Maßnahmen zur Prävention von Finanzkrisen und zur Stabilisierung

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Maßnahmen zur Prävention von Finanzkrisen und zur Stabilisierung
Maßnahmen zur Prävention von Finanzkrisen und
zur Stabilisierung von Finanzsystemen
Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (AwZ) zur gemeinsamen Anhörung von Finanzausschuss und AwZ zum Thema:
„Internationales Insolvenzrecht und präventive Politik zur Verhinderung von Finanzkrisen
und zur Stabilisierung des Finanzsystems“
am 2. April 2003
Professor Dr. Peter Bofinger
Universität Würzburg
1. Einleitung
Da Finanzkrisen in der Regel eine makroökonomische Ursache haben, möchte ich mich in
meiner Stellungnahme auf diesen Themenkomplex beschränken. Dabei steht außer Zweifel,
dass stabile mikroökonomische Verhältnisse eine gute Voraussetzung dafür sind, dass ein
Land relativ unbeschadet mit einer Währungskrise zurecht kommt. Beispiele hierfür sind die
EWS-Krise in Großbritannien und die Asienkrise in Korea.
Bevor ich auf die vorgegebenen Fragen eingehe, möchte ich zunächst eine kurze Übersicht
über die wichtigsten Optionen geben, die einer kleineren offenen Volkswirtschaft derzeit in
der Währungspolitik zur Verfügung stehen. Dies bietet einen klaren konzeptionellen Rahmen
für die Einordnung der zur Diskussion stehenden Themen.
2. Vier währungspolitische Grundmodelle
Der Ausgangspunkt für alle geld- und währungspolitischen Strategien in einer kleineren
offenen Volkswirtschaft ist die grundsätzliche Frage, wie die beiden zentralen geldpolitischen
Steuerungsgrößen gehandhabt werden sollen:
•
•
der kurzfristige Zins, der von der Notenbank mit ihren geldpolitischen Instrumenten am
Geldmarkt gesteuert wird,
der Wechselkurs, der von der Notenbank (und in manchen Ländern vom
Finanzministerium) durch den An- und Verkauf von Devisen am Devisenmarkt gesteuert
wird.
Viele renommierte Ökonomen behaupten, dass sich bei freiem Kapitalverkehr nur eine dieser
beiden Größen steuern lasse. Es bestehe also ein „Inkonsistenz-Dreieck“, dass bei freiem
Kapitalverkehr zu zwei geld- und währungspolitischen Ecklösungen führe:
•
•
der Strategie frei-flexibler Kurse, bei der ganz auf Devisenmarkt-Interventionen verzichtet
wird – dafür kann jedoch der Zins autonom gesteuert werden;
der Strategie absolut fester Kurse, bei der sich die Geld- und Währungspolitik ganz auf
die Stabilisierung des Wechselkurses konzentriert, wobei der inländische Zins nicht mehr
aktiv gesteuert werden kann. Das hierfür optimale institutionelle Arrangement besteht in
einem „Currency Board“, denkbar ist auch die Extremlösung der „Dollarisierung“.
In der Realität findet man jedoch sehr häufig Länder, die sich nicht an diese „corner
solutions“ halten und vielmehr eine gleichzeitige Steuerung des Wechselkurses und des
inländischen Zinsniveaus versuchen.
•
•
So konnte man in der Vergangenheit häufig beobachten, dass Notenbanken den Versuch
unternommen haben, eine autonome Zinspolitik zu verfolgen, obwohl sie gleichzeitig
einen festen Wechselkurses zu einer Ankerwährung ansteuerten. Diese Strategie, für die
es bisher keine eigenen Namen gibt, werde ich im folgenden als „feste Kurse PLUS“
bezeichnen..
Daneben gibt es zahlreiche Notenbanken, die zwar offiziell eine Politik flexibler Kurse
betreiben, die aber dennoch mehr oder weniger intensiv am Devisenmarkt intervenieren
(„fear of floating“). Man bezeichnet diese Strategie als „Managed Floating“.
Eine Übersicht über diese vier wichtigsten Modelle zur Geld- und Währungspolitik in
kleineren offenen Volkswirtschaften gibt die Tabelle 1:
Tabelle 1: Währungspolitische Optionen in kleineren offenen Volkswirtschaften
Wechselkurs-Steuerung
ja
nein
a) „Feste Kurse frei-flexible
PLUS“
Kurse
ja
b) „Managed
ZinsFloating“
Steuerung
–
nein „Currency
Board“
„Dollarisierung“
3. Frei-flexible Wechselkurse
Die meisten Ökonomen sind auch heute noch der Auffassung, dass frei-flexible Wechselkurse
eine für die meisten Länder zweckmäßige währungspolitische Strategie darstellen. Unter dem
Einfluss der Ideologie der „two corner solutions“, die vom IWF nach der Asienkrise massiv
propagiert wurde, haben sich in Osteuropa und in Lateinamerika mehrere Länder für diesen
Ansatz entschieden. Das Grundproblem dieser Lösung besteht darin, dass sich am
Devisenmarkt determinierte Wechselkurse völlig anders verhalten, als dies in der
Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre dargestellt wird. Insbesondere fehlt bei diesem System
jeglicher systematische Zusammenhang zwischen makroökonomischen Fundamentalfaktoren
(z.B. Inflationsraten, BIP-Wachstumsraten, Leistungsbilanzsalden, Zinsdifferenzen). Die
daraus resultierenden „misalignments“ können zu einer erheblichen Belastung für die
makroökonomische Politik kleinerer offener Volkswirtschaften führen:
•
•
So haben einige osteuropäische Länder (Polen, Tschechien, Ungarn) nach dem Übergang
zu flexiblen Kursen eine massive reale Aufwertung ihrer Währungen erfahren, für die es
keine fundamentale Rechtfertigung gab. Die Resultate dieser Politik sind heute
offensichtlich: ein massiver Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, ein Rückgang der
Wachstumsdynamik, hohe und teilweise besorgniserregende Defizite in den öffentlichen
Haushalten und der Leistungsbilanz.
Umgekehrt ist es in Brasilien infolge der Krise des argentinischen Peso fast zu einer
Halbierung des Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar gekommen, was zu einer
drastischen Zunahme des öffentlichen Schuldenstands (85,2 % des BIP verglichen mit
55,5 % im Jahr 1998) und einer deutlichen Inflationsbeschleunigung geführt hat. Auch für
diese Wechselkursentwicklung lässt sich keine auch nur annähernd befriedigende
fundamentale Erklärung finden.
Wenn sich heute ein Land also dem Regime frei-flexibler Kurse anvertraut, schwebt über
seiner makroökonomischen Politik stets das Damokles-Schwert eines völlig unberechenbaren
Devisenmarktes. Wie die Erfahrungen in Osteuropa und Brasilien verdeutlichen, lassen sich
die davon ausgehenden deflationären bzw. inflationären Effekte nur bedingt durch die
inländische Zins- oder Fiskalpolitik kompensieren. Das Beispiel Brasiliens zeigt zudem, dass
sich Währungskrisen auf diese Weise nicht vermeiden lassen.
4. Absolut feste Wechselkurse
Auch die Ecklösung absolut fester Wechselkurse hat sich in der Praxis als sehr problematisch
erwiesen. Der „ideale“ institutionelle Rahmen hierfür ist das „Currency Board“, da es bei
diesem Arrangement im Prinzip keinerlei Handlungsspielräume für eine eigenständige
Zinspolitik gibt. Wenn sich ein Land für diese Strategie entscheidet, werden das inländische
Zinsniveau bestimmt durch
•
•
die Zinsen im Ankerwährungsland (Vereinigten Staaten bzw. Euroland für Estland und
Bulgarien) sowie
die Risikoprämie, die die internationalen Investoren Anleger für diese Währung fordern.
Die Erfahrungen Argentiniens, das über Jahre hinweg als ein Musterbeispiel für eine
erfolgreiche Festkursbindung gefeiert wurde, zeigen, dass ein auf diese Weise extern
bestimmtes Zinsniveau zu erheblichen makroökonomischen Störungen führen kann. Zum
einen kam Argentinien unter Druck, als die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 eine
restriktivere Zinspolitik einschlugen, die überhaupt nicht in das schon deflationäre Umfeld
Argentiniens passte. Zum anderen bildete sich nicht zuletzt unter dem Eindruck der PesoKrise eine immer höhere Risikoprämie heraus (37 Prozentpunkte Ende 2001). Hierin schlug
sich auch nieder, dass mit dem Dollar eine Ankerwährung gewählt worden war, die nur 11 %
der argentinischen Exporte erfasste und die zudem in den Jahren 1999 bis 2000 gegenüber
nahezu allen anderen Währungen massiv aufwertete. Die Entscheidung für die Ecklösung
„absolut feste Wechselkurse“ hat somit Argentinien in eine „Große Depression“ geführt, aus
der das Lande bis heute noch herausgefunden hat.
Damit ist auch von dieser Seite die Vorstellung des IWF widerlegt, dass sich Währungskrisen
vermeiden lassen, wenn man sich für eine der beiden „corner solutions“ entschließt.
5. Feste Kurse PLUS
In Anbetracht der sehr hohen Risiken und Nebenwirkungen dieser beiden Ecklösungen ist es
nicht überraschend, dass viele Länder bestrebt waren und es noch immer sind, geld- und
währungspolitische Kompromiss-Lösungen zu verfolgen. Idealerweise lassen sich so die
Vorteile der beiden extremen Optionen kombinieren, wobei deren Nachteile zumindest
teilweise ausgeschlossen werden können.
Eine im letzten Jahrzehnt häufig praktizierte Zwischenlösung bestand darin, dass Länder zwar
ihren Wechselkurs gegenüber einer Ankerwährung fixierten, dabei aber gleichzeitig eine
autonome Zinspolitik verfolgten. Beispiele hierfür sind:
•
die Asienkrise von 1997: Thailand hatte beispielsweise bis 1997 – trotz eines festen
Wechselkurses zum Dollar – sehr viel höhere Zinsen als die Vereinigten Staaten
(Schaubild 1).
•
die EWS-Krise von 1992/93: In Italien lagen die Zinsen in den Jahren 1987 bis 1992
deutlich über dem deutschen Niveau, gleichzeitig blieb der Lira-DM-Kurs von Januar
1987 bis zum Ausbruch der Krise im September 1992 unverändert.
•
die Krise der Tschechen-Krone im Mai 1997: Diese Währung war von 1991 an faktisch an
die D-Mark gebunden. Wiederum waren die Zinsen in Tschechien sehr viel höher als in
Deutschland.
Schaubild 1: Geldmarktzinsen in Thailand und den USA von 1990 bis 1996
16
Thailand
USA
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Es ist offensichtlich, dass die Strategie „feste Kurse PLUS“ extrem krisenanfällig ist. Bei
freiem Kapitalverkehr führt der Zinsvorsprung gegenüber der Ankerwährung zunächst zu
massiven, überwiegend kurzfristigen Kapitalzuflüssen. Dies legt dann bereits den Keim für
die Krise, in der das Kapital schlagartig abgezogen wird. Das Grundproblem dieser
Zwischenlösung liegt darin, dass dabei weder dem binnenwirtschaftlichen, noch dem
außenwirtschaftlichen Gleichgewicht angemessen Rechnung getragen wird.
Der Versuch, eine eigenständige Zinspolitik bei festen Kursen zu betreiben, ist in den hier
geschilderten Fällen dadurch motiviert gewesen, dass das Zinsniveau des Ankerlandes für die
binnenwirtschaftliche Stabilität zu niedrig war. Das deshalb angestrebte höhere BinnenzinsNiveau verletzte nun aber das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, was sich in den
kurzfristigen Kapitalzuflüssen niederschlug. In der Regel war das bei diesem Kompromiss
angesteuerte Zinsniveau jedoch immer noch zu niedrig, um eine Überhitzung der
Binnenwirtschaft zu vermeiden.
Die massiven Kapitalzuflüsse, die bis 1997 in vielen „emerging markets“ zu beobachten
waren, sind also primär auf diese spezifische geld- und währungspolitische Zwischenlösung
zurückzuführen. Nach den schlechten Erfahrungen mit den „festen Kursen PLUS“ ist es nicht
überraschend, dass es derzeit kein Land gibt, dass diese Strategie verfolgt. Aus diesem Grund
sind auch die kurzfristigen Kapitalzuflüsse erheblich zurückgegangen.
6. Managed Floating
Eine zweite Zwischenlösung zwischen absolut festen und frei-flexiblen Wechselkursen
besteht in der Option des „Managed Floating“. Ähnlich wie bei den „festen Kursen PLUS“
wird der spezifische Charakter dieses Ansatzes von vielen Ökonomen verkannt. Allerdings
hat sich seit einigen Jahren die Einsicht durchgesetzt, dass viele Länder zwar offiziell eine
Politik frei-flexibler Kurse deklarieren, in der Praxis aber teilweise erheblich am
Devisenmarkt intervenieren. Die Motivation für diese „fear of floating“ ist nach der
Diskussion der drei übrigen geld- und währungspolitischen Strategien relativ offensichtlich.
Wenn ein Land sich die Probleme der Ecklösungen ersparen will und es sich zudem nicht der
Gefahr kurzfristigere Kapitalzuflüsse aussetzen will, die mit den „festen Kursen PLUS“
verbunden sind, muss es nach einer Zwischenlösung suchen, die auf einer weniger
spekulationsanfälligen Steuerung des Wechselkurses beruht.
Die theoretische Grundlage hierfür ist die Zinsparitätentheorie. Sie besagt, dass Anleger dann
zwischen der Anlage in einer Währung A und einer Währung B indifferent sind, wenn die
Zinsdifferenz zwischen A und B durch eine entsprechende Abwertung der A-Währung
kompensiert wird. Bei „festen Kursen PLUS“ ist diese Bedingung häufig verletzt gewesen.
Der thailändische Bath wies z.B. 1996 eine Zinsvorsprung von durchschnittlich vier
Prozentpunkten gegenüber dem Dollar auf, aber der Wechselkurs des Bath wertete nicht ab, er
blieb konstant.
Die Konzeption des Managed Floating basiert also darauf, dass eine Notenbank ihren
Wechselkurs am Devisenmarkt steuern kann, sie dabei aber darauf achten muss, dass der von
ihr angesteuerte Wechselkurspfad im Einklang mit der Zinsdifferenz zum Ausland steht. Auf
diese Weise kann man die Vorteile der beiden Ecklösungen verbinden und ihre Nachteile
weitgehend vermeiden.
•
Wie bei festen Kursen können exzessive Schwankungen und „misalignements“ des
Wechselkurses verhindert werden.
•
Wie bei flexiblen Kursen besteht eine Autonomie in der Geld- und Währungspolitik, die
es der Notenbank erlaubt, binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte zu verhindern.
Dass eine solche Politik über längere Zeit erfolgreich praktiziert werden kann, belegt das
Beispiel Sloweniens. Dieses Land orientiert sich explizit an der Zinsparitätentheorie, es hat
bisher keine Währungskrisen erlebt, und es kann eine sehr viel erfolgreichere
makroökonomische Performance aufweisen als Tschechien, Polen und Ungarn. Auch Peru
hat mit dieser Strategie die Währungsunruhen in Lateinamerika relativ unbeschadet
überstanden. Schaubild 2 zeigt die Zinsdifferenz zwischen dem Tolar und dem Euro.
Schaubild 2: Zinsdifferenz zwischen dem Tolar und dem Euro
20%
Slowenien
Wechselkursveränderung ggü. dem €uro
Zinsdifferenz zu Euroland
15%
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5%
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-5%
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Natürlich hat auch diese Zwischenlösung ihre Schattenseiten. Sie bestehen zum einen darin,
dass es für ein einzelnes Land zwar relativ einfach ist, sich einer Aufwertung der
Landeswährung entgegenzustellen, da dabei immer die fremde Währung gegen die heimische
angekauft wird. Im Fall eines Abwertungsdrucks stößt die Notenbank dagegen relativ bald an
die Grenzen eines gegebenen Bestandes an Währungsreserven. Diese Asymmetrie hat
beispielsweise Uruguay gezwungen die Steuerung ihres Wechselkurses bis auf weiteres
einzustellen (Schaubild 3).
Ein zweites Problem des „Managed Floating“ besteht darin, dass es von Ländern zu einem
„Wechselkurs-Dumping“ missbraucht werden kann. Das beste Beispiel hierfür ist die
Wechselkurspolitik von Korea. Nach der Asienkrise haben die Behörden dieses Landes die
Gelegenheit genutzt, den Wechselkurs ihrer Währung auf dem extrem niedrigen Niveau zu
halten, um sich so internationale Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Seither hat die
Notenbank rund 100 Milliarden Dollar am Devisenmarkt ankaufen müssen, um eine
Aufwertung zu verhindern (Schaubild 4). Bei diesem handelspolitischen Spielraum im
Bereich der Wechselkurspolitik können die Regelungen der WTO massiv unterlaufen werden.
Schaubild 3: Dollar-Wechselkurs des Peso und Währungsreserven von Uruguay
30
Uruguay
3500
Peso je US-$ (linke Achse)
Währungsreserven ohne Gold in Mio. US-$
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Schaubild 4: Dollar-Wechselkurs des Won und Währungsreserven von Korea
1800
Süd-Korea
Won je US-$ (linke Achse)
Währungsreserven ohne Gold in Mio. US-$
1600
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140000
120000
100000
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1200
60000
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7. Zusammenfassung
Nach der Asienkrise hatte der Internationale Währungsfonds geglaubt, durch die Ecklösungen
absolut fester oder frei-flexibler Wechselkurse ließen sich Währungskrisen weitgehend
vermeiden. Dementsprechend sollten die als instabil angesehenen Zwischenlösungen
vermieden werden. Heute zeigt sich, dass die Diagnose ungenau war. Es trifft zwar zu, dass
die Zwischenlösung „feste Kurse PLUS“ enorm krisenanfällig ist, dies trifft jedoch nicht auf
die alternative Zwischenlösung „Managed Floating“ zu. Diese bietet vielmehr erhebliche
Vorteile insbesondere auch gegenüber den frei-flexiblen und den absolut festen
Wechselkursen.
Bedauerlicherweise hat sich der IWF bisher jedoch geweigert, sich intensiv mit dem
„Managed Floating“ auseinander zusetzen. Dies hat eine Reihe von Nachteilen:
•
•
•
Noch immer werden Länder angehalten, die problematischen Ecklösungen zu verfolgen.
Es fehlt eine systematische Analyse der Wettbewerbsverzerrungen die im Rahmen eines
„Managed Floating“ möglich sind.
Es wurde bisher nicht untersucht, wie man der Asymmetrie des „Managed Floating“ im
Fall von Kapitalabflüssen durch IWF-Fazilitäten angemessen Rechnung tragen kann.
8. Beantwortung der Fragen
Vor diesem Hintergrund lassen sich einige der vom Ausschuss gestellten Fragen wie folgt
beantworten
1. Die Reduktion der Kapitalzuflüsse ist darauf zurückzuführen, dass die Strategie „feste
Kurse PLUS“ nicht mehr zur Anwendung kommt. Diese hat – wie oben verdeutlicht – die
Zinsparitätentheorie verletzt und damit hohe Anreize für kurzfristige Kapitalzuflüsse
geschaffen.
3. Die von Slowenien praktizierte Strategie des „Managed Floating“ stellt ein erfolgreiches
Modell für eine stabilitätsorientierte Geld- und Währungspolitik dar.
4. Bedauerlicherweise wird die Konzeption des „Managed Floating“ vom Internationalen
Währungsfonds bisher kaum beachtet.
5. Wenn sich Entwicklungs- und Schwellenländern in ihrer Geld- und Währungspolitik an
der Zinsparitätentheorie orientieren, ist dies die beste Strategie zur Vermeidung
kurzfristiger Zuflüsse. Und wenn die Zuflüsse unterbinden werden, wird auch die Gefahr
der Abflüsse wesentlich vermindert.
6. Die Achillesferse des Managed Floating besteht in einem durch Fundamentalfaktoren
nicht begründeten Abwertungsdruck. Hier wäre es hilfreich, wenn Länder, die im übrigen
gute makroökonomische Daten aufweisen, eine stärkere Unterstützung durch den IMF
erfahren könnten. Im Fall der EU-Beitrittsländer wäre es Aufgabe der EZB, hier eine
größere Hilfestellung zu bieten. Die im Rahmen des EWS II vorgesehenen Kreditlinien
sind völlig unzureichend.
7. a) Anti-Spekulationssteuer: Durch eine Kursglättung im Rahmen eines „Managed
Floating“ kann das Entstehen destabilisierender Wechselkursverläufe sehr viel einfacher
verhindert werden als durch eine Tobin-Steuer, die mit einem enormen administrativen
Aufwand verbunden ist. Im Fall eines massiven Vertrauensverlustes in eine Währung,
zum Beispiel im Fall Argentiniens, ist eine Tobin-Steuer ebenso überfordert wie das
„Managed Floating“.
b) Kapitalverkehrskontrollen: Für den Fall von Kapitalzuflüssen sind Regulierungen
entbehrlich, wenn sich ein Land an der Zinsparitätentheorie orientiert. In der Situation von
Kapitalabflüssen kann es hilfreich sein, temporär eine kurzfristige Kreditaufnahme von
Ausländern im inländischen Bankensystem zu untersagen. Die Erfahrung zeigt jedoch,
dass die Effizienz der Kontrolle von Abflüssen sehr begrenzt ist.
11. Die Problematik von Currency Boards wurde bereits unter Punkt 4. diskutiert. Die
Dollarisierung hat gegenüber Currency Boards auf den ersten Blick den Vorteil, dass
damit das Wechselkursrisiko ausgeschlossen wird. An seine Stelle tritt jedoch das Risiko
einer höheren Krisenanfälligkeit des inländischen Bankensystems, dem im Run-Fall kein
„Lender of Last Resort“ mehr zur Verfügung steht. Die Dollarisierung ist daher nur für
sehr kleine Länder praktikabel, deren Banken sehr eng mit den Banken des Ankerlandes
integriert sind und auf dessen Liquiditätsversorgung zurückgreifen können. Die
Dollarisierung hat den weiteren Nachteil, das einem Land die Einnahmen aus der
„Seigniorage“ entgehen.
12. Die Zusammenarbeit der Europäischen Länder im Rahmen des Europäischen
Währungssystems I hat gezeigt, dass es sehr sinnvoll sein kann, in einem regionalen
Rahmen währungspolitisch zu kooperieren. Immerhin ist es diesem System trotz der Krise
der Jahre 1992/93 gelungen, die anfänglich sehr divergenten makroökonomischen
Bedingungen der Teilnehmerländer weitgehend aneinander anzugleichen.
14. Während die Situation in Brasilien bisher recht gut gemeistert werden konnte, hat das
Krisenmanagement in Argentinien völlig versagt. Das Land hätte eine vom IWF (oder der
amerikanischen Notenbank) abgesicherte Obergrenze für seinen Wechselkurs benötigt.
Denkbar wäre beispielsweise ein Kurs von 1,50 gewesen, der einen ausreichenden
Ausgleich für die bestehende reale Überbewertung geboten hätte. Bei einer von außen
gegebenen Wechselkursgarantie hätten sich die Risikoprämien deutlich reduziert, der
Staat hätte seinen Handlungsspielraum wiedergewonnen und der Kollaps des inländischen
Bankensystems hätte verhindert werden können.

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