Sehouli, J., W. Lichtenegger, S. Hauptmann, M. Dietel
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Sehouli, J., W. Lichtenegger, S. Hauptmann, M. Dietel
FORTBILDUNG + KONGRESS OVARIALTUMORE Therapie von BorderlineTumoren des Ovars Sehouli1, Werner Lichtenegger1, Jalid Stefan Manfred Dietel2 Borderline-Tumoren des Ovars sind definiert als Geschwülste mit einigen, aber nicht allen Charakteristika maligner Tumoren ohne Stromainvasion. Klinik, Therapie und Nachsorge der Erkrankung sind auf den folgenden Seiten beschrieben. Bereits 1929 beschrieb Taylor eine eigene Entität von epithelialen Ovarialtumoren mit bestimmten histopathologischen Charakteristika und stufte diese aufgrund ihres biologischen Verhaltens zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren ein (1). Die WHO-Klassifikation von 1973 nahm diese Läsionen unter dem Begriff „Tumor mit niedrig-malignem Potential“ (tumors of low malignant potential = LMP) auf und verwendete ihn synonym mit der Bezeichnung „borderline ovarian tumor“ (BOT) (2). Die Begrifflichkeit ist insofern erheblich, als der Terminus „Borderline-Tumor“ neutraler ist, da er im Gegensatz zu „LMP-Tumor“ nicht unterstellt, dass allen diesen Läsionen eine – wenn auch geringe – maligne Potenz innewohnt. Dies ist, wie man heute weiß, auch nicht richtig und irritiert sowohl die Patientin als auch den behandelnden Gynäkologen, weswegen die nächste Ausgabe der WHO-Klassifikation den Begriff des „LMP-Tumors“ auch eliminiert hat. Epidemiologie Borderline-Tumoren machen etwa 9,2–16,3 % aller „nichtbenignen“ epithelialen Ovarialtumoren aus (3– 1 Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Charité, Berlin 2 Institut für Pathologie, Charité, Berlin 1202 Hauptmann2, FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 6). Aus diesen Daten lässt sich eine Inzidenz von 24 pro 1.000.000 Frauen berechnen (7). Klinik Im Vergleich zum Ovarialkarzinom erkranken an Borderline-Tumoren des Ovars jüngere Patientinnen. So liegt der Altersmedian bei Patientinnen mit Borderline-Tumoren bei 53 Jahren und bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom bei 59 Jahren (8, 9). Das Ovarialkarzinom wird zu 75 % im Stadium III und IV diagnostiziert, wohingegen BorderlineTumoren zu etwa 75 % im Stadium I entdeckt werden (8). Etwa 12 % der Diagnosen beruhen auf Zufallsbefunden (10–13). Hinsichtlich der Symptomatik werden vorwiegend Spannungsgefühl im Abdomen, Schmerzen und atypische Blutungen angegeben (14). Diagnostisch vordergründig sind vaginalsonographische Malignitätskriterien, die bei ca. 60 % der Patientinnen anzutreffen sind (15). Ähnlich wie beim Ovarialkarzinom scheint die Dopplersonographie wertvolle Zusatzinformationen liefern zu können (16). So fanden Hata und Mitarbeiter signifikant höhere Mittelwerte des Resistenzindex bei Patientinnen mit benignen Ovarialtumoren im Vergleich zu BorderlineTumoren oder Ovarialkarzinomen (17). Zanetta und Mitarbeiter setzten für die Diagnostik von Borderline-Tumoren verschiedene Parame- ter, wie Sonographie, Dopplersonographie, Alter und CA-125-Werte ein und erzielten hiermit eine Sensitivität von 85 % und eine Spezifität von 92 % (18). Die morphologische Diagnose „Borderline-Tumor“ beruht auf den in Tabelle 1 aufgeführten histopathologischen Kriterien, von denen zwei vorhanden sein müssen (19). Borderline-Tumoren weisen höhere Proliferationsindizes (MIB1) auf als seröse Adenome, aber deutlich geringere Werte als invasive seröse Ovarialkarzinome. Aufgrund der großen Streubreite und der Überlappung eignen sich die Proliferationsmarker nicht als Unterscheidungsmerkmal (20, 21). Zytogenetische Aberrationen werden bei ca. 37 % aller BorderlineTumoren, aber bei 91 % aller invasiven Ovarialkarzinome (mit niedriger Malignität) beschrieben (22). Trotz der Identifikation verschiedener neuer molekularbiologischer Marker (z.B. MMP-2, N-Cadherin, uPA, p-53) ist zur Zeit eine verlässliche prognostische Aussage über das Rezidivrisiko nicht möglich (22, 23). Histologische Subtypen Prinzipiell gibt es für jede epitheliale Differenzierungsrichtung des ovariellen Oberflächenepithels – analog zu den invasiven Karzinomen – auch eine Borderline-Kategorie. Histologische Kriterien ■ Mehrschichtigkeit von über 4 Lagen ■ maximal 4 Mitosen pro 10 HPF ■ geringe Kernatypie, Nukleolen möglich ■ erhöhte n/c-Ratio ■ komplexe Verzweigungen, Brückenbildung, Pseudopapillen ■ Ablösung von Zellgruppen, sog. budding ■ keine destruktive Stromainvasion Tab. 1: Kriterien für die histologische Diagnose eines Borderline-Tumors. Muzinöse Borderline-Tumoren kommen mit ca. 40 % (24) etwas seltener vor als die serösen. Auch muzinöse Borderline-Tumoren im Stadium I weisen hervorragende Überlebensraten auf. Kaern und Mitarbeiter berichten von einer 15-Jahres-Überlebensrate von 97 % (8). Im Stadium III fällt die Überlebensrate jedoch auf 64 % (8). Muzinöse BorderlineTumoren können in einen endozervikalen (Müllerepithel) und einen intestinalen Typ eingeteilt werden. Das Krankheitsbild des Pseudomyxoma peritonei ist ausschließlich mit dem intestinalen Typ assoziiert. Etwa 5 % der Borderline-Tumoren zeigen andere histologische Typen: ■ mischzellig (2 %), ■ endometroid (2 %), ■ klarzellig (<1 %) und ■ atypisch proliferierende BrennerTumoren (<1 %). Hierbei weisen klarzellige die schlechteste und endometroide Tumoren die beste Prognose auf (8, 26). Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass seröse Borderline-Tumoren nicht zwischen Adenom und Karzinom stehen, sondern eine eigene Entität bilden. Die muzinösen Borderline-Tumoren sind hingegen tatsächlich als Übergangsläsion zu sehen (27). Peritoneale Implantate Erkrankt das Peritoneum bei serösen Borderline-Tumoren mit, spricht man vom Vorliegen so genannter Peritonealimplantate. Hierbei ist die Frage wichtig, um welchen Implantattyp es sich handelt. In der Regel werden bei Borderline-Tumoren nichtinvasive Implantate beobachtet, bei ca. 6 % jedoch liegen invasive Implantate vor, die in den meisten Studien mit einer erheblich schlechteren Überlebensrate assoziiert sind (26, 28). Hierbei widerspricht der Nachweis von invasiven Implantaten nicht der Definition der Borderline-Tumoren, da sich die Diagnose nach den Befunden am Ovar orientiert (29). Das Zehn-JahresÜberleben von Patientinnen mit invasiven Implantaten liegt nur bei ca. 33 % (26, 28). Nichtinvasive Implantate haben dagegen keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben (21). sogar eine spontane Rückbildungstendenz dieser Areale beschrieben wird (30). Die Unterscheidung zwischen invasiven und nichtinvasiven Implantaten gehört somit zu den anspruchvollsten Aufgaben der histopathologischen Untersuchung. Gegenwärtig sollten die von Seidman und Kurman (25, 31) aufgestellten Kriterien verwendet werden (s. Tab. 2). Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Differenzialdiagnose „invasiv versus nichtinvasiv“ im Einzelfall unklar bleiben kann und der gegenwärtige Unterteilungsvorschlag noch zahlreiche Unschärfen enthält. Über die Biologie der Peritonealimplantate wird gegenwärtig kontrovers diskutiert (25, 30, 31). Während zahlreiche Autoren invasive Implantate quasi als peritoneales Karzinom ansehen, handelt es sich bei den nichtinvasiven Formen wahrscheinlich um reaktive Veränderungen, da DNA-Zytometrie Einteilung peritonealer Implantate nichtinvasiv, desmoplastisch ■ Zellkomplexe oder drüsenähnliche Strukturen auf der Oberfläche ■ oder unmittelbar submesothelial ■ fibroblastäre, granulationsgewebsartige Stromareaktion – intimat ■ vermischt mit den Epithelien nichtinvasiv, epithelial ■ exophytische oder endophytische Proliferate ■ dicke fibröse Papillen mit hierarchischer Verzweigung ■ keine Stromareaktion invasiv ■ ungeordnete, tief liegende glanduläre oder mikropapilläre Proliferate ■ lockere fibröse Stromareaktion ohne signifikante Entzündung, „clear spaces“ Tab. 2: Charakteristika unterschiedlicher peritonealer Implantate beim Borderline-Tumor. Der DNA-Zytometrie kommt beim Borderline-Tumor eine besondere Bedeutung zu. Nach verschiedenen Studien (32–34) liegt das Zehn-Jahres-Gesamtüberleben bei diploiden Tumoren bei 97 % und bei Aneuploidie bei nur 46 % (s. Abb. 1 auf S. 1204). Auch für die Differenzialdiagnose der Peritonealimplantate kann die DNA-Zytometrie hilfreich sein, da aneuploide Peritonealimplantate mit einer schlechteren Prognose einhergehen und in der Regel auch invasiv sind (32). FORTBILDUNG + KONGRESS Seröse Borderline-Tumore machen etwa 55 % aller Borderline-Tumore aus (24). Die Prognose im Stadium I ist exzellent, das 15-Jahres-Gesamtüberleben wird mit 99 % angegeben (8, 25). Die Überlebensraten fallen bei Nachweis extrapelviner Tumormanifestationen (Stadium III) auf 30–50 % (8, 25, 26). Bei der DNA-zytometrischen Untersuchung ist darauf zu achten, dass entsprechend den Richtlinien des ESACP-Konsensus lediglich Einzelzell-Suspensionen aus Paraffinmaterial gemessen werden (35). Das FIGO-Stadium und der postoperative Tumorrest sind – wie beim Ovarialkarzinom – die wichtigsten Prognosefaktoren (4, 8–10). Verschiedene Autoren stufen auch das Alter als wichtigen Prognosefaktor ein, wobei ältere Frauen (>70 Jahre) das höchste Rezidivrisiko aufweisen (10, 26, 34, 36). Therapie Die Therapie von Borderline-Tumoren ist eng am klinischen Management des Ovarialkarzinoms orientiert und FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 1203 FORTBILDUNG + KONGRESS Ovarialtumor Schnellschnitt benigne atypisch maligne Ovarektomie Implantat-Exstirpation Staging Debulking definitive Histologie BOT Morphometrie DNA-Analyse maligne Chemotherapie Da häufig junge Frauen mit der Diagnose „Borderline-Tumor“ konfrontiert werden, ist dem Kinderwunsch auch beim operativen Vorgehen besondere Rechnung zu tragen (13, 40). Hier kann im Einzelfall bei einem Tumor im FIGO-Stadium I nach ausführlicher Aufklärung folgendes Vorgehen gewählt werden: ■ detaillierte Exploration des Abdomens, ■ Peritoneallavage, ■ unilaterale Adnektomie, ■ Omentektomie und ■ Appendektomie. Zwar können durch konservative Operationstechniken hohe Konzeptionsraten erreicht werden (33, 41), Rezidivraten bis zu 71 % schränken jedoch deren Einsatz erheblich ein (43). Außerdem treten BorderlineTumoren häufig beidseitig auf. Bei serösen Tumoren wird in ca. 40 % (Spannbreite: 28–66 %) und bei mu- Verschiedene Autoren konnten jedoch keinen prognostischen Einfluss einer Lymphknotenmetastasierung zeigen (8, 26, 53). Auch ist das Rezidiv selten retroperitoneal lokalisiert (13), es liegt fast ausschließlich intraabdominal (13). Im FIGO-Stadium I liegt das 15-Jahres-Gesamtüberleben bei nicht durchgeführter Lymphonodektomie Abb. 1: Vorgehen bei der Behandlung von Ovarialtumoren. verfolgt in Abhängigkeit des definitiven „Staging“ die vollständige bzw. maximale Tumorreduktion (37). ■ Operation Entsprechend den Anforderungen der FIGO-Klassifikation wird folgendes operative Vorgehen empfohlen: ■ mediane Längsinzision ■ detaillierte Exploration des gesamten Abdomens, ■ totale abdominale Hysterektomie, ■ bilaterale SalpingoOophorektomie, ■ Omentektomie, ■ Peritoneallavage (bzw. Aszitesprobe) und ■ die pelvine und paraaortale Lymphonodektomie, Biopsien aller suspekten Peritonealläsionen. Die Schnellschnittdiagnose beim Boderline-Tumor birgt eine nicht zu vernachlässigende Unsicherheit für den Kliniker (s. Abb. 1). 23–27 % der FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 Eine Biopsie des nicht zu exstirpierenden Ovars schließt bei negativer Histologie einen Befall des Ovars nicht zuverlässig aus, sodass ein derartiges Vorgehen nicht zu empfehlen ist (36). Nach Erfüllung des Kinderwunsches sollte bei primär konservativ-operativem Vorgehen die Komplettierungsoperation erfolgen (13). Die systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie ist beim Ovarialkarzinom etabliert (9). Auch beim Borderline-Tumor wird sie in der FIGO-Klassifikation empfohlen. Der metastatische Befall ist insgesamt selten, meist nichtinvasiv und lässt somit die Lymphknotenarchitektur nahezu immer erhalten (23). Unklar ist aber, ob es sich bei Lymphknotenimplantaten um echte Metastasen oder um In-situ-Transformationen aus sekundärem MüllerEpithel bzw. um hyperplastische mesotheliale Zellen handelt (21, 48). Durch die Lymphonodektomie werden mindestens 20 % der Patientinnen mit FIGO-Stadium I in ein FIGO IIIc hochgestuft (49–51). Tropé und Mitarbeiter beobachteten bei diploiden Tumoren im Stadium I keine Lymphknotenmetastasen, während bei 2 % der aneuploiden und initial als Stadium I betrachteten Tumoren Lymphknotenherde bestanden (32). Reich und Mitarbeiter empfehlen bei Nachweis einer Aneuploidie ab dem FIGO-Stadium Ib eine pelvine und paraaortale Lymphonodektomie (52). Chirurgie Resttumor Bei muzinösen Tumoren – besonders wenn rechtsseitig lokalisiert – sollte zusätzlich eine Appendektomie erfolgen (37). 1204 zinösen Tumoren in ca. 8 % (Spannbreite: 0–13 %) eine bilaterale Tumormanifestation beobachtet (24, 44–46). Management bei Adnextumoren Borderline-Tumoren zeigen bei der endgültigen histologischen Untersuchung Zeichen der Invasion. Bei muzinösen Borderline-Tumoren liegt diese Rate deutlich höher als bei den serösen Tumoren (38, 39). ■ Chemotherapie Im Allgemeinen wurden in den Phase-II-Studien platinhaltige Therapieregime eingesetzt (54–56). Wenige nichtrandomisierte Studien wurden an Patientinnen im Stadium I durchgeführt, wobei – wohl aufgrund der Patientenselektion – die Rezidiv- und Überlebensraten im Vergleich zu nicht chemotherapierten Patientinnen insgesamt sogar schlechter waren (57–59). Randomisierte Studien, welche die Überlegenheit eines bestimmten Regimes belegen (z.B. Monotherapie versus Kombination), fehlen. Auch ohne jegliche adjuvante Behandlung sind die Ergebnisse exzellent (s. Tab. 3). Für den Einsatz einer Chemotherapie für das FIGO-Stadium I besteht zur Zeit keine Indikation. Selbst bei den höheren Tumorstadien und makroskopischer Tumorfreiheit besteht keine absolute Indikation für eine systemische Chemotherapie, da auch hier die Therapie-Ergebnisse ohne adjuvante Therapie hervorragend sind (60, 61). Anders wird die Situation bei fortgeschrittenen Stadien und postope- rativem Tumorrest oder bei Rezidiv unter dem Bild eines invasiven Adenokarzinoms eingestuft. Hier wird von verschiedenen Autoren eine platinhaltige Chemotherapie empfohlen (11, 55). Gershenson und Mitarbeiter (55) raten auch bei Nachweis von invasiven Implantaten zur einer platinhaltigen Chemotherapie über sechs Zyklen. Diese Studie an 20 Patientinnen mit Resttumor zeigte eine Ansprechrate von 15 %. Kliman und Mitarbeiter behandelten elf Patientinnen mit postoperativem Tumorrest und beobachteten nur bei einer Patientin eine passageres TherapieAnspechen (11). Einzelne Kasuistiken über ein Ansprechen von invasiven Implantaten liegen vor (55). Insgesamt existieren in der Literatur aber keine validen Daten, die eine adjuvante Chemotherapie bei postoperativer makroskopischer Tumorfreiheit rechtfertigen – weder in den Früh- noch in den Spätstadien. Auch wenn in den letzten Jahren wirksame neuere Zytostatika beim Ovarialkarzinom entwickelt worden sind, ist deren Einsatz außerhalb von klinischen Studien nicht zu empfehlen. Ob Patientinnen mit aneuploiden Tumoren von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren, muss erst in prospektiven Studien untersucht werden. Vielmehr sollte in Zukunft versucht werden, die Risikogruppe beim Borderline-Tumor mit Hilfe klassischer und neuer (molekularbiologischer) Prognosefaktoren bes- Behandlungsergebnisse ohne adjuvante Therapie Stadien Ia-Ic Autor (Jahr) Hart, Norris (1973) Bostwick (1986) Kliman (1986) Ras-Zeilmans (1988) Kaern (1993) Sykes (1998) Patientinnen 84 79 55 52 85 175 Rezidiv Tod 0 6 1 0 2 4 0 0 1 0 1 3 Tab. 3: Behandlungsergebnisse bei Borderline-Tumoren der Stadien Ia–Ic ohne adjuvante Therapie. ser zu charakterisieren, um den Stellenwert einer adjuvanten platinhaltigen Chemotherapie bei „HighRisk“-Patientinnen neu zu bewerten. Nachsorge 80 % der Ovarialkarzinome rezidivieren innerhalb der ersten drei postoperativen Jahre (62). Beim Borderline-Tumor liegt das mediane progressionsfreie Intervall bei ca. sieben Jahren, bei einer Streubreite von 0,7 bis 16 Jahren (63). Im Gegensatz zum Ovarialkarzinom sollte beim Borderline-Tumor die Nachsorge lebenslang (mindestens 20 Jahre) erfolgen. In der Ovar-Sprechstunde der Frauenklinik der Charité stellen sich die Patientinnen nach Komplettremission in dreimonatlichen Intervallen für die ersten drei postoperativen Jahre, anschließend in sechsmonatigen Abständen bis zum fünften Jahr und anschließend jährlich vor. Bei Patientinnen mit postoperativem Tumorrest und Aneuploidie sollte ein engmaschigeres Follow-up erfolgen. Die detaillierte Anamnese, die allgemeine und gynäkologische Untersuchung in Kombination mit der Vaginal- und Abdominalsonographie bilden die Grundpfeiler der Nachsorge. Für den routinemäßigen Einsatz einer Röntgen-Thorax-Aufnahme, Computertomographie oder Magnetresonanztomographie besteht keine Indikation. FORTBILDUNG + KONGRESS bei 95 % (34). Aufgrund der vorliegenden Daten gehört die systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie nicht zum routinemäßigen Standardverfahren bei der operativen Behandlung des Borderline-Tumors (34). Wie beim Ovarialkarzinom kann die Konzentration des CA-125 bei Patientinnen mit Borderline-Tumor präoperativ erhöht sein, wenngleich dies bei letzteren deutlich seltener vorkommt (64, 65). Dies findet seine Erklärung in der höheren Rate an muzinösen Tumoren im Stadium I und der besseren Differenzierung der Borderline-Tumore. In der Studie von But wiesen 12 von 36 Patientinnen (33,3 %) und FIGOStadium Ia CA-125-Werte >35 U/ml auf. Hierbei zeigten Tumoren mit hoher Proliferation die höchsten Se- FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 1205 FORTBILDUNG + KONGRESS rumkonzentrationen von CA-125 (67). Bei muzinösen Borderline-Tumoren sind die CA 19-9-Werte deutlich häufiger pathologisch erhöht als das CA-125. In der Studie von Engelen und Mitarbeitern (67) war bei muzinösen Borderline-Tumoren das CA-19-9 in 57 % erhöht, das CA-125 nur in 15 % (p=0,02). Bei präoperativ erhöhten Tumormarkern konnten verschiedene Autoren in Einzelfällen zeigen, dass pathologische Werte für CA-125 bzw. CA-199 dem bildmorphologisch fassbaren Rezidiv mit einem Abstand von einigen Monaten vorangehen können (68, 69). Obwohl sich in Deutschland die routinemäßige Bestimmung des CA-125 in der Nachsorge des Ovarialkarzinoms etabliert hat, kommt ihr bisher keine prognostische Bedeutung zu. Die laufende prospektive Studie der EORTC, die im randomisierten Design die CA-125-orientierte mit der symptomorientierten Nachsorge vergleicht, bleibt abzuwarten (70). Beim Borderline-Tumor zeigt sich ein noch größeres Dilemma, da zum einen das Rezidiv bis zu einem Zeitraum von 20 Jahren auftreten kann und zum anderem effektive Behandlungsstrategien (mit Ausnahme der Operation) bei Nachweis eines Tumorrezidivs nicht existieren. Eine routinemäßige Bestimmung von CA125 bzw. CA 19-9 beim BorderlineTumor könnte nur dann empfohlen werden, wenn die Früherkennung des sehr seltenen Rezidivs auch in einer effektiven Behandlung und einer signifikanten Verlängerung des Überlebens münden würde. So bleibt die Bestimmung der Tumormarker auf Einzelfälle mit Hochrisiko-Profil limitiert. Schlussfolgerungen Voraussetzung einer adäquaten Therapie des Borderline-Tumors ist eine standardisierte histopathologische Aufarbeitung (pro cm Durchmesser ein Gewebsblock) und Befundung des 1206 FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 10 Ovarialtumors durch einen in der Ovarialpathologie erfahrenen Pathologen. Ergänzt wird das Prozedere durch umfangreiches Sampling und sorgfältige Diagnostik von Peritonealläsionen. Die Standardoperation des Borderline-Tumors beinhaltet die bilaterale Adnektomie, Omentektomie und Peritoneallavage. Die Lymphonodektomie ist beim Borderline-Tumor nicht obligat. Nach primär konservativem operativen Management (z.B. wegen Kinderwunsch) sollte die Komplettierungsoperation angestrebt werden. Der postoperative Tumorrest, das FIGO-Stadium und der DNA-Status sind die wichtigsten Prognosefaktoren. Bei fehlendem postoperativen Tumorrest besteht keine Indikation für eine adjuvante Chemotherapie. Ob Patientinnen mit aneuploidem DNAStatus von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren, muss in prospektiven Studien untersucht werden. Die Nachsorge des BorderlineTumors hat lebenslang zu erfolgen. Literatur 1. Taylor HC Jr: Malignant and semimalignant tumors of the ovary. Surg Gynecol Obstet 48 (1929) 204–230. 2. Serov SF, Scully RE, Solvin LH: International histologic classification of tumors. No. 9: Histologic typing of ovarian tumors. World Health Organization, Geneva, 1973, 37–41. 3. Nikrui N: Survey of clinical behavior of patients with borderline epithelial tumors of the ovary. Gynecol Oncol 12 (1981) 107– 119. 4. Russel P: Borderline epithelial tumors of the ovary: a conceptual dilemma. Clin Obstet Gynecol 11 (1984) 259–277. 5. Barnhill DR, Heller P, Brzozowski P et al.: Epithelial ovarian carcinoma of low malignant potential. Obstet Gynecol 65 (1985) 53. 6. 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