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Gültig seit Januar 2012 Kfzspezial Zeitung für die Beschäftigten des Kfz-Gewerbes Bezirk Nordrhein-Westfalen Ausgabe 1 / Februar 2012 STARTSCHUSS! Die Tarifrunde 2012 läuft an Dem Kfz-Handwerk geht’s gut. Davon müssen auch die 80.000 Beschäftigten in NRW profitieren, sagt die IG Metall NRW. Sie plant jetzt die Tarifrunde 2012. SEITE 2 RICHTIG EINGRUPPIERT? Eingruppierungsgrundsätze VORGABEZEITEN Ein Buch mit sieben Siegeln PKW-ZULASSUNGEN 2011 Autoverkauf auf Hochtouren SEITE 3 AUTOHAUS FRANKEN „Sympathisch, fair und mehr“ TARIF AKTIV Autohäuser beglücken MAN SANKT AUGUSTIN „Alt und Jung – das passt“ SEITE 4 Foto: ccvision EURO-KRISE HIN, STAATSSCHULDEN HER: Das deutsche Handwerk boomt. Der Umsatz legte 2011 um fünf Prozent zu. Auch für 2012 erwarten die Betriebe ein deutliches Wachstum. Die Zeitung „Die Welt“ titelte Anfang Januar: „Handgemachtes Wirtschaftswunder“. Viele Betriebe hatten zum Jahresende 2011 volle Auftragsbücher, auch das Kfz-Gewerbe. Das Handwerk kann sich vor Aufträgen kaum retten. „Selten ging es den Meisterbetrieben im Land so gut“, schrieb „Die Welt“. Die Zahl der Stellen stieg um 25.000, trotzdem sind tausende Lehrstellen unbesetzt, stellte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fest. Das KfzGewerbe erfreut sich bei Jugendlichen wieder steigender Beliebtheit. Ob Kfz-Mechatroniker oder Automobilkaufmann/-kauffrau – die Zahl der Azubis steigt, zurzeit sind im Kfz-Gewerbe bundesweit 87.800 Auszubildende gemeldet. Der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) meldet: Geschäftsentwicklung ist „stabil“. Im vierten Quartal 2011 bezeichneten 29 Prozent der Betriebe sie Inhalt Termin-Fahrplan zur Tarifrunde 2012 3. Februar: Tarifkommission eröffnet Forderungsdiskussion 9. März: Tarifkommission beschließt Entgeltforderung Regionalkonferenzen 23. Februar Dinslaken 8. März Bielefeld 6. März Leverkusen 13. März Bochum Ende April: erste Tarifverhandlung 31. Mai: Entgelttarifvertrag läuft aus als „gut“, 47 Prozent nannten sie „befriedigend“ und nur 24 Prozent „schlecht“. Tragende Säule war das Servicegeschäft. Fast alle Betriebe verzeichneten eine gute (61 Prozent) oder saisonübliche Werkstattauslastung (38 Prozent). Die Zahl der Insolvenzen war stark rückläufig, in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres machten Kommentar Jetzt wird in die Hände gespuckt… Von Bernd Epping, IG Metall-Verhandlungsführer Auto und Sprit sind eine untrennbare Einheit. Wie Lohn und Leistung. Doch mit dem Lohn hapert es. Das Handwerk boomt zwar, aber die Einkommen verharren auf ihrem alten Stand – das kann nicht sein. Wer Autos verkauft und repariert – und zwar mehr als früher – , soll sich auch welche leisten können. Die Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung hat sich 2011 endlich wieder ins Plus gedreht; davon müssen auch die Beschäftigten profitieren. Wenn es in der Kasse des Chefs klingelt, darf im Portemonnaie der Mitarbeiter nicht Ebbe herrschen. Weihnachten ist vorbei, niemand schenkt uns einen neuen Tarifvertrag. Den müssen wir uns holen. Per Verhandlung mit der Tarifgemeinschaft der Kfz-Arbeitgeber und in den Betrieben, dort wo es Haustarife oder gar keinen Tarifvertrag gibt. An betriebsnaher Tarifpolitik führt kein Weg vorbei. „Mehr Geld“ – das Thema dürfte allen Beschäftigten unter den Nägeln brennen. Mein Appell: Redet im Betrieb darüber. Und nehmt Kontakt mit der IG Metall vor Ort auf. Was ihr erarbeitet habt, darf nicht allein als Gewinn in die Tasche des Arbeitgebers fließen. Der Kuchen muss geteilt werden! 23 Prozent weniger pleite als im Vorjahreszeitraum. „Für das neue Jahr rechnet das Kfz-Gewerbe mit einem ordentlichen Start“, berichtet das ZDK. So erwarten über 80 Prozent der befragten Betriebe für das erste Quartal 2012 eine bessere beziehungsweise saisonübliche Geschäftslage. Tarifrunde selbstbewusst anpacken Für die IG Metall NRW ist die gute Wirtschaftslage des Kfz-Gewerbes Grund genug, selbstbewusst in die Tarifrunde 2012 zu starten. Die Diskussion über die Höhe der Entgeltforderung läuft. Die Tarifkommission wird Anfang März die Forderung beschließen. Anfang des Jahres hat die IG Metall NRW ein neues Kapitel in der Tarifgeschichte des nordrhein-westfälischen Kfz-Handwerks aufgeschlagen: Seit 1. Januar gilt erstmals seit Jahren wieder eine einheitliche Entgelttabelle (siehe Seite 2 oben). Sie ist mit der Tarifgemeinschaft der Kfz-Arbeitgeber abgeschlossen worden, nachdem die Kfz-Innung 2008 aus dem Tarifgeschäft ausgestiegen war. Zwar gilt der Entgelttarifvertrag direkt nur für die Firmen, die Mit- Handwerkerstolz Das ändert sich 2012 glied der Tarifgemeinschaft sind. Er ist aber auch für viele andere Betriebe der entscheidende Maßstab (Leuchtturm): für die Betriebe, die mit der IG Metall einen Haus- oder einen Anerkennungs-Tarifvertrag geschlossen haben. Und selbstverständlich auch für die Betriebe, die noch gar keinen Tarifvertrag haben. Entgeltgruppe 1 2 3 4 5* *Eckentgelt Monatsentgelt ab 1. Januar 2012 € 1.724,00 € 1.849,00 € 1.955,00 € 2.166,00 € 2.307,00 Entgeltgruppe 6 7 8 9 10 Monatsentgelt ab 1. Januar 2012 € 2.547,00 € 2.778,00 € 3.005,00 € 3.270,00 € 3.594,00 Die Vergütung für eine Arbeitsstunde errechnet sich aus dem Monatsentgelt geteilt durch: 152,25 ab dem 55. Lebensjahr 154,43 ab dem 50. Lebensjahr 156,60 ab dem 45. Lebensjahr 158,78 für alle übrigen Beschäftigten Kfzspezial Richtig eingruppiert – schon überprüft? Vom Arbeitgeber gekündigt wurden im ersten Halbjahr 2008 von den Beschäftigten in privaten Betrieben … 1,5% 0,5% … ohne Betriebsrat … mit Betriebsrat und Tarifvertrag und Tarifvertrag Quelle: Hans-Böckler-Stiftung Entgeltgruppe 8: Umfangreiche Weiterbildung mit abgelegter Prüfung oder durch Berufspraxis erworbene, gleichwertige Qualifikation Spezielle Funktionen oder Tätigkeiten mit höherwertigen Fachkenntnissen, die völlig selbstständig ausgeführt werden „Jeder Arbeitnehmer wird entsprechend seiner ausgeübten Tätigkeit in eine Entgeltgruppe eingruppiert“, heißt es im Entgeltrahmenabkommen vom 1. Juli 2010. Maßgebend für die Eingruppierung sind Qualifikation und Tätigkeit. Entgeltgruppe 1: Keine Berufsausbildung Tätigkeiten, die keine berufsfachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern Entgeltgruppe 2: Ausbildung ohne Abschluss oder einjährige Berufspraxis Tätigkeiten, die geringe berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern Mehr Jobsicherheit mit Betriebsrat Seite 2 Ausgabe 1 / Februar 2012 Entgeltgruppe 3: Ausbildung mit Abschluss oder mehrjährige Berufspraxis Tätigkeiten, die allgemeine berufiche Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern Betriebsräte und Tarifverträge bringen den Beschäftigten mehr Sicherheit. 2008 wurden in Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifvertrag drei Mal so viele Beschäftigte gekündigt wie in Betrieben mit Arbeitnehmervertretung und Tarifbindung. VORGABEZEITEN Entgeltgruppe 4: Ausbildung mit Abschluss, spätestens nach neun Monaten; gleichwertiger, durch Berufspraxis oder Qualifizierung erworbener Ausbildungsstand nach Einarbeitung Tätigkeiten wie in Gruppe 3, die nach Anweisung ausgeführt werden Entgeltgruppe 6: Ausbildung mit Abschluss und mehrjährige Berufserfahrung sowie umfassende Fachkenntnisse, die auch durch Fortbildung und Berufspraxis erworben sein können Qualifizierte Tätigkeiten, die nach Anweisung völlig selbstständig ausgeführt werden Entgeltgruppe 5: Ausbildung mit Abschluss und Berufspraxis sowie Fachkenntnisse, die auch durch Fortbildung und Berufspraxis erworben sein können Qualifizierte Tätigkeiten, die nach Anweisung weitgehend selbstständig ausgeführt werden Entgeltgruppe 7: Qualifikation wie in Gruppe 6 plus Befähigung, andere Mitarbeiter anzuleiten (keine Azubis) Tätigkeiten mit Koordinationsaufgaben oder Alleinverantwortung Entgeltgruppe 9: Meister, gleichwertige Aufstiegsfortbildung oder Hochschulabschluss Begrenzte Führungsaufgaben oder geschäftspolitische Tätigkeiten mit Alleinverantwortung Entgeltgruppe 10: Qualifikation wie in Gruppe 9 Leitungsfunktionen oder Tätigkeiten „mit abteilungspolitischer Alleinverantwortung“ FLEXIBLE ARBEITSZEITEN Früher ins Wochenende Sie möchten das Auswärtsspiel von Schalke 04 auch in der Woche besuchen? Oder – im Sommer – schon am Freitagmittag zum Campingwagen an den See? Der IG Metall-Tarifvertrag fürs Kfz-Handwerk gibt das her. Foto: MEV Verlag GmbH Ein Buch mit sieben Siegeln Die Vorgabezeiten für Wartungs- und Reparaturarbeiten der Autohersteller empfinden Werkstattbeschäftigte oft als ungerecht. Sie seien „ein Buch mit sieben Siegeln, also schwer durchschaubar“, schreibt die IG Metall-Zeitung „Kfz-Handwerk“ in ihrer aktuellen Ausgabe (Dezember 2011). MEHR TRANSPARENZ sei nötig. „Und ein Betriebsklima, das den Beschäftigten Mut macht, sich gegen zu kurze Vorgabezeiten – und damit verbundene Lohneinbußen – zu wehren.“ Die IG Metall-Experten raten: Reklamationsrechte offensiv nutzen. Sie würden zu selten wahrgenommen, und wenn, dann verliefen die Einsprüche oft im Sande. Die Hersteller haben formalisierte Verfahren, um in zweifelsfreien Fällen die Arbeitszeitwerte ohne viel Tamtam zu ändern. Nicht einzuhalten sind die Werte, wenn der Serviceberater einen Auftrag nicht korrekt entgegennimmt, was Nachfragen der Werkstatt auslöst. In den Zeitwerten nicht berücksichtigt sind auch das Bestellen von Ersatzteilen oder das Entfernen von Schnee und Eis an den Fahrzeugen. Auf diese Zeitfresser sollten Betriebsräte achten – und dafür sorgen, dass sie verschwinden. „Im Normalfall kann man die Zeiten einhalten, ohne sich abzuhetzen“, versichert der Wolfsburger Fachmann Sven Amelang. Den Betriebsräten empfiehlt er, „die Abläufe und Prozesse im Autohaus unter die Lupe zu nehmen.“ DER SCHLÜSSEL zu flexiblen Arbeitszeiten sind Arbeitszeitkonten. „Über sie wird viel geredet, aber sie werden nur unzureichend genutzt“, sagt Herbert Rautenberg, Tarifexperte der IG Metall Essen.Die Arbeitszeit darf zwischen 29 und 42 Wochenstunden schwanken. „Planen Sie im neuen Jahr einen Autokauf?“* Ja, einen Neuwagen Weiß nicht 5% Nein 36% 31% Ansprechpartner beim IG Metall-Vorstand Helmut Hennecke für die Marken im Volkswagenkonzern: 069/6693-2392, [email protected] Sebastian Fersterra für Opel: 069/6693-2930, [email protected] Herbert Weber für Ford und Mercedes-Benz: 069/6693-2448, [email protected] 28% Ja, einen Gebrauchtwagen So steht’s im Tarifvertrag. Überstunden und Zuschläge gehen auf ein Zeitkonto. Es darf maximal 60 Minus- und 146 Guthaben-Stunden aufweisen. Spätestens nach zwölf Monaten muss das Konto ausgeglichen sein, sprich null Stunden aufweisen. Wann und zu welchen Gelegenheiten ein Beschäftigter auf sein Zeitkonto zugreifen kann, müssen Betriebsrat und Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung regeln. „Das Arbeitszeitkonto ist nicht dazu da, nur Arbeitgeberwünsche zu erfüllen“, sagt Metaller Rautenberg. „Wir haben die Arbeitszeit auch flexibilisiert, damit die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität gewinnen.“ Starre Arbeitszeiten passten nicht in die moderne Welt des Kfz-Gewerbes. Arbeitsbeginn und -ende müssten nicht Tag für Tag zur selben Zeit stattfinden. So verstanden sei Arbeitszeitflexibilisierung im Interesse beider Seiten, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Zeitkonten verschaffen den Beschäftigten nicht nur mehr Freizeitmöglichkeiten. „Sie schützen auch den Arbeitsplatz“, sagt Rautenberg. „Bevor jemand gekündigt wird, kann erst einmal das Pluskonto abgebaut und dann ins Minus gefahren werden.“ Autoverkauf auf Hochtouren Pkw-Zulassungen in den Jahren 2010 und 2011 (in 1000) 340 328 2011 320 305 2010 288 300 281 280 294 261 289 266 260 238 260 259 240 250 224 237 220 211 269 258 257 262 245 230 200 201 195 180 181 * Das wollte der Auto Club Europa im Dezember auf seiner Homepage www.aceonline.de wissen. Das Ergebnis dürfte die Autoindustrie und den Handel freuen: 64 Prozent der Antworten lauten „Ja“. 160 Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Quelle: Kraftfahrzeugbundesamt Das Jahr 2011 lief für die Autohersteller besser als 2010: Die Zahl der Pkw-Zulassungen stieg um 8,8 Prozent auf 3,17 Millionen. Seite 3 AUTOHAUS FRANKEN „Sympatisch, fair und mehr“ HINTERGRUND DER BETRIEBSRATSWAHL: Das Unternehmen hat sich neu aufgestellt und firmiert seit Mitte 2011 unter „Franken Service GmbH“. Damit bei diesem Zusammenschluss aller Standorte die Der Betriebsrat von Franken: Thorsten Angenendt, Denise Hammer, Ralf Zilinski (Vorsitzender) und Frank Wenda (von links nach rechts). Nicht auf dem Bild: Ralf Wermuth, Caterina Oliva, Nicole Blank, Thorsten Rosenetzke und Carsten Stiers. Der gelb-schwarze Pinguin ist das Maskottchen der Opel-Winteraktion. Interessen der Beschäftigten nicht unter die Räder kommen, riefen alle Betriebsräte – an vier Orten gab es IG Metall beglückt Autohäuser – eine Aktion in vier Schritten Die IG Metall Dortmund will, dass in mehr Autohäusern Tarifverträge gelten. Sie beglückt deshalb Händler und Werkstatten, deren Arbeitsund Einkommensbedingungen unter dem Tarifstandard liegen. Foto: Olaf Kamhöfer DIE PREMIERE der Aktion „Tarif Aktiv“ fand am 18. Januar vor dem Autohaus Schmidt in Lünen statt. „Da haben wir so genannte Kundenstopper auf dem Gehweg und der Zufahrt zur Werkstatt aufgestellt“, berichtet Vor dem Autohaus Schmidt, Lünen der Dortmunder IG Metall-Sekretär Olaf Kamhöfer. „Auf den Schildern stand ‚Hier ist der Kunde König – und der Mitarbeiter Bettler’ sowie ‚Achtung: Hier beginnt die Sparzone! Hier spart man am Lohn!’“ Die Schilder standen keine zehn Minuten dort, da wurden die Verkäufer darauf aufmerksam. Es dauerte weitere paar Minuten, bis die Geschäftsführung auftauchte „und uns aufgeforderte, die Schilder zu entfernen, was wir natürlich nicht gemacht haben“, erzählt Olaf Kam- höfer. „Durch die Diskussion mit der Geschäftsführung waren wir so abgelenkt, dass ein Mitarbeiter uns unbemerkt einen Kundenstopper klauen konnte. Wir haben daraufhin abgeräumt und die Polizei gerufen. Weil man uns den Kundenstopper wieder überlassen hat, haben wir von einer Diebstahlsanzeige abgesehen.“ Olaf Kamhöfer wird grundsätzlich: „Es ist das Bestreben der Geschäftsführer, dass die Kunden das Autohaus zufrieden verlassen. Unser Ziel ist es, die dort beschäftigten Arbeitnehmer zufrieden zu stellen. Die Basis dafür sind Tarifverträge. Nur wo Tarifverträge gelten, herrschen faire Arbeitsbedingungen.“ Schritt 1 der Aktion „Tarif Aktiv“ – das Aufstellen der Kundenstopper – soll Kunden und Beschäftigte ansprechen, für Diskussion und Unruhe im Betrieb sorgen. Auf den Schildern steht kein IG Metall-Logo. „Wir geben uns noch nicht als Metaller zu erkennen“, erklärt Olaf Kamhöfer. Schritt 2: Eine Woche nach der Stopper-Nummer verteilen Metaller Flyer an die Beschäftigten. Darauf steht, über einem Bild mit Auto ohne Rad: „Fehlt Ihnen auch was?“ Im Innenteil gibt’s vier Fragen: „Zahlt Ihr Arbeitgeber Weihnachtsgeld? Erhalten Sie Urlaubsgeld? Werden Ihnen Mehrarbeitszuschläge gewährt? Wird die im Kfz-Handwerk übliche Arbeitszeit von 36,5 Stunden eingehalten?“ Daneben steht: „Na, auch nur eine Frage mit Nein beantwortet? Dann wissen wir nun, was Ihnen fehlt: ein Tarifvertrag!“ Schritt 3: Eine weitere Woche später verteilen Metaller einen Fragebogen. Die Beschäftigten werden aufgefordert, ihn auszufüllen und per Post oder Fax zurückzuschicken. Die Fragen können auch online unter www.dortmund.igmetall. de beantwortet werden. Es geht um einen Vergleich der tatsächlichen Arbeitsbedingungen – Arbeitszeit, Urlaubstage, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Überstundenzuschläge – mit den tariflichen Standards. Schritt 4: Nach Auswertung der Fragebögen lädt die IG Metall die Interessierten zu einer Versammlung ein. Olaf Kamhöfer: „Wenn wir ausreichend Mitglieder gewonnen haben, werden wir die Geschäftsführung zu Tarifverhandlungen auffordern.“ sie schon – zur Wahl einer gemeinsamen Interessenvertretung auf. Die Wahlbeteiligung war beachtlich: 73 Prozent. Alle Betriebe sind im Betriebsrat vertreten. „Dass alle einbezogen sind, ist uns besonders wichtig“, sagt Betriebsratsvorsitzender Ralf Zilinski, 42. Seine Mitstreiter – unter ihnen drei Frauen – sind zwischen 23 und 51 Jahre alt. „Vorturner“ Zilinski besitzt mit 14 Jahren Betriebsratstätigkeit die meiste Erfahrung in Sachen Interessenvertretung. Der Betriebsrat hat sich bereits organisiert, die Arbeit ist aufgeteilt, wer sich um was kümmert, steht fest: um Arbeits- und Gesundheitsschutz, Jugend und Ausbildung, betriebliche und berufliche Weiterbil- Ohr und Sprachrohr Der Franken-Betriebsrat sei „auch für die Geschäftsführung nicht das Schlechteste“, untertreibt Zilinski. „Wir sind Ohr und Sprachrohr der Belegschaft.“ Kritik und Verbesserungsvorschläge der Kolleginnen und Kollegen werden vom Betriebsrat gesammelt, gebündelt und mit der Geschäftsführung diskutiert. Eigentlich, meint, Zilinski, sollte es in jedem Autohaus einen Betriebsrat geben. Davon profitiere auch der Chef. „Kluge Arbeitgeber nutzen das Potenzial ihrer Mitarbeiter.“ „Alt und Jung passen super zusammen“ Hein Schiffer, 61, ist der älteste der 29 Beschäftigten von MAN Nutzfahrzeuge in Sankt Augustin, nahe Siegburg. Gelernt hat er Fahrzeugbauer, „dann bin ich zum KfzMechatroniker, anschließend zum Lackierer umfunktioniert worden“, sagt er und lacht verschmitzt. Was haben Ältere den Jungen voraus? „Du mähs keene Handjriff ze vill“, sagt der gebürtige Kölner. Azubi Jonas Auler, 21, profitiert von Schiffers Know-how. „Er hat die Routine. Und wenn’s speziell wird – beispielsweise beim Thema Rostbekämpfung – weiß er besser Bescheid als ich.“ Von Schiffer erfahre er „Dinge, die ich in der Schule nicht gelernt habe.“ 46 Berufsjahre hat Schiffer auf dem Buckel. „Ich hab’ immer gern gearbeitet, und die Arbeit macht mir Spaß“, sagt er. „Aber die Knochen machen langsam nicht mehr mit.“ Geht die Arbeit trotz Montagehilfe mal an die Grenze seiner Kraft, „hilft immer irgendwer“. Werkstattmeister Heinz Burghard, selbst 60, will keine olympiareife Mannschaft aus lauter Jungspunden, wichtig sei „ein guter Altersmix“. „Bei uns“, bestätigt der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Conradi, 44, „passen Alt und Jung super zusammen.“ Foto: Jürgen Seidel Foto: Thomas Range So lautet der Slogan von Franken, der Autohaus-Gruppe am Niederrhein. „…und mehr“ könnte bedeuten: Jetzt mit einem gemeinsamen Betriebsrat! Den haben sich die rund 220 Beschäftigten an allen sieben Standorten im Dezember 2011 gewählt. Im Stammhaus Kamp-Lintfort, in Duisburg-Neumühl, -Kasslerfeld und -Rheinhausen sowie in Geldern, Moers und Krefeld. dung. Ein Wirtschaftsausschuss ist gegründet worden und der Kontakt zur IG Metall muss gehalten werden. Zilinski: „Wir haben viele Baustellen.“ Die von Betrieb zu Betrieb unterschiedlichen Arbeitszeiten sollen harmonisiert, Arbeitszeitkonten eingerichtet und erstmals eine Jugendvertretung gewählt worden. Um die Kommunikation in der Belegschaft zu fördern, hat der Betriebsrat sogar eine eigene Homepage geschaltet: www.betriebsratfranken.de Mit Links zur IG Metall und einem Bundesliga-Tippspiel. LOHNWUCHER Autohaus beutet aus Sieland Automobile in Paderborn hat einem Beschäftigten jahrelang zu wenig Lohn gezahlt. Laut Urteil des Arbeitsgerichts bekommt der Mann eine Nachzahlung von 25.000 Euro. ENRICO L. hat 1999 als Azubi bei der Firma begonnen und seit 2003 als Geselle gearbeitet – ohne Arbeitsvertrag. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 7,90 Euro. „Um seinen Job zu behalten, nahm der Kfz-Mechatroniker die schlechte Bezahlung hin“, schreibt das Herforder Kreisblatt. Erst nach seiner Kündigung im Frühjahr 2010 setzte sich Enrico L. zur Wehr. Er klagte die korrekte Entlohnung rückwirkend für drei Jahre ein (der Rest war verjährt). Und bekam Recht. Nach Einschätzung des Gerichts hatte Enrico L. Anspruch auf einen Stundenlohn zwischen 12,21 und 12,36 Euro. Seine Vergütung von 7,90 Euro betrug also nicht einmal zwei Drittel des üblichen Tariflohns. Das nennen Juristen „Lohnwucher“. Kfzspezial Seite 4 Ausgabe 1 / Februar 2012 Handwerkerstolz Foto[M]: Zang/ccvision/Maruba-Fotolia.com Was ist das Besondere am Handwerk? Handwerk ist Handarbeit, keine industrielle Massenproduktion. Ist Werkbank, nicht Fließband. Produkte werden auf Bestellung gefertigt, Dienstleistungen auf Nachfrage erbracht. Handwerk sei eine Geisteshaltung oder Charaktereigenschaft – meint der US-Soziologe Richard Sennett. „Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen.“ Autofahrer müssen blechen AUTOFAHREN WIRD IMMER TEURER. Darauf weist der Auto Club Europa (ACE) hin. Während die allgemeinen Verbraucherpreise von 2005 bis 2010 um 8,2 Prozent gestiegen sind, kletterten die Autokosten insgesamt um 11, 6 Prozent. Vor allem Freimut Woessner Versicherer und Öl-Multis drehten an der Preisschraube. Die Ausgaben für die Kfz-Versicherung schossen um 18,2 Prozent in die Höhe, die Spritpreis um 16,1 Prozent. Der ACE wirft der Bundesregierung vor, nichts für den Preiswett- CAR-toon bewerb an Tankstellen zu tun. Der Autoclub fordert, dass die Kraftstoffpreise höchstens einmal am Tag – zur Mittagszeit – angehoben werden dürfen. Außerdem sollten die Autofahrer auf einer unabhängigen Internetplattform die Preise aller Tankstellen vergleichen können. Beides habe sich im Nachbarland Österreich bewährt. Ê ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ „Die stärkste Waffe des Arbeitgebers ist meine Angst vor ihm. Aber die kann ich ihm nehmen.“ À>ÕÊ Arbeit fahren, müssen sich entscheiden – entweder für die Kilometerpauschale von 30 Cent oder die Kosten der Fahrkarte. Das tageweise Wahlrecht entfällt. In beiden Fällen sind nur höchstens 4500 Euro im Jahr absetzbar. HÖHERE AUSGABEN FÜR KINDERBETREUUNG ABSETZBAR: Eltern können zwei Drittel der jährlichen Kosten für die Kinderbetreuung als Sonderausgabe steuerlich geltend machen, maximal 4000 Euro. HÖHERE AUSBILDUNGSKOSTEN ABSETZBAR: Der Sonderausgabenabzug für Ausbildungskosten steigt auf maximal 6000 Euro. iÀÀ HÖHERE WERBUNGSKOSTENPAUSCHALE: Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt rückwirkend zum 1. Januar 2011 von 920 auf 1000 Euro. Zu den Werbungskosten zählen Reise- und Übernachtungskosten, Ausgaben für Berufskleidung und Fachliteratur. PAPPE BLEIBT: Eigentlich sollte die Lohnsteuerkarte aus Papier längst Geschichte sein, doch die Einführung der elektronischen Steuerkarte ist verschoben worden. Es gelten weiterhin die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 2010 und die Ersatzbescheinigung 2011. ausschneiden -ÌÀ>~i]Ê>ÕÃÀ°É*<]Ê"ÀÌ < /iivÊ >ÌÕÊ Ê Ê ÊÊÊÊÊÊÊÊÀLiÌiÀÊ }iÃÌiÌiÀÊ ÊÕÃâÕL`i`iÀ Ê Ê Ê ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ£°ÊÕÃL`Õ}Ã> À Ê Ê Ê ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÓ°ÊÕÃL`Õ}Ã> À Ê Ê > Ê ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊΰÊÕÃL`Õ}Ã> ÀÊ >ÌV iÃÊÀÕÌÌii >}iëÀV iÊ`ÕÀV Ê ÊÊÊÊÊi> ÊÊÊÊÊ1ÌiÀÃV ÀvÌ Weihnachtsgeld nicht einfach streichen Hat ein Arbeitgeber drei Mal vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt, entsteht ein Zahlungsanspruch des Mitarbeiters. Den kann der Chef nicht einfach streichen. „Scheißwochenende“ hat Folgen Beschäftigte sind zum Respekt gegenüber Kollegen und Vorgesetzten verpflichtet. Wer dem Meister „ein Scheißwochenende“ wünscht, muss mit einer Abmahnung rechnen. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 23. August 2011 – AZ 3 Sa 150/11 Parkplatzsuche ist keine Arbeitszeit Die Arbeitszeit beginnt grundsätzlich mit dem Betreten des Firmengebäudes. Erfasst ein Arbeitnehmer schon die Parkplatzsuche auf dem Firmengelände als Arbeitszeit, kann er fristlos entlassen werden. Bundesarbeitsgericht vom 9. Juli 2011 – Aktenzeichen 2 AZR 381/10 Urlaubsabgeltung nicht vererbbar Kann der Urlaub nicht genommen werden, ist er abzugelten. Das gilt nicht im Todesfall. Dann erlischt der Urlaubsanspruch. Das Recht auf Urlaubsabgeltung kann nicht auf die Erben übergehen. Gute Idee! Unterschreiben, ÌÕiÀ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 27. Oktober 2010 – AZ 2 TABV 55/10 iLÕÀÌÃ`>ÌÕ >Ì>ÌBÌ À>V iÊ Das Recht des Betriebsrats auf einen Internetzugang entfällt nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Netzzugang nur eingeschränkt nutzt. Bundesarbeitsgericht vom 20. September 2011 – Aktenzeichen 9 AZR 416/10 >iÉ 6À>i À>Ê URTEILE Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 7. April 2011 – AZ 5 Sa 604/10 ENDE DER RENTE MIT 65: Das Rentenalter wird schrittweise angehoben. In diesem Jahr auf 65 Jahre plus einen Monat. Wer 1947 geboren ist, muss einen Monat länger arbeiten, wenn er abschlagfrei in Rente gehen will. ENTFERNUNGSPAUSCHALE OHNE WAHLFREIHEIT: Berufstätige, die mit Bus und Bahn zur „die Wirtschaftsmacht von nebenan“. Sie ist der bedeutendste Wirtschaftszweig in Deutschland, nach der Industrie: über fünf Millionen Erwerbstätige, 466 Milliarden Euro Umsatz (2010). Die biblische Schöpfungsgeschichte lässt sich auch so erzählen, wie es die Imagekampagne des Handwerks tut: „Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht.“ Betriebsrat darf ins Internet Das ändert sich 2012 KINDERGELD FÜR GROSSE: Familien mit Kindern zwischen 18 und 24 Jahren haben Anspruch auf Kindergeld. Bisher galt: Für Volljährige unter 25, die netto mehr als 8004 Euro im Jahr verdienen, erhalten Eltern weder Kindergeld noch steuerliche Kinderfreibeträge. Diese Einkommensprüfung entfällt, das Einkommen der Kinder spielt keine Rolle mehr. iÌÀÌÌÃiÀBÀÕ} Ein Handwerker wolle „etwas um seiner selbst willen gut machen“. Da sind Leidenschaft und Ehrgeiz, Können und Erfahrung im Spiel. Das Werkstück zählt, nicht die billige Massenware. Handwerker wollen Qualität abliefern. Und das hat Tradition. Im späten Mittelalter schlossen sich Handwerker zu Zünften zusammen, sie gaben sich eine Handwerksordnung, setzten Maßstäbe, achteten streng auf die Einhaltung ihrer Qualitätsstandards. Sich im Ergebnis ihrer Arbeit wiedererkennen – da können nur Handwerker. Daher rührt ihr Selbstbewusstsein. Und ihr Stolz. Das Handwerk nennt sich iÀÌÊiÀBV Ì}iÊV ÊÜ`iÀÀÕyV Ê`iÊÊiÌ>]Ê`iÊiÜiÃÊÛÊÀÊ>V ÊÅÊxÊ`iÀÊ->ÌâÕ}Ê âÕÊiÌÀV Ìi`iÊÌ}i`ÃLiÌÀ>}ÊÛÊ£¯Ê`iÃÊÀÕÌÌÛiÀ`iÃÌiÃÊLiÊB}iÌÊÛÊiiÊ ÀÌÊiâÕâi i°ÊÊV ÊLÊ`>ÀØLiÀÊvÀiÀÌ]Ê`>ÃÃÊ`iÊÊiÌ>ÊâÕÀÊÀvØÕ}Ê ÀiÀÊ Ã>ÌâÕ}Ã}iB~iÊÕv}>LiÊiiÊ>ÌiÊÌÊviÊÛÊ «ÕÌiÀÊ>ÕÌ>ÌÃiÀÌ®ÊÛiÀ>À LiÌiÌ°ÊiÃiÀÊÌÀ>}Ê>ÊÃV ÀvÌV ÊÌÊiiÀÊÀÃÌÊÛÊÃiV ÃÊ7V iÊâÕÊ+Õ>ÀÌ>Ãi`iÊ LiÊ`iÀÊ6iÀÜ>ÌÕ}ÃÃÌiiÊ`iÀÊÊiÌ>ÊÀØV}B}}Ê}i>V ÌÊÜiÀ`i° und bei der örtlichen IG Metall oder den IG MetallVertrauensleuten im Betrieb abgeben. Impressum Herausgeber: IG Metall, Bezirk Nordrhein-Westfalen Roßstraße 94 40476 Düsseldorf Tel. 0211/45484-0 Fax 0211/45484-101 [email protected] www.nrw.igmetall.de Verantwortlich: Oliver Burkhard, Bezirksleiter Konzept und Text: Norbert Hüsson Gestaltung: zang.design Infografik: Niesen Mediendesign Druck und Vertrieb: apm AG, Darmstadt