Der Krieg der Kleider - Dachverband FairWertung

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Der Krieg der Kleider - Dachverband FairWertung
Dachverband FairWertung e.V.: Im Blickpunkt 2007
Der Krieg der Kleider
Importverbot für Gebrauchtkleidung tritt in Bolivien in Kraft
Über die Auswirkungen des internationalen Gebrauchtkleiderhandels wird immer wieder kontrovers diskutiert. In Bolivien, dem ärmsten Land Südamerikas, hat die Regierung nach langen Diskussionen beschlossen, ab April 2007 ein Importverbot für Gebrauchtkleidung in Kraft treten zu lassen. Die Diskussionen über das Für und Wider
des Gebrauchtkleiderimp-ortes sind damit aber noch nicht beendet.
Von Francisco Mari
Es war ein langes Tauziehen um das Gesetz zum Importverbot für Gebrauchtkleider, das die
Vorgängerregierung des jetzt amtierenden bolivianischen Präsidenten Evo Morales im Jahr
2005 mitten im Präsidentschaftswahlkampf erlassen hatte. Ab Frühjahr 2006 sollte es wirksam werden. Doch dann kam der Machtwechsel, und mit ihm, so schien es, auch eine politische Wende.
Mit Evo Morales hatte Bolivien Ende 2005 zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Präsidenten gewählt, der einer einheimischen Volksgruppe angehört. So war die Erwartungshaltung, dass sich Entscheidendes ändern werde, vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten
entsprechend groß. Morales sah seine Aufgabe zunächst vor allem darin, den Ausverkauf
einheimischer Bodenschätze wie Erz und Gas an internationale Konzerne wieder rückgängig
zu machen. Nun musste er sich gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft der Frage stellen,
was mit dem Importverbot der Vorgängerregierung geschehen solle.
In Bolivien gibt es zahlreiche
kleine Manufakturen, die
Kleidung herstellen.
Präsident Morales gerät in die Kritik
Morales beschließt im Frühjahr 2006 zunächst, das von der Vorgängerregierung beschlossene Importverbot nicht in Kraft zu setzen, um gemeinsam mit Textilunternehmen und Gebrauchtkleiderhändlern zu einer vertretbaren Lösung zu kommen. Das aber führt zu heftigen
Protesten der Textilunternehmer, die das Importverbot um jeden Preis durchsetzen wollen.
Sie brennen Verkaufsstände von Gebrauchtkleiderhändlern nieder und drohen weitere Aktionen an. Proteste in verschiedenen Städten Boliviens wechseln sich ab.1
Überschrift – La guerra de las p-rendas – entnommen aus: Bolivia: p-rimeras p-rotestas de cocaleros, BBC Mundo. com, La
Paz, 26.2.2006, http-://news.bbc.co.uk/hi/sp-anish/latin america/newsid 4675000/4675932.stm
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Microemp-resarios queman rop-a usada en rechazo al decräo de amp-liación. Aus: Periodico Op-inion, Cochabamba,
27.2.2006, http-://www.op-inion.com.bo/PortalNota.html?CodNot=102993&CodSec=4,
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Im Juni 2006 verschiebt die Regierung das Inkrafttreten des Importverbotes erneut. Sie
signalisiert aber bereits Kompromissbereitschaft und verkündet schließlich, das Gesetz trete
ab April 2007 in Kraft.
Mit dieser Entscheidung schließt sich die bolivianische Regierung zwar den meisten südamerikanischen Nachbarstaaten an, die den kommerziellen Import von Gebrauchtkleidung
offiziell aus gesundheitlichen Gründen verboten haben. Morales sieht sich nun aber durch
sein Einlenken gegenüber den Textilunternehmern der Kritik vieler Anhänger ausgesetzt.
Auslöser der kontroversen Diskussionen war eine Studie der bolivianischen Handelskammer aus dem Herbst 2005, die die Textil- und Bekleidungsunternehmen in Auftrag gegeben
hatten. Der Studie zu Folge seien seit dem Jahr 2000 über 50.000 Arbeitsplätze verloren
gegangen und hätten über 2.000 Kleinbetriebe schließen müssen. Die Textilunternehmen
forderten deshalb ein sofortiges Einfuhrverbot von Gebrauchtkleidung und eine bessere
Überwachung der Grenze.
Die Vielfalt des bolivianischen Kleidermarktes
Der bolivianische Kleidermarkt
wird durch verschiedene Hersteller und Lieferanten mit Textilien versorgt. Neben großen
Textil- und Bekleidungsfabriken,
die vor allem für den Export
produzieren, gibt es zahlreiche
Produzenten mit nur einigen
Hundert Beschäftigten sowie
viele kleinere Manufakturen, die
nur ein Dutzend Mitarbeiter
haben. Hinzu kommen zahlreiche Heimarbeitsplätze, die vor
allem traditionelle Kleidung oder
Decken herstellen sowie der
große Gebrauchtkleidermarkt.
Gebrauchtkleidung wird weltweit gehandelt.
Diese Vielfalt zeigt sich auch im
Straßenbild. Modernes, Gebrauchtes oder Traditionelles wird in bunter Mischung kombiniert.
Ein Markt, der hart umkämpft ist.
Für die meisten Käufer ist jedoch letztlich beim Kauf eines Kleidungsstücks der Preis entscheidend. Die Studie der bolivianischen Handelskammer gibt an, dass gut ein Drittel der
Kunden, die Gebrauchtkleidung kaufen, nur zwischen 20 und 50 Euro im Monat verdienen ein weiteres Drittel zwischen 50 und 80 Euro. Handgemachte Kleidungsstücke wie das traditionelle Chompa, ein Pullover, kostet umgerechnet circa acht Euro, eine traditionelle Chamarra, eine Wolljacke, mindestens zwölf Euro. Für viele ist dies fast ein Wochenlohn oder
mehr. Secondhand-Jacken und Pullover kosten hingegen im Schnitt nur zwischen 60 Cent
und zwei Euro. So nahm der Anteil an gebrauchter Kleidung seit dem Jahr 2000 stetig zu,
wobei über 90 Prozent der Kleiderimporte aus den USA stammen.
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Illegale Kleiderimporte angeprangert
Die Studie geht davon aus, dass die Importe größtenteils illegal ins Land kommen. Zählungen gebrauchter Kleidung auf den Märkten der größten bolivianischen Städte und Befragungen der Händler nach ihren Lagerbeständen zu Folge habe die tatsächlich eingeführte Menge an Kleidung im Jahr 2005 rund 54.000 Tonnen betragen. Bei einem Durchschnittspreis
von gut 60 Cent pro Kilogramm entspräche dies einem Wert von 30 Millionen Euro. Geld,
das laut Studie 50.000 Arbeitsplätze in Textilunternehmen und weitere 50.000 in Zulieferund Transportunternehmen sowie in der Landwirtschaft schaffen könnte, würde es in den
Kauf lokal produzierter Kleidung investiert.
Die Gebrauchtkleiderhändler und auch die bolivianischen Zollbehörden bezweifeln dagegen
die in der Studie errechneten Importmengen als unrealistisch hoch. Diese Menge ließe sich
unmöglich heimlich mit Kleinlastern oder Fahrrädern illegal ins Land bringen. Außerdem
könne man nicht davon ausgehen, dass die Menschen mehr (teurere) Neukleidung kauften,
wenn keine Gebrauchtkleidung mehr angeboten werde.
Unbestreitbar scheint jedoch, dass schon länger große Mengen an Kleidung unter Umgehung der Importbestimmungen ins Land kommen. Wie viel es ist, weiß allerdings niemand.
Wichtiger Umschlagplatz für Gebrauchtkleidung ist die chilenische Freihandelszone Iquique,
in der sich auch viele bolivianische Händler mit Waren eindecken. Nach den bolivianischen
Importbestimmungen konnten aber nur ganze Containerladungen Gebrauchtkleidung offiziell
eingeführt werden, einzelne Ballen gebrauchter Kleidung hingegen nicht. Deshalb war es
faktisch nur Großimporteuren möglich, Ware legal einzuführen. Klein- und Zwischenhändler,
die nur kleinere Mengen abnehmen, gingen deshalb dazu über, ihre Ware über die Grenze
zu schmuggeln.
Importverbot trifft auch Kleinhändler
Laut Händlervereinigung ist der Gebrauchtkleidermarkt ein Wirtschaftszweig, der vielen
Menschen Arbeit gibt. Und so ist davon auszugehen, dass der finanzielle Einschnitt, den das
Importverbot mit sich bringt, vermutlich für viele immens sein wird. Zwar versprach der Vizeminister für Kleingewerbe, Ramiro Uchani, im März 2007, er wolle den Kleinhändlern alternative Arbeitsplätze anbieten. Außerdem ist von Fortbildungen, Umschulungen, günstigen
Kleinkrediten und Existenzzuschüssen die Rede. Bereits eingeführte Kleidung könne zudem
noch bis zum 1. März 2008 verkauft werden, so die Zusage der Regierung. Fraglich bleibt
jedoch, ob das Importverbot zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme Boliviens beiträgt.
Die Redakteurin der linken Zeitung „Socialismo Revolucioniario“ aus La Paz, Carla Punkoya,
schreibt dazu: „Der Handel mit Gebrauchtkleidern gibt Abertausenden von Menschen, die
sonst keine Arbeit hätten, zu essen und er kleidet Tausende, deren Einkommen nicht zum
Überleben reicht.“ Die Auseinandersetzung um das Importverbot für Gebrauchtkleider zeige
sehr deutlich, so Punkoya, dass niemand die wirklichen Gründe für die Probleme der Beschäftigten und die Geißel Arbeitslosigkeit aufgreife.2
Dachverband FairWertung e.V., Hoffnungstraße 22, 45127 Essen
E-Mail: [email protected]
www.fairwertung.de
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 0201/621067
Carla Punkoya, Entre lo dicho y lo hecho, in Socialismo Revolucioniario, La Paz, 06.03.2006 http-://www.socialismo-obarbarie.org/bolivia arde/06312 a aunmesasuncionevo.htm
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