Abschlussbericht Howl - Projektrat Uni Frankfurt

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Abschlussbericht Howl - Projektrat Uni Frankfurt
Abschlußbericht zum Autonomen Tutorium
„Jüdische Intellektuelle in der Moderne:
Allen Ginsbergs Howl.
(Eine lyrisch-historische Auseinandersetzung
aus judaistischer und philologischer Perspektive)“
von Harald Vajkonny
Sommersemester 2014
1 Einleitung
Die Idee zu einem Autonomen Tutorium über Allen Ginsberg entstand in der Abschlußsitzung
eines Autonomen Tutoriums im WS 13/14 zu Freuds Schrift Der Mann Moses. Hier wurde das
Machtsystem Echnatons diskutiert, das daran scheiterte, dass dieser als autokratischer Herrscher
versuchte, die staatliche und religiöse Macht im Rahmen des Monotheismus in einer Person
gemeinsam mit seiner Frau Nofretete zu verkörpern. Das erste erfolgreiche monotheistische Gegenmodell zu Echnaton stellte das antike jüdische Königssystem dar, das in der Figur des Propheten ein kritisches Korrektiv besaß, das den weltichen Herrscher durch diese spezielle Form
der Gewaltenteilung vor Hybris schützte.
Der Typus des Propheten als kritisches Korrektiv zur weltlichen Macht tritt in der Moderne
erneut in Gestalt des Intellektuellen auf, erstmals in der Person von Émile Zola in der DreyfußAffäre. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg füllt Allen Ginsberg diese Rolle aus und wird
damit in seinem Habitus zum role model par excellence für den zeitgenössischen Intellektuellen der
60er Jahre und danach. Noch heute kleiden und gerieren sich kritische Intellektuelle nach seinem
Vorbild1 .
Aufgabe des angedachten Tutoriums war es, die Hintergründe dieser Tatsache anhand seines
Hauptwerkes Howl zu erkennen und herauszupräparieren.
2 Ablauf, Termine und Teilnehmerkreis
Das Tutorium wurde von bis zu 12 Teilnehmern besucht, davon einem harten Kern aus sieben
Hörern, die alle Sitzungen absolviert hatten. Sie stammten aus den Fächern Judaistik, Anglistik/
Amerikanistik, Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik.
Um einen Termin zu finden wurde eine doodle-Umfrage eingerichtet, die jedoch kein eindeutiges Ergebnis erbrachte, so dass zwei Starttermine anberaumt wurden: am 20. und 21. Mai.
Die beiden Gruppen wurden bald zusammengelegt, so dass es zu einem regelmäßigen Termin
Dienstags abends ab 20.00 Uhr kam. Ab 12. Juni gründete sich noch eine dritte Gruppe, die fortan
Donnerstags zwischen 16-18 Uhr, sowie an einem Blockwochenende vom 12.-13.7. tagte.
1 vgl.
hierzu:
· Ulrich Oevermann (2003), „Der Intellektuelle – Soziologische Strukturbestimmung des Komplementär von Öffentlichkeit“, in: Andreas Franzmann/ Sascha Liebermann/ Jörg Tykwer (Hg.), Die Macht des Geistes, Forschungsbeiträge aus der Objektiven Hermeneutik, Band 3
· Johannes Twardella (2003), „Der Sonnenhymnus des Echnaton. Monotheismus und Mittlertum in der AmarnaReligion“, ebenda.
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Inhaltlich folgte nach einer Einführungsstunde in Howl zwei theoretische Stunden über Lyrik
im Allgemeinen. Danach wurde das Gedicht Howl bis einschließlich Vers 13 detailliert interpretiert. Den Abschluß bildete der Film On the Road nach dem Roman von Jack Kerouac. In den
Semesterferien traf sich die Dienstagsgruppe weiter um die Filme Henry & June und Howl zu
sehen.
Zusätzlich zu den Sitzungsterminen wurden per email ausführliche Protokolle verschickt, die
einen Personenkreis von 30 Lesern erreichte.
Für die Sitzungen wurde eine ausführliche Folienpräsentation entwickelt, die neben Text- und
Bildmaterial auch O-Töne und Musikbeispiele zum Thema enthielt.
Daneben wurde ein Materialreader mit ca. 900 Seiten erstellt, der jedoch nicht zum Einsatz kam
und nur an konkret interessierte Teilnehmer weitergegeben wurde.
3 Inhalt
3.1 Einleitung in die Lyrik
In der Einleitung in die Lyrik wurde ein Poesieverständnis entwickelt, das der Darstellungsform
der Beat-Literatur adäquat sein sollte. Statt einer klassischen Formanalyse, wurde Wert gelegt
auf das Verständnis einer Literaturform, die beim Leser psychologische Effekte und Bewusstseinsveränderung durch kicks hervorrufen will.
Der Begriff des Kicks wurde praktisch durch eine Hausaufgabe vermittelt, in der die Teilnehmer
einen biografisch wichtigen Ort aufsuchen und dort ein Liebesgedicht vortragen sollten und
durch Introspektion die dabei in sich ablaufenden psychischen Reaktionen wahrnehmen und
fixieren sollten. Die Teilnahmebereitschaft an diesem Experiment war gemischt von Widerstand
und Skepsis bis zu emphatischer Zustimmung. Die teilnehmenden Hörer berichteten von stark
inspirierenden kreativen Impulsen durch dieses Experiment.
Theoretisch wurde das Konzept des Kicks untermauert durch eine Betrachtung der Lyrik-Theorie
von Friedrich von Hardenberg (Novalis), der in seiner Ordo-inverso-Konzeption die Erfahrbarkeit des Absoluten, als plötzlich durch die Risse in der Haut des Seins auftretenden Erfahrungsblitze beschreibt, wie sie in krisenhaften Situationen auftreten und zu Ernüchterung führen. Lyrik
könne, so Novalis, solche krisenhaften Erkenntnissituationen herbeiführen.
Vertieft wurde das so gewonnene Lyrik-Verständnis durch weitere Beispiele von Baudelaire und
Krawczyk. Hierbei wurde auch auf die Untrennbarkeit von Lyrik und deren Vortrag verwiesen,
sowie die Methode der Sequenzanalyse vorgestellt und eingeübt.
3.2 Grundsätze der Beat-Lebenseinstellung
Am Gedicht Howl wurden die Grundzüge der Lebenseinstellung der Beat-Generation herausgearbeitet, die geprägt sind vom Suchen nach mehreren Zielen.
Da ist zunächst die starke Sehnsucht nach aufrichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen die
frei sind von Heuchelei und Oberflächlichkeit. Die Beat-Generation macht sich frei von den
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Zwängen einer repressiven Gesellschaft, wie sie sich in der Nachkriegszeit Amerikas breitgemacht hat. Als Folge von despotisch-autoritärer Ausübung von Macht (wie beispielsweise symptomatisch in der McCarthy-Ära) entsteht in der Gesellschaft eine vom Gruppen- und Einordnungszwang durchtränkte Kultur, in der Menschen in Charaktermasken misstrauisch gegenübertreten und einander heuchlerisch begegnen. Das Zeigen von Gefühlen kommt einer körperlichen
Entblößung gleich und wird schamvoll vermieden. Der entpersonalisierende Druck wirkt bis in
die Familien hinein, deren Mitglieder einander kühl und hierarchiegebunden behandeln.
Dieser Kultur des Heuchelns setzen die Mitglieder der Beat-Generation eine offene Form des
Umgangs in der Gruppe von Aussteigern entgegen, in der Gefühle offen und enthemmt offenbart werden, auch um den Preis der Verwirrung und Verzweiflung, die als Konsequenz hieraus
immer wieder entstehen. Die durch die Selbstoffenbarung gewonnene Wärme und das Aufgehobensein in der Vergemeinschaftung als beschädigtes und schwaches aber eben deshalb menschliches Subjekt kompensieren die Schmerzen der Entblößung.
Besonders wichtig ist daher für die Beatniks eine Verurteilung jeglicher Form von herablassendem Verhalten, indem der Mensch gerade als gescheitertes Wrack geliebt wird, wohingegen der
scheinbar heile Mensch unter dem Verdacht steht, seiner Außenwelt eine bloße Fassade vorzuspielen, hinter der sich eine Tragödie und häufig emotionale Verkrüppelung verbirgt.
Der Beatnik bzw. Hipster steht so als gesellschaftliches Gegenmodell in Kontrast zum Man in the
Gray Flannel Suit, wie er im Roman von Sloan Wilson entworfen wird.
Die Suche nach menschlicher Aufrichtigkeit wird flankiert von der Suche nach emotionalen kicks,
also intensiven psychologischen Gefühlserlebnissen, die die Essenz des Daseins offenbaren, die
das wahre Ich enthüllen und die Wahrheit des Lebens zu Tage fördern.
Erreicht werden die kicks durch intensive und verrückte Aktivitäten, wie das spontane Aufbrechen zu Reisen im Auto oft ohne konkretes Ziel, intensive sexuelle Erfahrungen häufig polygamer Natur und mit dem Verlassen heterosexueller Orientierung, dem Konsum von Drogen und
Jazzmusik, durch das endlose Sprechen miteinander und schließlich durch das Verfassen von
Literatur und das damit verbundene Traktieren von Schreibmaschinen.
Die Suche der Beats ist im wesentlichen als Form von Mystik zu verstehen, also dem Streben
nach der unmittelbaren Erfahrung des Absoluten, welches in der religiösen Mystik die Erfahrung
Gottes ist. In der hier praktizierten weltlichen Mystik steht an dieser Stelle jedoch das Ich, das
Sein, die Wahrheit des Lebens usw.
Eine weitere Form der mystischen Suche der Beat-Generation stellt die Suche nach einer unmittelbaren Begegnung mit der Natur. Auf der Reise kommt es immer wieder zur Verschmelzung
mit der Natur und deren Eindrücken, sowie auch zur mystischen Verschmelzung mit den Orten,
an denen die Natur den Kräften der Zivilisation unterworfen wurde, also der Großstadt und
insbesondere deren Nachtleben.
Das Nachtleben der Großstadt wird beschrieben als ambivalenter Moloch, der einerseits Kraft
und Leben spendet, auf der anderen Seite aber auch dramatische Opfer in Gestalt von Menschenleben verlangt, die er zerstört und auffrißt. Das Moloch-Motiv soll sich als Leitmotiv für
das Gedicht Howl von Ginsberg erweisen.
3.3 Personen der Beat-Generation
Im Verlauf des Gedichts Howl werden wir von Ginsberg mit den wichtigsten Personen der BeatGeneration und deren Charaktereigenschaften bekannt gemacht. Wir lernen Herbert Huncke,
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Alene Lee, Gregory Corso, Anton Rosenberg, Jack Kerouac, William S. Burroughs, Philip Lamantia, Carl Solomon, Lucien Carr und die Clique aus On the Road kennen.
Neben den Akteuren der Beat-Generation lernen wir auch deren Gegner und bleibende Personen
der Zeitgeschichte kennen.
An Kontrahenten der Beat-Generation begegnen wir Lionel Trilling, Norman Podhoretz und
Joseph McCarty.
Als ewige Personen der Weltgeschichte machen wir die Bekanntschaft mit John Keats, Walt Whitman, William Blake, Billie Holiday, Charlie Parker, Dexter Gordon, Dylan Thomas, Fritz Lang,
Mary McCarthy, Delmore Schwartz, Hart Crane und Antonin Artaud.
3.3.1 Die Beats
Herbert Huncke wird von Ginsberg erstaunlicherweise an erste Stelle in Howl gestellt, obwohl er kein Intellektueller, kein Schriftsteller
und auch kein Reisender ist. Er ist vielmehr ein Krimineller und Drogendealer mit bedeutendem Einfluß in der Gegend von New York, in
der die Beatniks sich herumtreiben. Er wird beschrieben als emotional
intelligente gute Fee, die viele Funktionen im Hintergrund übernimmt
und von daher für die Beat-Generation für großer Wichtigkeit ist, ohne dass die Außenstehenden diesen Wert je einschätzen werden können.
Die Gruppe aus Jack Kerouac, Alene Lee, Gregory Corso und Anton Rosenberg bildet die
Clique, die in Kerouacs Roman The Subterraneans auftritt. Sie werden von Allen Ginsberg als
angelheaded hipsters beschrieben, die eine besondere Beziehung zum Moloch des Nachtlebens
aufweisen, indem sie sich in dem Mietshaus in der Lower Eastside, das sie Paradise Alley nennen,
zurückziehen und sich dort Sex- und Alkoholexzessen widmen.
William S. Burroughs ist der Senior in der Gruppe und zugleich der Verrückteste. Er ist Millionär, Morphinist und Waffennarr. Seine Frau erschießt er versehentlich im Rausch bei einem
Wilhelm Tell-Spiel und verarbeitet dies in seinem Roman Naked
Lunch.
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Philip Lamantia gehört zwar nicht im engeren Sinne zur Beat-Generation, aber
seine Lyrik wird von diesen gelesen und man diskutiert miteinander. Mit den
Beats teilt Lamantia zumindest phasenweise die mystische Suche nach der Essenz, für die er aus jüdischen und islamischen mystischen Schriften Inspirationen
bezieht.
Carl Solomon ist eine der wichtigsten Insprationsquellen für Allen Ginsberg. Er begegnet ihm in der Psychiatrie, in die Ginsberg sich einweisen lässt, um einem Strafverfahren zu entgehen. Solomon hat den Weg
in die Pychiatrie wie sein französischer Lehrer Antonin Artraud über
das konsequente Praktizieren des Dadaismus gefunden. Ginsberg bewundert Solomons Konsequenz und macht ihn zu seinem ganz besonderen
Freund.
Lucien Carr ist derjenige, der den Inner Circle der Beat-Generation (Ginsberg,
Kerouac und Burroughs) zusammengeführt hat. Er selbst hat große Blockaden
beim Schreiben, die mit seiner durch Stalking geprägten Beziehung mit David
Kammerer zusammenhängen, den er schließlich ermordet (was im Film Kill Your
Darlings dramatisch dargestellt wird). Das Ereignis prägt die Beat-Generation
nachhaltig.
Die Hauptpersonen von Jack Kerouacs On the Road (Jack Kerouac, Neal Cassady, Luanne Henderson und Carolyn Cassady) spielen in Howl mit Ausnahme von Neal Cassady eine eher untergeordnete Rolle. Neal ist auch in Howl die Verkörperung desjenigen, der auf der Suche nach
der Essenz des Lebens am Ziel angekommen zu sein scheint, und den alle übrigen deshalb mit
großer Neugier beobachten.
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3.3.2 Die Widersacher
Als Kontrahenten der Beats wird vor allem Norman Podhoretz benannt als post-war cynical
scholar, einer der Schüler von Norman Trilling, der auch Allen Ginsbergs Literaturprofessor war.
Podhoretz ist eines der Masterminds des amerikanischen Neokonservatismus, der in den 70erJahren zur Blüte gelangte und mit den Präsidentschaften von Ronald Reagan, Goerge W. Bush Sr.
und Jr. auf den Höhepunkt seiner Macht gelangte. Die Gesellschaft, die sie anstreben ist geprägt
von radikalem Egoismus und Mißtrauen gegenüber jeglicher Form von Vergemeinschaftung und
Gruppenbildung.
In den 50er-Jahren wird der Konservatismus noch durch Politiker wie Dwight D. Eisenhower und
Joseph McCarthy repäsentiert. Durch eine volksverhetzende Anti-Kommunismus-Kampagne
überziehen sie die USA mit einem Klima der Denunziation und des Mobbings. Ein Kommittee
für unamerikanische Umtriebe wurde eingerichtet, um namhafte Wissenschaftler und Künstler
zu diffamieren und auszuschalten (darunter Allen Ginsberg, Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Thomas
Mann, Heinrich Mann, Klaus Mann, Charles Chaplin, Robert Oppenheimer, Arthur Miller, Marilyn Monroe, Pete Seeger, Leonard Bernstein, Luis Buñuel, Aaron Copland, Albert Einstein, Lion
Feuchtwanger, Otto Klemperer, Artie Shaw und Orson Welles). Deren Werke wurden infolgedessen aus allen öffentlichen Bibliotheken entfernt. Als erster Produzent stellte Alfred Hitchcock in
den 60er Jahren wieder Schauspieler ein, die auf der unter McCarthy erstellen Schwarzen Liste
gelandet waren.
3.3.3 Die Ewigen
Nicht zuletzt enthält Howl Verweise auf große klassische Literaten, die für Allen Ginsberg Vorbilder waren, insbesondere auf John Keats, Walt Whitman und William Blake. Insbesondere
William Blake war das große Idol der Beat- und Hippie-Bewegung und die metrische Struktur
von Howl ist dem Gedicht The French Revolution von Blake nachempfunden.
Billie Holiday, Charlie Parker und Dexter Gordon verkörpern die Hauptvertreter des BebopJazz, der Musik, die die Beats in den Jazzkneipen der amerikanischen Rotlichtviertel konsumierten. Die drei genannten Musiker gehörten außerdem zum engen Freundeskreis von Herbert
Huncke.
Als Literaten der Gegenwart treten Dylan Thomas, Mary McCarthy und Hart Crane in Erscheinung. Der Regisseur Fritz Lang inspirierte mit seinem Film Metropolis und der darin vorkommenden Moloch-Szene Allen Ginsberg nachhaltig. Antonin Artaud aus Paris ist der DadaismusLehrer von Carl Solomon und Delmore Schwartz, der wie Lionel Trilling zu den New York
Intellectuals zählt, ist Lehrer des Velvet Underground-Sängers Lou Reed.
3.4 Orte der Beat-Generation
Neben den Personen, die für die Beat-Generation eine Rolle spielten, werden in Howl auch
wichtige Orte vorgestellt. Im einzelnen handelt es sich um:
42nd Street, Manhattan, N.Y.: Herbert Hunckes Territorium, geprägt von Jazzkneipen und Rotlichtmillieu
Lower Eastside, N.Y.: das Gebiet der Subterraneans. Hier befindet sich die San Remo Bar und
das Wohnhaus Paradise Alley
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519 11th Street, NO-Ecke Avenue A, Lower Eastside, N.Y.: Paradise Alley, das Haus, in dem
Alene Lee, Gregory Corso, Allen Ginsberg und Jack Kerouac eine Weile wohnten, unweit
von der Wohnung von William S. Burroughs
Third Avenue, N.Y.: Hier befindet sich u.a. eine Elevated Railway (= El)
Columbia College, N.Y.: Das Undergraduate College an dem Ginsberg, Solomon, Carr und Kerouac
Literatur studierten
Greystone Psychiatric Hospital, New Jersey: hier begegnen sich Ginsberg und Solomon
Laredo, Texas: Der Grenzort nach Mexiko und Beschaffungsort für Marihuana
Gaslight Cafe, Greenwich Village, N.Y.: Das Cafe, in dem Kerouac und Ginsberg ihre Werke
vortrugen. Bob Dylan und Joan Baez hatten hier ihre ersten Auftritte
Paterson, New Jersey: Heimatstadt von Allen Ginsberg, Wohnort der Tante der Romanfigur Sal
Paradise aus On the Road, dem Alter Ego von Jack Kerouac
755 Pine Street, San Franciso: Appartment, in dem Allen Ginsberg seine erste Peyote/MeskalinErfahrung macht. Während seines Trips verwandelt sich das gegenüberliegende Sir Francis
Drake Hotel in den menschenfressenden Gott Moloch
Bickfords Restaurant, 225 West 42nd Street, N.Y.: gehörte Herbert Huncke, Allen Ginsberg
jobbte dort als Aufwischer
Fugazzi’s Cafe, 6th Avenue, Greenwich Village, N.Y.: Ruhigere Alternative zur San Remo Bar
3.5 Beziehungsgeflechte
Von besonderer Wichtigkeit sind die Beziehungsgeflechte in den verschiedenen von Ginsberg
vorgstellten Cliquen.
Da ist zum einen die Subterraneans-Clique, die sich zeitlich nach den Erlebnissen von On the
Road zusammenfindet und in Bezug auf die sich ergebenden Probleme deutlich reifer ist. Mittelpunkt der Clique ist Alene Lee, die in Paradise Alley wohnt und sexuelle Beziehungen zu allen
Mitgliedern der Clique pflegt. Sie ist intellektuell und analysiert die Bedürfnisse der rastlosen
Männer ihrer Umgebung aus weiblicher Perspektive. Jack Kerouac legt ihr die Erkenntnis in den
Mund, dass die Essenz, nach der die Männer eigentlich suchen, die Frau ist. Der mysteriöse Ort
aus dem alle stammen und in den alle wieder hineinstreben. Sie thematisiert die Unfähigkeit
der Erkenntnis der Männer, dass sie nicht begreifen, dass das Ziel ihrer Suche in Paradise Alley
direkt vor ihren Händen liegt, dass es sie aber dennoch nach abstrakten Zielen fortzieht, wie
den Reisen und dem Schreiben von Literatur, mit dem sie ihr eigentliches Bedürfnis sublimieren.
Selbst Kerouac, der dieses Thema mit ihr intensiv diskutiert und einsieht, dass sie recht hat, kann
sich aber dem Drang nach abstrakten Zielen nicht entziehen und flieht vor ihr.
Ganz anders verhält es sich in der On the Road-Clique, der ersten Gruppenkonstellation der
Beat-Generation, in der Neal Cassady der Mittelpunkt ist, der sexuell von allen, Männern wie
Frauen, begehrt wird. Seine erste Frau, Luanne Henderson, führt eine sexuell exzessive Beziehung mit ihm, verzweifelt aber an seiner Labilität in Bezug auf eine berufliche Existenz und
auf Seßhaftigkeit. Als sie Jack Kerouac kennenlernt und dessen beruhigende Wirkung auf Neal erkennt, versucht sie diese Freundschaft zu fördern, um Neal zur Vernunft zu bringen. Neal
hingegen versucht Luanne an Jack abzutreten, um eine zweite Ehe mit Carolyn zu beginnen. Als
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Luanne die Clique schließlich verlässt wiederholt Neal dieselbe Geschichte mit Carolyn und einer dritten Frau. In Bezug auf die Frauen, wie auch auf seine männlichen Freunde lässt er große
Rücksichtslosigkeit walten, die ihm jedoch von Jack verziehen wird als Ergebnis seiner Biografie
und dem Verschwinden des Vaters als Obdachloser in den Straßen von Detroit.
In einer Rückblende vergleichen wir die Cliquen der Beat-Generation mit der komplexen Beziehung zwischen Henry Miller und seiner Frau June mit Anaïs Nin und Hugo Parker Guiler.
Auch hier gibt sich eine Gruppe intellektueller Aussteiger sexuellen Ausschweifungen jenseits
der akzeptierten Moral hin. Das Ziel ihrer Suche ist jedoch ganz offen die Sexualität und Liebe
der Partner und wird nicht vom Schreiben und der Rastlosigkeit des Reisens verdeckt – ganz im
Sinne von Alene Lee.
Schließlich haben wir noch versucht, das Lebensgefühl der Beat-Generation in der Zeit nach
vorne zu verfolgen und sind dabei auf die Technokultur in Deutschland gekommen. Der Dozent
war selbst in den Jahren 1995-2001 Teil einer mit der Beat-Generation vergleichbaren Clique im
Frankfurter Nachtleben und kann die Ähnlichkeiten im Verlauf der Beziehungsqualitäten nur
bestätigen.
4 Ausblick
Nachdem im ersten Tutorium die Grundlagen zum Verständnis dieses schwierigen Textes gelegt
wurden, kann ein anschließendes Tutorium sich folgenden Fragen widmen:
• selbständiges Verstehen des weiteren Textes mit Hilfe des Kommentars und Erstellung einer
eigenen Übersetzung ins Deutsche
• Frage nach der Rolle von Allen Ginsberg als Prophetenfigur, als die er von sich selbst und
anderen immer wieder dargestellt wird
• detailliertes Verständnis des Übergangs der aus wenigen Personen bestehenden Beat-Generation in die Massenbewegung der Hippie-Kultur und Ausbreitung dieser Kultur über England nach Europa
• Anschluß an Vorgängerbewegungen, etwa des Kreises um Henry Miller und Anais Nïn in
Paris
• Psychologie und Praxis der Gegnerschaft der Beat-Bewegung und Versuche der Verhinderung der von ihr angestossenen Lebensformen zur Rettung der traditionellen Familie
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