Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs

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Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs
Ute Klammer
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)
Lebensverlauf – Zentrale Ergebnisse und politische
Empfehlungen aus der Lebenslaufforschung der
European Foundation
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
Der vorliegende Beitrag basiert auf dem von der Autorin gemeinsam mit Ruud
Muffels und Ton Wilthagen (beide Universität Tilburg, Niederlande) in den
Jahren 2007 - 2008 im Auftrag der European Foundation for the Improvement of
Living and Working Conditions, Dublin, durchgeführten Projekt „Flexibility and
security over the life course: Key findings and policy messages“. Aufgabe des
Projekts war es, die fünf in den vergangenen Jahren vorgelegten, von der European Foundation geförderten Forschungsberichte zu unterschiedlichen Aspekten
der Lebenslaufforschung zu evaluieren, interessante Ergebnisse zusammenzuführen und aus den empirischen Erkenntnissen politische Schlussfolgerungen und
Empfehlungen abzuleiten. Der vollständige Bericht dieses die Lebenslaufforschung der European Foundation bündelnden Projektes ist im Spätherbst 2008
durch die European Foundation veröffentlicht worden (Klammer, Muffels &
Wilthagen 2008). Der hier vorliegende Beitrag präsentiert ausgewählte Ergebnisse dieses Abschlussberichtes und damit Erkenntnisse unterschiedlicher, in den
verschiedenen Projekten beteiligter Forschungsteams1 wie auch die gemeinschaftlichen Schlussfolgerungen der drei am Abschlussbericht beteiligten AutorInnen. Er geht ausdrücklich nicht darüber hinaus; für grundsätzliche, eigenständige Überlegungen der Autorin zur sozialen Sicherung aus der Lebenslaufperspektive sei auf anderweitig publizierte Beiträge zu dieser Thematik verwiesen
(z.B. Klammer 2004, 2005a, b, c, 2006a, b, 2007a, b, 2008).
1 Die Autorin war an drei der fünf früheren Forschungsberichte selbst beteiligt.
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Ute Klammer
Die Lebenslauf-Forschungsprojekte der European Foundation
Im Bewusstsein der steigenden Bedeutung der Lebenslaufperspektive und langfristig orientierter Strategien für Individuen, aber auch für andere (sozial-) politische Akteure, hat die European Foundation in den letzten Jahren mehrere Forschungsprojekte gefördert, die sich – konzeptionell und empirisch – mit Lebenslauffragen auseinandergesetzt haben. Im Rahmen dieser Projekte wurden zwischen 2003 und 2008 die folgenden fünf Berichte erarbeitet bzw. von der European Foundation veröffentlicht (siehe Anhang)
No 1: Naegele, Gerhard et al.: „A new organisation of time over working life“
(2003) (Siehe den Beitrag von Naegele, Barkholdt, de Vroom, Goul Andersen
und Krämer in diesem Buch).
No 2: Klammer, Ute et al.: „Working time options over the life course: Changing
social security structures“ (2005)
No 3: Anxo, Dominique et al.: „Working time options over the life course: New
work patterns and company strategies“ (2006)
No 4: Torres, Anália et al.: „First European Quality of Life Survey. Time Use,
Work Life Options and Preferences over the Life Course in Europe“ (2007)
No 5: Muffels, Ruud et al.: „Flexibility and security over the life course, empirical proofing“
(Der Bericht wurde 2007 fertig gestellt, bisher veröffentlichte Auszüge: Muffels
et al. 2008 (summary); Klammer et al. 2007).
Die verschiedenen Projekte bauten nicht unmittelbar aufeinander auf, sondern
widmeten sich unterschiedlichen (Teil-)Fragestellungen im Kontext der Lebenslaufforschung. Ebenso verwendeten sie unterschiedliche methodische Ansätze
und werteten unterschiedliche empirische Datenquellen (überwiegend Querschnittsdaten, z.T. auch Längsschnittdaten) aus.
Aufgabe des zusammenfassenden Abschlussberichtes (Klammer et al. 2008)
war es, die fünf bis dahin erarbeiteten, nicht unmittelbar aufeinander aufbauenden Forschungsberichte zu Lebenslauffragen vergleichend zu evaluieren, zentrale Ergebnisse in einem Abschlussbericht dieser Forschungslinie zusammenzufassen und auf der Basis der vorliegenden Analysen und empirischen Ergebnisse
politische Empfehlungen zu entwickeln.
Die folgenden Abschnitte dieses Beitrags fassen eine Reihe wesentlicher
Befunde und Empfehlungen aus dem Abschlussbericht zusammen.
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
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Die „Karriere“ der Lebenslaufperspektive in der europäischen
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
Bei einer Beschäftigung mit der europäischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
drängt sich die Lebenslaufperspektive inzwischen geradezu auf. Zentrale Konzepte der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EES) und Reformimpulse in
anderen Sicherungsbereichen, die vielfach ihre Entsprechung in nationalen Reformen (z.B. im Alterssicherungs- und Gesundheitsbereich) fanden, haben den
Fokus zunehmend auf das Individuum und seine Entwicklung im Zeitverlauf
gelegt. Dem einzelnen Bürger bzw. der einzelnen Bürgerin wurde im Zuge dieser
Verlagerung auf eine „dynamische“ Perspektive mehr Verantwortlichkeit für die
Gestaltung des eigenen Erwerbslebens, für die Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit und der Gesundheit, für den Aufbau einer (zusätzlichen) Alterssicherung etc. übertragen. Obwohl viele Entwicklungen in die gleiche Richtung
gehen, lässt sich allerdings nicht von einem konsistenten Programm sprechen.
Wie sich an einer Analyse der einschlägigen Verlautbarungen und Dokumente zeigen lässt, begann die „Karriere“ der Lebenslaufperspektive im Rahmen
der Europäischen Beschäftigungsstrategie zunächst als eine Art implizite Agenda, bevor sie nach und nach zu einem zentralen, expliziten Kernstück der EES
wurde. Erstmals findet sich ein Verweis auf den ‚life-cycle‘ in den Beschäftigungsrichtlinien von 2001 – damals noch nicht als eigenständige Perspektive,
sondern im Kontext des Ansatzes „lebenslanges Lernen“. In den Richtlinien von
2003 wird der Lebenszyklus-Ansatz jedoch bereits explizit eingeführt, mit besonderer Bezugnahme auf die Ziele eines Anstiegs der Arbeitsmarktpartizipation
und des aktiven Alterns (active ageing) (Council of the European Union 2003).
2005 rückte die Lebenslauf-Thematik dann endgültig in den Kernbereich
der EES durch die Einführung einer spezifischen Richtlinie, Richtlinie Nr. 18,
die den Titel „Promote a lifecycle approach to work“ trägt. Auffallend ist, dass
dabei eine Reihe anderer Anliegen der EES (Chancen junger Beschäftigter, Arbeitsmarktpartizipation von Frauen/Gleichberechtigung, Vereinbarkeit von Beruf
und Familie, Förderung der Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer, Umbau der
Sozialschutzsysteme) unter den Topos des Lebenslaufs subsumiert werden (s.u.).
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Ute Klammer
Die Europäische Beschäftigungsstrategie: Leitlinie Nr. 18 (2005)
Promote a lifecycle approach to work through:
ƒ
a renewed endeavour to build employment pathways for young people
and reduce youth unemployment, as called for in the European Youth
Pact,
ƒ
resolute action to increase female participation and reduce gender gaps
in employment, unemployment and pay,
ƒ
better reconciliation of work and private life and the provision of accessible and affordable childcare facilities and care for other dependants,
ƒ
support for active ageing, including appropriate working conditions,
improved (occupational) health status and adequate incentives to work
and discouragement of early retirement,
ƒ
modern social protection systems, including pensions and healthcare,
ensuring their social adequacy, financial sustainability and responsiveness to changing needs, so as to support participation and better retention in employment and longer working lives.
(Guidelines 2005, 2005/600/EC).
Explizite und implizite Bezüge zur Lebensverlaufsperspektive finden sich inzwischen auch in einer Reihe anderer Richtlinien der EES. Vor allem ist hier auf die
Richtlinien 2, 3, 17 und 21 zu verweisen. Andererseits ist allerdings zu konstatieren, dass die im Rahmen der europäischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik propagierten Ziele und Maßnahmen im Hinblick auf die Lebensverlaufsperspektive
insgesamt fragmentiert, zum Teil sogar widersprüchlich sind. So geraten angesichts des obersten Ziels der Lissabon-Strategie, nämlich der Erhöhung der Erwerbstätigenquoten auf durchschnittlich 70% bis 2010, mit gesonderten Zielmarken für Frauen und ältere Beschäftigte (Commission of the European Communities 2003), Aspekte der Qualität der Arbeit und damit der an Qualität orientierten Entwicklung individueller Berufs- und Karrierewege leicht aus dem
Blick. Das Gleiche gilt für Ziele wie die Balance von Arbeit und Leben (worklife-balance) oder soziale Nachhaltigkeit, einem per definitionem auf Langfristigkeit angelegten Konzept. Der Druck auf Frauen bzw. alle Erwerbsfähigen
einer Bedarfsgemeinschaft, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, kann angesichts
fehlender Betreuungs- und Versorgungsmöglichkeiten für Kinder und Pflegebedürftige neue individuelle und gesellschaftliche Probleme nach sich ziehen. Der
Abbau des Qualifikationsschutzes und der Ersatz durch die Verpflichtung, nahezu jede Erwerbsarbeit anzunehmen, können für den einzelnen die weitere berufliche Entwicklung wie auch sein Wohlergehen bedrohen, während zugleich das
gesellschaftlich erreichte Bildungsniveau (um deren Erhöhung es an anderer
Stelle geht), nicht optimal genutzt wird. Dies verdeutlicht die Widersprüchlich-
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
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keit, mit der der Lebenslaufperspektive gegenwärtig im Rahmen der europäischen Beschäftigungs- und Sozialpolitik begegnet wird.
3
Theoretischer Hintergrund und Analysemodell
Um die vielschichtigen Implikationen der Lebensperspektive zu verdeutlichen
und die Auswahl der Themen für den zusammenfassenden Bericht zu strukturieren, wurde von dem Projektteam ein Analysemodell entwickelt, das die verAbbildung 1:
Analysemodell
schiedenen möglichen Einflussfaktoren auf den individuellen Lebenslauf bzw.
auf die einzelnen Lebensphasen abzubilden versucht (s. Abb. 1) (Klammer et al.
2008: 11). Dieses Modell berücksichtigt zum einen wichtige Prinzipien der Lebenslauftheorie (wie die Prinzipien ‚lifelong development‘, ‚human agency‘,
‚time and place‘, ‚timing‘, ‚linked lives‘; Elder et al. 2003; Mortimer et al.
2003). Zum anderen bringt es den Fokus der vorangegangenen Forschungsprojekte, nämlich die Untersuchung der Beschäftigungs- und Arbeitszeitmuster im
individuellen Lebenslauf (in Abhängigkeit von unterschiedlichen Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen) zum Ausdruck.
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Ute Klammer
Die Lebensverlaufsperspektive: empirische Befunde
Bezug nehmend auf das vorgestellte Modell, das die vielfältigen Einflüsse auf
den individuellen Lebensverlauf verdeutlicht, werden im folgenden schlaglichtartig einige Ergebnisse der verschiedenen Eurofound-Forschungsberichte aus der
Perspektive des individuellen Lebensverlaufs präsentiert, bevor auf die betriebliche und die staatliche Perspektive, das (mögliche) Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure sowie politische Schlussfolgerungen Bezug genommen
wird.
4.1 Die Perspektive des Individuums
Die Lebensläufe haben sich, wie in allen Berichten (vor allem in Nr. 1) konstatiert wird, verändert. Der frühere (männliche) Standardlebenslauf mit den drei
Phasen (1) Kindheit und Ausbildungszeit (Vorerwerbsphase), (2) Erwerbsphase
und (3) Nacherwerbsphase hat sich zugunsten sehr viel heterogenerer Muster
verschoben. Sowohl die Abfolge als auch die Dauer der einzelnen Phasen wie
auch die Übergänge zwischen den Phasen sind weit weniger normiert als früher.
Hinzu kommt, dass es sich oft nicht mehr um sequentielle Verläufe handelt,
sondern eine Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Tätigkeiten und „Lebensphasen“
zu beobachten ist – etwa wenn Erwerbstätigkeit parallel zu einer weiteren Ausbildung stattfindet (lebenslanges Lernen) oder wenn Fürsorgetätigkeiten und
Erwerbstätigkeit miteinander vereint werden. Auch die frühere „Nacherwerbsphase“ bleibt hiervon nicht unberührt, haben wir es doch mit einer Flexibilisierung der Übergangswege in den Ruhestand einerseits (frühe und späte Ausstiege)
sowie mit einem steigenden Anteil von RentenbezieherInnen, die nebenher noch
erwerbstätig sind, zu tun. Angesichts verlängerter Ausbildungszeiten und eines
aufgeschobenen, häufig mit Schwierigkeiten verbundenen Eintritts in das Erwerbsleben, verbunden mit hohen Ansprüchen an junge „Arbeitsplatzbesitzer“,
lässt sich von einer intensivierten „Rush hour of life“ sprechen, in der berufliche
Etablierung und mögliche Familiengründung gleichzeitig hohe Ansprüche stellen
und zu einer hohen Belastung führen (können). Allerdings betrifft diese „Rush
hour of life“ nur Teile der jüngeren Kohorten, da ein gestiegener (jedoch je nach
EU-Land differierender) Anteil kinderlos bleibt. Zur gleichen Zeit nehmen aufgrund der demographischen Entwicklung der Anteil älterer Menschen und damit
auch der Anteil Pflegebedürftiger, für die familiär und/oder gesellschaftlich Fürsorgezeit benötigt wird, zu. Dies führt zu sich verändernden Zeitbedarfen und
Zeitarrangements über den Lebensverlauf.
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Die Lebenslaufprojekte der European Foundation haben das Wissen um die
Veränderung und die heutigen Muster von Lebensläufen durch eine Vielzahl von
Erkenntnissen bereichert, die hier nur schlaglichtartig aufgegriffen werden
können:
ƒ
ƒ
ƒ
Nach wie vor unterscheiden sich die Lebensverläufe von Frauen und Männern deutlich. So ist in allen Lebensphasen eine deutliche Differenz zwischen dem durchschnittlichen Erwerbsumfang (in Stunden) zwischen Frauen und Männern zu konstatieren; am größten ist die Differenz weiterhin bei
Familien mit kleinen Kindern (Nr. 3; Anxo et al. 2007). Während die Geburt eines Kindes kaum einen Einfluss auf das Arbeitszeitvolumen des Vaters hat (bzw. ggf. die durchschnittliche Arbeitszeit noch leicht steigt), beläuft sich die durchschnittliche Arbeitszeitreduktion von Müttern nach Geburt des Kindes auf 5 Stunden pro Woche. Bereits vor der Geburt beginnt
(statistisch) die Arbeitszeitreduktion – offensichtlich antizipieren werdende
Mütter die veränderte Lebenssituation (Nr. 5 auf der Basis von ECHPDaten für 14 Länder; Fouarge et al. 2006a). In Ländern, in denen die Erwerbstätigkeit von Müttern durch familienpolitische Maßnahmen (stärker)
unterstützt wird, fällt das Ausmaß der Arbeitszeitreduktion von Frauen im
Umfeld der Geburt von Kindern geringer aus.
Vergleicht man die Europäischen Länder, so lassen sich bezüglich der Arbeitsmarktpartizipation von Frauen über den Lebensverlauf unterschiedliche
landesspezifische Muster identifizieren: a) ein kontinuierliches Erwerbsmodell (Slowenien, Dänemark, Lettland, Portugal, Schweden) und ein moderat-kontinuierliches Muster (Frankreich, Belgien); b) ein traditionelles Modell bei dem langfristige Erwerbsausstiege oder Arbeitszeitreduktionen dominieren (Westdeutschland, Irland, Niederlande) und ein moderat traditionelles Modell (Italien, Spanien, Polen, Griechenland), schließlich c) ein
Übergangsmodell mit kurzen familienbedingten Phasen der Erwerbsunterbrechung oder -reduktion (Finnland, Estland, Tschechien, Großbritannien,
Slowakei) und ein moderates Übergangsmodell (Österreich, Ostdeutschland, Ungarn, Rumänien) (Nr. 4, Eurobarometer-Daten). Die erkennbaren
Muster sind deutlich durch die jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen, aber auch Normvorstellungen beeinflusst. Durchweg lässt sich feststellen, dass nachrückende Frauenkohorten zu kürzeren familiär bedingten
Erwerbsunterbrechungen neigen und dass sie (zumindest hinsichtlich ihres
Arbeitszeitvolumens) schneller wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen
(Nr. 4, Nr. 5).
In den meisten EU-Ländern geben teilzeitbeschäftigte Frauen vor allem
Fürsorge- und Haushaltstätigkeiten als Grund für ihre reduzierte Arbeitszeit
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an. Anders ist der Befund für Dänemark und Finnland: Hier arbeiten Frauen
vor allem Teilzeit, weil sie parallel eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren. In den südeuropäischen Ländern geben viele Frauen an, unfreiwillig
Teilzeit zu arbeiten. Bei den (wenigen) Männern, die Teilzeit arbeiten, ist
der wichtigste Grund in den meisten europäischen Ländern (z.B. Dänemark,
Niederlande, Finnland, Belgien, Deutschland, Österreich und Irland), dass
sie parallel eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren. In den Ländern der
EU-Südschiene, doch auch in Frankreich und Belgien, gibt ein erheblicher
Teil der teilzeiterwerbstätigen Männer an, keinen Vollzeitjob zu finden. In
keinem Land – auch nicht in den Niederlanden – sind Fürsorgeaufgaben der
Hauptgrund für die Teilzeitarbeit von Männern (Nr. 5; ECHP-Daten; Fouarge & Muffels 2006b).
Teilzeiterwerbstätigkeit und die Geburt von Kindern haben einen beträchtlichen Langzeiteffekt auf den weiteren Erwerbs- und Karriereverlauf von
Frauen („scarring effects“), wobei allerdings länderspezifische Unterschiede zu konstatieren sind. Teilzeitbeschäftigte sind mit einer geringeren
Wahrscheinlichkeit später Vollzeit beschäftigt als Erwerbstätige, die zum
Vergleichszeitpunkt bereits einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgingen, allerdings wird dieser Effekt mit der Zeit geringer (Nr. 5; Fouarge & Muffels
2006b). Von den Frauen mit kleiner Teilzeiterwerbstätigkeit waren ein Jahr
später nur 8% in einen Vollzeitjob (mit mindestens 35 Wochen Arbeitszeit)
gewechselt; nach 5 Jahren waren es gerade einmal 17%. Je länger die Personen Teilzeit arbeiten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines späteren Wechsels auf eine Vollzeitstelle. 10 Jahre nach der beobachteten Teilzeittätigkeit war die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels zu Vollzeitarbeit in
den Niederlanden niedriger als im Vereinigten Königreich und Deutschland
(ECHP-Daten und nationale Panel-Daten, Nr. 5). 47% der Männer und 45%
der Frauen sind der Ansicht, Teilzeitarbeit schade der Karriere; ein gleich
großer Anteil der Befragten zeigt sich überzeugt, dass man bei Teilzeitarbeit
mehr im Verhältnis zur Zeit arbeiten müsse (Eurobarometer-Daten; Nr. 4).
Doch trotz dieser kritischen Einschätzung von Teilzeitarbeit werden die
langfristigen Effekte von Teilzeit auf die weitere berufliche Entwicklung
häufig noch unterschätzt.
Die nordischen und die angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten weisen geringere geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen während der „Familienphase“ auf als die Länder des kontinentalen und mediterranen Regimetyps.
Wie deutlich wird, tragen in den nordischen Ländern das verfügbare Angebot an Kinderbetreuungsplätzen, das die schnelle Rückkehr von Müttern in
die Erwerbstätigkeit ermöglicht, das großzügige und flexible System der Elternzeit, das Tarifvertragssystem wie auch die vergleichsweise niedrigen
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
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Einkommensdifferenzen von Frauen und Männern zu diesem Befund bei. In
den angelsächsischen Ländern wirkt sich dagegen die Notwendigkeit, dass
Frauen schnell wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren und Einkommen
erwirtschaften, positiv auf ihre Arbeitsmarktnähe und ihr Erwerbseinkommen aus. Die Geburt eines Kindes hat überall einen negativen Effekt auf das
zukünftige Erwerbseinkommen von Frauen. Wie im Rahmen von Bericht
Nr. 5 berechnet, beläuft sich die Einkommenseinbuße in den folgenden drei
(Erwerbs-)Jahren stundenbereinigt auf durchschnittlich rund 5%. Nach
10jähriger Teilzeitarbeit war in der Summe im Vereinigten Königreich ein
größerer Einkommensverlust aufgelaufen als in den Niederlanden oder
Deutschland (Nr. 5 auf der Basis von nationalen Panel-Daten; Fouarge &
Muffels 2006a).
Transferleistungen aus dem Sozialschutzsystem spielen in den meisten Ländern vor allem in zwei Lebensphasen eine wichtige Rolle: in der Familienphase, wenn (kleine) Kinder im Haushalt leben, sowie in der Nacherwerbsphase. Die Familienleistungen erreichen vor allem in Deutschland, dem
Vereinigten Königreich und den Niederlanden einen sehr hohen Deckungsgrad – je nach Alter der Kinder erhalten hier 93% - 100% aller Familien
staatliche Geldleistungen. In Frankreich ist der Deckungsgrad etwas niedriger – vor allem dann, wenn die Familie Kinder im Teenageralter hat. In den
südeuropäischen Ländern Spanien und Italien erhalten nur etwa ein Drittel
der Familien mit minderjährigen Kindern Geldleistungen aus dem System
der sozialen Sicherung, aber für diese Minderheit der Familien spielt die
staatliche Unterstützung eine große Rolle für das Familienbudget. Im Alter
beziehen in den meisten westeuropäischen Ländern etwa 94%-98% der untersuchten (Paar-)Haushalte Renteneinkommen. In den sieben westeuropäischen EU-Ländern, die untersucht wurden, beruhten 2000 (noch) 80-90%
des Haushalteinkommens älterer Paare auf Renteneinkommen aus dem sozialen Sicherungssystem (Nr. 2; ECHP-Daten).
Etwas mehr als der Hälfte aller befristet Beschäftigten war es innerhalb von
fünf Jahren gelungen, in einen unbefristeten Job überzuwechseln (55%) –
dies bedeutet auch, dass dies fast jedem zweiten befristet Beschäftigten
nicht gelungen war. 18% hatten auch nach fünf Jahren noch einen flexiblen,
befristeten Job. 5% hatten sich selbstständig gemacht, 9% waren inzwischen
arbeitslos gemeldet, 13% nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Wer allerdings einmal einen unbefristeten Arbeitsplatz hat, hat auch gute Chancen,
unbefristet beschäftigt zu bleiben – nur 4% aller Erwerbstätigen mit unbefristetem Beschäftigungsverhältnis waren in 14 untersuchten Ländern nach
fünf Jahren in einem befristeten Arbeitsverhältnis tätig (Nr. 5, ECHP-Daten;
Fouarge et al. 2006b).
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Ute Klammer
Die besten Chancen, aus einem flexiblen, befristeten Job in einen unbefristeten Job zu wechseln, haben Beschäftigte in Luxemburg, Österreich, in den
Niederlanden sowie im Vereinigten Königreich. In allen Regimetypen steigt
die Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Wechsels mit der seit dem
Beobachtungszeitpunkt verstrichenen Zeit, jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit in den ersten drei Jahren am stärksten an. Nach 10 Jahren waren in
den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Deutschland rund 80%
der befristet Beschäftigten in einen unbefristeten Job übergewechselt (Nr. 5,
nationale Paneldaten; Fouarge et al. 2006b). Dies zeigt, dass die negativen
Auswirkungen (scarring effect) von befristeter Beschäftigung auf den weiteren Erwerbsverlauf mit der Zeit nachlassen, allerdings nicht ganz verschwinden. Festzuhalten ist allerdings auch, dass die Wahrscheinlichkeit, in
einen unbefristeten Job zu wechseln, für befristet Beschäftigte höher ist als
für Arbeitslose. Ob befristete Arbeitsverhältnisse daher eher als Chance
oder als Risiko gesehen werden müssen, hängt davon ab, mit welchem Status (Vollzeitjob? Arbeitslosigkeit?) sie verglichen werden.
In den südeuropäischen EU-Ländern zeigen sich die größten Einkommenseinbußen für Erwerbstätige in flexibler Beschäftigung. Die Einkommenseinbußen nehmen mit der Zeit ab, jedoch geschieht dies eher in den angelsächsischen Ländern als in den südeuropäischen EU-Mitgliedstaaten. In den
nordischen und kontinentalen Wohlfahrtsstaaten wurden die Einkommenseinbußen, obwohl sie im ersten Jahr sanken, insgesamt als besonders hartnäckig diagnostiziert. Nach 10 Jahren befristeter Beschäftigung lag der Einkommensverlust in Großbritannien immer noch bei 7,7%, in Deutschland
(West) bei 4,2%; in den Niederlanden lag er bei 9,6% (nationale Paneldaten). Ein Teil der diagnostizierten Einkommenseinbußen (wage penalties)
lässt sich allerdings auf Ausstattungseffekte zurückführen (Nr. 5; Muffels &
Fouarge 2006b).
Teilzeitarbeit und atypische Arbeitsverträge werden in Sozialschutzsystemen, die universelle Leistungen oder Festbetragleistungen vorsehen, weniger „bestraft“ als in Systemen, die am (früheren) Einkommen bzw. der Erwerbsbiographie orientierte Leistungen bereitstellen. Einheits- oder Mindestbeträge garantieren auch für Menschen mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen zumindest eine Basissicherung, die allerdings – vergleicht
man z.B. das englische und das holländische System – eine sehr unterschiedliche Qualität haben kann. Wird die Rente – wie in Deutschland – auf
der Basis eines versicherten Lebenserwerbseinkommens berechnet, so setzen sich Einkommensausfälle im Erwerbsleben direkt ins Rentenalter fort
und es droht Altersarmut (Nr. 2).
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ƒ
ƒ
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Das Postulat des „lebenslangen Lernens“, ein zentrales Konzept im Rahmen
der Europäischen Beschäftigungsstrategie, erfährt inzwischen bei den Bürgerinnen und Bürgern der EU eine breite Zustimmung und Akzeptanz. Fast
70% der Befragten äußerten ein eigenes Interesse daran. Dabei sind 57%
der Befragten der Ansicht, dass der Arbeitgeber die für die Weiterbildung
erforderliche Zeit mitfinanzieren sollte. 18% sehen die alleinige Finanzierungsverpflichtung beim Arbeitnehmer, 19% sehen eine Mitverantwortung
des Staates bei der Finanzierung. Die besten bestehenden Regelungen für
das lebenslange Lernen fanden sich in Finnland, Ostdeutschland und Rumänien, gefolgt von Österreich, den Niederlanden und Italien (Nr. 4; Eurobarometer-Daten).
Die Mehrzahl der ArbeitnehmerInnen arbeitet heutzutage in Unternehmen,
die verschiedene flexible Arbeitszeitoptionen anbieten (vgl. Tabelle 1): Am
weitesten verbreitet sind dabei Arbeitszeitoptionen, die durch eine flexible
Kontrolle der Arbeitszeit gekennzeichnet sind. Bevorzugte Arbeitszeitoptionen der europäischen ArbeitnehmerInnen sind: „Nach Bedarf mehr oder
weniger Stunden arbeiten“ (50%); „Überstunden ansparen, um sie bei anderer Gelegenheit aufbrauchen zu können“ (33%) sowie die „Übertragbarkeit
von Urlaub auf das Folgejahr“ (29%). Als wichtige Ansätze für eine bessere
Balance von Arbeit und Leben bzw. Fürsorge im Lebensverlauf wird vor allem die Möglichkeit gesehen, Auszeiten für Pflege und Weiterbildung nehmen zu können, ebenso Möglichkeiten eines vorgezogenen Rentenzugangs
sowie Kinderbetreuungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz. Quer über alle Länder sind die Befragten vor allem daran interessiert, Einfluss auf die eigene
Arbeitszeit zu nehmen. Darüber hinaus besteht ein großes Interesse an der
Weiterentwicklung von Zeitkontenmodellen. Positiv ist anzumerken, dass
offensichtlich eine recht große Übereinstimmung zwischen den als wichtig
erachteten und den tatsächlich verfügbaren Arbeitszeitoptionen besteht.
Dies belegt, dass ein nicht unerheblicher Anteil der befragten Erwerbstätigen bereits heute Zugang zu Arbeitszeitoptionen und –arrangements hat, die
ihnen helfen, die Arbeit mit den sich im Lebensverlauf verändernden Bedarfen abzustimmen (Nr. 4; Eurobarometer-Daten).
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Ute Klammer
Tabelle 1: Anteil der ArbeitnehmerInnen, die in Unternehmen mit bestimmten
flexiblen Arbeitszeitformen und Erwerbsunterbrechungen (leaves)
arbeiten (verschiedene Länder, 2004/2005, gewichtete
Prozentzahlen)
Belgien
Dänemark
Deutschland
Griechenland
Spanien
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Finnland
Schweden
England (UK)
Tschechien
Zypern
Lettland
Ungarn
Polen
Slowenien
Unübliche
TeilArzeit
beitszeiten
Flexible ÜberElternArstunzeit
beits- den
zeiten
87
80
90
19
52
80
74
62
76
95
85
17
71
89
85
67
37
61
56
77
56
48
60
63
30
45
49
57
42
44
53
63
25
71
73
57
55
15
58
43
54
38
57
48
53
46
56
67
63
46
65
47
51
39
51
48
67
55
64
68
43
52
52
82
88
93
62
71
80
91
83
92
82
92
63
92
91
86
91
83
57
56
70
83
81
71
78
66
50
78
70
68
83
72
73
55
91
95
78
76
63
76
76
65
76
Pfle- Ausgezeit zeiten
für
Weiterbildung
63
87
48
34
33
40
66
51
31
68
30
31
74
52
55
50
29
30
70
72
40
48
76
49
23
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65
55
30
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50
33
21
88
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44
55
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57
63
61
57
Nicht dauerhaft Beschäftigte
Ande- Insge- Befris- ZeitFreie
re
arbeit Mitsamt tete
Ausarbeit
Arzeiten
beitsverträge
33
86
66
64
20
45
78
58
63
22
35
83
76
32
26
20
59
45
9
30
24
86
80
38
15
35
89
80
49
12
35
70
66
37
22
26
77
60
31
31
28
69
54
44
8
45
89
84
62
28
21
63
42
34
19
26
92
90
16
13
66
93
90
32
22
45
91
86
35
23
31
79
65
51
18
32
97
95
16
45
31
57
45
7
38
35
66
60
12
21
23
60
55
15
5
67
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75
5
45
34
92
81
60
24
Vorgezogener
Rentenzugang
Teilrente/Altersteilzeit
69
70
62
43
62
59
72
18
73
83
44
44
85
46
78
97
56
80
55
86
51
76
64
65
10
30
43
50
12
34
79
66
12
64
53
64
40
18
38
22
37
14
Anmerkung: Fehlende Fälle (keine Antwort oder „weiß nicht“) wurden herausgerechnet.
Quelle: ESWT-Daten für 2004/05 (European Foundation); Bericht Nr. 4 und Klammer et al. 2008.
ƒ
Ungeachtet der Vielfalt der vorhandenen Arbeitszeitoptionen können viele
Frauen und Männer in Europa ihre in der momentanen Lebenssituation bevorzugten Arbeitszeitmuster und ihren gewünschten Umfang an Erwerbsstunden nicht verwirklichen. Wo bei Männern tatsächliche und gewünschte
Arbeitszeit auseinanderklaffen, besteht überwiegend der Wunsch nach weniger Arbeitsstunden. Bei Frauen ist sowohl der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten als auch – bei Teilzeitbeschäftigten – der Wunsch nach einer
Ausdehnung der Arbeitszeit verbreitet. Letzteres ist vor allem bei Frauen
mit kleinen Teilzeitjobs der Fall. Doch obwohl viele ArbeitnehmerInnen
angeben, sie würden gerne ihre Arbeitszeit reduzieren, planen dies faktisch
nur rund 20% (Nr. 4; ESWT-Daten für 2004/05). Rund 70% der Befragten
antworteten dagegen, dass sie eine Veränderung des Arbeitszeitumfangs
entweder nicht wollten, oder dies aufgrund der damit verbundenen Einkommenswirkungen nicht anstrebten (Eurobarometer-Daten). Die Präferenz
für einen geringeren Arbeitszeitumfang ist vor allem in den Niederlanden,
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
ƒ
687
der Türkeit und Portugal verbreitet, wobei vor allem Eltern (Mütter) mit
Kindern und ältere Beschäftigte entsprechende Wünsche äußern.
Menschen bevorzugen und benötigen in unterschiedlichen Phasen ihres
Lebens unterschiedliche Zeitverwendungsoptionen. Junge Menschen ohne
Kinder zeigen eine hohe Präferenz für Geld (statt Urlaub) im Vergleich zu
anderen Gruppen von ArbeitnehmerInnen. Eltern mit Vorschulkindern äußern – wenig überraschend – häufiger als andere Gruppen den Wunsch nach
Betreuungseinrichtungen am Arbeitsplatz; Frühverrentungsoptionen finden
die größte Zustimmung unter älteren Beschäftigten. Aus den Daten wird
auch deutlich, dass viele ArbeitnehmerInnen gern früher in den Ruhestand
wechseln würden, als sie es realisieren (können) (Nr. 4, vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Zeitoptionen, die von den Befragten als wichtig für die
Vereinbarkeit der Erwerbsarbeit mit anderen Aktivitäten im Leben
angesehen werden, nach Lebensphase (25 Europäische Länder,
2003, in%)
Befragte 35 Befragte mit Befragte im
Vorschul- und Alter von 36Jahre ohne
Schulkindern 50 Jahren
Kinder (im
ohne Kinder
Haushalt)
(im Haushalt)
Angaben in %; Mehrfachnennungen möglich
62
62
61
47
41
40
34
31
32
25
33
28
32
28
26
22
27
32
23
28
31
Bei Bedarf mehr oder weniger Stunden arbeiten können
Überstunden ansparen und in Freizeit ausgleichen zu können
Urlaubstage auf das folgende Jahr übertragen zu können
Bezahlte Freistellungen für die Betreuung von Angehörigen
Möglichkeit, sich Urlaubstage auszahlen zu lassen
Frühverrentung
Frühverrentung mit der Möglichkeit einer Teilzeitarbeit
(Altersteilzeit)
Möglichkeit, unbezahlte Freistellung zu nehmen
25
Bezahlte Freistellungen für Weiterbildung
28
Optionen, ein Sabbatical bzw. eine Auszeit zu nehmen
21
Telearbeit
17
Kinderbetreuungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz
15
26
22
19
17
24
24
19
18
15
11
Befragte im Insges.
Alter von 50
Jahren ohne
Kinder (im
Haushalt)
56
36
31
25
22
33
35
61
41
32
28
27
28
28
22
12
14
13
8
25
21
18
16
16
Quelle: Datenauswertung des Eurobarometer. Nr. 4 und Klammer et al. 2008.
ƒ
Im Allgemeinen können die Arbeitszeitpräferenzen in Ländern mit einem
hohen Niveau an Arbeitszeitflexibilität besser realisiert werden als in anderen Ländern. Befragte aus den Nordischen Ländern sowie einigen zentraleuropäischen Ländern zeigten die höchste Arbeitszufriedenheit bezogen auf
ihren Job, ihr Einkommen, die Balance von Arbeit und Leben sowie andere
Merkmale (Nr. 4). Allgemein lässt sich aus der Kluft zwischen den tatsächlichen und den gewünschten Arbeitszeiten schließen, dass die Möglichkei-
688
Ute Klammer
ten zur Anpassung der Arbeitszeit im Lebensverlauf in vielen Ländern noch
(zu) begrenzt sind.
4.2 Die Perspektive der Unternehmen
Unternehmen sind in Abhängigkeit vom Regimetyp des Landes, in dem sie ansässig sind (liberale Marktwirtschaften versus regulierte oder koordinierte Ökonomien) durch unterschiedliche Steuerungs- und Mitbestimmungskulturen geprägt. Ebenso konzentrieren sie sich auf unterschiedliche Personalstrategien.
Gemäß der Annahmen des ‚Varieties of Capitalism‘-Ansatzes hat der jeweilige
Typus des Kapitalismus einen unmittelbaren Einfluss auf die Muster externer
und interner Flexibilität, auf die Entwicklung von Karrierewegen wie auch auf
die geschlechtsspezifische Segregation (Soskice & Hall 2001; Soskice 2005;
Estéves-Abe et al. 2001). Ein großer Anteil an Unternehmen in Europa bietet
heute flexible Arbeitszeitoptionen sowie temporäre Ausstiegsmöglichkeiten an,
die Potenziale für die Lebenslaufgestaltung ihrer Beschäftigten haben können.
Jedoch sind die länderspezifischen Unterschiede erheblich. Die Optionen zur
flexiblen Gestaltung der Erwerbsarbeitszeit sind vor allem in den nordischen
Ländern und den Niederlanden sehr verbreitet, während die Länder der EU-Südschiene hier das Schlusslicht bilden.
Obwohl die Strategien der Unternehmen in einem gewissen Ausmaß vom
institutionellen Rahmen des jeweiligen Landes abhängen, lassen sich einige
übergreifende Befunde festhalten, die hinsichtlich der Lebenslaufthematik relevant sind:
ƒ
Der Zeithorizont, den Unternehmen ihrem Handeln zugrunde legen, ist
weniger eindeutig zu bestimmen als die Lebenslaufperspektive aus Sicht der
Beschäftigten. Einerseits ist eine klare Tendenz zur Orientierung auf kurzzeitige Ziele zu konstatieren: Produktionszyklen haben sich verkürzt, im
verschärften globalen Wettbewerb müssen sich Unternehmen immer schneller an sich ändernde Märkte anpassen können. Andererseits setzt die Entwicklung von hoch spezialisierten Produkten hohe und spezifische Kenntnisse der Beschäftigten voraus; Unternehmen sind darauf angewiesen, dass
ihre spezialisierten Fachkräfte dem Unternehmen dauerhaft erhalten bleiben. Dies setzt eine auf Langfristigkeit orientierte Personalplanung und entwicklung voraus, die Beschäftigte an das Unternehmen bindet. Damit
gewinnen trotz kurzfristiger Anpassungsbedarfe langfristig orientierte Personalentwicklung und ‚retention management‘ für den wirtschaftlichen Er-
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
689
folg von Unternehmen – auch angesichts des demographischen Wandels –
an Bedeutung.
Abbildung 2:
Synchronisierungs- und Diachronisierungsbedarfe von
Unternehmen und ArbeitnehmerInnen
Quelle: Klammer, Muffels & Wilthagen (2008) aufbauend auf Wilthagen (2003).
ƒ
ƒ
Sowohl für Unternehmen als auch für ArbeitnehmerInnen ergeben sich aus
den dargestellten Veränderungsprozessen neue Herausforderungen an eine
Synchronisierung wie auch an eine Diachronisierung von Aufgaben und Tätigkeiten. Aus der Lebenslaufperspektive betrachtet besteht die Herausforderung darin, die langfristig orientierten Bedarfe und Strategien von Unternehmen mit denen der Beschäftigten zu synchronisieren bzw. aufeinander
abzustimmen (Abb. 2).
Dass die Sicht von Unternehmen und ihren Beschäftigten auf den ‚Lebenszyklus‘allerdings abweichen kann, wird aus der HRM-Literatur zum so genannten ‚Beschäftigten-Lebenszyklus‘ deutlich. Während ArbeitnehmerInnen faktisch ihren vollständigen (Erwerbs-)lebenslauf von der Ausbildung
bis zum Rentenübergang zu gestalten haben, beschreibt das Konzept des
‚employee lifecycle‘ im Unternehmen die Entwicklung des Beschäftigten
vom Zeitpunkt seines Eintritts in das Unternehmen bis zu seinem Austritt –
690
ƒ
Ute Klammer
sei es durch Erreichen des Rentenalters, oder auch Kündigung, selbst gewähltem Austritt, Krankheit/Berufsunfähigkeit etc. Unter den gegebenen
rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Kündigungsschutz) geht es im Unternehmen darum, die Entwicklung dieses zeitlich eingeschränkten Lebenszyklus des Beschäftigten im Sinne des Unternehmens zu optimieren (Graf
2001). Es ist insofern nicht selbstverständlich, dass die zeitliche Perspektive
von Unternehmen bei der Personalentwicklung mit der Perspektive der Beschäftigten auf ihr (weiteres) Erwerbsleben übereinstimmt.
Wie empirische Untersuchungen zeigen, lassen sich vor dem Hintergrund
der skizzierten Entwicklungen (mindestens) drei unterschiedliche Strategien
von Unternehmen im Umgang mit Beschäftigten identifizieren, die auf unterschiedliche Zeithorizonte verweisen: Die Wege, die sich als ‚Vermarktlichung‘, ‚verhandelte Stabilität‘ und ‚Vergemeinschaftung‘ beschreiben lassen, werden – häufig gleichzeitig – gegenüber unterschiedlichen Gruppen
der Belegschaft zum Einsatz gebracht und spiegeln unterschiedliche, komplementäre Strategien der Flexibilisierung (Diewald, Brose & Goedicke
2005; Klammer 2008; Nr. 5).
Verhandelte Stabilität ist eine Strategie, die vor allem in Arbeitsbereichen zur Anwendung kommt, in denen klassische Normalarbeitsverhältnisse verbreitet waren. Solche Arbeitsverhältnisse, die stark durch
gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen geschützt und reguliert
waren, sind nun zunehmend Objekt von Verhandlungen auf der betrieblichen Ebene. Im Rahmen von beschäftigungssichernden Vereinbarungen wird Flexibilität im Hinblick auf Arbeitszeit, Arbeitsort und
auch Gehalt im Tausch gegen zeitlich definierte Beschäftigungsgarantien ausgehandelt. Solche beschäftigungssichernden Vereinbarungen
charakterisieren neue Austauschbeziehungen zwischen Arbeitgebern
und ArbeitnehmerInnen, in denen die Flexibilitätsanforderungen von
Unternehmen und die Sicherheitsbedürfnisse von Beschäftigten austariert werden. Sie fokussieren auf interne Flexibilität und Zugeständnisse der ArbeitnehmerInnen, für die im Gegenzug über eine Beschäftigungsgarantie der zeitliche Planungshorizont für Beschäftigte zumindest für eine begrenzte Zeit gesichert wird.
Vermarktlichungsstrategien lassen sich dagegen vor allem dort identifizieren, wo es um den Umgang mit flexibel Beschäftigten an den ‚flexiblen Rändern‘ von Unternehmen geht. Im Prozess der Flexibilisierung hat sich die Grenze zwischen ‚stabil‘ beschäftigten Kernbelegschaften und ‚flexibel‘ beschäftigten Randbelegschaften zunehmend
verschoben – mit einer Tendenz zur Ausdehnung des Anteils flexibel
Beschäftigter. Arbeitsfelder, in denen früher unbefristet Beschäftigte
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
691
mit Standard-Arbeitsverträgen tätig waren, werden partiell durch befristet Beschäftigte, Leiharbeitnehmer oder (schein-)selbständige Auftragnehmer abgedeckt, deren Einkommen und Arbeitsbedingungen
weniger planbar und verlässlich sind. Im Rahmen projekt- und erfolgsorientierter Vergütung wird die Arbeitszeit zu einer Variable, die der
Ziel- und Vertragserfüllung untergeordnet wird. Als ‚Arbeitskraftunternehmer‘ (Voß & Pongratz 1998) übernehmen Beschäftigte hier einen Teil der typischen Unternehmerrisiken. Dies kann einerseits die
langfristige Lebenslaufplanung erschweren. Andererseits können sich
für Erwerbstätige neue Chancen hinsichtlich des Einkommens und der
Zeitautonomie eröffnen. Mehrheitlich dürften die an die Arbeitsleistung gekoppelten Austauschbeziehungen beim Strategietyp der Vermarktlichung allerdings kurzfristiger orientiert sein als im Feld der
‚verhandelten Stabilität‘; die Lebenslaufperspektive hat in einer Strategie der vermarktlichten Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen
und Erwerbstätigen wenig Platz.
Als Vergemeinschaftung lassen sich Tendenzen zu einer gesteigerten
Reziprozität bezeichnen, wie sie im Verhältnis von Unternehmen und
hoch qualifizierten Führungskräften zu beobachten sind. Um diese ‚key
player‘ im Unternehmen zu halten, werden ihnen neben hohen Gehältern und Sonderleistungen auch langfristige Entwicklungs- und Karrierechancen im Unternehmen geboten; im Austausch hierzu wird von
Führungskräften ein (auch zeitlich) hohes Engagement für das Unternehmen vorausgesetzt. Die Vereinnahmung umfasst die Dauer der (tatsächlichen) Arbeitszeit ebenso wie den Ort der Arbeit und deren Inhalte. Für Beschäftigte dieser Gruppen ist es oft unmöglich, die Grenzen
zwischen Erwerbsarbeit und privater Zeit aufrecht zu erhalten. In Bezug auf die genannte Gruppe wichtiger Beschäftigter entwickeln Unternehmen durchaus langfristig angelegte Strategien der Karriereentwicklung und der Bindung ans Unternehmen. Dies kann den entsprechenden Beschäftigten einerseits längerfristige Einkommens- und Planungssicherheit geben; andererseits lassen solche Beschäftigungsverhältnisse oft nur begrenzt Raum zur Verbindung von Erwerbsarbeit
und anderen Lebensinhalten wie Fürsorgearbeit und Eigenzeit. Damit
können sie die kurzfristige Balance von Arbeit und Leben gefährden.
Arbeitszeitsysteme, die eine flexible Verteilung von Arbeitszeit über eine längere Zeitperiode zulassen, können Individuen helfen, Zeitbedarfe über den Lebenslauf zu verteilen und zu koordinieren. Langzeitarbeitskonten erscheinen als betriebliches Instrument für eine Lebenslaufplanung der Beschäftigten auf den
692
Ute Klammer
ersten Blick besonders geeignet zu sein (Siehe den Beitrag von Seifert in diesem
Buch). Sie beinhalten jedoch auch deutliche Risiken. Mögliche Probleme reichen
von der Verteilung der Zugriffsrechte (Arbeitgeber/Arbeitnehmer) über Beitragsaufälle für die sozialen Sicherungssysteme, einen inhärenten Geschlechterbias
bis zu Defiziten der Absicherung von Arbeitszeitgutachten im Falle der Insolvenz (Klammer 2005c; Ebert 2005; Brand, Hildebrandt & Wotschak 2008).2 Es
ist zu erwarten, dass Beschäftigte bei Arbeitskräftemangel im Unternehmen
Schwierigkeiten haben, ihr Arbeitszeitguthaben tatsächlich für private Zwecke
aufzubrauchen. Arbeitszeitkonten, die die Option eines vorgezogenen Rentenzugangs vorsehen, können auch die Anreize für Unternehmen verringern, in die
Weiterbildung ihrer älteren MitarbeiterInnen zu investieren; dies steht im Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Lissabon-Strategie, die Beschäftigungsquoten
älterer ArbeitnehmerInnen zu erhöhen. In der Praxis zeigt sich, dass Arbeitszeitkonten in einzelnen Unternehmen zur Erhöhung des Arbeitsstresses geführt haben, während sich in anderen Unternehmen die Flexibilität und Autonomie der
Beschäftigten verbessert hat. Die Zeitsouveränität der Beschäftigten ist dabei
positiv korreliert mit dem Vorhandensein klarer Regeln für die Arbeitszeitkonten, die z.B. Verfahrensweisen zum Umgang mit überquellenden Arbeitszeitkonten vorsehen. Ebenso wirkte sich das Vorhandensein eines Betriebsrats in dieser
Hinsicht günstig aus (Nr. 2; Haipeter & Lehndorff 2004). Neben den Vorteilen,
die Langzeitarbeitskonten für eine Lebenslaufgestaltung haben können, sind bei
der Diskussion dieses Instruments also auch Nachteile zu berücksichtigen; quantitativ spielt dieses Instrument europaweit bisher ohnehin nur eine marginale
Rolle.
4.3 Die Perspektive des Staates: Rechtliche Rahmenbedingungen und
Strukturen der Sozialleistungsysteme
Die existierenden Arbeitsrechts- und Sozialleistungssysteme stellen Rahmenbedingungen dar, die wesentlichen Einfluss auf die Arbeitszeitmuster und Einkommenssituation von Frauen und Männern in unterschiedlichen Lebensphasen
haben.
Betrachtet man die landestypischen Muster der arbeitsvertraglichen Flexibilität und der Arbeitszeitflexibilität im Verhältnis zur jeweiligen Einkommensund Beschäftigungssicherheit, so lassen sich Cluster von Ländern in einem ‚Flexicurity-Quadranten‘ identifizieren. In dieser Typologisierung von Ländern ist
2 Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts sind die rechtlichen Vorgaben in Deutschland inzwischen
allerdings verbessert worden.
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
693
ein ‚Kontinentales Cluster‘ durch einen Trade off zwischen einer vergleichsweise geringen Arbeitsmarktmobilität und einem vergleichsweise hohen Niveau von
Einkommens- und Beschäftigungssicherheit gekennzeichnet. Ein angelsächsisches Cluster repräsentiert den gegenteiligen Trade-Off zwischen hoher Arbeitsmarktmobilität und einem niedrigen Niveau an Einkommens- und Beschäftigungssicherheit. Die Länder der EU-Südschiene kombinieren tendenziell ein
geringes Niveau an Flexibilität und Mobilität auf dem Arbeitsmarkt mit einem
ebenfalls geringen Niveau an Einkommens- und Beschäftigungssicherheit. Dagegen sind in der Transformation befindliche neue EU-Mitgliedsländer wie auch
Nordische Länder überwiegend durch ein mittleres Maß an Arbeitsmarktflexibilität und -mobilität gekennzeichnet, wobei in der letztgenannten Ländergruppe
die Arbeitsmarktflexibilität durch ein deutlich höheres Niveau an arbeitsrechtlicher Absicherung und sozialpolitischen Leistungen flankiert wird, so dass hier
die Idee eines Flexicurity-Modells am ehesten erreicht wird (Nr. 5; Chung &
Muffels 2006, Muffels & Luijkx 2008, Muffels & Fouarge 2006a).
Bezogen auf die Arbeitsmarktintegration von Männern und Frauen über
den Lebensverlauf zeigen sich markante länderspezifische Unterschiede (Nr. 2;
Anxo et al. 2007). Während für die nordischen Länder ein hohes Maß von Arbeitsmarktpartizipation beider Geschlechter über den gesamten (Erwerbs-)Lebensverlauf kennzeichnend ist, weisen die kontinentalen Staaten eine starke
Konzentration des gesellschaftlichen Erwerbsarbeitsvolumens auf Männer im
mittleren Alter aus. In den angelsächsischen Ländern sind demgegenüber junge
Menschen gemessen an den Erwerbstätigenquoten stärker in den Arbeitsmarkt
integriert. In den Ländern der EU-Südschiene fällt eine Zweiteilung bei den
Frauen ins Auge: Da Teilzeitarbeit vergleichsweise wenig verbreitet ist, besteht
häufig nur die Option, ganz oder gar nicht zu arbeiten – mit entsprechenden
Implikationen für die Lebensgestaltung. Ein Teil der zu beobachtenden Differenzen bei den länderspezifischen Erwerbsmustern und –verläufen kann institutionellen Faktoren zugeschrieben werden. Hier wirken unterschiedliche Mechanismen: In den Nordischen Ländern ermögichen ein Spektrum von finanziell abgefederten Optionen zur Erwerbsunterbrechung (leave options), ein hoher Deckungsgrad an öffentlicher Kinderbetreuung sowie in einigen Feldern universalistische Sozialleistungen, ebenso aber auch ein individualisiertes Steuersystem
BürgerInnen beiderlei Geschlechts, eine dauerhafte Bindung an den Arbeitsmarkt zu entwickeln. Umgekehrt kennzeichnet die angelsächsischen Länder ein
niedriger Grad an Dekommodifikation, d.h. an Sozialleistungen, die ein Leben
‚jenseits der Arbeit‘ ermöglichen; eine hohe und über den Erwerbsverlauf vergleichsweise stabile Erwerbsbeteiligung wird hierdurch zur Notwendigkeit
(ebd.).
694
Ute Klammer
Die vorzufindenden Geschlechter- und Altersmuster bezüglich der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in unterschiedlichen Lebensphasen weisen
direkte Zusammenhänge zu Faktoren wie dem System der Besteuerung, direkten
und abgeleiteten Rechten in der sozialen Sicherung, den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen für bestimmte Sozialleistungen sowie dem Angebot und der
Verfügbarkeit öffentlicher Dienstleistungen wie Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen auf. So ist davon auszugehen, dass das deutsche System der gemeinsamen Besteuerung von Ehegatten, das in bestimmten Erwerbskonstellationen zu einer sehr hohen Grenzsteuerbelastung des zweiten Einkommens im
Haushalt führt, in Verbindung mit der unzureichend ausgebauten Kinderbetreuungsinfrastruktur deutliche Anreize für die Nichterwerbstätigkeit von Frauen und
insbesondere Müttern ausübt (Nr. 2).
Die institutionelle Untersuchung unterschiedlicher (Arbeits-)Zeitoptionen
und -arrangements und ihres Einflusses auf die soziale Absicherung der Betroffenen macht deutlich, dass zwischen Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit,
Arbeitszeitverkürzungen sowie Möglichkeiten, die eine flexible Verteilung von
Arbeitszeit über den Lebenslauf erlauben, unterschieden werden muss. Unter den
Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit sind europaweit immer noch diejenigen
am besten abgesichert, die durch Arbeitslosigkeit bedingt sind, wenn die europäischen Sozialleistungssysteme auch große Unterschiede hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen zu den jeweiligen Sicherungssystemen, den Anspruchsvoraussetzungen, der Dauer der Leistungen sowie ihrer Höhe (in Relation zum
vorherigen Erwerbseinkommen) aufweisen. Sicherungslücken treten vor allem
bei Langzeitarbeitslosigkeit auf oder bei Arbeitslosigkeit in frühen Lebensphasen
(z.B. bei fehlenden Vorversicherungszeiten).
Auswirkungen auf die spätere Alterssicherung ergeben sich vorwiegend
dort, wo der zweiten, betrieblichen Säule bzw. auch der dritten Säule der privaten Vorsorge ein besonderes Gewicht im Alterseinkommensportfolio zukommt
(z.B. Großbritannien). Rechte zur Erwerbsunterbrechung aufgrund von Mutterund Elternschaft (Mutterschutz, Elternzeit) sind in den meisten Ländern gut
entwickelt, wozu auch die Existenz der entsprechenden europäischen Richtlinie
beigetragen hat; allerdings ist die Inanspruchnahme teilweise angesichts fehlender Geldleistungen begrenzt. Ansprüche auf Pflegezeiten sind nach wie vor nur
in wenigen EU-Ländern vorgesehen (z.B. Schweden, Niederlande, inzwischen
auch Deutschland). Wo entsprechende Unterbrechungsmöglichkeiten nicht mit
einer (Wieder-)Beschäftigungsgarantie verbunden sind, wie im französischen
Elternzeitsystem, kann die Inanspruchnahme besondere Risiken für die weitere
Karriereentwicklung mit sich bringen. In einigen Ländern sind Unterbrechungsmöglichkeiten für Sabbaticals oder Weiterbildung vorgesehen. Diese basieren
oft, wie in den Niederlanden oder Deutschland, auf einer intertemporalen Um-
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
695
verteilung von Zeit und Geld durch denjenigen, der sie in Anspruch nimmt. Die
Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses hat hier den Vorteil, dass der Zugang
zur sozialen Sicherung i.d.R. weiterhin sichergestellt ist. Ein progressiver Einkommenssteuertarif mindert die Auswirkungen des Lohnverzichts zur Ansparung eines Sabbaticals und trägt hierdurch zur Steigerung der Attraktivität entsprechender Unterbrechungsoptionen bei (Nr. 2).
Beschäftigte mit Teilzeitarbeit profitieren in den meisten Systemen der sozialen Sicherung von vorgesehenen Elementen der Umverteilung; gemessen an
der Höhe des Einkommens erhalten sie häufig im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten bzw. Personen mit höherem Einkommen überproportionale Sozialleistungen. In einigen Ländern sind zusätzliche gezielte Unterstützungsleistungen für
bestimmte Gruppen von Teilzeitbeschäftigten vorgesehen. Dies ist in Deutschland z.B. der Fall bei Eltern, die in den Kinderberücksichtigungszeiten (bis zur
Vollendung des 10. Lebensjahres des jüngsten Kindes) Teilzeit arbeiten, oder bei
Personen in Altersteilzeit. Dennoch bedeutet Teilzeitarbeit, wenn sie die einzige
Einkommensquelle ist, vor allem in den stark am Versicherungsgedanken und
am Gedanken der Beitragsäquivalenz orientierten „Bismarck-Systemen“ ein
überdurchschnittliches Armutsrisiko. Aus der Lebenslaufperspektive ist hier die
Gesamtdauer der Teilzeitphasen in der Biographie in Bezug auf das spätere Renteneinkommen der entscheidende Faktor.
Seit den frühen 1990er Jahren lässt sich in der EU ein deutlicher Trend hin
zu einer Einführung und Regulierung von am Lebensverlauf orientierten Arbeitszeitoptionen feststellen. Das Spektrum an Möglichkeiten ist durch zusätzliche
und flexiblere Teilzeitmöglichkeiten und neue Möglichkeiten zur Unterbrechung
des Erwerbslebens erweitert worden. Jedoch sind viele dieser Möglichkeiten an
bestimmte, definierte Lebenssituationen (z.B. Kindererziehung) gebunden. Es
fehlt in den meisten Ländern nach wie vor eine Verknüpfung der vorhandenen
lebensphasenspezifischen Schemata. Während z.B. Schweden und die Niederlande eine Reihe von positiven Initiativen aufweisen und Möglichkeiten zur
Erwerbsunterbrechung und Arbeitszeitanpassung für vielfältige Bedürfnisse im
Lebensverlauf genutzt werden können, sind solche Optionen im Vereinigten
Königreich nach wie vor sehr begrenzt. Mittlere Positionen hinsichtlich der Vielfalt der Möglichkeiten nehmen Frankreich und Deutschland ein. Große Unterschiede zwischen den Ländern sind auch bei der finanziellen Kompensation für
entsprechende Auszeiten und Arbeitszeitreduktionen zu sehen; diese sind ihrerseits jedoch für die Inanspruchnahmequoten maßgeblich.
Im Vergleich der EU-Länder zeigen sich große Unterschiede bezüglich der
Verortung und Verankerung von Arbeitszeitregelungen, die relevant für die Gestaltung des Lebenslaufes sein können. Während in Ländern wie Frankreich und
Italien die meisten vorhandenen Möglichkeiten gesetzlich reguliert sind und
696
Ute Klammer
tarifliche Vereinbarungen zumeist nur den gesetzlichen Stand reflektieren und
präzisieren, kommt in den nordischen Ländern und den Niederlanden den Vereinbarungen der Tarifpartner in diesem Feld eine bedeutsamere Rolle zu. Innovative Regelungen werden hier häufig in einzelnen Wirtschaftssektoren entwickelt
und ggf. später zentral im Arbeits- und Sozialrecht festgeschrieben.
In der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme spiegeln sich Normen
und Werte bezüglich der Strukturierung der Lebensverläufe von Männern und
Frauen. Abweichungen von diesen impliziten Normalitätserwartungen können zu
unzureichender Absicherung durch die existierenden Systeme führen; dies ist vor
allem dann der Fall, wenn allgemeine Basis- und Grundsicherungssysteme fehlen oder ihre Leistungen sehr niedrig sind.
Universalistische und an der individuellen Staatsbürgerschaft ansetzende Sicherungssysteme – z.B. im Alterssicherungs- und Gesundheitssystem – geben
Individuen einen größeren Spielraum bei der Inanspruchnahme unterschiedlicher
Arbeitszeitoptionen, z.B. Teilzeit. In dieser Hinsicht bieten die nordischen Länder
und die Niederlande einen günstigeren institutionellen Hintergrund für im Lebensverlauf schwankende Arbeitszeitvolumina und Einkommenshöhen (Nr. 2).
Wenig Beachtung in der wissenschaftlichen Debatte hat bislang die Frage
nach den Auswirkungen verschiedener flexibler Arbeitszeit- und Erwerbsmuster
auf die nachhaltige Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme gefunden.
Obwohl die Annahme nahe liegt, dass neue Möglichkeiten zur Erwerbsunterbrechung und Anpassung der Arbeitszeiten an lebenslaufspezifische Bedürfnisse zu
zusätzlichen Sozialausgaben führen, ist bei näherer Betrachtung nicht davon
auszugehen, dass diese Optionen die finanzielle Situation der bestehenden Sicherungssysteme maßgeblich verschlechtert hätten. Zum einen ist darauf zu verweisen, dass es sich bei den eingeführten Optionen vielfach um unbezahlte Arrangements handelt. Zudem sind einige der existierenden Möglichkeiten (z.B. Sabbaticals) in der Vergangenheit wenig in Anspruch genommen worden. Mutterschaftsurlaub – die Unterbrechungsphase, bei der im Ländervergleich die höchsten Lohnersatzzahlungen vorgesehen sind – hat gesamtgesellschaftlich aufgrund
der begrenzten Dauer sowie niedriger Fertilitätsquoten ein im Vergleich zu anderen Sicherungssystemen (für Alter, Gesundheit etc.) geringes Ausgabenvolumen.
Bestimmte Arrangements im Falle von Erwerbsunterbrechungen – z.B. JobRotationsprogramme, bei denen die Erwerbsunterbrechung für Weiterbildung
genutzt wird, während zugleich ein Arbeitsloser auf dem temporär freigewordenen Arbeitsplatz Arbeitserfahrung sammelt – können sogar zur langfristigen
Einsparung von Sozialausgaben führen (Nr. 2).
Arbeitslosigkeit und ‚Inaktivität‘ bedrohen die finanzielle Nachhaltigkeit
vieler Systeme der sozialen Sicherung dagegen in einem viel höheren Ausmaß.
Im Falle der Arbeitslosigkeit gehen Sozialbeiträge und Steuern verloren, wäh-
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
697
rend gleichzeitig die Ausgaben in verschiedenen Sicherungssystemen steigen;
dies kann vor allem in Ländern mit hoher und lang andauernder Arbeitslosigkeit
sowie in Ländern, die relativ großzügige Geldleistungen vorsehen (wie die nordischen und die kontinentalen Staaten) zu gravierenden Finanzierungsproblemen
führen. Die Nichterwerbstätigkeit von Ehefrauen wiederum führt zu hohen gesellschaftlichen Kosten in denjenigen Ländern, die immer noch (wie Deutschland) das männliche Ernährermodell durch die Ausgestaltung des Steuer- und
Sozialrechts unterstützen (Nr. 2).
Da Teilzeitarbeit in der Vergangenheit in allen europäischen Ländern überwiegend an die Stelle der Nichterwerbstätigkeit von Frauen (und weniger an die
Stelle von Vollzeiterwerbstätigkeit) getreten ist, hat auch die Ausdehnung der
Teilzeitquote bislang die Finanzierbarkeit der meisten Sicherungssysteme nicht
zusätzlich beeinträchtigt. Kleine Teilzeitjobs werden in einigen Ländern (wie
Frankreich, Niederlande) allerdings kollektiv unterstützt durch ermäßigte Beitragsverpflichtungen oder überproportionale Leistungsansprüche. Auch in Ländern, in denen solche Jobs keinen oder nur einen beschränkten Zugang zu den
Sozial(versicherungs)systemen ermöglichen, können sie Kostensteigerungen nach
sich ziehen, z.B. in den Bereichen der Sozialhilfe oder der Grundsicherung im
Alter. Welche gesellschaftlichen Kosten faktisch aus der Ausbreitung entsprechender Arbeitsverhältnisse resultieren, hängt von ihrer Verteilung auf die Bevölkerung (Konzentration auf bestimmte Personengruppen, Lebensphasen, Familienkonstellationen) ab. Aus der Perspektive der Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme ist dabei eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit
bzw. des Erwerbsarbeitsvolumens auf die gesamte Erwerbsbevölkerung günstig,
ebenso wie eine geringe Zahl und Konzentration von ‚schlechten‘ Jobs (Nr. 2).
Langzeit – bzw. Lebensarbeitszeitkonten können den Abbau von Überstunden und die Umverteilung von Arbeitszeit über längere Phasen entsprechend
lebensphasenspezifischer Bedürfnisse befördern. Dies kann sich positiv auf die
Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme auswirken. Nähere Untersuchungen zu Deutschland zeigen allerdings, dass auch der gegenteilige Effekt
auftreten kann: In bestimmten Fällen tragen die Arbeitszeitkonten nicht etwa zu
einer gleichmäßigeren Verteilung des Arbeitsvolumens und zu einer Entlastung
der Sicherungssysteme bei, sondern beeinträchtigen vielmehr die Finanzierungsbasis der Sicherungssysteme zusätzlich (Nr. 2; Klammer 2005c; Ebert 2005).
Während in den meisten untersuchten EU-Ländern die existierenden Systeme zur Unterbrechung und Anpassung der Erwerbsarbeit an lebensphasenspezifische Bedarfe nicht verknüpft und aufeinander abgestimmt sind, zeigt sich in den
nordischen Ländern ein in Bezug auf die Lebenslaufpolitik kohärenteres Bild.
Einige wenige Länder – allen voran die Niederlande – haben inzwischen mit der
Entwicklung einer expliziten Lebenslaufpolitik begonnen. Auch das bereits Mitte
698
Ute Klammer
der 1980er Jahre in Belgien begonnene System der ‚Karriereunterbrechungen‘
kann Anregungen zur Entwicklung einer kohärenten Lebenslaufpolitik geben (Nr.
5; Klammer, Muffels & Wilthagen 2007). Das System der belgischen Karriereunterbrechungen, das im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt hohe Arbeitslosigkeit eingeführt und in den 1990er Jahren mehrfach durch zweckgebundene
Unterbrechungsmöglichkeiten und regional gewährte Geldleistungen erweitert
wurde, hat sich hinsichtlich unterschiedlicher Bedarfe als flexibel erwiesen.
Die holländische Lebenslaufregelung stellt den bislang umfassendsten Versuch einer rechtlichen Regulierung von Lebenslaufpolitik in Europa dar. Aufbauend auf frühere Lebenslaufsysteme zielt die 2006 eingeführte „levensloopregeling“ darauf ab, das individuelle Ansparen von Geld für bestimmte Bedürfnisse bzw. entsprechend benötigte Erwerbsunterbrechungen und -reduzierungen im
Lebensverlauf zu erleichtern (siehe den Beitrag von Waas in diesem Buch).
Neuere Vorschläge richten sich auf eine Erweiterung des Geltungsbereiches für
Aus- und Weiterbildungsaktivitäten sowie darauf, den ArbeitnehmerInnen mehr
Möglichkeiten einzuräumen, das angesparte Geld für Übergänge zwischen verschiedenen Erwerbstätigkeiten zu nutzen. Auf diese Weise soll das System einen
wichtigen Beitrag zur Verbesserung von Erwerbsfähigkeit (employability) und
‚Übergangssicherheit‘ (transition security) leisten.
Ungeachtet des Potenzials, die das niederländische System hinsichtlich einer Flankierung flexibler Lebensverläufe haben kann, muss doch auch auf verschiedene Gefahren und Probleme einer so gestalteten Lebenslaufpolitik hingewiesen werden. Zum einen handelt es sich um ein System mit Mittelschichtsbias,
das zwar finanziell besser gestellten (und gebildeten) Personen neue Spielräume
zur eigenverantwortlichen Neuverteilung von Geld und Zeit über den Lebensverlauf bieten kann, jedoch für Menschen mit niedrigem Einkommen kaum neue
Möglichkeiten enthält. Auch ein Geschlechterbias zeichnet sich ab: während
Männer eher für den individuell früheren Rentenzugang sparen, steht bei Frauen
die Vorsorge für Fürsorgephasen (Kindererziehung, Altenpflege) und damit eine
gesellschaftliche Aufgabe im Vordergrund. Dies verweist auf eine grundlegende
Gefahr: Als möglicherweise problematische Auswirkung der Lebenslauf-Sparregelung kann nämlich angesehen werden, dass mit der Einrichtung entsprechender arbeits- und sozialrechtlich flankierter Sparmöglichkeiten einem System
individueller Vorsorge Vorschub geleistet wird, das den Druck auf die Abschaffung oder zumindest Reduzierung kollektiver Sicherungssysteme weiter erhöht –
so kann beim Auftreten eines lebenslauftypischen Sicherungsbedarf zukünftig
vermehrt darauf verwiesen werden, dass der/die Einzelne hierfür im Rahmen der
Lebenslaufregelung hätte Vorsorge betreiben können. Vor allem für die schwächeren Gruppen in der Gesellschaft dürften sich hierdurch das Sicherungsniveau
verschlechtern und der Druck weiter erhöhen.
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
5
699
Politikempfehlungen
Lebenslaufpolitik kann als eine Strategie verstanden werden, die gleichzeitig
darauf abzielt, ArbeitnehmerInnen bzw. BürgerInnen in die Lage zu versetzen,
Erwerbsarbeit und andere sinnvolle Aktivitäten – wie Fürsorgearbeit – zu einem
bestimmten Zeitpunkt im Leben zu synchronisieren sowie zugleich vielfältige
Präferenzen und Entscheidungen über den Lebenslauf zu verteilen (zu diachronisieren) (Klammer, Muffels & Wilthagen 2008: 47). Eine so verstandene Lebenslaufpolitik sollte darauf abzielen, eine optimale Teilhabe an Erwerbsarbeit und
anderen gesellschaftlich sinnvollen Aktivitäten über den gesamten Lebenslauf zu
fördern und zu unterstützen.
Ein Schwerpunkt sollte – wie alle für die European Foundation erstellten
Forschungsberichte herausarbeiten – darauf liegen, die Möglichkeiten für eine
flexible Gestaltung der Lebenserwerbsarbeitszeit zu verbessern. Möglichkeiten
der flexiblen Arbeitszeitgestaltung vermögen Beschäftigten zu helfen, Erwerbsarbeit mit anderen Zeitbedürfnissen im Lebensverlauf zu verbinden. Während die
Aufgabe des Staates darin gesehen werden kann, einen rechtlichen Rahmen für
unterschiedliche zeitbasierte Optionen zu schaffen und die verschiedenen lebensphasenbezogenen Anrechte auf Zeit und Geldleistungen in ein abgestimmtes,
kohärentes Lebenslaufsystem einzubinden, können Kollektivverträge eine ergänzende Funktion übernehmen, indem sie als ‚Vorreiter‘ Impulse für spätere gesetzliche Regelungen z.B. bei der Gestaltung von Arbeitszeitoptionen geben, oder
aber den gesetzlichen Rahmen konkret ausgestalten, teilweise auch ergänzen.
Eine wesentliche Rolle kommt jedoch der betrieblichen Umsetzung flexibler
Arbeitszeitoptionen zu.3
Der Staat kann die Familien- und Lebenslauforientierung von Unternehmen
durch steuerliche Anreize, aber auch durch öffentliche Auszeichnungen (wie die
Auszeichnung als ‚familienfreundlicher Betrieb‘) unterstützen. Ökonomische
Argumente bieten einen weiteren möglichen Anreiz zur Entwicklung einer am
Lebenslauf orientierten, familienfreundlichen Personalpolitik im Unternehmen.
Dass sich eine entsprechende Arbeitszeit- und Personalpolitik im Unternehmen
aufgrund der Reduktion von Fluktuationskosten u.Ä. rechnen kann, hat in
Deutschland z.B. die viel beachtete Prognos-Studie (Prognos 2003) verdeutlicht.
3 Ein interessantes Beispiel hierfür, das die Möglichkeiten, allerdings auch die Grenzen entsprechender mehrstufiger Regulierungssysteme zeigt, ist das 1996 eingeführte, in der Folgezeit mehrfach
gesetzlich und tariflich weiterentwickelte System der Altersteilzeit in Deutschland: Zwar muss
konstatiert werden, dass nicht alle vom Gesetzgeber vorgesehenen Optionen – v.a. die Option der
„echten“ Altersteilzeit – im erhofften Ausmaß aufgegriffen und realisiert wurden. Andererseits wurden aber vielfältige Möglichkeiten genutzt, den bestehenden gesetzlichen Rahmen tarifvertraglich und
in der betrieblichen Praxis auszugestalten (Klammer 2003).
700
Ute Klammer
Allerdings zeigt sich auch, dass die ‚Kultur‘ im Unternehmen häufig wichtiger
ist als das offizielle Repertoire an angebotenen, potenziell familienfreundlichen
und lebenslauforientierten Angeboten. Die gesellschaftspolitische Aufgabe besteht daher darin, die Debatte um Rollenmodelle und wechselnde Bedarfe im
Lebensverlauf so in die Betriebe zu transportieren, dass die Normalitätsvorstellung nicht mehr diejenige des jederzeit verfügbaren und leistungsfähigen (männlichen) Arbeitnehmers – des „zero-drag“-Beschäftigten (Hochschild 1997) – ist,
sondern eine, bei der Beschäftigte grundsätzlich als ‚ganze Menschen‘ angesehen werden, die auch im Lebensverlauf wechselnde Zeitbedarfe jenseits der
Erwerbsarbeit haben (für Fürsorge, gesellschaftliches Engagement, Weiterbildung, Rekreation etc.; Klammer & Klenner 2004). Gesetzlich regulierte Lebenslaufsparmodelle nach holländischem Vorbild können hier eine Unterstützung
sein. Allerdings ist in diesem Zusammenhang – wie erwähnt – auch darauf hinzuweisen, dass entsprechende Sparregelungen die Gefahr in sich tragen, einer
weiteren Individualisierung von Risiken Vorschub zu leisten. Für Individuen mit
geringen beruflichen Chancen und Einkommensmöglichkeiten bieten entsprechende Sparoptionen kein Potenzial, während diese Gruppen vom Abbau kollektiver, umverteilender Leistungssysteme besonders betroffen sind. Das kann nur
verhindert werden, wenn ein neuer politischer Konsens darüber erreicht wird,
dass bestimmte Phasen und Tätigkeiten im Leben – wie Kinderbetreuungs- und
Pflegephasen – (auch weiterhin) der kollektiven Unterstützung im Rahmen sozialstaatlicher Regulierung bedürfen; diese gilt es in einen kohärenten Lebenslaufansatz zu integrieren. Rechtliche Rahmenbedingungen zur individuellen Neuverteilung von Zeit und Geld über den Lebensverlauf müssen daher durch ‚integrierte Optionen‘ (Nr. 1) ergänzt werden, die Zeitoptionen mit Ansprüchen auf Geldleistungen kombinieren.
Für diejenigen, die angesichts veränderter Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt mit vermehrten Erwerbsunterbrechungen und diskontinuierlichen Erwerbsbiographien konfrontiert sind, gilt es angemessene Zugangswege zu den
sozialen Sicherungssystemen zu schaffen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Absicherung der unterschiedlichen Nichterwerbsphasen
und die Existenz bzw. Stärkung des Mindestsicherungsnetzes im jeweiligen
Land. Aktivierungsmaßnahmen können eine Unterstützung bei der Bewältigung
von alten und neuen Risiken darstellen, jedoch die vorgenannten Sicherungsleistungen nicht ersetzen. Universelle, am Bürgerstatus anknüpfende Leistungen
erweisen sich als geeignet zur Abfederung von Unterbrechungsphasen, von Phasen reduzierter Erwerbsarbeit und von Übergängen. Hierdurch kann der Matching-Prozess auf dem Arbeitsmarkt und damit die Produktivität der ArbeitnehmerInnen unterstützt werden. Im Hinblick auf das Einkommen in der Nacherwerbsphase gilt es, Maßnahmen, die Individuen das persönliche Ansparen von
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
701
Zeit und Geld für einen flexiblen Rentenübergang ermöglichen, durch Grundoder Basisrenten in der ersten Säule zu ergänzen.
Auf der betrieblichen Ebene besteht die Herausforderung einer auf längerfristige Entwicklung abzielenden Strategie darin, ein die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberperspektive berücksichtigendes System des gemeinsamen Risikomanagements zu entwickeln. Arbeitgeber sind vielfach steigendem internationalen
Konkurrenzdruck und dem Risiko einer Schwächung der eigenen Marktposition
ausgesetzt, ebenso müssen sie mit dem Problem eines qualitativen und quantitativen Mismatches zwischen Arbeitsangebot und –nachfrage umgehen, der sich auf
Seiten der Arbeitsnachfrage z.B. aus den veränderten Qualifikationsbedarfen
durch technische Entwicklungen ergibt, auf Seiten des Arbeitsangebots u.a. durch
den demographischen Wandel, aber auch durch veränderte Präferenzen und Qualifikationen von Arbeitnehmern. Für ArbeitnehmerInnen können die Strategien,
die Unternehmen als Antwort auf die Globalisierung und verschärfte internationale Konkurrenz entwickeln, zu zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Gestaltung
eines Ausgleichs von Berufs- und Familienleben führen (work family conflict).
Ein gemeinsames Risikomanagement von Arbeitgebern und Beschäftigten, das
auch mögliche zukünftige Entwicklungen und Risiken in den Blick nimmt, kann
Probleme abmildern. Gewerkschaften können im Rahmen einer am Lebenslauf
orientierten Politik eine wichtige Rolle als ‚Lebenslaufberater‘ übernehmen, indem sie den Beschäftigten und Erwerbssuchenden wichtige Unterstützung bei der
vorausschauenden Gestaltung ihrer Erwerbs- und Lebensverläufe geben und unterschiedliche Übergangsphasen im (Erwerbs-)leben betreuen und begleiten.
Vor allem junge Leute müssen besser in Schule und Ausbildung darauf vorbereitet werden, die richtigen Dinge zu tun und die Dinge richtig zu tun. Lebenslaufpolitik eröffnet Optionen und neue Freiheitsgrade, enthält aber auch die Verpflichtung, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Um hierfür die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, wäre ein allgemeiner Anspruch auf Karrierecoaching sinnvoll. Aus dem Blickwinkel der Gleichstellung der Geschlechter
kann es problematisch sein, wenn flexible Möglichkeiten zur Verknüpfung von
Erwerbsarbeit und Fürsorge nur von Frauen in Anspruch genommen werden; der
„Signal-Effekt“ kann zu einer weiteren Diskriminierung von Frauen in der Erwerbswelt führen. Pro-aktive Maßnahmen sind daher unvermindert wichtig, um
die Gleichstellung der Geschlechter und die soziale Gerechtigkeit zu verbessern.
Insofern hat die Lebenslaufperspektive nicht nur einen engen Bezug zu Fragen
der Arbeitsmarktgestaltung, sondern ebenso zur Fürsorgearbeit und zum Feld der
Gleichstellung.
Politikempfehlungen, die sich aus den Ergebnissen der Lebenslaufforschung
für den Sozialstaat ergeben, umfassen somit vor allem:
702
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Ute Klammer
die Unterstützung von Kontinuität und Aufwärtsmobilität sowie die Vormeidung unfreiwilliger Erwerbsunterbrechungen;
die Ermöglichung von erwünschter Flexibilität und Diskontinuität, z.B.
durch die Ermöglichung und Regulierung bestimmter Auszeiten (‚leaves‘);
die Erleichterung und Unterstützung von Übergängen im (Erwerbs-)leben,
indem z.B. Individuen zu Veränderungen ermutigt und entsprechende Übergänge sozial abgesichert werden (‚make transitions pay‘, Schmid & Gazier
2002; Schmid 2006) (siehe den Beitrag von Schmid in diesem Buch);
die Entwicklung geeigneter Beratungs- und Weiterbildungssysteme, vor
allem niedrigschwelliger, breit zugänglicher Angebote zur Karriereberatung
in den Betrieben und außerhalb;
Anreize für einen früheren Einstieg ins Erwerbsleben und einen späteren
Rentenübergang, mit dem Ziel, mehr Raum im Erwerbsleben für andere Aktivitäten zu lassen (Entzerrung der ‚Rush-Hour of Life‘);
die Einführung eines am Lebenslauf orientierten Zeitmanagementsystems
mit einem geeigneten gesetzlichen Rahmen angelehnt an das holländische
Lebenslaufsystem; dies sollte jedoch kombiniert und abgestimmt werden
mit einer Neuausrichtung kollektiver Unterstützungssysteme (Geldleistungen) für bestimmte, definierte Lebensphasen und Sachverhalte;
eine Lohnpolitik und unterstützende Geldleistungen aus dem System der
sozialen Sicherung, die die negativen Auswirkungen von fürsorgebedingten
Erwerbsreduzierungen und -unterbrechungen auf die spätere Erwerbstätigkeit und Einkommensmöglichkeiten abmildern;
(zusätzliche) institutionelle Unterstützung von erwerbstätigen Müttern und
anderen Personen mit Fürsorgeaufgaben;
ergänzend erscheint es unverzichtbar, einen möglichst flächendeckenden
Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen zu schaffen und Mindestsicherungsleistungen – vor allem im Gesundheits- und Rentenbereich – zu stärken, die den ‚VerliererInnen‘ der Flexibilisierung zugute kommen.
Trotz einiger übereinstimmender Trends unterscheiden sich die Probleme und
Optionen zwischen den Ländern allerdings deutlich, wie die für die European
Foundation erstellten Projektberichte verdeutlichen. Den Analysen zufolge sind
die südlichen EU-Länder bislang besonders weit von einer an der Verbindung
von Flexibilität und Sicherheit orientierten Lebenslaufpolitik entfernt. Liberale
Länder wie Großbritannien weisen hohe Armutsquoten, vor allem auch im Bereich der Kinderarmut auf. Da Europa weiterhin durch seine Vielfalt in der Ausgestaltung kapitalistisch/marktwirtschaftlich orientierter Systeme (‚varieties of
capitalism‘) geprägt sein wird, werden auch unterschiedliche Wege zur Verfolgung einer Lebenslaufpolitik zu gehen sein. Bei der Wahl geeigneter Strategien
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
703
müssen historische Entwicklungen wie auch der gegenwärtige, gewachsene
Stand einschlägiger Normen und Regelungen berücksichtigt werden. Dies betrifft insbesondere die historischen, politischen, institutionellen und kulturellen
Gegebenheiten sowie die Verfasstheit des Arbeitsmarktes im jeweiligen Land.
Die von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertengruppe für Flexicurity hat daher vier wesentliche Wege (‚pathways‘) zur Verbesserung der
Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit im Lebensverlauf herausgearbeitet
(European expert group on flexicurity (2007)):
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Weg 1: Konzentration auf die Reduktion von Asymmetrien zwischen der
Regulierung von ‚Normalarbeitsverhältnissen‘ und hiervon abweichenden
Arten von Arbeitsverhältnissen durch volle Integration von NichtNormalarbeitsverhältnissen in die vorgesehenen gesetzlichen, tarifvertraglichen und betrieblichen Schutzregelungen;
Weg 2: Konzentration auf die Verbesserung der Anpassungsfähigkeit von
Unternehmen und Beschäftigten, indem Übergangsprozesse besser flankiert
und abgesichert werden;
Weg 3: Konzentration auf Ausbildungsdefizite und fehlende berufliche
Möglichkeiten von Teilen der Erwerbsbevölkerung durch Investitionen in
Aus- und Weiterbildung;
Weg 4: Konzentration auf die Verbesserung von Erwerbsanreizen und –
möglichkeiten für SozialleistungsempfängerInnen mit den Zielen, langfristige Abhängigkeit von Sozialleistungen zu vermeiden und informelle Arbeit
zu regulieren.
Die skizzierten Wege lassen sich im Sinne von Empfehlungen tendenziell Gruppen von Ländern zuordnen, die auch in der Literatur zu Wohlfahrtsstaatsregimen
und Typen des Kapitalismus (‚Varieties of Capitalism‘, VOC) identifiziert werden, wenn auch teilweise die Kombination unterschiedlicher Strategien sinnvoll
sein dürfte. So erscheint für den unregulierten und unkoordinierten englischen
Arbeitsmarkt vor allem Weg 3 angezeigt, während die wenig flexiblen Arbeitsmärkte der EU-Südschiene vor allem von Weg 1 profitieren könnten und die
stark regulierten Arbeitsmarktsysteme in Kontinentaleuropa – darunter auch
Deutschland – durch eine Konzentration auf Weg 2. In den nordischen Systemen
kann teilweise Weg 3 eine sinnvolle Strategie darstellen, jedoch auch eine Kombination mit Weg 2. In vielen mittel- und osteuropäischen EU-Länder besteht,
wie im Rahmen von Weg 4 angesprochen, ein besonderer Bedarf an einer Regulierung informeller Arbeit und der Weiterentwicklung von arbeitsmarkt- und
sozialpolitischen Institutionen zur Unterstützung der (Erwerbs-)Bevölkerung in
verschiedenen Stadien des Lebensverlaufs. Entsprechend können unterschiedli-
704
Ute Klammer
che Wege zur Entwicklung einer am Lebenslauf orientierten Politik wie auch zur
gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung des Landes beitragen.
Ein Lebenslaufansatz erkennt an, dass das menschliche Leben durch Risiken, Zufälligkeiten und Diskontinuitäten geprägt ist. Risiken und Unsicherheiten
können nicht beseitigt werden, jedoch kann eine Lebenslaufpolitik das Ziel verfolgen, entsprechende Risiken möglichst vorausschauend zu erkennen und so gut
wie möglich zu managen. Ein entsprechendes Risikomanagement, das sowohl
das Ziel verfolgt, BürgerInnen die Gestaltung und Verknüpfung von Erwerbstätigkeit und anderen sozial wichtigen Tätigkeiten über den Lebensverlauf zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch den Ausgleich zwischen individuellen, betrieblichen und gesellschaftlichen Interessen im Blick hat, ist hochkomplex.
Diese Komplexität ist auch dadurch bedingt, dass Präferenzen, Interessen und
Bedürfnisse sich über den Lebensverlauf und grundsätzlich im Zeitverlauf ändern. Eine umfassend verstandene Lebenslaufpolitik setzt daher die Beteiligung
unterschiedlicher Akteure voraus: Individuen, Unternehmen, Sozialpartnern,
sozialen Sicherungsinstitutionen, privaten Sicherungseinrichtungen (wie Rentenfonds) und dem Staat fallen neue Aufgaben zu.
Für die Zukunft ergeben sich aus dieser Perspektive sowohl neue Aufgaben
im Bereich der theoretischen und empirischen Forschung zum gesellschaftlichen
Umgang mit Risiken, als auch zur nachhaltigen politischen Gestaltung entsprechender Risiko- und Bedarfslagen.
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daher ebenso zitiert als ‚Nr. 5‘).
Klammer, U., Muffels, R. & Wilthagen, T. (2008): Flexibility and security over the life
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708
Ute Klammer
Anhang
Bericht Nr. 1 (Naegele et al. 2003): Das Projekt konzentrierte sich auf die Veränderung von Lebensläufen, v.a. die Ablösung standardisierter Lebensverläufe
durch eine Vielzahl unterschiedlicher Zeitstrukturen und sich im Zeitablauf verändernder zeitlicher Arrangements. Weitere Untersuchungsschwerpunkte galten
(Arbeits-)Zeitpräferenzen und Aspekten der Lebensqualität aus der Lebenslaufperspektive. Im ersten Teil des Berichts findet sich eine sekundäranalytische
Auswertung von Lebenslaufstudien ebenso wie von (Querschnitts-)Daten der
amtlichen Statistik. Die Ergebnisse der Analyse wurden genutzt, um die Lebenslaufperspektive weiterzuentwickeln und eine Typologie unterschiedlicher Lebenslaufmuster zu erstellen. In einem zweiten Teil des Projektes und des Berichtes wurde auf der Basis von Informationen, die durch ein Netzwerk von Länderexperten zusammengetragen wurden, vertiefende Analysen zur Situation in einzelnen EU-Ländern entwickelt. Der Bericht untersucht die sich ändernden Bedarfe von Beschäftigten und Arbeitgebern aus der Lebenslaufperspektive und
diskutiert Möglichkeiten, die Systeme der sozialen Sicherung an die aus der
Lebenslaufperspektive identifizierten, veränderten Bedarfe anzupassen.
Bericht Nr. 2 (Klammer et al. 2005): Im Zentrum dieses Berichts steht eine
komparative institutionelle Analyse. Untersucht werden die Entwicklung und der
gegenwärtige Stand unterschiedlicher (West-)Europäischer Wohlfahrtsstaaten im
Hinblick auf den Zugang von Erwerbstätigen und BürgerInnen zu verschiedenen
„Zeitoptionen“ im Lebensverlauf sowie die Art der mit den verschiedenen Optionen/Situationen verbundenen sozialen Sicherung (z.B. bestimmte Erwerbsunterbrechungen, Nichterwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit, Teilzeit oder flexible
Arbeitszeiten). Der Bericht behandelt sowohl die Frage, wie Individuen und
Haushalte in verschiedenen Situationen über den Lebensverlauf abgesichert sind,
wie auch die Frage, welche Konsequenzen die Existenz und Zunahme bestimmter Zeitverwendungs- und Lebenslaufmuster für die finanzielle Nachhaltigkeit
nationaler Sozialleistungs(sub)systeme hat. Dabei bezieht die Analyse unterschiedliche Regelungsebenen (z.B. gesetzlich, tariflich, betrieblich) und ihr länderspezifisches Ineinandergreifen mit ein. Aus den Befunden werden Überlegungen zur institutionellen Ausgestaltung einer am Lebenslauf orientierten Sozialpolitik im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure entwickelt.
Flexibilität und Sicherheit im individuellen (Erwerbs-)Lebensverlauf
709
Bericht Nr. 3 (Anxo et al. 2006): Im Unterschied zu den beiden erstgenannten
Berichten konzentriert sich der dritte, aus dem gleichen Projekt wie der zweite
hervorgegangene Bericht auf die Analyse und Interpretation empirischer Daten.
Auf der Basis von Querschnittsdaten des ECHP für das Jahr 2000 (und anderer
Daten) wird für eine Reihe westeuropäischer Wohlfahrtsstaaten vergleichend
aufgezeigt, welche Zeitverwendungsmuster von Frauen und Männern in verschiedenen Lebensphasen und Haushaltskonstellationen zu beobachten sind,
welche Einkommensquellen und monetäre Transfers eine Rolle spielen und wie
die (Arbeitszeit-)Präferenzen aussehen. Dabei wird die Ebene der Betrachtung
von Individuen zugunsten einer Berücksichtigung des Haushaltszusammenhangs
erweitert. Die Erkenntnisse über verschiedene Haushaltstypen aus den Mikrodaten werden, aufbauend auf den institutionellen Analysen des Berichts Nr. 2, mit
den institutionellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes verknüpft. In
einem weiteren Kapitel widmet sich Bericht Nr. 3 auf der Basis von Fallstudien
ersten Überlegungen zur Bedeutung der Lebenslauf- oder Langfristperspektive
für das Handeln von Betrieben und greift damit die Meso-Perspektive auf.
Bericht Nr. 4 (Torres et al. 2007): Der Bericht basiert gänzlich auf Datenanalysen; der Berichtsauftrag bestand darin, die Daten des Eurobarometer (EB 6.03)
sowie der entsprechenden Datenbasis für die Beitrittskandidatenländer (EB
CCEB3) unter der Lebensverlaufsperspektive auszuwerten. Auch bei diesen
Daten handelt es sich um Querschnittsdaten, die sich auf das Erhebungsjahr 2003
beziehen. Die Analyse umfasst 25 der insgesamt 28 durch die Datenbasis erfassten Länder. Der Bericht widmet sich zunächst der Frage, inwiefern unterschiedliche Lebenslaufmuster in den verschiedenen Ländern durch Unterschiede in den
gesellschaftlichen und (sozial-)politischen Rahmenbedingungen zu erklären sein
könnten. Der Bericht stellt daraufhin ländervergleichend detailliert verschiedene
Aspekte der Zeitverwendung (auch im Zusammenspiel von Beruf und Familie)
sowie Unterschiede in den Präferenzen über den Lebensverlauf dar. Hierbei wird
teilweise auf Fragestellungen und methodische Ansätze zurückgegriffen, die in
den ersten drei Berichten (v.a. in Bericht 3) entwickelt wurden. Der Mehrwert
des 4. Berichts resultiert vor allem aus der größeren Zahl untersuchter Länder
inklusive einiger neuer EU-Mitgliedsländer, die ausschließlich in diesem Bericht
mit berücksichtigt werden. Einige politische Schlussfolgerungen schließen sich
an die empirischen Auswertungen an.
Bericht Nr. 5 (Muffels et al. 2007; Klammer et al. 2007): Der fünfte, bisher nur
in Ausschnitten veröffentlichte Bericht verfolgt unterschiedliche Untersuchungsund Erkenntnisinteressen. Er kombiniert empirische Datenanalysen mit konzeptionellen Arbeiten zur Arbeitszeitflexibilität sowie mit Analysen zu kurzfristigen
710
Ute Klammer
und langfristigen Strategien von Unternehmen. Als einziger der fünf Berichte
widmet sich Bericht Nr. 5 der Analyse von Längsschnittsdaten; für 15 Europäische Länder werden Paneldaten für max. 8 Jahre ausgewertet, für einige (wenige) Länder auch Life History- und Paneldaten über lange Zeiträume. Ein Untersuchungsschwerpunkt ist den kurz-, mittel- und langfristigen Erwerbs- und Einkommenswirkungen von Erwerbsunterbrechungen (z.B. nach der Geburt eines
Kindes) sowie von Erwerbstätigkeit in befristeten und Teilzeiterwerbsverhältnissen gewidmet. Zur Erklärung der beobachteten Differenzen zwischen den untersuchten Ländern widmet sich der Bericht erneut auch dem Einfluss verschiedener institutioneller Rahmenbedingungen wie der Ausgestaltung des Kündigungsschutzes, dem Zugang zu unterschiedlichen Arbeitszeitoptionen, der Großzügigkeit monetärer Sicherungsleistungen sowie den geschlechtsspezifischen (Arbeits-)
Zeitpräferenzen. In dem als Klammer et al. (2007) veröffentlichten Berichtsteil
wird der Frage nachgegangen, ob und wie unterschiedliche Zeithorizonte von
Unternehmen und ihren Beschäftigten in Übereinstimmung gebracht werden
können bzw. welche kurz- und langfristigen Strategien Unternehmen gegenüber
unterschiedlichen Gruppen in ihrer Belegschaft einsetzen. Einige Beispiele gelungener Lebenslaufpolitik in Unternehmen werden präsentiert. An die Ergebnisse schließen sich Überlegungen zur Frage an, wie die Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Akteuren (Individuen, Betrieben, Tarifpartnern/Gewerkschaften, Staat) im Rahmen einer Lebenslaufpolitik aussehen könnte.

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