Skifahren unter Palmen? Perspektiven des alpinen Wintertourismus

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Skifahren unter Palmen? Perspektiven des alpinen Wintertourismus
Skifahren unter Palmen?
Perspektiven des alpinen Wintertourismus in
Zeiten des Klimawandels
Samstag, 4. März 2006
Berchtesgaden
Kur- und Kongresshaus (Kleiner Saal)
Referenten:
Dr. Gerhard Berz (Leiter i.R. GeoriskForschung Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft, Klimatologe)
Prof. Dr. Hans Elsasser (Geographisches Institut der Universität Zürich)
Werner Fees (stellv. Sprecher des AK-Alpen im BN)
Prof. Dr. Hartmut Graßl (Klimaforscher, Emeritus-Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie,
Hamburg)
Stefan Kurz (Bürgermeister Schönau a.K., Vorsitzender der Tourismusregion BerchtesgadenKönigssee)
Dr. Christine Margraf (Regionalreferentin BN)
Prof. Dr. Heinz Röhle (1. Vorsitzender des DAV)
Christian Schneider, Moderator (Süddeutsche Zeitung)
Prof. Dr. Heinz Slupetzky (Gletscherforscher i.R. Universität Salzburg, 1. Vorsitzender ÖAVSektion Salzburg)
Doris Tropper (stellv. Landesvorsitzende des BN)
Dr. Michael Vogel (Nationalparkleiter Berchtesgaden, Präsident Netzwerk Alpiner Schutzgebiete)
Veranstalter:
Bund Naturschutz in Bayern e.V., Fachabteilung München, Pettenkoferstraße 10a/I, 80336 München, Tel.: 089/548298-63, [email protected], www.bund-naturschutz.de
zusammen mit dem Bund Naturschutz Bildungswerk
Dieser Text wird mit einer Zusammenfassung ab 06.03.2006 auf der homepage des BN:
www.bund-naturschutz.de Rubrik Alpen – Aktuelles – Veranstaltungen
zum download zur Verfügung gestellt !
Skifahren unter Palmen ? Perspektiven des alpinen Wintertourismus in Zeiten des Klimawandels
Zusammenfassung des Seminares des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)
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Prof. Dr. Hartmut Graßl
Emeritus-Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg, Bundesstraße 53, 20146 Hamburg
[email protected], www.mpimet.mpg.de
Die Klimaveränderung und ihre Auswirkungen in den Alpen
Interview mit dem Berchtesgadener Anzeiger, 25.02.2006
Der Nationalpark zieht die Gäste an und nicht ein weiterer Skilift
Wenn Prof. Dr. Hartmut Graßl vor dem globalen Klimawandel warnt, dann tut er es mit aller Konsequenz. Der gebürtige Ramsauer, der das Max-Planck-Institut für Meteorologie an der Universität
Hamburg leitete und zu den bekanntesten Klimaforschern der Welt gehört, scheut sich nicht vor
Konflikten. Schließlich kann der 65-Jährige seine Aussagen mit Daten aus jahrzehntelanger Forschungsarbeit begründen. Dennoch hören es viele nicht gerne, wenn der Wissenschaftler insbesondere den tiefer gelegenen Skigebieten aufgrund der Klimaerwärmung das langsame Aus prognostiziert und deshalb weitere Skiliftbauten für unsinnig erklärt. So ist bei dem vom Bund Naturschutz am Samstag, 4. März, im Kur- und Kongresshaus Berchtesgaden veranstalteten Seminar
»Skifahren unter Palmen?« eine heiße Diskussion zu erwarten. Zumal neben Prof. Dr. Graßl auch
Vertreter der Tourismus- und Seilbahnbranche eingeladen sind. Im Gespräch mit dem »Berchtesgadener Anzeiger« wärmt sich Klimaforscher Graßl schon einmal auf.
Der gebürtige Ramsauer Prof. Dr. Hartmut Graßl prognostiziert den Skigebieten keine gute Zukunft.
Herr Prof. Graßl, wie ist denn das Wetter bei Ihnen in Hamburg?
Prof. Dr. Hartmut Graßl: Bedeckt und zwei Grad plus.
Das Berchtesgadener Land ist in diesem Winter fast im Schnee versunken. Ist das noch normal?
Graßl: Ja, warum denn nicht. Es ist doch völlig normal, dass man im Tal einmal einen halben oder
einen dreiviertel Meter Schnee hat. Die Menschen übertreiben ja gerne. Wenn Sie die Leute fragen, wie viel Schnee es früher gab, dann werden alle möglichen Märchen ausgegraben. Und wenn
man sich dann eine lange Messreihe des Deutschen Wetterdienstes anschaut, dann reduziert sich
das alles auf Normalmaß. Und man merkt schnell, dass die Schneedeckendauer in den Niederungen abgenommen hat. An einer höher gelegenen Station dagegen ging die Schneedeckendauer
zumindest nicht signifikant zurück.
Müssten denn die Tallagen nicht heute schon schneelos sein, wenn man den Klimaprognosen
Glauben schenken soll?
Graßl: Nein, das ist völlig falsch. Eine Klimaerwärmung bringt ja nur geringe Abweichungen vom
Mittelwert. Wenn es also früher mal einen Winter mit minus 32 Grad gegeben hat und inzwischen
die Winter-Temperaturen im deutschen Mittelwert um 1,7 Grad höher sind, dann heißt das ja nicht,
dass es heute keine Temperaturen unter minus 20 Grad mehr geben wird. Das heißt nur, dass die
Wahrscheinlichkeit für so niedrige Temperaturen stark abgenommen hat. Auftreten werden sie
immer noch. Auch hohe Temperaturen werden heute im Winter öfters erreicht als früher. Die Verteilung um den Mittelwert ändert sich aber nicht so drastisch. Der Bürger meint, dass zwei Grad
nicht viel wären. Da kann ich nur sagen: Vier Grad waren der Unterschied zwischen Eiszeit und
der jetzigen Zwischeneiszeit. Und das hat aus einer eisbedeckten Fläche in Berchtesgaden einen
Ort mit viel Wald gemacht.
Der heuer mit einer Eisdicke von 35 Zentimetern zugefrorene Königssee ist dann also Zufall?
Graßl: Das kommt immer wieder mal vor, aber es wird immer seltener. Wenn man sich anschaut,
wann die Menschen drübergehen konnten, dann wird man feststellen, es wird halt weniger. Aber
dass mal wieder ein Winter dabei ist, in dem man das Eis betreten kann, das ändert nichts daran,
dass die Welt insgesamt wärmer geworden ist.
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Wie sollte sich denn die Tourismusbranche auf die künftigen klimatischen Bedingungen einstellen?
Haben Wintersportorte wie das Berchtesgadener Land überhaupt Zukunft?
Graßl: Im unteren Teil nicht mehr. Wenn man investiert, dann will man damit ja auch in 10, 15 oder
20 Jahren noch etwas verdienen. Ich würde deshalb im Berchtesgadener Land keinem raten, in
einen Skilift zu investieren. Denn die Wahrscheinlichkeit, damit etwas zu verdienen, wird mit der
globalen Erwärmung immer geringer. Im Schwarzwald habe ich für eine derartige Warnung einmal
heftige Schelte bekommen. Inzwischen ist es so, dass die Lifte dort größtenteils abmontiert sind.
Welche Ratschläge haben Sie denn für die Politiker im Berchtesgadener Land konkret?
Graßl: Man muss versuchen, diejenigen
Gäste ins Berchtesgadener Land zu ziehen, die nicht unbedingt Ski fahren wollen.
Derzeit läuft ja die Suche nach einem Investor für die Jennerbahn. Wenn es um den Wintersport
künftig so schlecht bestellt sein wird, macht da eine solche Investition noch Sinn?
Graßl: Der Jenner ist im Berchtesgadener Land wohl der einzige Berg, an dem man noch ein paar
Jahrzehnte Ski fahren kann. Die flacheren Hänge in Talnähe werden nämlich zunehmend
schneeunsicher.
Dann wird es im Berchtesgadener Land in 30 Jahren keinen Skilauf mehr geben?
Graßl: Doch, aber das werden dann die Skibergsteiger sein. Die kommen weiter hinauf und können die steilen Hänge befahren. Der normale Bürger, der eine Autobahn haben möchte, wird in
Berchtesgaden nicht mehr ausreichend Schnee vorfinden. Im Berchtesgadener Land sind breite
und flache Pisten in schneesicherer Region nicht anzulegen.
Wie kann denn der Bürger selbst zum Schutz der Erdatmosphäre beitragen?
Graßl: Sehr vielfältig, aber im Endeffekt braucht es eine von den Vereinten Nationen getragene
Regelung. Sonst sieht der Bürger ja nicht ein, warum er etwas tun soll. Der Bürger wird wohl nur
dann aktiv werden, wenn es für ihn billiger wird. Wenn er durch Energieeinsparung auch selbst
Euro spart, dann wird er mitmachen. Ihn jeden Tag zu fragen, ob er sich umweltgerecht verhalten
hat, ist doch Unfug. Das System muss von sich aus funktionieren.
Ist es nicht auch so, dass man oft nach Amerika schaut, das in Sachen Umweltschutz nicht gerade
vorbildhaft ist?
Graßl: Aber es war einmal vorbildhaft. Das hängt eben vom Präsidenten ab. Dass die Bundesrepublik Deutschland auf dem Sektor Klimapolitik besonders gut abschneidet, liegt daran, dass wir
Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre mal eine Kommission des Deutschen Bundestags hatten, die der Bevölkerung das Ganze mal sauber erklärt hat. Seitdem ist die Bundesrepublik ein
Land, das zusammen mit den Engländern eine Vorreiterrolle beim internationalen Klimaschutz
einnimmt.
Die Klimaerwärmung ist ja immer mehr auch am Rückgang der Gletscher zu spüren. Sind die
Gletscher, ist beispielsweise der Blaueisgletscher in Ramsau, eigentlich noch zu retten?
Graßl: Nein, da ist nichts mehr zu machen, dazu sind die Veränderungen in der Atmosphäre zu
groß. Maßnahmen, über die man jetzt spricht, werden erst in drei bis vier Jahrzehnten ihre Wirkung entfalten. Bis dahin sind viele der kleinen Gletscher in den Ostalpen verschwunden.
Vermutlich wird nach diesem schneereichen Winter der eine oder andere Gletscher wieder ein
wenig zulegen.
Graßl: Nein, wir hatten ja 1999 noch mehr Schnee. Aber auch da ist nichts gewachsen, da war es
höchstens plusminus null.
Vermutlich richtet sich Ihr Blick gelegentlich immer noch ins Berchtesgadener Land. Gibt es hier
Umweltsünden, die sich bei Ihnen besonders eingeprägt haben?
Graßl: Ja, die Jennerbahn ist eine ganz große Umweltsünde, weil sie illegal errichtet worden ist.
Im Naturschutzgebiet Königssee hätte nie eine Bahn gebaut werden dürfen.
Würden Sie dann die Jennerbahn im Nachhinein legitimisieren?
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Graßl: Man kann ja nicht etwas, was die Bevölkerung im Wesentlichen mitgetragen hat und was
seit Jahrzehnten existiert, im Nachhinein wegräumen wollen. Das wäre Unfug. Aber man muss den
Anfängen wehren. So ein Eingriff würde heute im Nationalpark Berchtesgaden nicht mehr passieren.
Haben Sie eigentlich noch regelmäßige Kontakte nach Berchtesgaden?
Graßl: Da leben ja noch meine Verwandten. Die besuche ich öfters. Mir gefällt es dort, das ist ja
meine Heimat. Ich sehe eine schöne systematische Entwicklung des Nationalparks. Die Bevölkerung nimmt den Park besser an als früher, da wurde noch viel Unfug verzapft. Der Nationalpark ist
das einzig große Pfand, das das Berchtesgadener Land noch hat. Der ist es, der die Gäste anzieht, und nicht ein zusätzlicher Skilift.
Zäher läuft es ja beim Biosphärenreservat.
Graßl: Viele Berchtesgadener wissen nicht einmal, dass sie in einem solchen Biosphärenreservat
wohnen. Die Menschen dort leben unter einer anderen Gesetzgebung als wenn man draußen bei
Freilassing wohnt. Das hat Folgen, daraus resultieren Gewinner wie Verlierer. Und die vermeintlichen Verlierer werden ja immer auf die Barrikaden gehen, auch wenn sie später vielleicht Gewinner sind. Aber wenn sie sich als Verlierer fühlen, dann sind sie dagegen.
Aber Sie haben durchaus Verständnis für die zum Teil skeptische Haltung?
Graßl: Sicher. Das Wichtigste ist ja, dass man mit den verschiedenen Gruppen diskutiert. Sicherlich werden aber diejenigen, die in einer demokratischen Abstimmung unterliegen, weiter stänkern.
Das ist normales menschliches Verhalten. Dabei hat das Berchtesgadener Land eigentlich viel
größere Probleme, wie beispielsweise die schlechte Verkehrsanbindung. Das ist mit ein Grund
dafür, warum es hier so wenige hochkarätige Veranstaltungen gibt.
Wie wird der kommende Sommer?
Graßl: In tropischen Regionen kann man das Wetter bis zu einem halben Jahr voraussagen, in
Mitteleuropa geht das nicht. Jahreszeitprognosen werden aber wohl in unseren Regionen auch in
einigen Jahren kommen, weil man dann mehr Beobachtungen aus dem Inneren des Ozeans hat.
Dann kann man also nur hoffen, dass nach dem Traumwinter jetzt ein Traumsommer kommt.
Graßl: Das ist Ansichtssache. Wenn Sie eine Fichte wären, würden Sie sich über viel Wasser und
wenig Hitze freuen. Was ist schon ideal? Ideal ist jedenfalls, dass wir in einer Region wohnen, in
der es ganz wenige Extreme gibt, denn sonst hätten wir uns gar nicht so entwickeln können. Bei
uns lässt es sich ja sehr gut leben. Deshalb sollte man auch dankbar sein, wenn es im Sommer
mal so richtig schüttet.
Ulli Kastner
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Dr. Gerhard Berz
Leiter i.R. GeoRiskForschung Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft
Klimatologe, München, www.munichre.de
Klimawandel und Wetterextreme – Werden die Alpen zum Katastrophengebiet ?
Die Schadenbelastungen aus großen Wetterkatastrophen haben weltweit dramatische Ausmaße
angenommen. Die inflationsbereinigte Zunahme gegenüber den 60er Jahren liegt für die letzten 10
Jahre beim Achtfachen für die volkswirtschaftlichen und beim Sechsundzwanzigfachen für die versicherten Schäden.
Diese Schadenzunahme wird größtenteils von steigenden Bevölkerungs- und Wertekonzentrationen z. B. in besonders stark exponierten Regionen wie dem Küsten- und Alpenraum
verursacht.
Gleichzeitig gewinnt die rasch voranschreitende Klimaänderung immer größeren Einfluß auf die
Häufigkeit und Intensität von Wetterextremen. Da sind einerseits die großen Sturm- und Überschwemmungskatastrophen der letzten Zeit, die fast jedes Jahr für neue Schadenrekorde gesorgt
haben, und andererseits die zahllosen Unwetter-, Hitze- und Schneekatastrophen, die heute häufiger denn je aufzutreten scheinen.
Tatsächlich ergeben die Analysen von Beobachtungsreihen ebenso wie Modellrechnungen, daß
sich die Eintrittswahrscheinlichkeiten für extreme Wetterereignisse bereits deutlich geändert haben
und weiter rasch ändern werden.
Im Alpenraum sind extreme Wetterereignisse schon heute die Hauptursache für Katastrophenschäden (s. Abb.). Hier stehen die Stürme bei der Zahl der Schadenereignisse und bei den versicherten Schäden mit Abstand an erster Stelle, gefolgt von den Überschwemmungen (die bei den
volkswirtschaftlichen Schäden den größten Anteil ausmachen), den sonstigen Naturkatastrophen
(u.a. Winterschäden, Waldbrand, Erdrutsch) und schließlich den hier nur selten schadenträchtigen
Erdbeben.
Das Bild ändert sich, wenn man die Schadenpotenziale extremer Naturkatastrophen betrachtet.
Hier rücken dann Ereignisse in den Vordergrund, die zwar nur eine sehr kleine Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen, wie z. B. starke Erdbeben, große Bergstürze oder extreme Sturzfluten, die aber
bei einem „Volltreffer“ in einer dichtbesiedelten Region außerordentlich hohe Schadenbelastungen
auslösen können. Dieses „Restrisiko“ wird sich im Alpenraum beim weiteren Rückzug der Gletscher- und Permafrostgebiete und veränderten Niederschlagsverhältnissen rasch erhöhen.
Aus der Sicht des Rückversicherers, aber auch aus gesamtwirtschaftlicher und politischer Sicht,
gefährden Naturkatastrophen die nachhaltige Entwicklung in vielen Regionen. Auch in den Alpenländern liegen die möglichen Schadensummen in Größenordnungen, die eine umfassende RisikoPartnerschaft zwischen Versicherungsnehmer, Versicherungswirtschaft und Staat erforderlich machen.
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Naturkatastrophen im Alpenraum 1980 - 2005
Schadensereignisse: 800
Volkswirtschaftliche Schäden:
57 Mrd. €*
Versicherte Schäden:
12 Mrd. €*
Erdbeben
Sturm
Überschwemmung
Erdrutsch, Lawine
Hitzewelle, Kältewelle
Stand: Januar 2006
© 2006 GeoRisikoForschung, Münchener Rück
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Prof. Dr. Heinz Slupetzky
Univ.-Prof. i.R. Universität Salzburg, Gletscherforschung, [email protected], www.uni-salzburg.at
1. Vorsitzender der ÖAV-Sektion Salzburg
Skifahren auf Alpengletschern – Vom Sommerskilauf zum schneesicheren Höhenskigebiet im Winter ?
Seitdem es den Wintertourismus in den Alpen gibt, ist dieser mehr oder weniger stark neben den
natürlichen Gegebenheiten und Voraussetzungen von den klimatischen und Wetter- Bedingungen
abhängig. Ob genügend Naturschnee und in der notwendigen zeitlichen Andauer zur Verfügung
steht, ist in starkem Maße von der Seehöhe beeinflusst. Schneearme Winter in den 1950er Jahren
haben eine erste Phase der „Höhenanpassung“ in Österreich ausgelöst: Zu Obergurgl entstand
Hochgurgl, zu Sölden Hochsölden usw. In den 1950er und 1960er Jahren (z.B. war der Winter
1963/64 mit der 1. Olympiade in Innsbruck 1964 sehr schneearm) setzte die 2. Phase der „Höhenanpassung“ der Schigebiete ein: Mit dem Bau der Seilbahn zum Kitzsteinhorn 1965 und 1966 wurde das erste Gletscherschigebiet in Österreich erschlossen. Es folgten Zillertal-Hintertux 1967,
Dachstein 1969, Hochstubai-Stubaital 1973, Rettenbachferner Ötztal 1975, Kaunertal 1980.
Das Schmiedingerkees am Kitzsteinhorn hatte den Reigen der „Goldene Jahre“ des Sommerschilaufs eröffnet. Sommerschilauf war etwa ein Jahrzehnt „in“. Die Gletscher-erschließungen
Pitztal (1983), Wurtenkees-Mölltal (1987) liefen noch mit dem Ziel des Sommerschilaufs, es hatte
jedoch ein Bedeutungswandel bei allen Gletscherschigebieten eingesetzt: Sie begannen die Wintersaison abzusichern (soweit nicht von vorneherein mit der Erschließung eine Wintersaison eröffnet wurde).
Die Erschließung der Gletschern - der Tourenschilauf im Hochgebirge und damit in der Gletscherregion seit bald einem Jahrhundert ist eine andere Sache – und der Schibetrieb waren und
sind von der Entwicklung der Gletscher beeinflusst. Eine Massenzuwachsperiode von 1965 bis
1981 mit vielen Metern Firnablagerungen nicht nur in den Nährgebieten der Gletscher haben
ideale Bedingungen für den Gletscherschilauf - und damit auch im Sommer – geschaffen. Häufige
Schneefälle im Sommer in dieser Zeit wirkten sich überdies sehr begünstigend aus. Das Schmiedingerkees/Kitzsteinhorn wurde als „ Schiwiese“ bekannt.
Die nachfolgende Massenabbauperiode 1982 bis 2005 mit meist negativen GletscherMassenbilanzen - ganz extrem 2003 - erzwangen das Ende des klassischen Sommerschilaufes; er
war zumeist nur mehr in großen Höhen, etwa über 3000 m, für ein spezielles Klientel (Schitraining)
gefragt, so nicht ein Ausweichen in den Südwinter in Gebirgen der Süd-hemisphäre erfolgte. Zum
Gletscherschwund trugen maßgeblich die reduzierten oder weitgehend fehlenden Sommerschneefälle im Hochgebirge bei.
Der Anstieg der Schneegrenze im Winter bzw. die Verkürzung der Andauer der geschlossenen
Schneedecke in der Wintersaison hat zu einer Anpassung und damit Umstrukturierung des Angebots im Wintertourismus im Alpenraum geführt, der noch nicht abgeschlossen ist (und noch nicht
sein kann). Eine der - erfolgreichen - Gegenmaßnahmen ist die Erzeugung von Kunstschnee. Die
Touristiker verlassen sich nicht mehr auf Mutter Natur. Sogar in den erschlossenen hochgelegenen
Gletschergebieten haben die sich für den Schilauf verschlechternden Bedingungen als Folge der
Klimaerwärmung zum Einsatz von Schneekanonen geführt. Dies jedoch weniger für die Gletscher
selbst als für die Schaffung geeigneter Verbindungspisten vom Gletscher zu den Lift-Talstationen,
sie sollen den frühen Beginn der Wintersaison sicherstellen.
Das Bremsen oder die Verlangsamung des Abschmelzens und damit des Verlustes des „Kapitals Gletscher“ ist nur marginal möglich: Relativ kleinflächig und begrenzt ist bei Liftstützen und trassen oder gefährdeten Pistenpassagen am Gletscher durch Abdecken eine Verlangsamung des
Eisabschmelzens möglich.
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Prof. Dr. Hans Elsasser
Direktor des Geographischen Institutes der Universität Zürich, Winterthurstraße 190, CH 8057 Zürich,
[email protected], www.geo.unizh.ch
Einfluss veränderter Schneeverhältnisse auf den Wintertourismus
Zusammenfassung
Das Klima ist ein wichtiger Bestandteil des natürlichen Angebotes im Tourismus. Der Tourismus ist
von der Klimaänderung stark betroffen. Die bisherigen Untersuchungen in den Alpenländern setzen sich schwergewichtig mit den Auswirkungen der Klimaänderung auf den Wintertourismus und
insbesondere das alpine Skifahren auseinander. Der Klimawandel führt zu einer ‚ZweiklassenGesellschaft’ bei den alpinen Skigebieten: Einerseits hoch gelegene und schneesichere international konkurrenzfähige Top-Destinationen und anderseits kleinere, tiefer gelegene Wintersportorte,
die mit grossen wirtschaftlichen Problem zu kämpfen haben. Bei den Massnahmen stehen Anpassungsmassnahmen im Vordergrund. Der Tourismus als Mitverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes leistet vorläufig noch zu geringe Beiträge bei Vermeidungsstrategien.
1. Klima und Tourismus
Klima und Wetter sind wichtige Faktoren des natürlichen Angebotes im Tourismus. Klima und
Wetter sind somit einerseits tourismusrelevante Ressourcen, anderseits aber auch limitierende
Faktoren. Vereinfacht kann festgehalten werden, dass das Klima darüber bestimmt, ob ein bestimmtes Gebiet für eine bestimmte touristische Aktivität in Frage kommt, das Wetter hingegen, ob
diese Aktivität dann auch tatsächlich ausgeübt wird.
Klima und Wetter beeinflussen aber nicht nur die das touristische Angebot, sondern auch die touristische Nachfrage. Wetter und Klima im Zielgebiet sind Pullfaktoren, im Herkunftsgebiet der Touristen Pushfaktoren der touristischen Nachfrage.
Dabei spielt die Wahrnehmung eine wichtige Rolle. Das Klima bestimmt nicht die Handlungen von
Akteuren, sondern es ist ein Faktor unter vielen, die bei Handlungen einen Rahmen setzen und je
nach Situation unterschiedlich stark gewichtet werden. Deshalb ist es wichtig, dass bei Untersuchungen über die Auswirkungen des Klimas zwischen dem physischen Klima und dem sozialen
Konstrukt Klima unterschieden wird.
Klima und Wetter beeinflussen den Tourismus stark. Es muss aber vor einem Klimadeterminismus
gewarnt werden. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Änderungen, wie beispielsweise demographische Veränderungen, die Globalisierung oder der Wertewandel mit entsprechenden Veränderungen im Reiseverhalten, aber auch Moden spielen neben dem Klima eine ganz entscheidende
Rolle, wie heutige und künftige Angebots- und Nachfragestrukturen im Tourismus aussehen werden.
2. Klimaänderung und Tourismus
Es ist unbestritten, dass der Tourismus – neben der Landwirtschaft – zu denjenigen Wirtschaftszweigen zählt, die von einer Klimaänderung besonders stark betroffen werden. Die Klimaänderung
wird innerhalb des Tourismus zu Veränderungen führen, einerseits bei der Bedeutung unterschiedlicher Tourismusformen, anderseits bei der Attraktivität verschiedener touristischer Destinationen. Als besonders sensitiv gegenüber einer Klimaänderung gelten Tourismusformen und Destinationen, deren Anziehungskraft stark auf natürlichen Angebotsfaktoren beruht. Dazu zählen die
Gebirgsräume und die ‚klassischen’ Outdoor-Wintersportaktivitäten, insbesondere das Skifahren.
Es erstaunt deshalb nicht, dass sich die Forschung zu diesem Thema in den Alpenländern
schwergewichtig mit dem Wintertourismus auseinandersetzt. Die Resultate der bisherigen Forschungsarbeiten lassen sich folgendermassen zusammenfassen:
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Eine Klimaerwärmung führt zu einem Anstieg der Höhengrenze der Schneesicherheit. Die Zahl der
schneesicheren Skigebiete wird sich in Zukunft verringern. Davon besonders betroffen sind die
touristischen Transportanlagen, die eigentlichen Motoren der touristischen Entwicklung im Alpenraum. Die Seilbahnen sind mit ihrem Kerngeschäft, dem Transport von Wintersportlern, ein zentrales Element der touristischen Wertschöpfung im Alpenraum. Es wird sich, zumindest mittelfristig,
eine ‚Zweiklassen-Gesellschaft’ der Skigebiete herausbilden: Auf der einen Seite die hoch gelegenen Destinationen, die aufgrund der weiterhin grossen Nachfrage, die u.a. darauf zurückzuführen
ist, dass in tiefer gelegenen Gebieten zu wenig Schnee liegt, in der Lage sind ihre Skigebiete (in
die Höhe) auszubauen, ihre Infrastrukturen und ihr Bettenangebot zu modernisieren und so international konkurrenzfähig bleiben. Auf der anderen Seite tiefer gelegene Wintersportorte, die bereits heute nur über eine marginale klimatische Voraussetzung verfügen. Aufgrund der verkürzten
Saisondauer werden diese Orte mit grossen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, und es
besteht die Gefahr, dass sie über kurz oder lang aus dem Wintertourismusmarkt ausscheiden.
Die Fokussierung der bisherigen Untersuchungen auf den Wintertourismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Sommersaison von einer Klimaänderung betroffen ist: Eine Klimaerwärmung führt zu einer Verlängerung der Sommersaison und damit – zumindest theoretisch – zu
einer besseren Auslastung der entsprechenden Infrastrukturen, wie Freibäder, Camping- und Caravaning-Plätzen oder Golfanlagen; theoretisch deshalb, weil Regelungen der Ferien von Schulen
und Betrieben von grösserem Einfluss auf die Nutzungsdauer sein dürften als die Klimaerwärmung.
Eine Klimaänderung führt nicht nur zu erhöhten Temperaturen, sondern auch zu Änderungen bei
den Niederschlagsverhältnissen im Sommer und im Winter. Gemäss den Klimaszenarien ist in
weiten Gebieten des Alpenraums im Sommerhalbjahr mit geringeren Niederschlägen zu rechnen,
d.h. Wasser könnte verstärkt zu einem Engpassfaktor der touristischen Entwicklung werden. Im
Winterhalbjahr ist mit höheren Niederschlägen zu rechen, die aber in Zukunft vermehrt als Regen
und weniger in Form von Schnee fallen werden.
Bei einer Beurteilung der Risiken und Chancen eines Klimawandels für den Tourismus im alpinen
Raum gilt es aber auch die Situation in Regionen, die in Konkurrenz zum Alpenraum stehen, zu
berücksichtigen. Im Sommer besteht schon seit langem u.a. eine Konkurrenz zwischen dem Alpenraum und dem Mittelmeerraum (Ferien in den Bergen vs. Ferien am Meer). In der Wintersaison
sieht die Situation anders aus: Dann steht der Alpenraum sowohl mit anderen für Schneesportaktivitäten geeigneten (Gebirgs-)Räumen als auch mit Badedestinationen im Süden in Konkurrenz. Im
Alpenraum selbst erfolgt eine Verlagerung der Schneesportaktivitäten in hoch gelegene Regionen.
Die Befürchtung, dass eine bedeutende Verlagerung in noch höher gelegene Gebirgsräume ausserhalb der Alpen, z.B. Kaukasus oder Himalaya stattfinden wird, dürfte aus folgenden Gründen
mittelfristig eher unbegründet sein: Zuerst muss in jenen Regionen eine touristische Infrastruktur
i.w.S. aufgebaut werden, die konkurrenzfähig zu derjenigen im alpinen Raum ist. Nicht zu unterschätzen sind ferner die gesundheitlichen Risiken von Aufenthalt und Sport in grossen Höhen,
insbesondere für nicht besonders gut trainierte ‚Durchschnittstouristen’. Viel bedeutsamer dürfte
auch in Zukunft die Konkurrenz durch Feriendestinationen im Süden (Winter-Badeferien) sein. Wie
sich diese Konkurrenzsituation in Zukunft entwickeln wird, dürfte aber nicht so sehr durch die Klimaänderung, sondern durch andere Faktoren bestimmt werden: Stellenwert des Schneesports in
der Gesellschaft, Alternative Freizeit- und Sportmöglichkeiten, Kosten für Schneesportferien und
Badeferien im Vergleich und nicht zuletzt eine mögliche Besteuerung von Flugbenzin auf Grund
einer aktiveren Klima(schutz)politik.
3. Strategien und Massnahmen
Die Klimaänderung bildet für den Tourismus eine grosse Herausforderung. Im Zentrum der Anstrengungen, die von den Tourismusverantwortlichen ergriffen werden, stehen Anpassungsstrategien. Diese können – dargestellt am Beispiel des Skitourismus – folgendermassen gegliedert werden:
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Anpassungsstrategien
1. Massnahmen zur Weiterführung des Skitourismus
1.1 Künstliche Beschneiung
1.2 Geländekorrekturen
1.3 Erschliessung höher gelegener Gebiet
1.4 Zusammenarbeit
2. Finanzielle Unterstützung
2.1 Einmalige Beiträge
2.2 Jährliche Beiträge
3. Entwicklung von Alternativen zum Skitourismus
3.1 Schnee unabhängige Winter-Angebote
3.2 Ganzjahres-Tourismus
4. Fatalismus
4.1 ‚Business as usual’
4.2 Aufgabe des Skitourismus
Im Folgenden sollen nun einige Angaben zu den genannten Massnahmen gemacht werden:
Die wohl am häufigsten genannte und ‚populärste’ Massnahme ist die künstliche Beschneiung.
Eine Kunstschneeanlage benötigt aufwändige Ressourcen und Infrastrukturen, z.B. im Durchschnitt 500 Liter Wasser und 1 – 9 kWh elektrische Energie pro Kubikmeter Kunstschnee. In der
Schweiz wird mit folgenden Kosten gerechnet: Die Investitionskosten für 1 km Beschneiungsanlage belaufen sich auf rund 1 Mio. Fr., die jährlichen Betriebskosten betragen pro Kilometer Skipiste
40'000 Fr. für Präparierung plus 20 – 30'000 Fr. für Beschneiung. Die beiden Engpassfaktoren bei
der künstlichen Beschneiung sind das Geld und, vor dem Hintergrund, dass in Zukunft die Sommer
trockener sein werden, das Wasser.
Geländekorrekturen können sowohl klein- als auch grossflächige Ausmasse annehmen. Wichtige
Ziele solcher Eingriffe sind die Herabsetzung der minimal erforderlichen Schneehöhen für den Skibetrieb, die Erleichterung des Einsatzes von Pistenfahrzeugen und der künstlichen Beschneiung
und damit eine Verbesserung der Pistenverhältnisse in schneearmen Wintern. Planierte Pisten
können je nach Intensität der Baumassnahmen verändertes Abflussverhalten, veränderte Bodenstruktur und als Folge davon veränderte Pflanzendecke sowie veränderte Fauna im Boden und in
der Pflanzendecke aufweisen. Nicht zuletzt verändern sie aber auch das Landschaftsbild. Aus
ökologischer Sicht und im Interesse des Sommertourismus sind diese Eingriffe auf das absolute
Minimum zu beschränken. Das Skifahren hat sich dem Gelände anzupassen und nicht umgekehrt.
Die Erschliessung höher gelegener Gebiete kann eine erhöhte Schneesicherheit, eine bessere
Schneequalität und den Reiz hochalpiner Landschaften bieten. Eine solche Strategie ist natürlich
nur möglich, wenn aufgrund der Topographie überhaupt die Erweiterung eines Skigebietes in die
Höhe möglich ist. Die Strategie ‚touristische Hochgebirgserschliessung’ ist mit Risiken verbunden.
Die Erschliessung hoch gelegener Gebiete ist mit einem grossen technischen Aufwand verbunden
und dementsprechend kostspielig, nicht zuletzt in Gebieten mit Permafrost-Vorkommen. Hoch gelegene Gebiete sind ökologisch sehr sensible Räume. Entscheidend für den Skibetrieb sind neben
der Schneesicherheit auch die Wetterbedingungen. Wind, Kälte, Nebel führen oft bei hoch gelegenen Seilbahnen zu Betriebsunterbrüchen und zur Sperrung von Skipisten aus Sicherheitsgründen.
Hoch gelegene Skigebiete werden als Folge vermehrter Winterniederschläge, die auch in einer
wärmeren Zukunft dort als Schnee fallen, verstärkt durch Lawinen gefährdet sein. Zudem werden
zeitaufwändige An- und Rückfahrten per Seilbahn zu den Hochgebirgspisten von den Touristen
wenig geschätzt.
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Unabhängig von der Klimaänderung steigt der Zwang zur Zusammenarbeit innerhalb der touristischen Anbieter. Dabei ist sowohl an die horizontale Zusammenarbeit zwischen Bergbahnunternehmen, zwischen einzelnen Skigebieten und zwischen verschiedenen Destinationen als auch an
die vertikale Zusammenarbeit innerhalb der touristischen Dienstleistungskette zwischen Hotellerie,
Bergbahnen, Sportartikelverleihfirmen usw. zu denken. Ferien bedeuten eine Kombination von
Unterkunft, Verpflegung und Skipass. Der Tourist verlangt heute vermehrt entsprechende Paketbzw. Pauschalarrangements. Zusammenarbeit hat somit nicht allein zum Ziel Synergien auszunützen, Rationalisierungseffekte zu erzielen und Kosten zu senken, sondern auch attraktive Angebote
für die Gäste zu entwickeln. Schon etwas älter ist der Vorschlag, dass finanzstärkere Bahnen in
den Alpen mit kleineren Unternehmen im voralpinen Raum kooperieren. Vor dem Hintergrund der
abnehmenden Zahl an Skifahrern, nicht zuletzt bei Jugendlichen, und wenn man weiss, wie wichtig
die kleineren Skigebiete für das Erlernen des Skifahrens sind, ist diese Kooperations-Idee weiterhin sehr aktuell, um dem Skifahren den Nachwuchs zu sichern.
Als Folge der Klimaänderung haben die Forderungen nach finanzieller Unterstützung zugenommen. Dabei geht es meist um die Forderung nach Unterstützung von Bergbahnunternehmen, die
als Folge des durch die Klimaänderung bzw. schneearmer Winter verstärkten Strukturwandels in
Bedrängnis geraten sind. Die Expansionsstrategie der Seilbahnunternehmen (Erhöhung der
Transportkapazitäten, Steigerung der Frequenzen, Erhöhung des Komforts, Erweiterung der Skigebiete, künstliche Beschneiung) war, ist und wird auch in Zukunft mit hohen Investitionskosten
verbunden sein. In den letzten fünf Jahren tätigte die schweizerische Seilbahnwirtschaft Investitionen von über 600 Mio. Fr.; die notwendigen Investitionen in Ersatzanlagen betragen mehr als
1'400 Mio. Fr. Die Argumentation lautet oft, dass es sich bei Bergbahnen und Beschneiungsanlagen um einen Service public handle, der gleich wie beispielsweise ein kommunales Hallenbad von
der öffentlichen Hand zu unterstützen sei. Mit einer volks- statt regionalwirtschaftlichen Argumentation sollten die Subventionen (wenn überhaupt) eher in die wirtschaftlich rentablen Bahnen fliessen, statt das Überangebot im Bereich der Seilbahnkapazitäten künstlich zu erhalten. Dies fördert
bloss, dass heute mit öffentlicher Unterstützung die Skiliftruinen von morgen gebaut werden.
Der Tourismus ist in vielen alpinen Regionen die Leitindustrie. Alternativen – im eigentlichen Sinne
des Wortes – gibt es nicht. Aufgrund seiner hohen Wertschöpfung kommt dem Wintertourismus
innerhalb des Tourismus eine besondere Bedeutung zu. Innerhalb des Wintertourismus spielt der
alpine Skitourismus eine wichtige Rolle. Zu dieser Form des Tourismus gibt es zahlreiche Alternativen: Ski-Langlauf, Snowboarden, Schneeschuh-Laufen, Schlitteln, Winterwandern usw. All diesen
Alternativen gemeinsam ist, dass sie auf das Vorhandensein von Schnee und auf ein winterliches
Ambiente angewiesen sind und dass sie geringere Umsätze generieren als das Alpinskifahren. Sie
sehen sich bei einer Klimaänderung und bei Schneearmut mit ähnlichen Problemen konfrontiert
wie der alpine Skitourismus. Fehlender Schnee kann nicht durch „Wintersonne/Nebelfreiheit„ ersetzt werden. Trotzdem müssen die Anstrengungen zur Verringerung der Schneeabhängigkeit
unterstützt werden. Zu denken ist hier an den Seminar- und Kongresstourismus sowie an den
Wellness- und Gesundheitstourismus im Winter. Dabei muss allerdings das Nachfragepotenzial
gründlich und seriös abgeklärt werden.
Eine weitere Möglichkeit, die Winter- und Schneeabhängigkeit zu reduzieren, besteht in der Förderung der Sommersaison unter Einbezug der Zwischensaisons im Frühsommer und Herbst, d.h.
den Aufbau eines Vier-Jahreszeiten-Tourismus. In diesem Zusammenhang muss auf die Bergbahnen hingewiesen werden. In der Schweiz beförderten die Bergbahnen 1997 327.1 Mio. Personen,
davon 89% im Winter. Bei den Luftseilbahnen und Skiliften, welche 1997 einen Ertrag von 639.3
Mio. Fr. erwirtschafteten (= 79% des Ertrags aller Bergbahnen) entfielen 83% auf den Winter. Für
zahlreiche Bergbahnen ist das Sommergeschäft von untergeordneter Bedeutung und teilweise
defizitär. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es oft zweckmässig, wenn sie ihren Betrieb im
Sommer einstellen würden, aus regionalwirtschaftlicher Sicht wäre dies allerdings verhängnisvoll
und hätte auch negative Auswirkungen auf die Wintersaison.
Es gibt natürlich auch die Strategie, das Geschäft wie bisher weiterzuführen und allenfalls später,
beispielsweise im Zusammenhang mit einer Nachfolgeregelung, bei einem grossen Investitionsentscheid oder bei Bahnen bei einer Konzessionserneuerung aufzugeben. Als Beispiel für die
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Aufgabe eines Skigebietes kann das Skigebiet Girlen im Obertoggenburg (Kt. St. Gallen) mit drei
Skiliften auf einer Höhenlage von 654 – 1301 m.ü.M. genannt werden: 1970 Gründungsjahr / 1977
und 1981 Ski-Weltcuprennen (Riesenslalom) / 1996 Konkurs / 1999 Abbruch der Anlagen. Der
Rückbau von tief gelegenen Skigebieten wird in Zukunft ein Thema sein, mit dem sich der Tourismus, die Raumplanung und die Regionalwirtschaft beschäftigen müssen. Dabei ist darauf zu achten, dass bei der Aufgabe eines Seilbahn-, eines Skiliftunternehmens genügend Mittel zur Verfügung stehen, um nicht mehr benötigte Gebäude und Anlagen abzubrechen und notwenige Rekultivierungsmassnahmen zu ergreifen.
Im Zentrum der Strategie- und Massnahmendiskussionen beim Thema ‚Klimaänderung und Tourismus’ stehen Anpassungsstrategien und -massnahmen. Die Tourismusverantwortlichen müssen
sich aber in verstärktem Masse mit Vermeidungsstrategien auseinandersetzen. Der Begriff ‚Vermeidungsstrategien’ darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Klimaänderung nicht
vermieden, sondern höchstens reduziert und verlangsamt werden kann:
Vermeidungsstrategie
1. Reduktion der tourismusbedingten Emission klimarelevanter Gase
1.1 Optimierung des Energieeinsatzes in Tourismusbetrieben
1.2 Massnahmen beim Tourismusverkehr
2. Einsatz des Tourismus für eine langfristige Klima- und Umweltpolitik
Der Tourismus als Mitverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes muss einen Beitrag zur
Verringerung der Kohlendioxid- und anderer Emissionen leisten. Und zwar nicht nur auf der lokalen und regionalen Ebene, sondern auch auf der internationalen, d.h. beim Flugverkehr. Solche
Massnahmen müssen gegenüber der Öffentlichkeit und den Touristen kommuniziert werden, um
zu zeigen, dass der Tourismus von einer Klimaänderung betroffen aber auch bereit ist, Vermeidungsmassnahmen zu ergreifen, die, beispielsweise in Form höherer Transportkosten, Anbietern
und Nachfragern ‚weh tun’, die aber notwendig sind, um ein nachhaltiges Überleben des Tourismus zu sichern. Dazu zählt auch, dass sich die verschiedenen touristischen Organisationen auf
den unterschiedlichen politischen Ebenen für eine langfristige Klima- und Umweltpolitik einsetzen.
Es ist erstaunlich, ja geradezu erschreckend, wie gering der bisherige Einsatz war angesichts der
Bedeutung der Klimaänderung für die Zukunft des Tourismus.
4. Schlussbemerkung
Die Auswirkungen der Klimaänderung auf den Tourismus im Allgemeinen und auf den Alpentourismus im Speziellen sind beträchtlich. Die Touristiker sind sich dessen bewusst und können sich
auf diese Veränderungen einstellen. Allerdings beschränken sich die bisherigen Kenntnisse vor
allem auf Auswirkungen auf und Strategien für den Wintertourismus. Die Auswirkungen auf den
Sommertourismus sind noch kaum untersucht. Auch wenn diese im Vergleich zum Wintertourismus als geringer einzuschätzen sind, sollten diese genauer abgeklärt werden, weil sich hier möglicherweise nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für den Tourismus und damit für die Regionalentwicklung im alpinen Raum ergeben.
Aus ureigenstem Interesse sollte der Tourismus daran interessiert sein, dass die transdisziplinäre
Forschung in diesem Gebiet intensiviert wird und dass die Forschungsresultate in der Praxis umgesetzt werden. Die Klimaänderung ist eine der grossen Herausforderungen für den Tourismus
und den Alpenraum in den nächsten Jahrzehnten. Gerade bei den Gletschern manifestiert sich die
Klimaänderung augenfällig, und die Folgen im Tourismus sind beträchtlich. Aber die Klimaänderung hat nicht allein Auswirkungen auf den Tourismus, sondern auf das gesamte Umwelt- und sozioökonomische System
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Dr. Michael Vogel
Nationalparkleiter Berchtesgaden, Franziskanerplatz 7, 83471 Berchtesgaden, [email protected], www.nationalpark-berchtesgaden.de
Präsident Netzwerk Alpiner Schutzgebiete, www.alparc.org
Klimaveränderung und Forschung – aktueller Stand der Forschung und aktuelle naturschutzrelevante Erkenntnisse, Schwerpunkt Alpen
Im Alpenbogen sind derzeit mehr als 425 Gebiete größer als 100 ha mit einem Schutzstatus versehen. Dies sind ungefähr 23 % der Fläche innerhalb der Abgrenzung der Alpenkonvention.
Noch sind also die Alpen reich an verschiedensten Lebensräumen und Arten und besitzen
eine hohe „Kulturdichte“. Diesen Reichtum sollte erhalten werden.
Die Alpenkonvention mit ihren Protokollen, ein völkerrechtsverbindliches Vertragswerk, bietet uns
einen Rahmen dazu. So haben sich z.B. die Vertragsparteien im Artikel 12 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen nationalen
und grenzüberschreitenden Verbund ausgewiesener Schutzgebiete, Biotope und anderer geschützter oder schützenswerter Objekte zu schaffen. Außerdem sollen sie Ziele und Maßnahmen
für grenzüberschreitende Schutzgebiete aufeinander abstimmen.
Für den Bereich der biogeographischen Region der Alpen stellen die alpinen Schutzgebiete in ihrer
gesamten Abstufung Knotenpunkte sowohl der Ökologie als auch der Kommunikation dar. Die
alpinen Schutzgebiete sind:
• Zentren der Lebensvielfalt
• Schnittflächen und -punkte von Natur und Kultur
• Forschungseinrichtungen und Forschungsgebiete
• Dienstleister und Dienstleistungseinrichtungen
• Ausgangspunkte und Träger einer nachhaltigen regionalen Entwicklung
• Stätten der Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit
• Wichtige regionale Wirtschaftsfaktoren
• Heimat, Lebens- und Wirtschaftsraum von Menschen.
Naturschutz ist Zukunftsvorsorge und somit ein zentraler Baustein einer nachhaltigen Entwicklung
und wird als Standortfaktor wesentliche Bedeutung erhalten. Eingebunden in ein Netzwerk aus
Eigenforschungen bzw. mit verschiedensten Forschungseinrichtungen wird von den und für die
Schutzgebiete nach Strategien und Lösungen gesucht, um auch bei sich ändernden Umweltbedingungen die Multifunktionalität der Gebiete und Einrichtungen zu erhalten, wenn nicht sogar zu
stärken.
Unter der Perspektive eines Tourismus im Zeichen von Klimawandel wurden vom Netzwerk Alpiner Schutzgebiete als Forderungen in die politische Diskussion eingebracht:
• Nicht kurzfristige Vermarktung, sondern dauerhafte „InWertsetzung“
• Nicht das Tafelsilber verkaufen, sondern das Erbe produktiv anlegen
• Nicht nur betriebswirtschaftlichen „Mehrwert“ schaffen, sondern nachhaltige „WertSchöpfung“
• Statt mehr touristischer Nutzung, mehr und nachhaltigerer Schutz.
• Erstellung und Unterstützung von strikt kontrollierten Masterpläne innerhalb einer abgestimmten Regionalentwicklung für touristische Entwicklung.
• Erstellung und Unterstützung aller Maßnahmen zu einem sinnvollen Besuchermanagement.
• Erstellung und Unterstützung einer abgestuften Schutzgebietspolitik in Urlaubsregionen mit
fest definierten Schutz- und Nutzungsvorgaben.
• Erstellung und Unterstützung von Maßnahmen zur „InWertsetzung“ von Naturräumen durch
eine Strategie „Schützen durch kontrolliertes Nützen“.
• Unterstützung von Kommunen und Regionen bei der Entwicklung und Implementierung von
Entwicklungsprozessen.
• Gemeinsame Überlegungen zu Finanzierungskonzepten und Unterstützungsleistungen.
Die alpinen Schutzgebiete zeigen viele Beispiele von Originalität und Kreativität in ihren Vorschlägen und Angeboten z.B. auch an touristisch durchführbaren Alternativen für das weltweit meistbesuchte Gebirgsgebiet, die Alpen.
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Podiumsdiskussion
Klimawandel – Auswirkungen und Lösungsmöglichkeiten für den Alpenraum
Moderation: Christian Schneider, Süddeutsche Zeitung
Statements der Teilnehmer
Graßl, Elsasser: siehe Referate
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Prof. Dr. Heinz Röhle
1. Vorsitzender des Deutschen Alpenvereins (DAV), Von-Kahr-Straße 2-4, 80997 München,
www.alpenverein.de
TU Dresden, Fakultät Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften
Bergsteigen und Klimawandel
Klimaforscher registrieren eine Zunahme der globalen Mitteltemperatur und prognostizieren dauerhafte Veränderungen der Wetterverhältnisse in Mitteleuropa: Das Niederschlagsgeschehen soll
sich stärker ins Winterhalbjahr verlagern, die Sommer wärmer und trockener werden.
Bergsteiger müssen sich mit dem Klimawandel zwangsläufig auseinandersetzen, da die natürliche
Dynamik in den Alpen durch die Erwärmung eine neue Dimension erhalten hat. Wenn die Gletscher abschmelzen, die Firnrinnen ausapern und der von Permafrost verfestigte Fels wegbröselt,
wird Bergsteigen tendenziell gefährlicher und ein verantwortungsvoller Umgang mit Wagnis und
Risiko noch bedeutsamer als bisher.
So werden z. B. Hochtouren in Fels und Eis künftig im Frühsommer statt im Hochsommer durchzuführen sein, weil in dieser Zeit die Altschneedecke aus dem Winter noch sichere Verhältnisse
bietet und deshalb die Steinschlaggefahr deutlich geringer ist. Außerdem apern viele Gletscher im
Hochsommer weitgehend aus; Begehungen sind deswegen nur unter erschwerten Bedingungen
realisierbar oder wegen des Spaltenreichtums und der größer werdenden Bergschründe gänzlich
unmöglich.
Aber auch die alpine Infrastruktur (Hütten und Wege) wird vom Klimawandel tangiert: Da sich die
Grenze des Permafrostbodens im letzten Jahrhundert zwischen 100 und 300 Meter nach oben
verschoben hat, können hochgelegene Schutzhütten direkt (gefährdete Standsicherheit durch
Auftauvorgänge im Solum) oder indirekt durch verstärkten Steinschlag im Zustiegsbereich betroffen sein. Aber auch tieferliegende Hütten in Karstgebieten werden aufgrund fehlender Altschneereste aus dem Winter zunehmend Probleme bei der Sicherung der Wasserversorgung im Hochsommer bekommen.
Wünschenswert wäre es, wenn alle Bergsteiger die Risiken des Klimawandels richtig deuten würden und aus diesem Bewusstsein die Bereitschaft zur Verhaltensänderung erwüchse. Es geht nicht allein darum, sich in Zukunft umsichtiger im Gebirge bewegen. Vielmehr
kommt es darauf an, selbst aktiv zur Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgase beizutragen und dies durch das eigene Verhalten beispielhaft vorzuleben.
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Dr. Christine Margraf
Regionalreferentin Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)
Pettenkoferstraße 10a/I, 80336 München, [email protected]
www.bund-naturschutz.de
Klimawandel – Herausforderung und Chance für eine umweltverträgliche Gestaltung des
Tourismus in den Alpen
Der Tourismus in den Alpen ist von der Klimaveränderung stark betroffen. Die Anzeichen und
Auswirkungen sind immer deutlicher zu spüren. Sektorale kurzfristige Reaktionen auf Schneearmut wie die zunehmende Errichtung von Schneekanonen und die weitere Erhöhung der Kapazitäten einzelner Lifte nach Salamitaktik sind keine zukunftsfähige Lösung. Der gegenseitige globale
Wettbewerb zwischen den Alpengemeinden um das „beste“ Skigebiet geht sowohl auf Kosten der
Ökologie als auch auf Kosten immer knapper werdender öffentlicher Mittel. „Der Skilift, so scheint
es, wird im Allgäu das kommunale Hallenbad als größten Zuschuss-Schlucker ablösen“ (SZ,
04.01.2002) – und das angesichts sinkender Skifahrerzahlen und steigender Temperatur ! Sogar
viele Schweizer Bergbahnen befinden sich an der Grenze der Rentabilität.
Die Entwicklung der bayerischen Skigebiete muss in einem Gesamtkonzept geregelt werden. Belastungen müssen reduziert werden. Skisport und Wintersport müssen sich an die natürlichen Verhältnisse und die ökologische Tragfähigkeit anpassen und nicht umgekehrt. Diese generellen Anforderungen werden durch die Klimaveränderung verschärft nötig.
Nötig sind aber auch Gesamtkonzepte, die sowohl den Winter- als auch den Sommertourismus
umfassen. Im Wintertourismus müssen die nachgewiesenermaßen vorhandenen Potentiale für das
Winterwandern und anderer „sanfter“ Sportarten stärker angeboten und beworben werden. Die
Abhängigkeit von Schnee muss und kann reduziert werden, denn sie stellt ein wirtschaftliches Risiko dar. Eine Befragung von Anbietern im Bereich naturnahen Tourismus 2003 ergab, dass diese
mit einer Zunahme des Marktvolumens von 10-40% in den nächsten 10 Jahren rechnen.
Nötig sind auch andere Genehmigungsverfahren, die diesen Veränderungen Rechnung tragen.
Die aktuelle Genehmigungspraxis berücksichtigt weder die Umweltbelange noch die Klimaveränderung ausreichend und auch die Alpenkonvention zu wenig (Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen, Verzicht auf Raumordnungsverfahren, keine Aussagen auf Vereinbarkeit mit der
Alpenkonvention, Aufweichung der Genehmigungsgrundsätze für Beschneiung, Verzicht auf Umsetzung von Auflagen etc.). Eine Deregulierung auf Kosten der Naturschutz- und Raumplanungsvorgaben (wie sie beispielsweise in Tirol stattgefunden hat) ist kontraproduktiv. Auch eine staatliche Subventionierung der künstlichen Beschneiung ist angesichts knapper Kassen abzulehnen.
Zu einer umweltverträglichen Entwicklung des Tourismus gehört natürlich auch die Reduktion der
Ursachen des Klimawandels, d.h. der klimawirksamen Emissionen durch Reduzierung des Verkehrs u.a. Hier kann und muss die Tourismusbrache selbst einen wichtigen Beitrag leisten.
Von einer klimaverantwortlichen Entwicklung der Alpen profitieren Ökologie und Ökonomie gleichermaßen. Auch dem BN geht es nicht nur um den Erhalt der einmaligen Natur in den Alpen
(primäre und unersetzbare Grundlage jeglichen Tourismus !), sondern auch darum, das Einkommen und die Arbeitsplätze in den Tourismus-Gemeinden dauerhaft auf naturverträglichem Wege
zu sichern.
Welcher Weg dabei einzuschlagen ist, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Es gibt kein Patentrezept. Jeder Ort muss sein eigenes Profil entwickeln – und kann sich damit auch im globalen
Wettbewerb absetzen. Eine entscheidende Rolle wird jedoch sicher die Diversifizierung der Angebote und eine hohe Qualität (statt Quantität) spielen. Bereits heute festzustellende positive Trends
wie die Stärkung des Sommer- und Übergangszeiten-Tourismus, bessere Angebote für Winterwanderungen oder der Aufbau von thematischen / regionsspezifischen Angeboten können weiter
verstärkt werden. Die Klimaveränderung kann letztlich ein (aufgezwungener) Motor sein für eine
nachhaltige Entwicklung im Sinne der Alpenkonvention.
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Stefan Kurz
1. Bürgermeister Schönau a.Königssee
Vorsitzender der Tourismusregion Berchtesgaden-Königssee
Tel.08652/968021, mailto:[email protected]
Mit dem Klima haben sich die Menschen schon immer sehr intensiv befasst, da sie immer von den
Umwelteinflüssen abhängig waren. In der früheren Menschheitsgeschichte stärker als in der jetzigen Zeit. Nachweislich gab es schon immer Klimaschwankungen. Die Menschen mussten längere
und kürzere "Eiszeiten" überstehen. Auch wärmere Perioden gab es in Europa. Die Menschheit
hat all diese Klimakapriolen überstanden.
Die prognostizierten und möglicher Weise auch zutreffenden Temperaturanstiege beziehen sich
auf den ganzen Globus. Regionen oder Teilgebiete von Erdteilen können dabei ganz unterschiedlich abschneiden. Kleinräumige Klimaänderungen können kaum gemessen werden.
Bei all der Diskussion über die Klimaänderung sind viele sehr verwirrt. Einige Forscher prognostizieren eine Klimaerwärmung, die anderen drohen mit einer künftigen Eiszeit.
Was uns die Zukunft auch bringt, der Mensch wird sich auf die Veränderungen einstellen.
Auch der Tourismus war immer Veränderungen unterworfen. So haben sich viele Tourismusorte
auch auf ein schlechteres Wetter eingestellt in dem sie Einrichtungen für das "schlechte Wetter"
schafften. Die Tourismusorte haben auch die schneearmen Winter in den 90-Jahren gut überstanden. In den letzten Jahren waren die Winter sehr schneereich und kalt. Der Tourismus braucht sich
deshalb keine Sorgen machen. Wir werden auch in den kommenden Jahren Ski fahren, leider
nicht unter Palmen.
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Peter Nindl
Bürgermeister Neukirchen am Großvenediger
Vorstandsvorsitzender der Wildkogelbahnen AG
A-5741 Neukirchen am Großvenediger – Tel.: +43 (0) 65 65 / 64 05 – www.neukirchen.at
[konnte witterungsbedingt nicht am Podium teilnehmen]
Werden „milde Winter“ häufiger?
Wenn Islandtief und Azorenhoch schwach ausgeprägt sind fallen die Winter bei uns eher schneearm aus. Bedeutet dies, dass wir künftig „unter Palmen“ ski fahren?
Seit dem Jahr 2003 ist dies mit schneereichen Wintermonaten keineswegs der Fall. Ein Seilbahnerkollege, Franz K., Skiliftbesitzer auf 1.500 Meter Seehöhe ist derzeit ungehalten. Zukunftsforscher haben ihm den wirtschaftlichen Ruin beschert. Unter Schneehaufen befinden
sich zwei Schneekanonen. Nach einem heißen Sommer im Herbst 2003 um 120.000 Euro
angeschafft als sich Klimaforscher, Tourismusberater und Vertreter der Medien einig waren:
„Es wird im Alpenraum immer wärmer; Wintermonate im alten Sinn wird es nicht mehr geben!“
Somit waren Schneekanonen anzuschaffen, damit keine Touristen ausbleiben. Nach dem kalten
Winter des Vorjahres und den hochwinterlichen Bedingungen seit Mitte November 2005 staunen
wir. Eigentlich sollte es laut Vorhersagen von Dezember bis März grün sein. Nun schneit´s seit
Dezember und betragen die Temperaturen Ende Februar 06 in 2.100 Meter Seehöhe – 17°. Unser
Planet kümmert sich keinesfalls um die Prognosen über die Klimaerwärmung.
William Ruddiman weist in „Plows, Plagues and Petroleum – How Humans Took Control of the
Climate“ nach, wie Menschen seit einer Viertel Million Jahren ständig das Klima beeinflussen.
Durch Ackerbau, Rodung, Fischfang, durch Verbrennung, Wanderung und Jagd. Dabei waren
viele Veränderungen vor Tausenden von Jahren radikaler, auch klimatologisch, als unsere heutigen Technologien es sind. Heute funktioniert die Formel von „Global Warming“ wie eine komplette
Religion.
Die Global-Warming-These bietet eine treffliche Schuld-Story, mit der ganze Meinungsindustrien
Geld verdienen.
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Wenn wir eines Tages als Spezies weiser geworden sein werden, werden wir hingegen verstehen,
dass steter Wandel eine Verhandlungsgrundlage der Evolution ist. Dass wir auf einem unruhigen
Planeten wohnen, auf dem die Gletscher mit oder ohne menschliches Zutun wachsen oder
schrumpfen. Auf dem es manchmal eben – so wie im Winter 2006 – bis ins Frühjahr schneit. Aber
vielleicht wendet sich das Blatt wieder und wir benötigen in den nächsten Jahren wiederum häufiger Beschneiungsanlagen im Alpenraum?!
Meint doch Peter Höppe, Leiter des Bereichs GeoRisiko-Forschung bei der Münchner Rück: „Der
Klimawandel kann nur noch gebremst, aber nicht mehr gestoppt werden.!“
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Kurze Zusammenfassung der Diskussionen der Tagung
Die Klimaveränderung und ihre Auswirkungen auf die Alpen, insbesondere den Wintersport wurden eindrucksvoll dargestellt. Dies wird von niemandem bezweifelt.
Eine konkrete Frage, die sich daraus für den Raum Berchtesgaden stellt, ist beispielsweise, ob
sich Investitionen in Beschneiungsanlagen (wie die peplante Beschneiung am Götschen in 9001200 m) und Lifte in Skigebieten in tieferen Lagen, d.h. unter 1500 m noch lohnen und Sinn machen. Von den Referenten würde hier selbst keiner investieren. Gerade in den Schweizer Skigebieten werden den Skigebieten in niedrigen Lagen keine guten Zukunftschancen gegeben. In Frage gestellt wurde auch der Sinn von öffentlichen Geldern, die zunehmend von Kommunen oder
anderen öffentlichen Geldgebern gezahlt und gefordert werden. Wenn sich die Investitionen ökonomisch nicht mehr rechnen, darf nicht die öffentliche Hand einspringen, zumal die Gewinne nach
wie vor bei den Unternehmen verbleiben. Investiert werden sollte nicht in Dinge, die die Investitionsruinen von morgen sind und die mittelfristig zum Konkurs führen und die zudem aus ökologischer Sicht negativ beurteilt werden, wenn sie zu einer erhöhten Belastung der Natur führen (z.B.
Wasserentzug durch Beschneiung etc.).
Die bayerischen Wintersportorte wie Berchtesgaden brauchen gerade im alpenweiten und internationalen Wettbewerb ein Alleinstellungsmerkmal, das sie von anderen Orten abheben. Der
Raum Berchtesgaden hat mit dem Nationalpark Berchtesgaden und dem Biosphärenreservat mit
einer gut funktionierenden Landwirtschaft einen einmaligen „Diamanten“, der für einen naturnahen
Tourismus (Sommer und Werbung) ein besonderes Merkmal ist und der in der Werbung eine viel
größere Rolle spielen sollte. In einer nötigen Tourismusstrategie für Berchtesgaden muss der
Nationalpark eine zentrale Rolle spielen. Dabei kann auch Skifahren bei natürlichen guten Verhältnissen (wie 2005/2006) eine Rolle spielen, es muss aber an den natürlichen Gegebenheiten orientiert sein – aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Zumal ja gerade Berchtesgaden eh im
wesentlichen vom Sommertourismus geprägt ist und kein Skiort-Image hat. Die Gäste, die im
Winter wegen des Schnee-Erlebnisses und einer weißen Winterlandschaft kommen, werden sich
auch mit weißen beschneiten Bändern in grüner Landschaft nicht bewerben lassen.
Deutlich wurde auch, dass auch überregionale Regelungen nötig sind, wie z.B. eine Stärkung
der Regionalplanung und restriktives Freihalten (von Bebauung) von gefährdeten Bereichen
(Überschwemmung, Muren, Lawinen etc.). Auch die Alpenkonvention mit ihren Vorgaben zum
Naturschutz und Tourismus muss stärker beachtet werden.
Auch wenn die Diskussion schwerpunktmäßig auf den nötigen Anpassungsstrategien für die Wintersportorte lag, wurde auch immer wieder betont, dass neben Anpassung v.a. auch Vermeidungsmaßnahmen nötig sind, d.h. die Reduktion der klimawirksamen Gase durch Energieeinsparung, Reduzierung des Verkehrs etc. Hier ist auch die Tourismusbranche selbst stärker gefordert.