollte sich erst etwa 5 Jahre
nach seinem Tod ändern. Zunächst in Mexiko selbst, dann aber auch in Österreich, wo eine Straße in unmittelbarer Nähe des Wiener Sitzes der Vereinten Nationen nach dem Retter vieler vom
NS-Regime verfolgter Österreicher in „Gilberto-Bosques-Promenade“ benannt wurde. Vom Memorial für die Helden und Märtyrer des Holocaust in Israel Yad Vashem wurde er als „Gerechter unter
den Völkern“ geehrt. Und auch in Berlin wurde im Rahmen einer Ausstellung „Letzte Zuflucht Mexiko: Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil““ in der Akademie der Künste 2012/2013
seiner erstmals auch wieder in Deutschland gedacht. Insbesondere die Alexander-von-HumboldtGesellschaft bemüht sich seitdem darum, Gilberto-Bosques in Berlin eine dauerhafte Ehrung zuteil
werden zu lassen und an seine Taten zu erinnern.
Die Beschäftigten der Volkshochschule-Friedrichshain haben sich nun dieses Anliegen zu eigen
gemacht und angeregt, die Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg nach Gilberto Bosques zu
benennen. Denn hier und heute sind zahlreiche Menschen auf der Flucht und vielleicht mehr denn
je angewiesen auf mutige, humanistisch denkende und handelnde Menschen, die bereit sind,
ihnen ein „Visa al Paradiso“ auszustellen, sie bei sich aufzunehmen, wie dies Gilberto Bosques für
viele verfolgte Deutsche und Berliner*innen getan hat. Einigen von ihnen verdanken wir künstlerische Werke, die ein bedeutender Teil unseres kulturellen Erbes heute sind. Weshalb gerade eine
Institution wie die Volkshochschule geeignet und stolz darauf wäre, diesen Namen tragen zu dürfen.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 08.12.2015
B'90 Die Grünen/DIE LINKE Herr Heck, Werner, Herr Amiri, Reza
(Antragsteller/in, Fragesteller/in bzw. Berichterstatter/in)

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