Positionspapier REA HELP - Zürcher Gesellschaft für Kardiologie
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Positionspapier REA HELP - Zürcher Gesellschaft für Kardiologie
HELP Zürich c/o Dr. Schlegel Healthworld AG Dr. med. Walter Kaiser Sennweidstrasse 46 6312 Steinhausen Tel: 041 748 76 05, Fax: 041 748 76 11 E-Mail: [email protected] www.help-zuerich.ch Positionspapier von HELP-Zürich und der Zürcher Gesellschaft für Kardiologie (ZGK) zur Förderung der öffentlichen Massnahmen beim (beobachteten) Herzkreislaufstillstand und Einsatz von automatischen externen Defibrillatoren (AED) Motto: Herzstillstand ≠ Rettungsstillstand Auf Grund der 2-jährigen Tätigkeit der Arbeitsgruppe HELP-Zürich und den dadurch ausgelösten Diskussionen zu den richtigen Massnahmen im Kanton und der Stadt Zürich haben wir nachfolgende Stellungsnahme verfasst. Diese wird von allen kardiologischen Zentren unseres Kantons getragen. Mit den Richtlinien der American Heart Association (AHA) und des Swiss Resuscitation Councils (SRC) aus den Jahren 2005/2008 konnten die Erfolge beim akuten (=beobachteten) Herzkreislaufstillstand in den letzten Jahren signifikant verbessert werden. Es bestehen die nachfolgenden (aktualisierten) internationalen Empfehlungen von Fachorganisationen Entsprechend den neusten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) im Zusammenhang mit Verhaltensmassnahmen beim akuten Herzinfarkt wird empfohlen, die Ausbildung in Herz-Lungen-Wiederbelebung (kardiopulmonale Reanimation oder CPR) in den schulischen Lehrplan zu integrieren. Polizisten und Feuerwehrpersonal haben aufgrund ihrer Tätigkeit die grösste Wahrscheinlichkeit, als Ersthelfer (First Responder) auf Opfer mit Herzstillstand zu treffen. Sie sollten daher in der Anwendung von kardiopulmonalen Reanimationsmassnahmen sehr gut geschult sein.1 Die AHA empfiehlt einen Automatischen Externen Defibrillator (AED) an jenen Orten zu installieren, wo mehr als 250 Erwachsene im Alter von mehr als 50 Jahren für mehr als 16 Stunden/Tag anwesend sind.2 Der AED sollte dabei in 5 Jahren einmal benutzt werden und in weniger als 5 Minuten einsatzbereit sein. Plötzlicher Herzstillstand – ein wichtiges Gesundheitsproblem Der Herzkreislaufstillstand ausserhalb des Spitals ist eine besondere Herausforderung an das Gesundheitssystem; weniger als 6% der Betroffenen überlebten ihn entsprechend verschiedener Studienresultate vor der Einführung der Richtlinien 2005. Gemäss der Schweizerischen Herzstiftung sterben 8’000 bis 10’000 Menschen pro Jahr (d.h. ca. 1 Ereignis/Stunde) an einem plötzlichen Herztod.3 Im Kanton Zürich sind es jährlich über 600 Opfer. In den meisten Fällen (in über 70%) löst ein Kammerflimmern den plötzlichen Herztod aus. Arbeitsgruppe HELP Zürich Präsident: Patronate: Dr. med. Urs N. Dürst FMH Kardiologie / Innere Medizin Zollikerstrasse 79 / 8702 Zollikon Tel: 044 391 41 20, Fax: 044 391 41 25 Wirksamkeit von AED-Programmen Durch den raschen und richtigen Einsatz von kardiopulmonalen Reanimationen inklusive AED-Geräten könnten viele dieser Opfer gerettet werden. Innerhalb der ersten 3 Minuten beträgt die Überlebenschance ca. 70%. Ohne kardiopulmonale Reanimation treten erste Hirnschäden nach etwa 5 Minuten auf. Mit jeder Minute Verzögerung der Reanimation steigt die Sterblichkeitsrate gemäss AHA um 7 - 10% an. Seit 2005 empfehlen die internationalen Richtlinien daher die sofortige Herzmassage und den raschen Einsatz eines AED auch durch Laien. Es gibt zwei Strategien für den Einsatz dieser Helfer: Ersthelfer (First Responder; für Notfallsituationen ausgebildete und ausgerüstete Ersthelfer) und Public Access Defibrillation (PAD; öffentlich zugängliche Defibrillatoren und Anwendung durch Personengruppen ohne medizinische Versorgungsaufgaben). Diese Massnahmen bewährten sich bereits, nicht zuletzt auch weil die modernen AED ein hohes Mass an Sicherheit hinsichtlich der Erkennung und Therapie von Herzrhythmusstörungen aufweisen und leicht zu bedienen sind. Seit der Umsetzung der neuen Richtlinien konnte die Erfolgsrate bei einem beobachteten Herzkreislaufstillstand von 15 auf 48% mit normalem neuro-logischem Ausgang gesteigert werden.4 AED in der Schweiz Verschiedene Schweizer Regionen setzen bereits AEDs zur Bekämpfung des plötzlichen Herztods ein. So tritt z.B. das Projekt «Herzsicheres Davos» dem plötzlichen Herztod wirksam entgegen. Seit Juli 2008 sind die Ortsbusse in Davos mit einem AED ausgerüstet, der von Laien und den ausgebildeten Bus-Chauffeuren bedient werden kann.5 Die „Fondazione Ticino Cuore“ mit ihrem Projekt gehört zu den Pionieren im Zugang zur Früh-Defibrillation: Der gesamten Kanton Tessin wird grossflächig mit AEDs ausgerüstet, damit überall und innert 5 Minuten ein Gerät zur Verfügung steht.6 Ähnlich setzt auch der Kanton Solothurn den Ausbau seiner AED-Infrastruktur für Ersthelfer (First Responder) mit Erfolg um: Zwischen 2001 und 2007 kam es zu 1'166 Einsätzen von AED-Teams und 557 Einsätzen von AED-Geräten.7 Erste Schritte sind auch in der Stadt Zürich erfolgt: Öffentlich zugängliche Telefonkabinen an der Bahnhofstrasse sind mit fest installierten AEDs ausgerüstet worden.8 AED-Einsätze im Ausland Die folgenden, häufig zitierten Beobachtungen geben einen Einblick in die Erfahrungen im Ausland: Durch Ersthelfer (First Responder) - Casinos Las Vegas: Von 105 Personen mit Herzstillstand durch Kammerflimmern (71%) konnten 56 dank eines vor Ort angebrachten AED-Gerätes durch Sicherheitspersonal gerettet werden. Die Überlebensrate bei fehlenden neurologischen Störungen betrug 53%.9 - Flugbegleiter: Bei einer grossen US-amerikanischen Fluggesellschaft wurden zwischen 1997 bis 1999 insgesamt 99 bewusstlose Patienten erfasst, davon 14 mit Kammerflimmern. Die Defibrillation war bei 13 Patienten erfolgreich. Das Überleben bei Kammerflimmern lag bei 40%.10 - Polizeibeamte: Das Überleben von Patienten mit Kammerflimmern/Kammertachykardien verbesserte sich von 9% auf 17.2%. Die Polizei traf im Durchschnitt 1.5 Minuten vor dem Rettungsdienst beim Patienten ein. Die Studie wurde im Landkreis Miami-Dade, USA durchgeführt.11 - Geschulte Laien (Citizen Responder): Im Vergleich kardiopulmonale Reanimation versus kardiopulmonale Reanimation plus AED an öffentlichen Orten konnte das Überleben von 9% auf 23% gesteigert werden.12 - Piacenza: Die ohne explizite kardiopulmonale Reanimationsschulung und lediglich in der Bedienung von AED angeleitete Polizei, Feuerwehr und Laien erhöhten beim Einsatz die Überlebensrate um das Dreifache von 4.3% auf 15.8%.13 Durch Public Access Defibrillation (PAD) - Flughafen Chicago: Innerhalb von 2 Jahren wurden 11 von 18 Opfern mit Kammerflimmern bei 21 Herzkreislaufstillständen dank des Einsatzes eines AED-Gerätes gerettet. 5 dieser 11 Helfer waren nicht geschulte Personen. Die Überlebensrate betrug 61%; beim Einsatz des AEDs innerhalb von 5 Minuten sogar 75%. Die Kosten für die im Flughafen Chicago installierten 27 Geräte betragen 35’000 $ pro Jahr.14 - Japan: Laien benutzten öffentlich platzierte AEDs im Jahr 2006 insgesamt 140 Mal. 45 der Betroffenen (32%) überlebten das Ereignis. Dies bedeutet, dass einer von drei Patienten überlebt. Diese öffentlich zugänglichen AEDs können das Überleben um das Vierfache steigern.15 - Deutschland: Ähnliche Erfahrungen werden beispielsweise in der Münchner U-Bahn (39 AEDs), im Landtag Nordrhein-Westphalen in Düsseldorf (6 AEDs), im Freizeitbad „LAGO Die Therme“ (8 AEDs) und am Rhein-Main-Flughafen Frankfurt (16 AEDs) gemacht.16 Weitere Beispiele aus der Schweiz und Folgen Den Nutzen eines öffentlich zugänglichen Defibrillators belegt klar auch die Rettung von Nationalrätin Bea Heim am 16.06.2006. Sie verdankt ihr Leben dem raschen Einsatz eines AEDs im Bundeshaus. Eine kardiopulmonale Reanimation alleine hätte nicht ausgereicht, denn das tödliche Kammerflimmern kann nur durch einen Stromstoss mit einem AED beendet werden. Bis vor wenigen Jahren lag die Erfolgsquote auch in der Schweiz unter 10%. Mit den neuen Reanimationsempfehlungen aus den Jahren 2005/2008 und Projekten wie dem Ersthelfer (First Responder)-Programm der Zürcher Stadtpolizei sollten zukünftig auch für Zürich Erfolgsquoten von gegen 30% wie bei anderen vergleichbaren Programmen erreicht werden. Als wichtigster Faktor muss der Zeitverzug reduziert werden: So betrug die Zeitspanne vom Kollaps bis zum Eintreffen der Rettungskräfte im Raum Lausanne in den Jahren 1997 - 2001 13 ± 8 Minuten. In 67% der Überlebenden fand man ein behandelbares Kammerflimmern resp. eine Kammertachykardie.17 Zum anderen muss die Schulung verbessert und die Hemmschwelle bei der Alarmierung und/oder beim Einsatz der Geräte gesenkt werden. Der Grossteil der Herztodesfälle (ca. 80%) ereignet sich nicht an öffentlichen Orten, sondern nach wie vor zu Hause, wo die richtigen Massnahmen zu selten oder eben zu spät eingeleitet werden. So ergab eine Studie mit heiminstallierten AEDs bei Patienten mit erlittenem Vorderwand-Infarkt keine Mortalitätsreduktion, da die Geräte entweder nicht oder zu spät eingesetzt wurden.18 Bei einem Herzkreislaufstillstand zu Hause können FirstResponder-Teams rasche und sehr effiziente Hilfe leisten. Wirtschaftlichkeit Der Nutzen einer erfolgreichen Reanimation ist erwiesen.14,15,19-21 Hohe Kosten aufgrund von Folgeschäden bei Betroffenen durch verspätete Reanimation werden vermieden bzw. reduziert. Schulungen bieten dabei beste Voraussetzungen für den effizienten Einsatz der AED-Geräte. Kosten-Nutzwert-Analysen zum Einsatz von AEDs durch den Polizeidienst ergaben Kosten in Höhe von 1'582 bis 16'060 $ pro gewonnenem Lebensjahr.19 Auch die Zahlen aus Japan belegen, dass die AED-Platzierung kosteneffektiv ist.14 Hingegen ist die wahllose Aufstellung von AEDs in sehr nieder frequentierten Gegenden mit einer Niederrisikopopulation im Ausland20 ausserhalb der empfohlenen europäischen Richtlinien1 nicht sinnvoll. Besonders effektiv sind Ersthelfer (First Responder)-Systeme. Für den gesamten Kanton Solothurn wird mit Kosten in Höhe von 4 CHF pro Person und Jahr gerechnet, nach der Einführungsphase sogar nur noch mit 2 CHF. Die Gesamtkosten für die Projekteinführung (inklusive Ausbildung, Kommunikation etc.) im gesamten Kanton werden auf 1 Million CHF geschätzt.7 Juristische Aspekte Gemäss Artikel 128 des Schweizerischen Strafgesetzbuches ist jeder verpflichtet, Hilfe zu leisten, wenn ein Mensch in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt. Pflicht zur Hilfe besteht allerdings nur, wenn diese zumutbar ist und der Helfer sich dadurch nicht selbst in Lebensgefahr bringt. Obwohl es in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern kein Gesetz gibt, das Notfallhelfer vor allfälligen Haftungsansprüchen bei Fehlhandlungen schützt, besteht dieses theoretische Risiko praktisch kaum. Die Möglichkeit, dass ein Helfer einen Fehler macht oder ihm ein solcher nachgewiesen werden kann, tritt kaum auf. Bis heute ist unseres Wissens in der Schweiz auch kein Helfer wegen einer Reanimation je belangt worden. Umsetzung der richtigen Massnahmen auf dem Platz Zürich Wir empfehlen in den kommenden Jahren zur Verbesserung des Überlebens bei einem Herzkreislaufstillstand: 1. Festigung der Ziele der Aktion HELP der Schweizerischen Herzstiftung und der Aktivitäten von HELP-Zürich in unserer Bevölkerung: Rasche Alarmierung der Notrufnummer 144; rasches Erkennen der Symptome eines Herzinfarktes und eines Hirnschlages; richtiges Verhalten bei einem Herzkreislaufstillstand mit sofortigem Einsatz eines AEDs – vgl. www.help-zuerich.ch und www.helpbyswissheart.ch. 2. Breite Schulung der kardiopulmonalen Reanimation in der Bevölkerung. Einführung eines Pilotprojektes im 9./10. Schuljahr. 3. Förderung der Ersthelfer (First-Responder) gemäss Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie – u.a. Ausbildung der Stadt- und Kantonspolizei in kardiopulmonaler Reanimation und AED-Handhabung mit Ausrüstung der Streifenwagen. Auf dem Land situationsgerechter Einbezug der Feuerwehren. Zahlreiche Studien belegen, dass durch den Einsatz von AEDs durch geschulte Ersthelfer aber auch ungeschulte Laien eine deutliche Senkung der Sterblichkeit an plötzlichem Herztod erreicht werden kann. 4. Sinnvolle Platzierung von öffentlich zugänglichen AEDs an hoch frequentierten Standorten unseres Kantons (Stadien, Theater, Bahnhöfe, Flughafen, Verkehrsknotenpunkte, Apotheken, Shoppingzentren, grosse Kaufhäuser oder entlang Einkaufsstrassen, Restaurants, Arbeitsorten, Transportmitteln, u.a.). Die Effektivität des Einsatzes von AEDs an hoch frequentierten Orten ist gut belegt. Schlussbemerkungen Diese Ansichten widerspiegeln die geltenden Richtlinien und die Überzeugung der Unterzeichner, dass die Umsetzung der erwähnten Massnahmen den potentiell betroffenen Opfern eines Herzstillstandes zugute kommt. Auf moralisch-ethische Aspekte wird bewusst nicht eingegangen, da diese an anderer Stelle ausführlich abgehandelt sind.22 Ziel dieses Dokumentes ist es, die Bedeutung des komplexen Problems des Herzkreislaufstillstandes und seiner Folgen von der Perspektive des Kardiologen und Notfallmediziners aufzuzeigen und die Bevölkerungen darin zu bestärken, dass die Schulung in kardiopulmonaler Reanimation und die Installation und Anwendung von AEDs hilfreich sind. Es handelt sich um relativ einfach durchführbare, wirksame und wirtschaftlich rentable Massnahmen. Dr. U. Dürst Präsident Zürcher Gesellschaft für Kardiologie und HELP-Zürich Prof. Dr. T. Lüscher Ärztlicher Direktor Kardiologie Universitätsspital Zürich Prof. Dr. F. Eberli Chefarzt Kardiologie Stadtspital Triemli PD Dr. G. Sütsch HerzZentrum Hirslanden Zürich PD Dr. A. Linka Leiter Kardiologie Winterthur Prof. Dr. O. Bertel HerzGefässZentrum Zürich Zollikon, Ende Januar 2009 Literaturverzeichnis 1. 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