Selig, die ihr jetzt weint, Ihr werdet lachen!
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Selig, die ihr jetzt weint, Ihr werdet lachen!
Bibelarbeit zu Lukas 6, 20-26 "Selig, die ihr jetzt weint, Ihr werdet lachen!" Einordnung des Textes Bereits aus dem Magnificat Marias (Lk 1,46-55 bes. 48.51-53) geht hervor, dass Gott im Endgericht die gewohnten Verhältnisse der Welt umkehren wird. Die Niedrigen und Armen werden erhöht, weil er sich ihrer annimmt, die Hungernden werden gesättigt, aber Reiche gehen leer aus. Nach der Antrittspredigt in Nazareth verfolgt Jesus Christus seinen Auftrag, indem er den Armen seine frohe Botschaft von der gegenwärtigen Basileia verkündet. Der Textausschnitt Lk 6,20-26 ist die Eröffnung der sogenannten Feldrede Jesu, welche unter anderem ebenfalls die Umkehrung der derzeitigen, irdischen Verhältnisse thematisiert und sich im Lukasevangelium von 6,20-49 erstreckt. Sie lässt sich in drei Teile gliedern. In der Eröffnung will er den Leser für die folgenden Forderungen und Instruktionen motivieren. Begonnen wird mit Seligpreisungen, welche armen, hungernden, weinenden und unter den Menschen gehassten Jüngern gelten. Auf diese Seligpreisungen folgen Weherufe, welche sich an die Adresse der Reichen, Satten, Lachenden und viel Umschmeichelten richten An die Eröffnung schließt sich der Mittelteil an, welcher die Verse 27-38 umfasst. Inhaltlich thematisiert er die Mahnungen zur Feindesliebe, das Wohltun und die Barmherzigkeit, welche dem Erbarmen Gottes entsprechen. Ab Vers 39a beginnt der Schlussteil, der mit Vers 49 endet. Insgesamt handelt dieser Teil von der Realisierung des Geforderten und somit auch von dem Maßstab, an dem die Jünger gemessen werden. Der Text: Lk 6,20-26 nach der Einheitsübersetzung 20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. 24 Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. 26 Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht. Aufbau und Form Die Einleitung der Feldrede lässt sich in zwei Abschnitte teilen, welche parallel aufgebaut sind: Vier Seligpreisungen (Heilrufe, Makarismen) (20b-23) und vier Weherufe (24-26). Formgeschichtlich gehören die drei ersten Seligpreisungen zusammen. Ihre Zweigliedrigkeit zeigt sich darin, dass dem jeweiligen Heilruf eine kurze Begründung folgt. Die vierte Seligpreisung (22+23) weicht der Form nach von den ersten drei ab, da sie erweitert wurde. Aufgebaut sind die Weherufe genauso zweigliedrig wie die Seligpreisungen; zuerst erfolgt die Weheklage, dann die kurze Begründung. Inhaltlich werden den Armen die Reichen, den Hungernden die Satten, den Weinenden die Lachenden und denen, die von den Menschen gehasst werden, die, die schöngeredet werden, gegenübergestellt. Somit gehören die Verse 21a und 24, 21b und 25a ebenso 22-23 und 25b zusammen. Beim vierten Weheruf (26) fehlt jedoch eine Lohnverheißung gemäß der entsprechenden Vergeltungsankündigung in der vierten Seligpreisung. Parallelen zu Matthäus Inhaltlich ist die Feldrede in vielen Stellen der Bergpredigt bei Matthäus (5-7) aufgegriffen, welches den gemeinsamen Traditionen, in diesem Falle der Redenquelle Q, der beiden Evangelisten geschuldet ist. Während die Orte, Feld bei Lukas und Berg bei Matthäus, voneinander abweichen, sind die Seligpreisungen bei beiden vorhanden. Es ist daher davon auszugehen, dass diese vier Seligpreisungen bereits in der Redenquelle Q eine Einheit gebildet haben. Im Gegensatz zu Lukas überliefert Matthäus jedoch noch weitere, welche den Sanftmütigen, Barmherzigen, Friedensstiftern und um der Gerechtigkeit willen Verfolgten gelten (Mt 5,5.7-10). Auch wenn beide die Seligpreisungen aufgreifen, so sind sie doch nicht identisch. Während Lukas die direkte Anredeform (2.Person) wählt, gebraucht Matthäus in den meisten Fällen die 3. Person. Darum ist fraglich, ob Jesus die Armen, Hungernden und Weinenden direkt angesprochen hat oder nicht. Ebenso ist unklar, woher die Unterschiedlichen Formen kommen oder ob sie absichtlich gewählt wurden. Warum bei Matthäus die Weherufe fehlen, ist ebenso in der Forschung unklar. Theologische Hintergründe V 20a: Die Augen Jesu sind auf seine Jünger gerichtet. Seine Heilrufe gelten denjenigen, denen man für gewöhnlich nicht für ihr Leben gratuliert. Den Menschen, die sein Weh und Ach zugerufen bekommen, gehören eher denen an, die man glücklich preist. In der Gemeinde, für die Lukas schreibt, gibt es sowohl Vermögende als auch Besitzlose, sowie Menschen, die aus der Bahn geworfen wurden und beruflich Erfolgreiche. V 20b: Die Armen aus den Seligpreisungen Gottes, ebenso wie die Elenden in den Psalmen (Ps 9/10; 12; 25; 34; 69; 140) stehen unter dem besonderen Schutz Gottes. Arme und Elende sind zugleich aber auch fromme Menschen, da sie sich Gott anvertrauen und um seine Hilfe bitten. Mit Zuversicht setzen sie darauf, dass Gott sie aus Not, Anfeindungen und Elend erretten wird. Sie verlassen sich auf seine Herrschaft, die ihre Lage ändern kann und wird. Indem Jesus ihnen anstelle von Reichtum auf Erden Anteil am Reich Gottes zuspricht, erhalten sie seinen einzigen Schatz und die Fülle aller Güter. Dieser Umstand macht sie anpreisungswürdig. V 21a: Die Armen sind gleichzeitig auch die jetzt Hungernden. Hunger ist ein Zeichen elementarer Armut. Menschen, die mit ihrer eigenen Hände Arbeit nicht das Lebensnotwendige erwirtschaften können, bleibt alleine die Hoffnung, dass man ihnen das zum Überleben Notwendige geben wird. Die Befreiung aus dem elementaren Mangel durch Essen und Trinken, ist schon aus der Prophetie des Alten Testamentes bekannt (bspw. Jes 49,10; 55,1-2; Ez 34,29). Die Heilszusage, dass mit dem Reich Gottes auch eine Sättigung verbunden ist, spielt auf das bekannte Bild des endzeitlichen Mahles an. V 21b: Die Armen, derzeit noch Hungernden, sind gleichzeitig auch die, die jetzt weinen. Ihre Tränen zeigen das Leiden unter der erbarmungslosen Bedrückung, der sie durch die Gesellschaft ausgesetzt sind, auf. Gleichzeitig sind sie Ausdruck ihrer Unzugänglichkeit vor Gott und die totale Angewiesenheit auf ihn. Verspricht Jesus diesen Menschen Lachen, dann geht dieses auf das "befreiende Lachen" aus Ps 126,2-3 zurück. V 22-23: Die Anhänger Jesu waren auf Grund ihrer religiösen und sozial abweichenden Praktiken (Mahlgemeinschaft mit Sündern, nicht befolgen der Fastenbräuche, Betitelung Jesu mit Menschensohn) in ihrer Gesellschaft oft nicht nur übler Nachrede, sondern auch purem Hass ausgesetzt. Spürbar wurde dieser ihnen entgegenströmende Hass unter anderem durch Ausschluss aus der Gemeinde, Prügelstrafen, Verfluchung oder gesellschaftlicher Isolation. Auch Heidenchristen müssen durch ihr Christusbekenntnis mit Distanzierung von ihrer gewohnten Umgebung und Beschimpfungen als Kriminelle rechnen. Nach der Seligpreisung sollen sie aber nicht Trauer tragen, sondern die Schmähungen mit Freude hinnehmen. Als Gerechter im Glauben Gottes dem Tod freudig entgegenzutreten, war bereits in 2Makk 6,30 Zeichen von Märtyrergesinnung. Die Verhassten können gewiss sein, dass die Gemeinschaft mit dem Menschensohn die Erfüllung seines Willens im Himmel reichlich belohnt wird. Die Tatsache, dass die Propheten ihrer Väter bereits Ähnliches durchmachen mussten, soll sie trösten. Mit ihnen werden sie in Ewigkeit verbunden sein. V 24: Der erste Weheruf geht an die Reichen, die den Zustand, der Trost bedeutet, schon empfangen haben und in großem Überfluss leben. Gott ist denen gegenüber, die die Schätze für sich selber anhäufen, aller Verbindlichkeiten los und ledig und lässt sie am Ende leer ausgehen. Wer nicht bedenkt, dass es gilt vor Gott reich zu sein, hat von ihm auch keinen Segen zu erwarten. V 25a: Der zweite Weheruf gilt den derzeit Satten, die im Überfluss zu Essen und Trinken haben. Dieser Weheruf geht zurück auf Jes 65,13-14, indem eine Ankündigung des Vernichtungsgerichtes an die Abtrünnigen Jesu enthält. Ebenso kann man die Beispielerzählung des reichen Mannes vergleichend heranziehen, der den vor Hunger sterbenden Lazarus, welcher um die Reste des Essens bittet, abweist. Während Lazarus im Himmel erhöht wird und den Platz neben Abraham erhält, muss der reiche Mann im Hades Qualen vor Sehnsucht nach seinem irdischen Besitz leiden. V 25b: Die Lacher, die reich und satt sind, machen sich in ihrer Selbstsicherheit durch ihr Gelächter selbst zu Toren. Ihr lautes Lachen erschallt inmitten ihrer sündhaften Schwelgerei (Sir 27,13). Sie reißen Witze auf Kosten des frommen Armen und machen ihn lächerlich. Ihr Lachen wird ihnen vergehen; sie werden trauern und weinen (Jak 4,9; Offb 18,11.15.19). V26: Wie die Seligpreisungen auf die verhassten Menschen hinauslaufen, so zielen die Weherufe auf das Ach und Weh über die von allen Hofierten ab. Es ist bei dieser Menschengruppe vorallem an die wandernden Heilslehrer zu denken, die den Leuten nach dem Munde redeten, um so an ihr Geld zu kommen. Paulus grenzt diese Menschen bewusst von seiner Verkündigung des Evangelium ab (1Thess 2,5-6; 2Kor 3,5; 4,5). Während die wahren Propheten immer verfolgt wurden, wurden die Pseudopropheten, die anderen nur das erzählten, was sie gerne hören wollten, immer gut angesehen und waren sehr beliebt (Jes 30,9-11; Mi 2,11). Diese Pseudopropheten aber haben vor Gott verspielt. Auch wenn die Verkündigung Jesu nicht immer auf Provokation aus war, ruft sie doch zu allen Zeiten Widerspruch und Zurückweisung hervor. Anregungen zu einer Bibelarbeit 1. Lies dir den Textausschnitt Lk 6,20-26 in Ruhe durch und lasse ihn auf dich wirken. Anschließend lies ihn dir noch einmal durch und zusätzlich den Rest der Feldrede Lk 6,27-49 2. Überlege für dich selber, zu welcher der beiden Gruppen von Menschen, denen, die selig gepriesen werden oder die, die Weherufe erhalten, du gehören möchtest. Begründe deine ehrliche Antwort. 3. Sind die Seligpreisungen heute noch bedeutungsvoll? Sind die Maßstäbe, die Jesus im Anschluss für das Leben ausgibt, umsetzbar? 4. Was wird in Zeiten, in denen immer wieder von der "jammernden Bevölkerung" und von "Wutbürgern" zu lesen ist, beklagt oder geschätzt? 5. Formuliere Seligpreisungen und Weherufe, die für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen der heutigen Zeit (bspw. Jugendliche, ältere Menschen, Workaholics, Arbeitslose) von Bedeutung sein könnten? Literatur: • Eckey, Wilfried; Das Lukasevangelium. Unter Berücksichtigung seiner Paralellen. Teilband1: Lk 1,1-10,42; 2004; Neukirchen-Vluyn; Neukirchener Verlag; Seiten 288-301 • Bovon, François; Das Evanglium nach Lukas. 1. Teilband. Lk 1,1-9,50; in: EKK Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament; begründet von Schweizer, Eduard; Schnackenburg; hrsg. Bronx, Norbert; Gnilka, Joachim; Luz, Ulrich; Roloff, Jürgen u.a.; Benziger Verlag; Neukirchener Verlag; Patmos Verlag; 2007; Seiten 288-306 Tanja Grundhöfer, Ruhr-Universität Bochum, Katholisches Bibelwerk im Bistum Münster (www.bibelwerk.de) in Kooperation mit kirchensite.de – online mit dem Bistum Münster (www.kirchensite.de) Foto: Michael Bönte, März 2011 Weitere Bibelarbeiten im Internet: www.kirchensite.de/bibelarbeiten