Im Labyrinth der pelzigen Gorgonzola-Gnome
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Im Labyrinth der pelzigen Gorgonzola-Gnome
Dienstag, 24. Juli 2007 Der traurige Kanarienvogel Friedrichs „Consort-Sommer“ Vokalwerke aus dem 16. und 18. Jahrhundert – je zwei Chorlieder am Anfang und Schluss, die ihrerseits zwei Solokantaten einrahmten – und genau in der Mitte des Programms ein Instrumentalkonzert: so präsentierte sich das Alexander Friedrich Consort mit seiner Chorgemeinschaft und den Kammersolisten beim heiteren Konzert unter dem Titel „Consort-Sommer 2007“ im Saal des Schlosses Burgfarrnbach. Dem Sommer und dem Trinken waren die Chorlieder gewidmet, die in anspruchsvollen Sätzen von Michael Praetorius, Arnold von Bruck und Georg Forster schwungvoll und mit homogenem Chorklang unter Friedrichs Leitung erklangen. Problematisch war und ist allerdings die Burgfarrnbacher Saalakustik; klangschön gesungene Fortepassagen erklingen hier eben bisweilen knallig. Als Vokalsolisten stellten sich die Sopranistin Andrea Zeilinger und der Bassist Dieter Hölzl vor – er nicht nur als Sänger mit einer in allen Registern tragenden Stimme, sondern auch als szenischer Gestalter der „Kanarienvogelkantate – Trauermusik eines kunsterfahrenen Canarienvogels“ von Georg Philipp Telemann. Schon sein theatralischer Auftritt mit ernster Miene – er trägt einen leeren Vogelkäfig herein – machte die Situation deutlich, die er stets mit einem Schuss Ironie veranschaulichte. Am Ende wurde „das Katzenvieh, nach dem man mit Steinen schmeißen sollte“ als Urheberin der Katastrophe entlarvt. Hervorzuheben ist die Arie „Gute Nacht“, die Hölzl mit tiefem Ausdruck sang. Mit ihrem glockenklaren Sopran und mühelosen Spitzentönen interpretierte Andrea Zeilinger eine weitere Solokantate Telemanns, „Der Weiberorden“. Auch hier ging es nicht nur um die gesangliche, sondern auch darstellerische Ausformung des Werkes, wobei das „Wiegenlied“ besonders anmutig und in der Interpretation durch eine junge Frau auch sehr glaubhaft gelang. Ein Flötenkonzert von Johann David Heinichen spielte Evelyn Ebert; ein Genuss, wie sie das Largo als Ruhepunkt des Werkes und das virtuos-beschwingte finale Allegro musizierte. Friedrichs (vom Cembalo aus geleitete) Kammersolisten waren an diesem sommerlichen Nachmittag zwar „nur“ in der Begleitfunktion tätig, erfüllten aber ihre Aufgabe exakt und einfühlsam. GÜNTER GREB FN / Seite 5 KULTUR Im Labyrinth der pelzigen Gorgonzola-Gnome Publikumsmagnet: Der alte Grüner-Brauereikeller war am Wochenende Schauplatz für „Kunst im Untergrund“ Mit der Kunst in Fürth geht es allmählich abwärts. Immer mehr? Nein, nur am vergangenen Wochenende. Da machte sich unterm Klinikum die „Kunst im Untergrund 2007“ im Gruselambiente breit. Und wie schon bei den ersten drei „Abstiegen“ in den Jahren zuvor zogen die Kellergänge auch heuer das Publikum in Scharen an. Feuchte Kälte zieht die steilen Stufen herauf, tief unter der Erde wummern Trommeln. Gemälde, Objekte, Installationen und Videos vor bröckeligen Backsteinmauern und in schummrigen Nischen: Mit ihrer Absicht, das uralte Gemäuer zu beleben, haben die Organisatoren Kamran Salimi und Patrick Preller abermals ins Schwarze getroffen. Zahlreiche Kunstinteressierte stiegen hinab ins Labyrinth unter dem Klinikum. Erstmals konnten sie heuer bei der Vernissage einer Preisverleihung an die Künstler beiwohnen. Um den Höhepunkt vorwegzunehmen: Der erste, mit 1000 Euro dotierte Preis ging an Bettina Graber, zwei zweite Preise über je 500 Euro erhielten Blühende Fantasie: Die Mitwirkenden der „Kunst im Untergrund“ versammeln sich zwölf Meter unter der Erde im „Schrebergarten“ von Michl Schmidt und Stephanie und Simone Löw. Foto: Thomas Scherer Andrea Hofbeck. Der freischaffende Künstler Michl buch: für jeden Tag fügte er einen Alle Künstler – die Jury wählte unter 32 Bewerbern zwölf Teilnehmer Schmidt gewährte geliehenen Yucca- neuen Geist hinzu. Überraschendes aus – hatten die Auflage, mit ihren Palmen Asyl im Untergrund. Mit sei- Grün unter Tage präsentierten die Werken einen Bezug zum Kellerge- nem Werk stößt er soziale Prozesse an, Schwestern Stephanie und Simone wölbe bzw. zu den damit verbunde- nicht ohne dem Ganzen einen ironi- Löw mit einem höchst ironisch durchArenz und 8up im „Schliemann“ nen Themen Krieg oder Klinikum zu schen Unterton zu verpassen: Man wirkten Schrebergarten wie aus dem schaffen. Gerade auf Grund dieser sieht den „Objekten“ deutlich an, Bilderbuch, bei dem sie kein noch so Um 22.17 Uhr regnet es, hieß es am Herausforderung entstand trotz der dass sie unter extremen Bedingungen geringes Detail wie Putzlappen, Bier- Anfang des Abends. Und um 22.17 völlig unterschiedlichen Ansätze der leben müssen und durch ihre Erschei- flasche und Vogelhäuschen außer Uhr regnete es dann tatsächlich, ein einzelnen Künstler eine sehr harmoni- nung auch einen Blick auf den Besit- Acht ließen. Dagmar Tränkle schickte paar Minuten lang. Was der Stimzer freigeben. sche Ausstellung mit hohem Niveau. den Betrachter auf eine Fotoreise an mung im vollen Hof des SchliemannDen zweiten 2. Preis erhielt Andrea einen Ort, an dem man sicher lieber Gymnasiums aber keinen Abbruch Wegen der 1000-Jahr-Feier der Stadt und auf Grund der sensationel- Hofbeck, ebenfalls Studentin an der verweilen würde als in einem muffi- tat, sondern erhitzte Gemüter eher len Publikumserfolge der vergange- Akademie, für ihre in einem schumm- gen Kellergewölbe. abkühlte. nen Ausstellungen, war es den Organi- rigen Gang arrangierten Gipsschalen, An die Zeit, da die Gänge unterm Die Rock-Klassiker der Band 8up satoren diesmal gelungen, zwei Stifter die viele Fragen aufwerfen. Handelt Klinikum als Luftschutzkeller dien- sorgten für Party-Laune am Pennal – für die Geldpreise zu finden. Ralph es sich um eine antike Ausgrabungs- ten, erinnerte Goda Plaum mit Male- so sehr, dass selbst der sonst eher Pöhlmann ist keineswegs „nur“ Sohn stätte oder ein Gemälde? Die Jury reien von zeitgenössischem Mobiliar. reservierte Noch-Schulleiter Herbert eines Schuhhausbesitzers, sondern überzeugte, mit welcher Effizienz der Mit filigranen „Drahtzeichnungen“ Meyerhöfer mit seiner Frau Claudia auch gleichzeitig Nachkomme eines Mittel die Künstlerin hier Wirkung voller Poesie brachte Christina plötzlich abrockte im Schulhof: Beim Kunsthistorikers, dessen Geburtstag erzielt. Schmid Fledermäuse und Kletterer Stones-Standard „Sympathy for the sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt auf die Backsteinwände. devil“, dem scheidenden OberstudienSchimmelige Gesellen – ein nachvollziehbarer Grund, junge Ganz im Gegensatz dazu die direktor von der Band gewidmet, hielt Benjamin es nicht nur das Ehepaar Meyerhöfer Werner Tögel steuerte für die 3D-Computersimulation Gedichtla und Geschichtla gratis Kunst zu fördern. Mit der Fürther CSU-Stadträtin Gänge, die bis zu zwölf Meter unter Zimmermanns, der die Gänge des Kel- nicht mehr auf den Bänken. Ewald Arenz, der eine „Best of“Bekannt ist er für seinen feinen, Heidi Tischendorf gelang es Preller, der Erde liegen, einen Ausblick auf lers nachgebildet hatte. Auf das intelligenten Humor und sein Gespür eine zweite Stifterin mit ins Boot zu die Fürther Dächerlandschaft bei – Medium Ton setzte Konrad Richter Sammlung seiner Geschichten las, Jury-Mitglied Hans-Peter entstanden auf einer Arbeitsfläche in mit einer Klang-Installation, die ober- hatte für Meyerhöfer ebenfalls eine für die Tücken der fränkischen Spra- holen. che. Helmut Haberkamm, „Jäger des Miksch, Leiter der kunst galerie fürth, luftigen zwölf Metern Höhe. „So ein irdische Geräusche in die Tiefe über- spezielle Erzählung dabei. Zudem lobte der Autor, der neben Band-Mitverlorenen Wortschatzes“ (Nürnber- übernahm die Preisverleihung. Mit Käse“ lautete wiederum das Motto trägt. Schade nur, dass diese Schau mit glied Bertold Brackemeier selbst am ger Nachrichten) und Schöpfer der ihrer Installation, die durch ihre Walter Bauers, der ganz auf die klimaStücke „Ka Weiber, ka Gschrei“ und besondere Dichte unter die Haut geht, tischen Bedingungen des Kellers ihren bemerkenswerten Arbeiten „Schliemann“ paukte, das Engage„Der Frankenhasser“ bestreitet mit überzeugte Bettina Graber. Die Stu- setzte. Mit einer unappetitlichen Mi- lediglich am vergangenen Wochen- ment Meyerhöfers gegen die überGedichtla und Geschichtla die zweite dentin der Akademie der Bildenden schung aus Gorgonzola, Bier, Zucker ende zu sehen war. Organisator Prel- stürzte Einführung des G 8. Und die von vier Parklesungen im Stadtpark – Künste in Nürnberg erschuf eine mär- und Semmelbröseln bannte er Gnome ler kündigte jedoch an, diese noch Abituria, die zu ihrem ersten „Open chenhaft versponnene, zugleich an auf die Leinwand, die sich allmählich junge Ausstellungstradition im Für- Air“-Kulturpunkt geladen hatte, heute um 19.45 Uhr. Treffpunkt ist auch diesmal der Fon- unterbewusste Ängste rührende Ar- zu schimmelig-pelzigen Gesellen ent- ther Untergrund auf jeden Fall fortzu- bedankte sich beim Schulleiter, der führen. MARION REINHARDT auch Ehren-Philister der Schlietänenbrunnen, bei schlechtem Wetter beit: ein weiß überzogenes Bett, ein wickeln. mann-Schülerverbindung ist, mit eiGeorg Baier malte mit seinen muntedie Terrasse des Stadtparkcafés. Der Brautkleid mit Ärmeln einer Zwangsnem Zinnkrug. fn ren „Kellergeistern“ eine Art TageEintritt ist frei. fn jacke strahlen in grellem Blaulicht. @ www.untergrund-fuerth.de Als der Rock-Teufel in Meyerhöfer fuhr Haberkamm im Park genau. Ich bin ja kein Unmensch, mir gehen nur die Gefühle zu nah. Also gehe ich irgendwann und kehre nicht wieder. Anna. In einer ernsten AngelegenVON TOBIAS FALBERG heit. Auch sie ist einer dieser Die literarische Dienstagsreihe der rial begutachten, ein paar Sekunden Momente, von denen ich denke, vielFN versteht sich immer wieder auch vor, so dass wir das weinende Kind leicht steckt mehr dahinter, als ich als Plattform für junge Schreibtalente noch bekommen, dort den Start mir eingestehe. Auf jeden Fall wäre aus dem Großraum. Neu im Kreis der setzen, das ausgebrannte Auto. Cut, es gelogen zu sagen, dass es mir unangenehm ist, sie wiederzusehen. „Fürther Freiheit“-Autoren ist Tobias fertig. Wir treffen uns am Buchladen an Jeden Tag diese Bilder. Verstehen Falberg. 1976 wurde er in Wittenberg geboren. Er lebt in Nürnberg und ist Sie nun, warum ich gern meine Ruhe der Fürther Freiheit. Dort habe ich dort Mitglied der Autorengruppen habe? Natürlich lerne ich immer mal ihr damals ein Buch gekauft, „Das „Wortwerk“ und „Mundpropaganda“. wieder Frauen kennen, mit denen, Herz ist ein einsamer Jäger“, nachdem wir uns gerade zehn Minuten Falberg erhielt bereits mehrere Auskannten. Manchmal ist das ja so, man zeichnungen, unter anderem das Stisieht sich, und gleich ist eine Übereinpendium zum Klagenfurter Literaturstimmung der, wie soll ich sagen, Seekurs, den Literaturpreis der Nürnberlen vorhanden. Seelen, klar, ich als ger Kulturläden und den Lyrikpreis Nachrichtenzuschneider rede von des C. H. Beck Verlags. Sein ErzählSeelen, ganz schön durch den Wind, band „Landschaft mit Ufo“ ist in dieso was. Aber das trifft den Sachversem Jahr im Ursus Verlag erschiehalt am besten. nen. Sein „Freiheit“-Debut widmet Gott, Anna sieht noch besser aus, sich dem aktuellen Thema unserer ganz im Einklang mit den schnelllebiReihe: Medien. gen Nachrichten, eine schöne Mel- als ich sie in Erinnerung habe. Ihr dung zu Stande kommt. Hinterher Gesicht wirkt ein wenig voller von eine Freunde bezeichnen mich vermisse ich oft diese Momente, weil der Seite. Sie schaut mich nicht als Einzelgänger. Schlimm finde vielleicht mehr dahintersteckt, als direkt an, sie lächelt auch nicht, als wir uns die Hand geben. Als ich sie ich das nicht. Ein bisschen Ruhe ist ich mir eingestehe. Gerade gestern kam eine SMS von umarmen will, stößt sie mich zurück. gut, besonders bei einem Beruf, wie ich ihn ausübe. Wenn Sie abends Ihre einer dieser Frauen. Ich cutte noch Ihre dunklen, glatten Haare sind TV-Nachrichten ansehen, diese Bei- das brennende Haus fertig und lese hochgesteckt. Eine wütende Haarträge über Anschläge, Folter und ent- die Nachricht. Ob wir uns sehen kön- spitze wippt, als sie sagt: „Da bist du führte Kinder, bevor dann die Sport- nen. Wenn nicht, auch nicht also.“ Wir gehen in ein Café. Sie ist, hatte ergebnisse zusammengefasst werden, schlimm. Die SMS ist von Anna. Und dann sehen Sie meine Arbeit. Nur wenn Anna schreibt „Wenn nicht, ist ich das schon erwähnt, wunderschön. das, was am meisten schockiert, auch nicht schlimm“, dann ist es Ihr Gesicht ähnelt Tina Modotti. Das schneide ich zusammen. Monitore wirklich ernst. Wir waren nur zwei dunkle Haar zeichnet eine weiche sind meine Berufung: das Filmmate- Monate zusammen, aber das weiß ich Kurve über die Schläfen zum Zopf Ein einsamer Jäger, das Herz M hin. Ihre Iris ist braun, mit feiner heller Maserung, wie auf den Blättern von Kapuzinerkresse. „Ich bin schwanger“, sagt sie. Ihre Augen öffnen sich weit, die fein geschwungene Oberlippe versteift sich und zittert. Auch meine Monitore, auch hier in der Spezialklinik. Ich habe mir den Vormittag frei genommen. Wir sind in einem abgedunkelten Raum. Anna liegt. Der Arzt kreist mit dem Ultraschall über ihren Bauch. „Das sind die Finger“, sagt er. „Eins, zwei, drei, vier, fünf. Das ist das Herz, sehen Sie, wie es pulsiert? Möchten Sie wissen, was es wird?“ In einem Zustand von, ja, es ist Glück, beobachte ich die weißen Konturen. Das erste Mal habe ich das Gefühl, dass so ein Bildschirm etwas wirklich Gewaltiges darstellt, etwas, wofür es sich zu leben lohnt. Ich greife nach Annas Hand, und für einen Augenblick fügen sich unsere Finger wie selbstverständlich ineinander. Danach laufen wir den sonnigen Weg zum Parkplatz, aber ich denke an alles andere als daran wegzufahren. Vor einer Bank bleibe ich stehen und schaue Anna an. Sie läuft weiter, ihr dunkler Zopf wippt. Ich renne hinterher. „Ist doch prima“, sage ich. „Alles in Ordnung. Ein gesunder, kleiner Junge.“ Ich lege meinen Arm um ihre Schulter. Ihr Gesicht dreht sich zu mir, die Neues Mitglied der „Freiheit“-Autoren- Oberlippe spannt sich in einem perriege: Tobias Falberg. Foto: privat fekten Schwung und zittert leicht, aber Anna stößt mich nicht weg. Ich Lippen zittern, weil ich mich am hei- wollte dich sowieso anrufen, könnte ich jetzt sagen, aber manchmal ßen Cappuccino verbrühe. „Der Arzt sagt, es braucht eine haben auch Nachrichtenschneider genaue Ultraschalluntersuchung, um helle Momente, und ich sage: „Es ist wunderbar, dass du da bist.“ Missbildungen auszuschließen.“