Berichterstattung von Ende November und Anfang Dezember 2007

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Berichterstattung von Ende November und Anfang Dezember 2007
TEDDY-AFFÄRE IM SUDAN
Vorwurf der Gotteslästerung – Britische Regierung will Auspeitschung von Lehrerin verhindern
Mit ihren Schülern taufte Gillian Gibbons einen Teddybären auf den Namen Mohammed. Nun drohen der
britischen Lehrerin einer Privatschule im Sudan Peitschenhiebe und eine Haftstrafe. Die Regierung von Premier
Brown setzt sich für ihre Freilassung ein.
Hamburg - Britische Diplomaten bemühen sich, „die Situation zu klären, so dass sie freigelassen werden kann", wie
Regierungschef Brown heute laut BBC sagte. Seine Angaben zufolge hätten Diplomaten Kontakt zu der Familie der
Inhaftierten aufgenommen. Was geschehen sei, täte ihr sehr leid, sagte Brown dem Sender.
Unterdessen erklärte ein Sprecher der sudanesischen Botschaft in London, er habe zwar noch nicht mit den Ermittlern
sprechen können. Jedoch sehe das übliche Verfahren eine Befragung der Verdächtigen durch die Behörden vor. „Der
kulturelle Hintergrund ist sehr unterschiedlich, das ist ein sehr wichtiger Punkt", so Khalid al-Mubarak gegenüber der
BBC. Er halte den Vorfall jedoch für das Resultat der Beschwerden aufgebrachter Eltern. „Es ist eigentlich ein Sturm im
Wasserglas."
Doch was ist eigentlich geschehen? Die Mehrheit der Grundschüler hatten sich für das Klassenmaskottchen, ein
Teddybär, den Namen „Mohammed" gewünscht. So inszenierte Gillian Gibbons eine kleine Zeremonie im
Klassenzimmer der englischen Privatschule „Unity High School" im islamisch dominierten Khartum, bei der das Stofftier
auf den Namen des Propheten getauft wurde.
Als die Eltern der Sechsjährigen, überwiegend ausgewanderte Fachkräfte und Ölarbeiter, davon erfuhren, sollen sie sich
empört gezeigt und beim Bildungsministerium beschwert haben, berichtet „The Guardian". Daraufhin wurde die 54jährige Pädagogin verhaftet. Ihr drohen 40 Peitschenhiebe und eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten. Ihr wird
vorgeworfen, die Ehre des islamischen Religionsstifters und Propheten verletzt zu haben.
Religiöse Fanatiker wüten Medienberichten zufolge vor dem Gefängnis und drohen mit Rache. Gibbons' Kollegen
vermuten eine Intrige hinter dem Vorfall. Es habe keine Beschwerden von Seiten der Eltern gegeben, erzählten sie
„Times Online". Vielmehr könne ein verärgerter Kollege dahinterstecken.
Gillian Gibbons war im Juli von Liverpool in den Sudan gezogen. Es sollte ein Neuanfang werden, nachdem sie sich
nach 33 Ehejahren von ihrem Mann getrennt hatte und eine neue Kultur kennenlernen und leben wollte. „Sie hatte
geplant, zwei Jahre in Afrika zu bleiben", sagte ein Nachbar in Aigburth, dem Vorort Liverpools, in dem Gibbons lebt,
„Times Online". Gibbons Familie und Freunde, heißt es, sorgten sich sehr um ihr Wohl. Ihr Ex-Mann Peter, selbst
Schuldirektor, sowie ihre beiden Kinder John, 25, und Jessica, 27, wollten sich nicht öffentlich zu dem Fall äußern.
Die Polizei habe regelrecht das Schulgelände, auf dem auch die Lehrkräfte leben, gestürmt, sagte Schuldirektor Robert
Boulos „Times Online". „Das ist ein völliges Missverständnis. Miss Gibbons wollte niemals den Islam beleidigen."
Ein siebenjähriges Mädchen habe den Stoffteddy im September mit in die Schule gebracht. Schnell sei er zum
Klassenmaskottchen geworden und jedes Wochenende in einem anderen Schulranzen nach Hause gewandert. Die
Kinder hätten eifrig Tagebuch darüber geführt, was der Bär zu Hause erlebte. Dieses Tagebuch wurde jetzt konfisziert,
die kleine Besitzerin vernommen.
Die Schule ist vorerst bis Ende Januar geschlossen – aus Angst vor fanatischen Angriffen.
jjc/jdl
(SPIEGEL ONLINE - 28. November 2007)
Siebenjähriger nimmt Schuld auf sich
Sie taufte im Sudan einen Teddy auf den Namen Mohammed und sitzt dafür in Haft: Jetzt bekommt die
Grundschullehrerin Gillian Gibbons Hilfe von einem ihrer Schützlinge. Ein siebenjähriger Schüler namens
Mohammed sagte, er habe sich gewünscht, dass der Teddy seinen Namen trägt.
Nairobi – „Die Lehrerin hat mich gefragt, wie ich den Teddy nennen will“, sagte Mohammed vor Journalisten in der
sudanesischen Hauptstadt Khartum. „Ich sagte Mohammed. Ich habe ihn nach mir benannt.“ Die Justiz des
afrikanischen Landes, in dem der Islam Staatsreligion ist, sah in dem Teddybär namens Mohammed eine
Verunglimpfung des Propheten.
Gillian Gibbons war am Sonntag festgenommen worden, nachdem sich angeblich Eltern über das Klassenmaskottchen
Mohammed beschwert hatten. Bisher wurde keine offizielle Anklage gegen Gibbons erhoben.
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Die 54-jährige Lehrerin habe mit ihren Schülern nie über Religion gesprochen, verteidigte der Junge seine Lehrerin.
Sowohl britische als auch sudanesische Diplomaten bemühen sich unterdessen um eine Entschärfung des Falls. „Ich bin
mir ziemlich sicher, dass dieser kleine Zwischenfall schnell aufgeklärt wird“, sagte ein Sprecher der sudanesischen
Botschaft in London der BBC. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien zu gut, um durch diese Angelegenheit
belastet zu werden.
Der britische Premierminister Gordon Brown versicherte, es gebe Bemühungen um eine Freilassung der Lehrerin.
Seinen Angaben zufolge hätten Diplomaten Kontakt zu der Familie der Inhaftierten aufgenommen.
Die Mehrheit der Grundschüler hatte sich für das Klassenmaskottchen, einen Teddybär, den Namen „Mohammed“
gewünscht, hieß es bisher. So inszenierte Gillian Gibbons eine kleine Zeremonie im Klassenzimmer der englischen
Privatschule „Unity High School“ im islamisch dominierten Khartum, bei der das Stofftier auf den Namen des Propheten
getauft wurde.
Als die Eltern der Kinder davon erfuhren, sollen sie sich beim Bildungsministerium beschwert haben. Daraufhin wurde
die 54-jährige Pädagogin verhaftet. Ihr drohen 40 Peitschenhiebe und eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten. Ihr wird
vorgeworfen, die Ehre des islamischen Religionsstifters und Propheten verletzt zu haben. Die Schule ist vorerst bis Ende
Januar geschlossen - aus Angst vor fanatischen Angriffen.
(jjc/dpa)
(SPIEGEL ONLINE - 28. November 2007)
Tausende Demonstranten fordern Todesstrafe für britische Lehrerin
Der Streit um einen Teddybären namens Mohammed im Sudan eskaliert. Ein Gericht hatte die britische Lehrerin,
in deren Unterricht das Plüschtier getauft worden war, zu 15 Tagen Haft verurteilt. Tausende Demonstranten
fordern nun ihre Todestrafe. Die Lehrerin selbst ruft zu Toleranz gegenüber Muslimen auf.
Khartum - Die britische Lehrerin sagte: "Ich will keinen Groll gegen muslimische Menschen". Das teilte ihr Sohn John
Gibbons mit, der mit seiner Mutter telefonieren konnte. Bei dem Gespräch habe sie zu Toleranz gegenüber Muslimen
aufgerufen. "Sie hält ganz gut durch", sagte Gibbons.
Auch das britische Außenministerium bestätigte, dass die inhaftierte 54jährige bei guter Gesundheit sei. Konsularbeamte
hätten sie im Gefängnis besuchen können. Lord Ahmed, ein muslimisches Mitglied des britischen Oberhauses, will nach
Khartum reisen, um ihre Freilassung zu erreichen. Das Außenministerium erklärte, es handele sich um eine private
Initiative.
In der sudanesischen Hauptstadt forderten unterdessen tausende Demonstranten die Hinrichtung der britischen
Lehrerin. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Präsidentenpalast in Khartum und riefen „Schande über
Großbritannien!“, „Tötet sie, tötet sie!“ und „Keine Toleranz: Hinrichtung!". Ein Gericht hatte die Lehrerin gestern zu 15
Tagen Haft verurteilt, weil in ihrem Unterricht ein Teddybär angeblich nach dem Propheten Mohammed benannt worden
war. Danach soll sie abgeschoben werden.
Der Sudan hatte der Britin vorgeworfen, mit der Benennung des Klassenmaskottchens die Ehre des muslimischen
Religionsstifters und Propheten verletzt zu haben. Nach den Gesetzen des Landes drohten der Lehrerin 40
Peitschenhiebe oder bis zu einem Jahr Gefängnis.
Schätzungen von Beobachtern zufolge nahmen bis zu 10.000 Menschen an der Protestaktion nach den Freitagsgebeten
teil. Einige trugen Schlagstöcke, Messer und Äxte bei sich, allerdings keine automatischen Waffen - ein Hinweis darauf,
dass die Demonstration nicht von der Regierung organisiert wurde.
Während der Gebete hatte der Geistliche in der größten Moschee der Stadt die Lehrerin scharf verurteilt. „Diese Dame
zu inhaftieren, stillt nicht den Durst der Muslime im Sudan", erklärte der bekannte Hardliner. „Aber wir begrüßen die
Inhaftierung und Ausweisung.“ Gibbons sei eine arrogante Frau, die Hass auf den Propheten Mohammed gelehrt habe.
Als Reaktion auf die Proteste wurde Gibbons aus dem Frauengefängnis an einen nicht bekannten Ort verlegt. Ihr Anwalt
Kamal al Gisuli erklärte nach einem Besuch bei ihr, seine Mandantin sei bei guter Gesundheit. Die Regierung wolle
offenbar, dass die Haftstrafe reibungslos ablaufe, um die ausländischen Beziehungen nicht zu gefährden.
Großbritannien bemüht sich auf diplomatischem Weg um eine Lösung der Krise. Außenminister David Miliband hatte
bereits gestern Abend den sudanesischen Botschafter einbestellt und ihn darüber informiert, dass London enttäuscht sei
von dem Urteil gegen Gibbons. Die britischen Muslime kritisierten das Vorgehen gegen die Lehrerin. Der
Generalsekretär des Muslimischen Rates in Großbritannien, Muhammad Abdul Bari, warf den sudanesischen Behörden
eine Überreaktion vor.
ffr/AP/Reuters/dpa
(SPIEGEL ONLINE - 30. November 2007)
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Britische Lehrerin verlässt den Sudan
Die wegen Blasphemie verurteilte britische Lehrerin hat den Sudan verlassen. Am Flughafen von Khartum
herrschten hohe Sicherheitsvorkehrungen, da Tausende Demonstranten für die 54-Jährige die Todesstrafe
gefordert hatten.
Khartum - Von zwei Politikern begleitet verließ Gillian Gibbons das Land und wurde zurück nach England geflogen.
Heute Morgen war bekannt geworden, dass Präsident Omar al-Baschir die Lehrerin begnadigt hat. Gibbons hatte im
Vorfeld in einem Brief ihr Bedauern geäußert, falls sie Leid verursacht haben sollte.
Die 54-Jährige hatte auch ihren großen Respekt für den Islam zum Ausdruck gebracht und betont, dass sie sich zwar
freue, ihre Familie wiederzusehen, aber es auch sehr bedauere, dass sie nicht in den Sudan zurückkehren könne.
Die 54-Jährige war zu 15 Tagen Haft und anschließender Ausweisung verurteilt worden, weil sie es zugelassen hatte,
dass siebenjährige Schüler einen im Unterricht verwendeten Teddybären nach dem Propheten Mohammed benannten.
Am Freitag hatten deswegen Tausende Demonstranten ihre Hinrichtung gefordert.
jjc/Reuters
(SPIEGEL ONLINE - 3. Dezember 2007)
Leserbrief in der WAZ vom 3. Dezember zum Thema
Wie kommt es nur, dass so viele radikale Demonstranten mit einer Hinrichtungsforderung im Sudan
zusammengekommen sind? Haben diese fanatischen Menschen am Ende noch nicht begriffen, dass der Ilsam eine von
Grund auf friedliche und menschenfreundliche Religion ist?

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