Das Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem

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Das Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem
Das Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem Gerät ViDistA VDM_R ist ein so
genanntes standardisiertes Messverfahren, bei dem die Bedingungen und der
Ablauf einschließlich Auswertung der aufgenommenen Daten so festgelegt
sind, dass bei gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 12.8.2004, 2 Ss (OWi) 172 B/03
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen
wegen
Verteidiger
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Barteldes,
den Richter am Oberlandesgericht Tscheslog und
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kühl
am 12. August 2004
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 31. Juli 2003 wird als
unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen.
Gründe:
I.
Das
Amtsgericht
verurteilte
den
Betroffenen
wegen
fahrlässiger
Überschreitung
der
zulässigen
Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140,00 € und einem Fahrverbot von einem Monat. Die
Feststellungen des Gerichts lauten folgendermaßen:
Der Betroffene befuhr am 11.11.2002 gegen 16:03 Uhr die B 169 zwischen Drebkau und Klein Oßnig in
Richtung Cottbus. Dort gilt die allgemeine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen auf
100 km/h. Hinter ihm fuhr ein Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B-FL 198. Der Pkw, Typ DaimlerChrysler ist ein Dienstfahrzeug der Polizei und unter dem amtlichen Kennzeichen CB- 3102 zugelassen. In
dem von den Polizisten Bonitz und Stritschke gefahrenen Auto befinden sich eine Front- und eine
Heckkamera und ein Wegstrecken-Zeit-Messgerät Typ ViDistA VDM-R der Firma Deininger KG, das am
23.10.2002 zuletzt gültig bis Ende 2003 geeicht worden ist. Es wurde eine Messung ausgewertet. Bei einer
zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fuhr der Betroffene abzüglich aller Toleranzen 145,69
km/h, gemessen über eine Strecke von 271,02 m.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er eine Verfahrensrüge und die
Sachrüge erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hält die Sachrüge für begründet und
beantragt deshalb die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Mit der Verfahrensrüge macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag auf
Einholung eines Sachverständigengutachtens rechtsfehlerhaft abgelehnt. Der Beweisantrag lautete:
Zum Beweis der Tatsache, dass zum Beginn der Messung und der Auswertung die Fahrzeughöhe des
Fahrzeuges des Betroffenen durch Federung und Unebenheiten auf der Fahrbahn im Hinblick auf die
gefahrene Geschwindigkeit von über 100 km/h größer abgebildet war als die Fahrzeughöhe zu diesem
Messzeitpunkt
war
und
dadurch
eine
höhere
Messtoleranz
dem
Betroffenen
bei
der
Videodistanzauswertung zugunsten gelegt (gemeint: zugrunde gelegt) werden muss mit dem Ergebnis,
dass die Durchschnittsgeschwindigkeit des Betroffenen max. 100 km/h betrug, wird die Einholung eines
Sachverständigengutachtens beantragt.
In der Begründung dieses Antrags heißt es, der Messbeamte habe angegeben,
dass er die Höhe des Pkws des Betroffenen bei Beginn der Messung manuell hinsichtlich der eigenen
Wahrnehmung in das Berechnungsprogramm eingab. Er konnte jedoch nicht ausschließen, dass durch die
gefahrene Geschwindigkeit, Fahrbahnunebenheiten und Federung des Fahrzeuges des Betroffenen der
Wert der zugrunde liegenden Fahrzeughöhe tatsächlich kleiner ist, als von ihm eingegeben.
Das Amtsgericht hat diesen Beweisantrag mit dem Argument zurückgewiesen, damit würden keine konkreten
Anhaltspunkte für Messfehler genannt. Unterschiedliche Federungen der Fahrzeuge und Unebenheiten der
Fahrbahn seien übliche Umstände, die systemimmanent durch die Toleranzen ausgeglichen werden.
Es kann offen bleiben, ob die Verfahrensrüge, wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
annimmt, bereits unzulässig ist, weil zu ihrer Darstellung eine Kopie des Protokolls der Hauptverhandlung in die
Rechtsbeschwerdebegründung eingefügt und der fotokopierte Text - die handschriftliche Begründung der
Ablehnung
des
Beweisantrages
-
weitgehend
unleserlich
ist,
im
Unterschied
zum
Original
des
Hauptverhandlungsprotokolls. Die Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Die beantragte Beweiserhebung
war
zur
Erforschung
der
Wahrheit
nicht
erforderlich
(§
77
Abs.
2
Nr.
1
OWiG).
Das
Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem Gerät "ViDistA VDM-R" ist ein so genanntes standardisiertes
Messverfahren. Denn es handelt sich - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - um ein technisches
Verfahren, bei dem die Bedingungen und der Ablauf einschließlich der Auswertung der aufgenommenen Daten
so festgelegt sind, dass bei gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Bei
standardisierten Verfahren ist der Tatrichter nur dann gehalten, die Zuverlässigkeit der Messung zu überprüfen,
wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen. Solche Anhaltspunkte werden in dem Beweisantrag
aber nicht genannt. Denn danach hat der Messbeamte nur "nicht ausschließen" können, dass das Fahrzeug
des Betroffenen auf dem Videofilm aufgrund von Fahrbahnunebenheiten und der Fahrzeugfederung größer
ausgemessen wurde als es ohne diese Umstände - Unebenheiten und Federung - ausgemessen worden wäre.
Doch hierbei handelt es sich - wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - um Umstände, die bei
jeder Auswertung des Videofilms zu berücksichtigen sind und auf die die hierfür maßgebliche Messtoleranz
gerade zugeschnitten ist; sie beträgt 3 %, hinzu kommen weitere Toleranzen für die Zeit- und Wegemessung.
2. Auch die Sachrüge ist unbegründet. Das Amtsgericht hat seine Darlegungspflicht hinsichtlich der
Messmethode nicht verletzt, indem es - neben der Kennzeichnung des Gerätetyps - nur mitteilt, welche
Geschwindigkeit in diesem Verfahren "abzüglich aller Toleranzen" bestimmt worden ist. Die Forderung, die
Urteilsgründe müssten die festgestellte Geschwindigkeit (Bruttogeschwindigkeit), den zugrunde gelegten
Toleranzabzug und sodann die für den Schuldspruch maßgebliche Geschwindigkeit (Nettogeschwindigkeit)
angeben, ist für das vorliegende Verfahren nicht mehr angemessen.
In anderen Verfahren, in denen auch mit Videoaufzeichnungen gearbeitet wird (z.B. in dem Verfahren ProVida),
wird als Bruttogeschwindigkeit die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs genommen, die auf den Videofilm
elektronisch
eingelesen
Bruttogeschwindigkeit,
wird.
die
Bei
diesen
Messtoleranz
Verfahrens
und,
aus
ist
den
es
angemessen
vorgenannten
und
Größen
erforderlich,
die
resultierend,
die
Nettogeschwindigkeit anzugeben.
Das vorliegende Verfahren "ViDistA VDM-R" ist anders aufgebaut. Die Grundlage der Messung ist nicht mehr
die im Polizeifahrzeug gemessene Geschwindigkeit, auch wenn sie noch auf den Videofilm eingelesen wird. Mit
dem im Polizeifahrzeug installierten Aufnahmesystem, zu dem auch die Videokamera gehört, werden vielmehr
allein die Zeit der Messung und die Messstrecke erhoben. Diese beiden Größen werden in ein
Auswertungsprogramm, eine Software, eingegeben, wobei in diesem Programm für beide Größen je spezifische
Messtoleranzen berücksichtigt werden. In das Auswertungsprogramm gehen außerdem zwei Daten ein, die für
die Bestimmung der Veränderung des Abstandes zwischen Polizeifahrzeug und kontrolliertem Fahrzeug von
Bedeutung sind. Es handelt sich dabei einerseits um die reale Höhe des kontrollierten Fahrzeuges, die dem
Fahrzeugbrief oder anderen Quellen entnommen wird, sowie um die Höhe des auf dem Videoband
ausgemessenen Fahrzeugs des Betroffenen. Auf der Grundlage des Linsengesetzes ergibt sich aus diesen
beiden Größen die Entfernung zwischen Polizeifahrzeug und kontrolliertem Fahrzeug. Die Fahrzeughöhe auf
der Videoaufzeichnung wird gemessen, indem horizontale Linien auf die Aufzeichnung projiziert werden; um
Ungenauigkeiten dieser Ausmessung zu berücksichtigen, wird auch dafür eine Messtoleranz zugunsten des
Betroffenen in das Anwendungsprogramm eingegeben. Danach werden in diesem Programm also insgesamt
drei mögliche Messfehler berücksichtigt.
Durch die Eichung des Wegstrecken-Zeit-Messgerätes wird gewährleistet, dass bei dem Betrieb dieses Geräts
die
dafür
zulässigen
Verkehrsfehlergrenzen
eingehalten
werden,
wenn
es
entsprechend
der
Gebrauchsanweisung bedient wird. Diese Verkehrsfehlergrenzen entsprechen den Korrekturwerten (oder
Messtoleranzen) für die gemessene Zeit und die gemessene Strecke, die im Auswertungsprogramm zugunsten
des Betroffenen berücksichtigt werden. Der Korrekturwert für die Zeitmessung beträgt derzeit 0,1 % der
gemessenen Zeit, vermehrt um 0,01 Sekunde. Dieser Wert wird in dem Auswertungsprogramm der
gemessenen Zeit hinzugefügt und reduziert dadurch die bestimmte Geschwindigkeit. Der Korrekturwert für die
Wegmessung beträgt derzeit 4 % des gemessenen Weges, mindestens jedoch 4 Meter; in dem
Anwendungsprogramm wird die gemessene Strecke um diesen Wert verringert, wodurch zugleich - bei gleich
bleibender Zeit - die bestimmte Geschwindigkeit zugunsten des Betroffenen verringert wird. Die für die
Ausmessung der Fahrzeughöhe auf der Videoaufzeichnung spezifische Toleranz beträgt, wie erwähnt, 3 %; sie
beruht auf Prüfungen des Herstellers und geht in dieser Höhe ebenfalls in das Anwendungsprogramm mit ein.
Die bei der Auswertung verwendeten Größen (Weg, Zeit, reale und ausgemessene Fahrzeughöhe), die für die
Auswertung relevanten mathematischen Zusammenhänge zwischen diesen Größen und das Ergebnis - die mit
dem Programm bestimmte Geschwindigkeit im Einzelfall - werden üblicherweise auf einem Bogen ausgedruckt
und der Akte beigefügt; daraus kann man auch die erwähnten drei Messtoleranzen ersehen und sie somit mit
dem Eichschein und den Herstellerangaben vergleichen.
Ill.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO:
Barteldes
Tscheslog
Kühl