Interview mit Bischof Fellay nach der Audienz bei Papst Benedikt XVI.

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Interview mit Bischof Fellay nach der Audienz bei Papst Benedikt XVI.
I
nterview mit Bischof Fellay nach der Audienz bei
Papst Benedikt XVI.
DICI veröffentlicht das erste Interview mit Bischof Fellay nach der Audienz
bei Papst Benedikt XVI. In ausführlicher Weise beschreibt der Generalobere der
Priesterbruderschaft, was bei dem Treffen am 29. August Inhalt der Gespräche
war.
DICI : Exzellenz, Sie haben Papst
Benedikt um eine Audienz gebeten,
die am 29. August stattfand. Was war
Ihre Absicht bei diesem Schritt?
Bischof Fellay: Wir wollten den
Heiligen Vater treffen, weil wir katholisch sind, und weil wir, wie jeder
Katholik, mit Rom verbunden sind.
Indem wir um diese Audienz baten,
wollten wir unsere Katholizität zeigen, das ist alles.
Unsere Anerkennung des Papstes
beschränkt sich nicht nur auf die
E r w ä h nu n g s ei ne s Na men s i n
der Messe durch alle Priester der
Priesterbruderschaft St. Pius X. Es
ist völlig normal, dass wir unsere
Ehrerbietung als römische Katholiken
kenntlich machen. Katholisch heißt
universell, und der Mystische Leib
Christi beschränkt sich nicht nur auf
unsere Kapellen.
Es besteht in gleicher Weise von
unserer Seite die Absicht, den neuen
obersten Hirten der Kirche an die
Existenz der Tradition zu erinnern.
Ihm die Sorge ins Gedächtnis zu rufen, dass die Tradition nichts ande-
res ist als die Kirche, und dass wir
diese Tradition der Kirche sozusagen in lebendiger Weise verwirklichen. Wir wollen auch zeigen, dass
die Kirche stärker wäre in der Welt
von heute, würde sie an der Tradition
festhalten. So ist es unser Wunsch,
Zeugnis abzulegen: Wenn die Kirche
aus der tragischen Krise, die sie durchmacht, herauskommen möchte,
ist die Tradition eine Antwort, will
sagen die einzige Antwort in dieser
Krise.
DICI : Wie ist die Audienz verlaufen?
Bischof Fellay: Die Audienz
f a nd i n C a s te l G a nd o l f o, d e r
Sommerresidenz des Papstes statt.
Sie war für 11.30 Uhr vorgesehen,
hat aber schlussendlich um 12.10
Uhr im Büro des Papstes begonnen.
Normalerweise gewährt der Papst
einem Bischof eine Zeit von fünfzehn Minuten. Für uns dauerte sie 35
Minuten. Das zeigt, nach Meinung
der Vatikan-Experten, dass Benedikt
XVI. das Interesse zeigen wollte, das
er diesen Fragen entgegenbringt.
Wir waren zu viert: Der Heilige
Vater, Kardinal Castrillon Hoyos,
Pater Schmidberger und ich. Das
Gespräch war auf Französisch – entgegen gewisser Quellen, die behaupteten, dass es auf Deutsch stattfinden
würde – ; es wurde vom Papst in einer
wohlwollenden Atmosphäre geführt.
Er selbst hat drei Schwierigkeiten festgestellt, als Antwort auf das von uns
kurz vor der Audienz eingereichte
Dokument.
B e ne d i k t X V I. h a t d ie s e s
Dokument zur Kenntnis genommen, und es war nicht nötig, die darin
aufgeführten Punkte wieder aufzugreifen.
Dieses Dokument bestand aus
einer Beschreibung der Kirche, in
der wir die „schleichende Apostasie“
von Johannes-Paul II., „das Schiff,
das von allen Seiten mit Wasser
überflutet wird“ und die „Diktatur
des Relativismus“ von Kardinal Josef
Ratzinger zitierten. Dazu gab es im
Anhang Photos von skandalösen
DICI
•
Neuen Messen – schlichtweg skandalöse Bilder.
Ebenso enthalten war auch eine
Vorstellung der Priesterbruderschaft
in Za h len und den versch iedenen Werken. Zwei Beispiele von
Aktivitäten der Priesterbruderschaft
in der gegenwärtigen Situation werden angeführt und dazu die ung laubl iche Ha lt u ng von Seiten
der Ortsbischöfe: Der Prozess in
Argentinien, der dazu geführt hat,
dass der Verkauf von Kondomen
verboten wurde und der zur Folge
hatte, dass der Bischof von Cordoba
uns als Terroristen bezeichnete, und
die Aufdeckung der Schwulenparade
von Luzern, die in einer protestantischen Feier in einer katholischen
Kirche ihren Abschluss fand, eine
Tatsache, zu welcher der zuständige
Bischof völlige Gleichgültigkeit an
den Tag legte.
Dazu kamen unsere Forderungen:
das Klima der Feindschaft gegenüber
der Tradition zu ändern, ein Klima,
welches das traditionell-katholische Leben – gibt es überhaupt ein
anderes? –in der Konzilskirche so
ziemlich unmöglich macht, indem
der tridentinischen Messe die volle
Freiheit gegeben wird; den Vorwurf
des „ Schismas“ zum Schweigen
zu bringen, indem die so genannte „Exkommunikation“ für nichtig
erklärt wird, und in der Kirche eine
Struktur für die Familie der Tradition
zu finden.
DICI : Ist e s m ö g l i c h d i e
Schwierigkeiten zu erfahren, die
Benedikt XVI. hervorgehoben hat?
Bischof Fellay: Ich kann sie nur
aus dem Gedächtnis aufzählen. In
einem ersten Abschnitt bestand der
Papst auf der effektiven Anerkennung
des Papstes und hat diese verbunden
mit dem Notstand, auf den wir uns
für die Bischofsweihen und alle daraus folgenden Aktivitäten berufen.
Sodann hat Benedikt XVI. präzisiert, dass es nur auf eine Art möglich
ist, innerhalb der katholischen Kirche
zu sein: Indem man nämlich den
Geist des II. Vatikanums hat, welches im Licht der Tradition interpretiert wird, das heißt in der Intention
der Konzilsväter und gemäß dem
Wortlaut der Texte. Das ist eine
Aussicht, die uns einigermaßen erschreckt...
Schließlich müssten wir, so denkt
der Papst, eine Struktur haben, die
uns für den traditionellen Ritus und
gewisse äußere Praktiken zukommt,
ohne uns deshalb vor dem Geist des
Konzils zu beschützen, den wir annehmen müssten.
DICI : Das Kommuniqué des
Vatikan bezüglich der Audienz
spricht von „dem Willen schrittweise vorzugehen in vernünftigen Zeiträumen“. Wie ist diese
Formulierung zu verstehen?
Bischof Fellay: Der Papst wollte
die Probleme nicht ansprechen, sondern einfach skizzieren. Also wäre es
durchaus notwendig, in einem ersten Abschnitt, auf die Forderung
des „Bürgerrechtes“ der alten Messe
zu antworten, um anschließend auf
die Irrtümer des II. Vatikanums zu
sprechen zu kommen, denn darin sehen wir die Ursache der gegenwärtigen Übel – eine direkte und teilweise
auch eine indirekte.
Natürlich wird man Schritt für
Schritt vorgehen. Man muss das
Konzil in ein anderes Licht rücken,
als es von Rom getan wird. Neben
dem Anprangern aller Irrtümer, ist
es unbedingt notwendig die logischen Konsequenzen daraus zu zeigen, ihre Auswirkung auf die desaströse Situation der Kirche von heute,
ohne jedoch eine Verärgerung zu provozieren, was ein Ende der Gespräche
zur Folge hätte. Das verpflichtet uns
dazu, in Etappen vorzugehen.
Apropos „vernünftige Zeiträume“:
Man sagt in Rom, dass Dokumente
für die der Kommission Ecclesia
Dei angehörenden Gemeinschaften
vorbereitet werden, et was ganz
Neues, was noch nie gesehen wurde.
„Abwarten und Teetrinken“. Es ist sicher, dass der Papst die Absicht hat,
die Situation schnell zu regeln.
Um ganz gerecht zu sein, würde
ich hier gern eine Präzisierung anbringen. Man muss in der Tat auch die
Situation des Papstes bedenken. Er
ist sozusagen zwischen zwei Fronten,
den Progressisten und uns: wenn er
die Messe nur auf unser Bitten hin
17 settembre 2005
freigibt, werden die Modernisten sich
erheben mit den Worten: Der Papst
hat den Traditionalisten nachgegeben. Wir haben von Msgr. Ricard
erfahren, dass er selber, Kardinal
Lustiger und der Erzbischof von
Lyon sich im Jahr 2000 nach Rom
stürzten, um jeden Fortschritt in
Fragen der Bruderschaft zu blockieren, indem sie mit einer Rebellion
drohten. Wir wissen, dass die deutschen Bischöfe anlässlich des Kölner
Weltjugendtages auf die gleiche Art
reagierten. „Entweder sie oder wir!“.
Man muss begreifen: „Wenn sie anerkannt werden, dann verlassen wir die
Kirche und machen ein Schisma“.
Daher kommt es, dass uns der
Papst im Laufe der Audienz nicht
eine wörtliche Zusicherung machen
konnte, die Messe werde beispielsweise im Herbst freigegeben. Jedes
Versprechen von seiner Seite aus der
Bruderschaft gegenüber würde ihn in
diesem Sinn unweigerlich dem Druck
der Progressisten aussetzen. Wir hätten hier die Ansichten eines Papstes
gegen eine Mehrheit der Bischöfe,
die zur Trennung bereit sind. Das
ist nicht denkbar in dem aktuellen
Debakel, selbst mit dem Willen zu
einer gewissen Restauration. Meines
Erachtens könnte eine begrenzte
Freigabe eventuell zugestanden werden.
DICI : D ie P r e s s e s pr a c h
von Spa lt u n g en i n nerh a lb der
Bruderschaft. Was hat es damit wirklich auf sich?
Bischof Fellay: Die Ankündigung
dieser vom Papst gewährten Audienz
hat wahrhaft einen Tumult in den
Medien ausgelöst. Man hat viel
Lärm gemacht, mit der Absicht,
Spaltungen in der Bruderschaft innerhalb der vier Bischöfe nachzuweisen. Die Journalisten haben zudem
Drohungen der Progessisten dem
Papst gegenüber veröffentlicht: „Die
Messe freigeben heißt Paul VI. und
die Liturgiereform widerrufen“
Aber ich kann ihnen versichern,
dass die vier Bischöfe im Innern
der Priesterbruderschaft St. Pius
X. in Einklang sind in Bezug auf
das Verhältnis mit Rom, und dass
Bischof Williamson, dessen Name
DICI
•
in diesem Zusammenhang erwähnt
wurde, nicht „Sedisvakantist“ ist.
Die Medien haben keinen Grund
zur Beunruhigung. Schade für dieselben, aber das steht außerhalb jeder Diskussion.
DICI : Exzellenz, was erhoffen
Sie sich jetzt?
Bischof Fellay: Es gibt bei gewissen Kardinälen in Rom eine
Hoffnung, die Tradition wieder anerkannt zu sehen. Wir hoffen es auch.
Wir erhoffen insbesondere die vollständige Freigabe der Messe, aber
höchstwahrscheinlich wird das nicht
schon morgen geschehen. Wir werden
also die Pflicht haben daran zu arbeiten, dass die Stellung der Tradition
in der Kirche anerkannt wird. Man
muss es vermeiden, dass schlechte
Interpretationen der Tradition möglich sind.
Ma n müsste d ie röm ischen
Autoritäten dazu bringen zuzugestehen, dass wir nicht ohne begründete
Vorbehalte der Interpretation folgen können, die man vom Konzil und
vom Ökumenismus in ihrer gegenwärtigen Praxis gibt. Im Grunde ist
unsere Hoffnung die folgende: dass
man eines Tages begreift, warum wir
traditionstreu sind.
Fraternité Sacerdotale St-Pie X
Directeur de la publication
Abbé Arnaud Sélégny
Rédacteur
Abbé Alain Lorans
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