Fliegender Wechsel für Fliesen

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Fliegender Wechsel für Fliesen
© Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, 2012 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.
Technik
Fliegender Wechsel für Fliesen
Fotos: Wacker Chemie AG
Trockenverlegesystem ▪ Eine echte Innovation: Mit einer speziellen Korkschicht versehene Fliesen
saugen sich am Untergrund fest und ermöglichen so das „trockene“ Verlegen von großformatigen
Fliesen ohne Fliesenkleber. Das neue System macht nicht nur schnellere, einfache Wechsel von Fliesenböden möglich, sondern erleichtert auch die Arbeit der Handwerker und die Austauschbarkeit
sowohl einzelner Fliesen als auch ganzer Flächen. Holger Bienerth
Was heute modern ist, kann morgen schon wieder veraltet sein.
Rechteckige Fliesen in blassgrün oder
beigebraun, dazu Bordüren mit orangefarbenen Blümchenmuster – früher
beliebte Fliesendesigns in Badezimmer
oder Küche – sind inzwischen meist
unpopulär. Derzeit eindeutig im Trend
sind großformatige, einfarbige Platten,
egal ob in Privatwohnungen, Hochhaus28
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foyers oder Hotelzimmern. Die Mode
ändert sich und macht dabei auch vor
Fußböden nicht halt. Keramische Fliesen
konnten mit diesem Tempo nur mühsam
mithalten. Und so haben sie innerhalb der
letzten zehn Jahre über 50 Prozent an
Marktvolumen verloren zugunsten von
Laminat oder Fertigparkett. Denn diese
Bodenbeläge lassen sich dank Klicksystem
relativ leicht und schnell verlegen – und je
nach Geschmack und Bedarf auch wieder
ohne große Probleme verändern.
Fliesen dagegen ließen sich bisher nur
mit relativ großem Aufwand verlegen oder
wieder entfernen – einmal verklebt, überlegte man sich eine Veränderung meist
sehr genau. Hier setzt nun eine „trockene“
Verlege-Technologie an, das so genannte
„DryTiling“: Mit diesem Verfahren lassen
sich großformatige Fliesen nicht nur
fliesen & platten 7.2012
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1 Ein Badezimmer mit „DryTiles“ ist schnell verlegt und überzeugt mit einem sauberen Fugenbild.
2 Im ersten Schritt wird der Boden mit einer Selbstverlaufsmasse geglättet – ein ebener Untergrund
ist für die spätere Verlegung entscheidend.
3 Ist der Untergrund vorbereitet, werden die Fliesen wie gewünscht ausgelegt und nach Einlegen
einer Moosgummischnur zur mechanischen Entkopplung verfugt.
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schneller, sondern vor allem trocken, also
ganz ohne Kleber verlegen. Zudem eignet
sich das System für einen einfachen Rückbau und erlaubt damit ein schnelleres
Auswechseln des Bodenbelags.
Fliesen mit Korksohle
Der Clou der neuen Fliesen ist eine spezielle Beschichtung auf der Rückseite:
Diese besteht aus einer etwa zwei Millifliesen & platten 7.2012
meter dünnen Schicht aus Naturkork. Für
die Beschichtung werden die Korkpartikel
mit dem polymeren Bindemittel „Vinnex“
vermischt und anschließend mittels Hitze
und Druck zu einem Granulat verarbeitet. Aus diesem Granulat lassen sich dann
Korkflächengebilde, auch Cork Polymer
Composites (CPC) genannt, herstellen
und unter anderem auch auf der Rückseite
von Fliesen aufsintern.
www.fliesenundplatten.de
Technik
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Technik
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4 Die Fliesen lassen sich problemlos zuschneiden und anpassen.
5 Am Boden saugt sich die Beschichtung der Fliese fest, so dass sie
nicht mehr verrutschen, durch Anheben jedoch jederzeit wieder entfernt werden kann.
6 Abschließend wird der Fliesenboden noch verfugt und ist sofort
begehbar.
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Dazu wurde von der Firma TechnoPartner Samtronic ein spezielles Beschichtungsverfahren entwickelt, das auf einem
thermoplastischen Prozess basiert. Die
Fliesen werden dabei zunächst mit der
Rückseite nach oben auf ein Förderband
gelegt. Im nächsten Schritt wird das Granulat aus Kork und Bindepulver aufgestreut und anschließend unter Hitzeeinwirkung auf die Fliese gepresst. Das Bindemittel sorgt dabei für eine optimale
Haftung auf der Fliesenrückseite sowie
eine sehr gute Weiterverarbeitung. Das
Ergebnis ist eine Naturstein-, Keramikoder Feinsteinzeugfliese mit einer zwei
Millimeter dünnen Korkschicht, die damit
bereit fürs Verlegen ist.
Fallbeispiel im Bauernhaus:
Kein Kleben dank Saugeffekt
Die „DryTiling“-Technologie wurde offiziell im Februar 2012 auf dem 3. FLIESEN
& PLATTEN-FORUM in Köln vorgestellt. Zuvor wurden bereits erste Belastungstests, bei denen die Fliesenböden
beispielsweise mit schweren Maschinen
befahren wurden, erfolgreich bestanden.
Im Frühjahr wurde nun ein Referenzob30
jekt mit dem neuen System ausgestattet:
zwei Badezimmer von insgesamt 17 Quadratmetern in einem alten Bauernhaus im
südbayerischen Mangfalltal.
Erster Arbeitsschritt war dort das Auftragen einer selbstnivellierenden Ausgleichsmasse der Firma Codex, denn für
die spätere Verlegung ist ein ebener, sauberer und formstabiler Untergrund unabdingbar. Nach der Bodenvorbereitung
lassen sich die mit Kork und „Vinnex“
beschichteten Fliesen, die sogenannten
„DryTiles“, auflegen. Bei der Verlegung
werden zwischen die einzelnen Fliesen
Moosgummibänder gelegt. Sie dienen der
mechanischen Entkopplung vom Untergrund und verhindern die Übertragung
von Spannungen. Zudem sorgen sie dafür,
dass die Fugenmasse nicht bis zum Boden
vordringt.
Dass die beschichteten Fliesen auch
ohne üblichen Kleber optimal auf dem
Boden haften, gewährleistet ein Saugeffekt, der ebenfalls Bestandteil des Patents
für die „DryTiling“-Technologie ist: Durch
die spezielle Streu- und Presstechnologie
beim Vorbereiten der Fliesen lassen sich
Lufteinschlüsse zwischen Fliesenrücksei-
te und Korkfläche vermeiden. In Kombination mit der Korkpartikelgröße und
dem Eigengewicht der Fliese entsteht so
beim Auflegen auf den Boden ein Unterdruck. Dieser sorgt dafür, dass die Fliese
sich am Untergrund festsaugt und nicht
mehr verrutschen kann. Durch einfaches
Anheben kann die Fliese aber jederzeit
wieder entfernt werden.
Am Schluss werden die Fliesen mit einer
dispersionsbasierten Fugenmasse des
Unternehmens Esco-Fuge verfugt. Die
Masse sorgt neben der Dichtigkeit auch
für die nötige Flexibilität innerhalb des
Fliesenbodens und beugt Spannungen
sowie Rissbildung vor. Die Flexibilität der
Fugenmasse spielt auch für einen späteren
Rückbau eine wichtige Rolle: Denn die
Fliesen sind dadurch nur untereinander
verbunden, aber nicht mit dem Untergrund selbst verklebt. So kann einerseits
kein Wasser eindringen, andererseits wird
dadurch das Austauschen beschädigter
Fliesen oder sogar ein komplettes Auswechseln des Belags besonders einfach:
Die Fugen müssen lediglich mithilfe eines
Tapetenmessers eingeritzt werden.
Anschließend lassen sich die einzelnen
fliesen & platten 7.2012
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Fliesen mit einem Saugheber von der
Unterlage abheben und entfernen. Nach
dem Abtrennen des Fugenmaterials können sie anschließend sogar wieder verwendet werden.
Doppelt so schnell verlegen
Mithilfe des „DryTiling“-Verfahrens
konnten die Badezimmer des Bauernhauses wesentlich schneller gefliest werden, da
zwei Arbeitsschritte – das Legen und das
Fugen – an einem Tag stattfinden konnten.
Zudem waren die Flächen sofort wieder
begehbar, was gerade in beengten Räumen
von Vorteil ist. Und die Fliesenleger vor
Ort bestätigten, dass auch das Schneiden
und Brechen der korkbeschichteten Fliesen mit Standardwerkzeugen problemlos
funktionierte.
Vor allem die staubfreie, trockene und
sehr viel schnellere Verlegung ist ein Pluspunkt des neuen Systems, der zugleich
Kosten spart: Tests durch Fliesenleger
haben gezeigt, dass sich die „DryTiles“ mit
einer Geschwindigkeit von 15 Minuten
pro Quadratmeter auf bringen lassen.
Daraus ergibt sich eine Zeitersparnis von
etwa 50 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Klebeverfahren. Und durch
das schnellere Verlegen sowie den Verzicht
auf Fliesenkleber und Trocknungszeiten
lassen sich zudem bis zu 30 Prozent an
Kosten einsparen.
fliesen & platten 7.2012
Zur „DryTiling“-Technologie
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Ein weiterer Vorteil der CPC-beschichteten Fliesen: Durch die Kombination von
Korkschicht und Moosgummischnur wird
der Fliesenboden akustisch entkoppelt.
Dadurch verbessert sich die Trittschalldämmung je nach Aufbau um 13–18 Dezibel (gemäß DIN EN ISO 10-140) im Vergleich zu verklebten Fliesen. Zudem ist der
Belag durch die zusätzliche Korkschicht
wärmeisolierend und sorgt deswegen für
ein angenehmes Raumklima. Dank des
einfacheren Verlegeverfahrens können die
Fliesen einfach und schadensfrei ausgewechselt oder sogar mit ihnen umgezogen
werden – und so können sie leichter mit
künftigen Trendwechseln Schritt halten.
Entwickelt wurde das „DryTiling“-Verfahren von den Firmen Scholz & Partner,
TechnoPartner Samtronic GmbH und der
Wacker Chemie AG in Zusammenarbeit
mit verschiedenen Partnerunternehmen.
„DryTiling“ eignet sich grundsätzlich für
alle Fliesenarten und - formate ab einer
Größe von 0,2 Quadratmetern oder einem
Format von 30 x 60 Zentimeter und einer
Dicke von mindestens 10,5 Millimetern.
Fliesenfachhändler können ihre Ware bei
TechnoPartner Samtronic einschicken
und mit der CPC-Schicht ausstatten lassen. Die Kosten liegen je nach Fliese und
Menge zwischen 20 und 25 Euro pro Quadratmeter.
Der Autor
Holger Bienerth ist Global
Market Manager Natural Fiber
Composites bei Wacker Polymers.
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