Gesundheitsökonomische Evaluation

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Gesundheitsökonomische Evaluation
Leitthema
Nervenarzt 2012 · 83:832–839
DOI 10.1007/s00115-011-3469-2
Online publiziert: 16. Juni 2012
© Springer-Verlag 2012
R. Kilian
Wie alle Formen der Gesundheitsversorgung steht auch die Behandlung
und Unterstützung von Menschen mit
psychischen Erkrankungen in einem
Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Angehörigen, den ethischen und normativen Prinzipien sowie den technischen
Voraussetzungen der Erbringung von
Gesundheitsleistungen und den für
die Erbringung von Gesundheitsleistungen verfügbaren Ressourcen. Gesundheitsökonomische Analysen
können zur Entscheidungsfindung in
diesem Spannungsfeld beitragen, indem sie Anhaltspunkte dafür liefern,
in welchem Verhältnis die für die psychiatrische Versorgung eingesetzten
Ressourcen zu den Ergebnissen dieser Versorgung stehen und durch welche Maßnahmen eine Verbesserung
dieses Verhältnisses erreicht werden
kann. Wie alle wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen auch die Ergebnisse gesundheitsökonomischer Analysen dabei immer unter Berücksichtigung ihrer theoretischen und methodischen Grundlagen sowie der
sich daraus ergebenden Limitationen
interpretiert werden [18].
schen Sprachraum üblichen Bezeichnung
„community mental health care“, womit
in der Regel multiprofessionelle psychiatrische Behandlungsmethoden außerhalb psychiatrischer Krankenhäuser gemeint sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verwendung des Terminus insofern verändert hat, als damit bis
in die 1990er Jahre primär die Versorgung
ehemaliger stationärer Langzeitpatienten in nichtstationären Wohn- und Behandlungsformen gemeint war, während
er heute zunehmend als Bezeichnung für
Behandlungsansätze verwendet wird, welche darauf abzielen, auch die Behandlung
von akuten Krankheitsepisoden sowie
von Neuerkrankungen soweit wie möglich außerhalb stationärer Einrichtungen
durchzuführen. Dieser Veränderung der
Begriffsbestimmung wird im Folgenden
insofern Rechnung getragen, als zunächst
die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Bewertung der Enthospitalisierung
psychiatrischer Langzeitpatienten und
anschließend die zeitlich aktuelleren Erkenntnisse zu spezifischen gemeindepsychiatrischen Behandlungsansätzen vorgestellt werden.
Der Beitrag erhebt dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne eines
systematischen Reviews, greift aber soweit wie möglich auf Ergebnisse aktueller systematischer Übersichtsarbeiten zurück [18, 19, 28].
Um den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, werden im folgenden Abschnitt
zunächst einige theoretische Grundlagen
gesundheitsökonomischer Analysen kurz
dargestellt. Leser die an einer tiefergehenden Einführung interessiert sind, seien
auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen [8, 14, 33].
Im Rahmen dieses Beitrags soll die Entwicklung und der aktuelle Stand der Ergebnisse gesundheitsökonomischer Bewertungen gemeindepsychiatrischer
Interventionen dargestellt und im Hinblick auf die sich daraus ergebende Evidenz für die Kosteneffektivität dieser Versorgungsansätze diskutiert werden. Die
Verwendung des Begriffs gemeindepsychiatrische Interventionen erfolgt dabei
entsprechend zu der im angloamerikani-
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II, Universität Ulm, Bezirkskrankenhaus Günzburg
Gesundheitsökonomische
Evaluation gemeindepsychiatrischer
Interventionen
Grundlagen ökonomischer
Bewertungen von
Gesundheitsleistungen
Eine zentrale Grundlage gesundheitsökonomischer Analysen ist die Erfassung von
direkten und indirekten Krankheitskosten [33]. Zu den direkten Krankheitskosten werden alle finanziellen Aufwendungen gerechnet, die entweder mit der Behandlung einer Erkrankung oder deren
unmittelbaren Folgen verbunden sind.
Indirekte Kosten umfassen demgegenüber alle durch Arbeitsunfähigkeit, vorzeitige Berentung oder vorzeitigen Tod
aufgrund einer Erkrankung verursachten Verluste an gesellschaftlicher Produktivität. Krankheitskostenanalysen werden häufig dazu verwendet, die ökonomische Bedeutung einzelner Erkrankungen zu dokumentieren und damit einen
besonderen Bedarf an Präventions- oder
Interventionsmaßnahmen zu begründen.
Vergleiche der Kosten verschiedener Behandlungsmethoden für gleiche Erkrankungen werden entweder als Kostenminimierungsanalysen oder als Cost-offsetAnalysen bezeichnet. Beide Formen der
vergleichenden Kostenanalyse führen in
der Regel nur dann zu gesundheitsökonomisch relevanten Aussagen, wenn für
die untersuchten Behandlungsmethoden
eine Äquivalenz der Wirksamkeit besteht
[3, 35].
Von diesen Krankheitskostenanalysen
lassen sich gesundheitsökonomischen
Analysen unterscheiden, die eine Gegenüberstellung der Kosten und der Ergebnisse gesundheitsbezogener Interventionen umfassen. Unterschieden wird hierbei zwischen:
FKosten-Nutzen-Analyse,
Leitthema
FKosten-Effektivitäts-Analyse und
FKosten-Nutzwert-Analyse [33].
Während bei Kosten-Nutzen-Analysen
die Ergebnisse der Intervention in monetären Einheiten ausgedrückt werden, werden bei der Kosten-Effektivitäts-Analyse
in der Regel behandlungsspezifische Ergebniskriterien wie z. B. die Symptomreduzierung oder die Verbesserung der Lebensqualität und bei der Kosten-Nutzwert-Analyse verallgemeinerte Nutzenkriterien wie z. B. der Gewinn qualitätsadjustierter Lebensjahre (QALY) oder die
Vermeidung von Lebensjahren mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (DALY) verwendet. Die Ergebnisse gesundheitsökonomischer Analysen, die eine
Gegenüberstellung von Kosten und Ergebnissen beinhalten, werden üblicherweise als Kosten-Nutzen-, Kosten-Effektivitäts- oder als Kosten-Nutzwert-Relationen präsentiert. Wegen ihrer spezifischen stochastischen Eigenschaften ergeben sich bei der statistischen Analyse dieser Ergebnisrelationen besondere Anforderungen und hieraus resultierend Darstellungsmethoden, die sich von der allgemein bekannten Präsentationsform statistischer Analysen unterscheiden [33, 37].
»
Die meisten gesundheitsökonomischen Analysen erfolgen
aus Sicht der Kostenträger
Unterscheiden lassen sich hier die Nutzer-, die Kostenträger- und die volkswirtschaftliche bzw. die gesellschaftliche Perspektive. Während Untersuchungen aus
der Nutzer- bzw. der Kostenträgerperspektive nur die für die jeweiligen Nutzer
bzw. Kostenträger gesundheitlicher Leistungen relevanten Kosten und Ergebnisse berücksichtigen, erheben Analysen
aus der volkswirtschaftlichen Perspektive den Anspruch, alle gesellschaftlich relevanten Kosten sowie den gesamtgesellschaftlichen Nutzen von Gesundheitsleistungen gegenüberzustellen. Als Grundlage für eine adäquate Ressourcenallokation
im Gesundheitswesen sollten nach Möglichkeit Analysen aus der volkswirtschaftlichen Perspektive herangezogen werden,
weil nur diese die durch Krankheit verursachten Verluste an gesellschaftlicher
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Produktivität und die mögliche Vermeidung dieser Verluste durch gesundheitliche Interventionen berücksichtigen [29,
33]. Allerdings bereitet die Erfassung von
Produktivitätsverlusten und deren angemessene Berücksichtigung im Rahmen
gesundheitsökonomischer Analysen eine
Reihe konzeptioneller und methodischer
Probleme [29], die ursächlich dafür sind,
dass bis heute die Mehrzahl aller gesundheitsökonomischen Analysen aus der Perspektive der Kostenträger erfolgt.
Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal gesundheitsökonomischer Studien besteht in der Verwendung
von Primär- oder Sekundärdaten. Während gesundheitsökonomische Primärdatenanalysen mittlerweile häufig Bestandteile randomisierter klinischer Studien (RCT) oder pragmatischer bzw.
„Real-world“-Studien sind und auf der
direkten Analyse der jeweiligen Studiendaten basieren, handelt es sich bei Sekundärdatenanalyse in der Regel um Simulationsmodelle auf der Basis von Informationen aus systematischen Reviews oder
anderen Informationsquellen [33].
Analysen zur Enthospitalisierung
stationärer Langzeitpatienten
Die ersten systematischen Konzepte einer
gesundheitsökonomischen Analyse psychiatrischer Reformprozesse wurden
während der 1980er Jahre in England entwickelt [18]. Eingebettet waren diese Konzepte in die Arbeiten des Teams for the Assessment of Psychiatric Services (TAPS)
[20], welches 1985 gegründet wurde, um
die Auswirkungen der Schließung zweier
psychiatrischer Großkrankenhäuser wissenschaftlich zu untersuchen. Ziel der
im Rahmen des TAPS-Projektes durchgeführten ökonomischen Analysen war
es, zu untersuchen, welche Auswirkungen die Verlagerung der psychiatrischen
Versorgung von stationären Langzeitpatienten in gemeindenahe Einrichtungen
auf die Versorgungskosten hat [1, 15–17].
Die Ergebnisse der TAPS-Studie zeigen,
dass eine adäquate gemeindepsychiatrische Versorgung aller, d. h. auch der am
schwersten erkrankten, stationären Langzeitpatienten in dem Jahr nach der Krankenhausentlassung zwar geringfügig, aber
signifikant höhere Kosten verursachte als
eine dauerhafte stationäre Unterbringung
der Betroffenen [1, 18].
Eine weitere, ebenfalls in England
durchgeführte Enthospitalisierungsstudie zeigte für 128 Patienten im Langzeitverlauf von 12 Jahren im Vergleich zur stationären Unterbringung signifikant niedrigere Kosten einer gemeindepsychiatrischen Versorgung [2, 18]. Die Autoren
weisen allerdings darauf hin, dass es sich
bei der untersuchten Patientengruppe um
die eher weniger beeinträchtigte erste Entlasskohorte stationärer Langzeitpatienten
(„early movers“) handelte und dass die für
diese Gruppe ermittelten Kosten deshalb
die tatsächlichen Kosten für eine gemeindepsychiatrische Versorgung aller stationären Langzeitpatienten unterschätzen
[2].
Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung
für die psychiatrische Versorgung in
Deutschland kommen auch Häfner et al.
[10] als Ergebnis eines Vergleichs der direkten Kosten der Versorgung von 145 Patienten mit schizophrenen Erkrankungen, die statt einer dauerhaften Hospitalisierung in gemeindenahen Wohnformen
versorgt wurden, mit den hypothetischen
Kosten einer dauerhaften Hospitalisierung dieser Patientengruppe. Die Autoren
kommen zu dem Ergebnis, dass zwar die
durchschnittlichen Kosten der Patientengruppe lediglich bei 43% der Kosten einer
dauerhaften Hospitalisierung liegen, dass
jedoch die Kosten für die gemeindepsychiatrische Versorgung der 6% am schwersten erkrankten Patienten über den Kosten einer dauerhaften stationären Versorgung liegen [10, 11]. Auch Salize und Rössler [32] kommen im Rahmen ihrer Untersuchung von 66 Patienten mit schizophrenen Erkrankungen zu dem Ergebnis, dass
die Kosten einer umfassenden gemeindepsychiatrischen Versorgung dieser Patienten im Durchschnitt lediglich bei 43%
der Kosten einer dauerhaften stationären
Versorgung liegen und dass die gemeindepsychiatrischen Versorgungskosten nur
bei 4 (6%) der Patienten höher liegen als
die Kosten einer dauerhaften stationären
Unterbringung.
Für die USA kommen demgegenüber
zwei Studien aus den 1990er Jahren zu
dem Ergebnis, dass durch eine Enthospitalisierung stationärer Langzeitpatienten
die Kosten der psychiatrischen Versor-
Zusammenfassung · Summary
gung deutlich reduziert werden [31, 38].
Allerdings fehlen bei diesen Analysen
Aussagen darüber, in welchem Umfang
die dokumentierten Kostenreduzierungen für das gesamte Spektrum schwer erkrankter Patienten repräsentativ sind [27].
Auch für Kanada kommen Reinharz
et al. [27] im Rahmen einer Kohortenstudie über 10 Jahre zu dem Ergebnis,
dass die Kosten einer dauerhaften stationären Versorgung schwer chronisch psychisch kranker Patienten signifikant höher liegen als eine ambulante Versorgung,
auch wenn für einen Teil der ambulant behandelten Patienten wiederkehrende stationäre Behandlungsepisoden notwendig waren. Auch für diese Studien räumen die Autoren Einschränkungen der
Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse besonders hinsichtlich der Patienten mit einem großen Versorgungsbedarf
ein [27].
Methodisch lassen sich die Untersuchungen zu den ökonomischen Auswirkungen der Enthospitalisierung überwiegend den Kostenminimierungsanalysen zurechnen. Das heißt, es werden ausschließlich die Kosten der verschiedenen
Behandlungsformen verglichen. Allerdings liegen insbesondere zu den in Großbritannien im Rahmen der TAPS-Evaluation durchgeführten gesundheitsökonomischen Analysen auch Untersuchungsergebnisse über die klinischen und psychosozialen Auswirkungen der Enthospitalisierung vor, die zeigen, dass sich der
klinische Zustand der Mehrzahl der enthospitalisierten Patienten über einen Zeitraum von 5 Jahren nicht signifikant verändert hat [1, 20, 21], dass aber insbesondere bei den am schwersten erkrankten
Patienten eine Reduzierung von Verhaltensproblemen und eine Verbesserung
der Alltagskompetenzen zu verzeichnen
war [20, 36].
Für eine zusammenfassende gesundheitsökonomische Bewertung der Enthospitalisierung stationärer Langzeitpatienten ergibt sich hieraus die Schlussfolgerung, dass eine gemeindenahe Versorgung schwer chronisch psychisch kranker
Patienten ohne Beeinträchtigung der Versorgungsqualität und ohne eine Erhöhung
der psychiatrischen Versorgungskosten
möglich ist [18]. Gleichzeitig machen die
Ergebnisse aber deutlich, dass Enthospi-
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R. Kilian
Gesundheitsökonomische Evaluation
gemeindepsychiatrischer Interventionen
Zusammenfassung
Die gesundheitsökonomische Bewertung gemeindepsychiatrischer Interventionen kann
dazu beitragen, den Einsatz von Ressourcen für die psychiatrische Versorgung im Hinblick auf die erzielten Behandlungsergebnisse zu optimieren. Vorliegende Untersuchungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation gemeindepsychiatrischer Interventionen
umfassen ein breites Spektrum an Behandlungsoptionen von der Enthospitalisierung
stationärer Langzeitpatienten in gemeindenahe Versorgungsstrukturen bis hin zu spezifischen Angeboten für bestimmte Patientengruppen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass eine gemeindepsychiatrische im Vergleich zu einer stärker institutionalisierten Versorgung nicht generell kostengünstiger ist, dass aber Programme auf der
Basis des ACT („assertive community treat-
ment“) -Ansatzes gegenüber stationären Behandlungskonzepten effizienter sind. Gegenüber der heute in den meisten westeuropäischen Ländern üblichen Standardversorgung
kann eine Intensivierung gemeindepsychiatrischer Interventionen insbesondere bei
„heavy usern“ und bei ersterkrankten Patienten zu einer Kosteneffektivitätsteigerung führen. Methodische Mängel und fehlende nationale Untersuchungen schränken allerdings
die Aussagekraft gesundheitsökonomischer
Studien insbesondere für Deutschland ein.
Schlüsselwörter
Gemeindepsychiatrische Versorgung ·
Gesundheitsökonomische Evaluation ·
Kosteneffektivitätsanalyse ·
Kostenminimierungsanalyse · Schwere
psychische Erkrankung
Health economic evaluation of community-based
psychiatric interventions
Summary
The health economic evaluation of community mental health interventions can contribute
to an optimization of the allocation of mental health care resources. Existing studies on
the health economic evaluation of community mental health interventions include a wide
range of treatment options from the deinstitutionalization of long-term inpatients into
community-based services to specialized services for specific patient groups. The results of
these studies indicate that community-based
mental health care is not generally less costly in comparison to more institutionalized
forms of care. Programs that are based on the
ACT approach have been found to be more
efficient than inpatient care. Compared to
talisierungsprogramme, die mit dem Anspruch einer gleichbleibenden oder einer
Verbesserung der Versorgungsqualität
verbunden sind, nicht zu einer Einsparung, sondern allenfalls zu einer Umverteilung von Ressourcen führen [6, 26].
the current standard of mental health care in
most western European countries, an intensification of community mental health interventions could increase the efficiency of psychiatric treatment especially for heavy users
and first episode patients. However, methodological flaws and a lack of national studies
limit the validity of current health economic
investigations, particularly for Germany.
Keywords
Community mental health care · Health
economic evaluation · Cost-effectiveness
analysis · Cost-minimization analysis · Severe
mental illness
Analyse der Kosteneffektivität
spezifischer gemeindepsychiatrischer Behandlungsansätze
Während zu Beginn der Enthospitalisierungsbewegung das primäre Ziel in der
Schließung großer psychiatrischer Krankenhäuser und der Unterbringung ehemaliger Langzeitpatienten in gemeindenahen Versorgungsstrukturen lag, wurde
sehr bald deutlich, dass insbesondere die
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Leitthema
gemeindenahe Versorgung von Patienten mit schwereren Erkrankungsformen
spezifischer ambulanter Behandlungsangebote bedarf, welche sicherstellen, dass
die betroffenen Patienten auch außerhalb
stationärer Einrichtungen adäquat behandelt werden können [10, 12, 13, 34] [41].
Mit dem Ansatz des „assertive community treatment“ (ACT) entwickelten Stein
und Test [34] in den USA ein Konzept für
eine umfassende multiprofessionelle psychiatrische Behandlung im unmittelbaren
Wohnumfeld der Patienten, welches bis
heute weltweit als Vorbild gemeindepsychiatrischer Interventionen dient. Unter
den Bezeichnungen „intensive case management“ (ICM), „community mental
health teams“ (CMHT) und „home treatment“ (HT) wurden in der Folge Variationen des ACT Konzeptes entwickelt, mit
denen den spezifischen Anforderungen
und Rahmenbedingungen der jeweiligen psychiatrischen Versorgungsstrukturen Rechnung getragen werden sollte [42].
»
Die Heterogenität der Studien
erschwert die Beurteilung
der Kosteneffektivität
In einem systematischen Review der Publikationen zur gesundheitsökonomischen Bewertung dieser Behandlungsansätze für die Zeit von 1979 bis 2003 werten Roberts et al. insgesamt 48 englischsprachige Publikationen aus, von denen
18 in den USA und 15 in Großbritannien
entstanden sind [28]. Zwölf der einbezogenen Studien untersuchen die Kosteneffektivität von ACT im Vergleich zur jeweiligen psychiatrischen Standardversorgung im Zeitraum zwischen 1972 und
1996, 11 Studien untersuchen die Kosteneffektivität des Case-Managements im
Vergleich zur Routineversorgung zwischen 1981 und 1998, 3 Studien untersuchen die Kosteneffektivität von psychiatrischen Gemeindeschwestern bzw. Gemeindepflegern („community psychiatric
nurses“) und 16 Studien untersuchen die
Kosteneffektivität anderer gemeindepsychiatrischer Interventionsformen im Zeitraum zwischen 1979 und 1999. Die untersuchten Interventionsformen umfassen
unter anderem Vergleiche zwischen tagesklinischer Behandlung, multiprofessionel-
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len gemeindepsychiatrischen Teams oder
gemeindepsychiatrischen Zentren mit
stationärer Behandlung oder sie vergleichen verschiedene gemeindepsychiatrische Ansätze wie z. B. „home treatment“
vs. ambulante Standardbehandlung bzw.
tagesklinische Behandlung vs. ambulante
Standardbehandlung [28].
In ihrer Bewertung der Resultate der
einbezogenen Studien kommen die Autoren zu dem bereits in einem früheren
Reviewartikel [19] berichteten Ergebnis,
dass sich die untersuchten ACT-Programme mit wenigen Ausnahmen im Vergleich
zur stationären Behandlung als effizienter
erwiesen [28]. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Rosen et al. [30] sowie Knapp et al. [18]. Für das Case-Management bzw. „Intensive-case-management“-Programme kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass Case-Management im Vergleich zur stationären Standardbehandlung kostengünstiger und effektiver ist, dass jedoch im Vergleich zur
ambulanten Standardbehandlung keine Unterschiede bestehen [28]. Dies entspricht weitgehend den Ergebnissen des
Cochrane-Reviews zum „intensive case
management“ [7], dessen Autoren darüber hinaus zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Case-Management keinen Einfluss auf die Gesamtkosten der psychiatrischen Behandlung hat. Für die übrigen
im Rahmen ihres Reviews untersuchten
Behandlungsformen kommen Roberts et
al. zu keiner eindeutigen Schlussfolgerung
[28]. Zusammenfassend gibt es nach Einschätzung der Autoren eine sehr gute Evidenz dafür, dass gemeindepsychiatrische
gegenüber stationären Behandlungsformen effizienter sind. Die große Heterogenität und die methodischen Unzulänglichkeiten der Mehrzahl der berücksichtigen Studien lassen jedoch keine differenzierteren Aussagen darüber zu, welche
speziellen Formen und welche Intensität
gemeindepsychiatrischer Behandlungsformen mit einer Verbesserung der Kosteneffektivität verbunden sind [28].
Im Hinblick auf die oben dargestellten Formen gesundheitsökonomischer
Analysen kommen Roberts et al. zu dem
Ergebnis, dass es sich bei der Mehrzahl
der erfassten Studien wie bereits bei den
Untersuchungen zu den ökonomischen
Auswirkungen der Enthospitalisierungs-
maßnahmen im weitesten Sinne um Kostenminimierungsanalysen, also nach der
oben vorgestellten Klassifikation um unvollständige gesundheitsökonomische
Analysen handelt [28]. Lediglich in 9 der
42 Studien werden die Kosten und die Ergebnisse verschiedener Behandlungsalternativen im Rahmen von Kosteneffektivitätsanalysen berücksichtigt.
Aktuelle Entwicklungen
Auch in den letzten Jahren liegt der
Schwerpunkt gesundheitsökonomischer
Analysen überwiegend in der Bewertung
spezifischer gemeindepsychiatrischer Behandlungsformen, insbesondere auf der
Basis des ACT-Ansatzes [5, 24, 39, 40],
aber auch zur Krisenintervention [9, 23]
und zur Frühintervention bei Psychoseerkrankungen [22, 25]. Aktuelle Studien
zur Kosteneffektivität von ACT-Programmen in Großbritannien [4, 23, 24], Polen
[39], Georgien [40] und den USA [5] zeigen, dass diese im Vergleich zur Routinebehandlung in der Regel zu einer Erhöhung der ambulanten psychiatrischen
Versorgungskosten führen und dass diese höheren ambulanten Kosten nur dann
durch eine gleichzeitige Reduzierung stationärer Behandlungskosten ausgeglichen werden („cost offset“), wenn es sich
bei der Untersuchungspopulation um Patienten mit einem besonders hohen Hospitalisierungsrisiko handelt, wie z. B. im
Fall der von Cusack et al. [5] untersuchten psychisch kranken Straftäter. Demgegenüber zeigen die Untersuchungen, bei
denen neben den Kosten auch die Ergebnisse der ACT-Programme einbezogen
werden, dass diese entweder mit einer Erhöhung der Behandlungszufriedenheit
[24] oder mit einer Verbesserung klinischer Merkmale [4, 40] verbunden sind.
Untersuchungen zur Kosteneffektivität von Frühinterventionsprogrammen für junge Patienten mit beginnenden Psychoseerkrankungen in Australien
[25] und Großbritannien [22] zeigen, dass
diese bei niedrigeren Behandlungskosten
mit signifikanten Verbesserungen klinischer Merkmale, der beruflichen Integration und der subjektiven Lebensqualität verbunden sind.
Leitthema
Fazit
Korrespondenzadresse
FDie vorgestellten Ergebnisse zur ge­
sundheitsökonomischen Evaluation
gemeindepsychiatrischer Interventio­
nen machen deutlich, dass eine ge­
meindenahe Behandlung und Ver­
sorgung von Menschen mit schwe­
ren psychischen Erkrankungen nicht
zwangsläufig billiger ist als stärker
­institutionalisierte Behandlungs­
formen.
FInsbesondere für die Behandlung
von Patienten mit psychotischen Er­
krankungen und langjährigen chroni­
schen Krankheitsverläufen zeigen zu­
mindest ältere Studien, dass eine In­
tensivierung ambulanter Behand­
lungsformen auf der Basis des ACTAnsatzes im Vergleich zu stationären
Behandlungsformen kosteneffektiv
ist.
FNeuere Untersuchungen deuten dem­
gegenüber darauf hin, dass in psy­
chiatrischen Versorgungssystemen
mit gut ausgebauten ambulanten
Behandlungsangeboten, wie z. B. in
Großbritannien, die zusätzliche Ein­
führung von ACT-Elementen nur bei
Patienten mit hohem Hospitalisie­
rungsrisiko mit einer Verbesserung
der Behandlungskosteneffektivität
verbunden ist.
FHoffnungen machen demgegenüber
die Ergebnisse zur Frühintervention,
die darauf hindeuten, dass durch die­
se Programme eine Verbesserung der
Behandlungsergebnisse bei niedri­
geren Gesamtkosten erreicht werden
kann.
FAngesichts der immer noch bestehen­
den methodischen Defizite ist die
Aussagekraft gesundheitsökonomi­
scher Analysen gemeindepsychiatri­
scher Interventionen erheblich einge­
schränkt. Darüber hinaus wurden bis­
her nur wenige Studien zur gesund­
heitsökonomischen Evaluation ge­
meindepsychiatrischer Interventio­
nen in Deutschland durchgeführt.
Aufgrund der Probleme bei der inter­
nationalen Übertragbarkeit gesund­
heitsökonomischer Forschungsergeb­
nisse ergibt sich hieraus ein dringen­
der Forschungsbedarf.
PD Dr. R. Kilian
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II,
Universität Ulm, Bezirkskrankenhaus Günzburg
Ludwig-Heilmeyer-Str. 2, 89312 Günzburg
[email protected]
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Interessenkonflikt. Keine Angaben
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treatment: systematic review and implementation
in Germany. Psychiatr Prax 38:114–122
A. Risch, U. Stangier, T. Heidenreich,  
M. Hautzinger
Kognitive Erhaltungstherapie
bei rezidivierender Depression
Rückfälle verhindern, psychische  
Gesundheit erhalten
Berlin Heidelberg: Springer 2012, 127 S.,  
38 Abb., 21 Tab., (ISBN 978-3-642-04888-3),
mit CD-ROM, 39.00 EUR
In der Behandlung
von depressiven Störungen rückt zunehmend deren rezidivierender Verlauf in den
Vordergrund. Dabei
ist nicht mehr das alleinige Ziel, die akute
Phase zu beenden,
sondern auch erneute Rezidive zu verhindern.
Im vorliegenden Buch wird ein verhaltenstherapeutisches Konzept zur Erhaltungstherapie
ausführlich dargestellt. Berücksichtigt werden
dabei, neben bekannten Techniken aus der
kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), auch
Ansätze aus der sog. dritten Welle der Verhaltenstherapie. Die im Buch erwähnten sind
die achtsamkeitsbasierte Therapie (MBCT:
„mindfulness based cognitive therapy for
depression“; Segal, Williams u. Teasdale), die
Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT:
„acceptance and commitment therapy“;
Hayes) und die Wohlbefindenstherapie (WBT:
„well being therapy“; Fava, Rafanelli, Cazarri,
Conti u. Grandi). Diese werden integriert zur
kognitiven Erhaltungstherapie (KET), deren
ausführliche Darstellung den Schwerpunkt
des Buches bildet.
Im ersten Teil des Buches werden Angaben
zu Diagnostik, Verlauf, Epidemiologie und
Erklärungsmodellen depressiver Störungen
gemacht. Diagnostische Instrumente werden
anschaulich dargestellt. Auch bislang vorliegende Erhaltungstherapien werden dargestellt und in ihrem Evidenzgrad verglichen.
Im zweiten Teil werden die einzelnen Module
der KET beschrieben und wie diese in der
Therapie eingesetzt werden können. Ein ausführlicher Anhang mit allen vorgestellten Materialien bildet den Abschluss des Buches. Die
Materialien finden sich auch als pdf-Dateien
auf einer beigefügten CD-ROM.
Der Aufbau des Buches ist sehr gut strukturiert. Die einzelnen Kapitel werden sinnvoll
aufgebaut und beziehen sich passend auf-
einander. So wird z. B. in den Kapiteln zur
Diagnostik und zu den Erklärungsmodellen
konkret Bezug genommen auf die Therapieansätze, die sich dann in den einzelnen Modulen der KET wiederfinden.
Die Therapie selber ist in 6 Module unterteilt, die je nach Bedarf beim Patienten
angewendet und gestaltet werden können.
Alle werden ausführlich und nachvollziehbar
geschildert mit Materialien und Patientenbeispielen. Die Module umfassen Diagnostik,
Informationsvermittlung und Ableitung eines
individuellen Erklärungsmodells (Modul 1);
Achtsamkeit, Akzeptanz und werteorientierte
Verhaltensaktivierung (Modul 2); kognitive
Umstrukturierung, Verhaltensexperimente
und Belastungstests (Modul 3); Verbesserung
des psychologischen Wohlbefindens (Modul
4); Therapieabschluss (Modul 5); ergänzende
Interventionen (Modul 6).
Die Unterschiede zur Behandlung akut depressiv erkrankter Patienten sind gering.
Die Diskrepanz zwischen akzeptanz- und
veränderungsorientierten Ansätzen in der
kognitiven Therapie wird kurz erwähnt und
sinnvoll aufgelöst.
Insgesamt stellt das Buch eine sehr gut aufbereitete Grundlage für die Behandlung depressiver Patienten in einer Erhaltungsphase dar.
Dabei ist den Autoren eine gute Integration
neuer verhaltenstherapeutischer Ansätze in
bekannte Interventionstechniken gelungen.
Die älteren CBT-Ansätze dürften jedoch für
Verhaltenstherapeuten keine Neuerung darstellen.
F. Hölscher (Aachen)
Der Nervenarzt 7 · 2012 | 839

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