Ein Dream-Team am Werktisch

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Ein Dream-Team am Werktisch
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Corum
Ein Dream-Team am Werktisch
Publikumsandrang in den Ateliers während der Tage zum Erbe der Uhrmacherkunst.
Brigitte Rebetez
« Verstehen Sie etwas von Fussball ? » Aus dem
Mund von Antonio Calce kommt die Frage vielleicht
etwas unerwartet, denn was hat dieser UhrenCaptain mit den Fussballplätzen zu tun ? Doch der
eloquente CEO von Corum erklärt : « Die grossen
Clubs sichern sich für jede Position ihre Spezialisten.
Ob Verteidiger, Stürmer, Torschützen, überall wollen
sie die Besten haben.» Eine solche Rekrutierungspolitik betreibt die Firma aus La Chaux-de-Fonds
schon seit vier Jahren, als man sich für ein Team
entschied, das imstande sein sollte, alle wichtigen
Etappen der Uhrenherstellung zu meistern,
Werkproduktion inklusive. Und das Haus stellte
nicht nur hochspezialisierte Fachkräfte ein, sondern
straffte gleichzeitig seinen Katalog von 3000 auf
150 Endprodukte. « Eine gewaltige Baustelle »,
bringt es Antonio Calce auf den Punkt.
Eine gewaltige Baustelle? Man könnte auch sagen:
an die Ursprünge der 1955 von René Bannwart
gegründeten Marke anknüpfen. Und zum zweiten
Mal in ihrer Geschichte ein mechanisches Werk produzieren. « Corum war eine der angesehensten
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Marken», unterstreicht Antonio Calce, «mit sehr viel
Uhrmacherkönnen und viel Kreativität.» Die Firma
stellte ihre Werke selbst her und beschäftigte eine
Unzahl von spezialisierten Fachkräften – Emailleure,
Graveure, Polierer – die dann mit der Ankunft der
Quarzuhr in alle Winde zerstreut wurden.
Für ihre Rückkehr zu den Wurzeln begann Corum
2005 ein Team «mit herausragenden Fähigkeiten»
in den Bereichen Entwicklung, Produktion und
Logistik aufzubauen, rund ein Dutzend Personen
auf eine Belegschaft von mehreren hundert
Angestellten. « Ein Dream-Team », versichert der
CEO, dank dessen die Marke inzwischen alle strategischen Produktionsschritte kontrolliert. « Wir
sind selbst die Urheber unserer Werke », unterstreicht Antonio Calce, « wir brauchen keine
Leihväter!»
Die erste Frucht der Arbeit des neuen Teams
wurde an der Baselworld präsentiert : das Modell
Ti-Bridge, bestückt mit dem zweiten mechanischen Werk aus Eigenproduktion. Das lineare
Kaliber CO 007 ist von einem berühmten
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Das Titanwerk der Ti-Bridge : eine Synthese aus Können und High-Tech.
Vorgänger inspiriert, der von Corum 1980 lancierten Golden Bridge von Vincent Calabrese. Doch
beim tonneauförmigen Gehäuse hören die
Familienähnlichkeiten zwischen den beiden
Prunkstücken der Marke auf, und die Ti-Bridge
unterscheidet sich durch ihr modernes Design
ebenso wie durch ihr Innenleben und ihre technischen Besonderheiten von der älteren Schwester.
Sie setzt das Titan in Szene: Gehäuse und Werk,
Brücken und Platinen wurden aus diesem ultraleichten Material (doppelt so leicht wie Stahl)
gefertigt, das allerdings verflixt schwer zu bearbeiten ist. «Ein Werk zu 100% aus Titan herzustellen
ist eine technische Herausforderung », sagt
Produktechef Frédéric Leuba. « Dieses Material
nutzt die Schneidewerkzeuge sehr rasch ab und
benötigt ein spezielles Abkühlungsprozedere. Und
bei der Fertigung ist es hochentflammbar, was bei
uns ganze fünfmal Brandalarm auslöste!»
Mit der neuen Mannschaft konnte Corum die ganze
Konzeption, Entwicklung und Assemblage der TiBridge hausintern bewältigen – und erst noch in
Rekordzeit, hält Antonio Calce fest. «Für die von uns
in dreieinhalb Jahren geleistete Arbeit muss man
sonst in der Regel sieben Jahre rechnen ! »
Dreieinhalb Jahre in denen das Team die Uhr pausenlos weiterentwickelt hat. Abmessungen,
Zifferblatt, Zeiger, Habillage und Werk wurden unablässig überprüft und überarbeitet. Schwindelerregend, wenn man bedenkt, dassallein die
Modifikation der Gangreserve Anpassungen bei 60%
der Uhrenbestandteile nach sich zog… Bis am
Vorabend der Baselworld legte das Team seine Uhr
immer wieder auf die Werkbank, um noch an den
kleinsten Details herumzufeilen. Und das sind keine
leeren Worte : « Stellen Sie sich einmal vor, dass
noch im November, vier Monate vor Basel, beschlossen wurde, die Abmessungen der Uhr um ein Drittel
zu reduzieren», erinnert sich Frédéric Leuba heute
noch verblüfft. «Also alles nochmal von vorn, um der
eleganten Erscheinung willen ! » Aber die T-Bridge
musste einfach perfekt sein, bedeutet sie doch für die
Marke aus La Chaux-de-Fonds nichts weniger als
den Beginn einer neuen Ära.
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