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14.06.2016
Update
Vergaberecht:
Erkenntnisse des EuGH
1.
Richtungsweisende
Ausscheidensgrund ist kein Anfechtungshindernis mehr!
Auch auszuscheidende Bieter können die Zuschlagsentscheidung zu Fall bringen.
Das hat der EuGH nun endgültig in der Rs Airgest Spa (C-689/13) klargestellt.
Der Angebotsmangel als Damoklesschwert für eine erfolgreiche Anfechtung
Johannes Stalzer
Counsel
T: +43 1 5343 750740
E: [email protected]
Nach der bisherigen Rspr wurde Bietern die Legitimation zur Einleitung eines
Nachprüfungsverfahrens gegen die Zuschlagsentscheidung verwehrt, sofern deren
eigenes Angebot nicht ausschreibungskonform war. Nicht selten haben sich
Auftraggeber diese Einschränkung der Antragslegitimation zu Nutzen gemacht,
indem sie unterlegene Bieter mit einem allfälligen Ausscheidenstatbestand erst im
Zuge eines Nachprüfungsverfahrens konfrontiert haben, um so eine – wenn auch im
Grunde berechtigte – Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bereits im Keim zu
ersticken. Über jeder Anfechtung hing somit das Damoklesschwert eines
(unbehebbaren) Mangels im eigenen Angebot, der de facto die Anfechtung zu einem
aussichtslosen Unterfangen machte.
Die Rechtsprechung des EuGH
Bereits in der Rs Fastweb (C-100/12) hat der EuGH ausgesprochen, dass ein
auszuscheidender Bieter uU dennoch die Möglichkeit haben muss, einen
Nachprüfungsantrag zu stellen. Diese – anfangs noch als "Meilenstein" für den
Bieterschutz gewertete – Erkenntnis wurde in weiterer Folge sehr restriktiv und
uneinheitlich ausgelegt, sodass sich an der obigen Spruchpraxis für Bieter de facto
kaum etwas geändert hat. Dem hat der EuGH nun eine klare Absage erteilt. Nach
dem vorliegenden Erkenntnis haben auch Bieter, deren Angebot mit einem
(unbehebbaren) Mangel behaftet ist, das Recht, die Zuschlagsentscheidung
anzufechten, unabhängig davon, wie viele andere Bieter sich an dem
Vergabeverfahren beteiligt haben oder welche Ausschlussgründe ins Treffen geführt
werden. Voraussetzung für eine Anfechtung ist freilich, dass auch das Angebot des
in Aussicht genommenen Bestbieters auszuscheiden wäre.
Konsequenzen für die Vergabepraxis
Der EuGH verbessert damit die Position und die Angriffsmacht unterlegener Bieter
signifikant, da auch der eigene Angebotsmangel die Erfolgschancen einer
Anfechtung nicht zwingend mindert. Auftraggeber werden daher wohl auch ihre
bisherige Taktik umstellen und unterlegene Bieter zum frühest möglichen Zeitpunkt
über allfällige Ausscheidenstatbestände informieren. Dies bringt nicht nur mehr
Transparenz für alle Beteiligten, sondern erhöht wiederum den Bieterschutz, zumal
unterlegenen Bieter bereits früh die Möglichkeit gegeben wird, eine
Ausscheidensentscheidung zu bekämpfen. Da damit auch die Erfolgsaussichten einer
Anfechtung der Zuschlagsentscheidung für unterlegene Bieter erheblich besser
einschätzbar
werden,
ist
damit
zu
rechnen,
dass
die
Zahl
der
Nachprüfungsverfahren erheblich zunimmt und der Rechtsschutz steigt.
2.
EuGH zeigt "Referenz-Shopping" die rote Karte
Im Rahmen zweier neuen Erkenntnisse (Rs C-324/14 Partner Apelski Dariusz und Rs
C-27/15 Pippo Pizo) hat der EuGH die Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer sich
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Unternehmen zum Nachweis der Leistungsfähigkeit auf die Kapazitäten von
Subunternehmern berufen können.
Hintergrund
Dem Vergaberecht liegt der fundamentale Grundsatz zu Grunde, dass öffentliche
Aufträge nur an jene Unternehmen erteilt werden dürfen, die auch tatsächlich
geeignet sind, den entsprechenden Auftrag abzuwickeln. Zur Überprüfung der
Eignung verlangen Auftraggeber unterschiedliche Nachweise, wie bsp das Erreichen
eines bestimmten Jahresumsatzes oder einschlägiger Erfahrung bei der Abwicklung
vergleichbarer Aufträge (Referenzen).
Um etwa Newcommern oder KMUs die Möglichkeit zur Teilnahme an öffentlichen
Ausschreibungen nicht zu verschließen, können sich Bieter dazu auch auf die
Ressourcen von Subunternehmern stützen, sofern sie nachweisen können (etwa
durch ein verbindliches Angebot), dass ihnen die entsprechenden Kapazitäten des
Subunternehmers im Auftragsfall auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Zu
beachten ist hierbei, dass Unternehmen auf eine beliebige Anzahl von (Sub-)
Unternehmen zurückgreifen können, um so durch Kumulation unterschiedlicher
Ressourcen die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers zu bestmöglich
erfüllen.
Die Grenzziehung durch den EuGH
In der Vergabepraxis führt das gerade bei großen Projekten bisweilen dazu, dass
auch Bieter, die selbst nicht über die erforderliche Erfahrung verfügen, einen oder
mehrere (erfahrene) Subunternehmer nominieren, um so die Einstiegshürde in das
Verfahren zu bewältigen. Da es bisweilen tlw als ausreichend gesehen wurde, wenn
jenes Unternehmen, welches die Referenzen zur Verfügung stellt, (nur) beratend im
Rahmen des Auftrags tätig wird und so deren know how und Erfahrung einbringen
kann, konnten auf diese Weise selbst unerfahrene Bieter Groß Projekte an Land
ziehen, ohne dabei wesentliche Teile des Auftrags abgeben zu müssen.
Dieser – gelegentlich abwertend als "Referenz-Shopping" bezeichneten – Praxis hat
der EuGH nun einen Riegel vorgeschoben, indem er verlangt, dass für die
Berücksichtigung der Referenzen, die unmittelbare und persönliche Beteiligung
dieses Unternehmens an der Ausführung des jeweiligen Auftrags erforderlich ist.
Darüber hinaus können Auftraggeber unter speziellen Umständen verlangen, dass
ein einziges Unternehmen über die entsprechenden Kapazitäten verfügt (und es
somit dem Bewerber untersagen, durch Kumulation der Kapazitäten mehrerer
Unternehmen die Eignungsanforderungen zu erfüllen).
Konsequenzen für die Vergabepraxis
Aus den EuGH Erkenntnissen folgt, dass bei der Inanspruchnahme und Wertung
fremder Referenzen ab sofort folgendes zu beachten ist:
Bieter müssen darauf achten, dass jene Unternehmen, deren Referenzen sie zur
Teilnahme am Vergabeverfahren benötigen, auch unmittelbar und persönlich bei der
tatsächlichen Auftragsausführung zum Einsatz kommen. Eine bloß beratende
Tätigkeit oder die Weitergabe der Erfahrung durch Schulungen an den
Auftragnehmer ist grds nicht ausreichend.
Auftraggeber sollten die Möglichkeit nutzen, in den Ausschreibungsunterlagen
entsprechende Klarstellung zum Rückgriff auf Ressourcen / Referenzen von Dritten
zu treffen, um den Erfolg des Vergabeverfahrens zu gewährleisten. Dabei gilt es
aber stets zu beachten, dass eine qualitative oder quantitative Einschränkung der og
Substitutionsrechte nur im Ausnahmefall zulässig ist und im Lichte des
Auftragsgegenstandes einer besonderen Rechtfertigung bedarf, da andernfalls die
Rechtswidrigkeit der Bestimmungen (und somit ggf der Ausschreibung) droht.
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