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30.10.2015
Sindelfingen
Eine aufgeschlossene Schule
Kleine Delegation iranischer Lehrerinnen hat die
Gemeinschaftsschule im Sindelfinger Eichholz besucht
Im März 2014 ein russischer Führungskader aus dem Bildungsbereich, im
Juni 2015 amerikanische Lehrer - nun eine Abordnung von Lehrerinnen
aus dem Iran: Die Gemeinschaftsschule im Sindelfinger Eichholz zieht
Neugier aus dem Ausland auf sich. Rektorin Barbara Knöbl freut's.
VON SIEGFRIED DANNECKER
SINDELFINGEN. Mittwochvormittag im Eichholz. Das LehrerinnenQuartett aus Teheran mit seiner Dolmetscherin und Begleiter Karimian
Eghbal, Unternehmer in Deutschland, hat sich verspätet. Die
Umbauarbeiten am "Gatter" machten einen Umweg nötig. Kein Problem.
Iranische Mentalität nimmt sich Zeit. Das heiße Wasser, das Schulchefin
Barbara Knöbl für den obligatorischen Tee bereitgestellt hat, bleibt in den
Thermoskannen lange genug dampfend. Und dass sie nach der Annahme
eines Gastgeschenks (Pistazien, in hübsche Tücher geschnürt) ihr
Willkommen auf Persisch (!) hält: Das nötigt dem Sextett aus der Ferne
allergrößten Respekt ab: Beifall.
Dass Ministerialrat Siegmut Keller nun schon zum dritten Mal neugierige
ausländische Pädagogen gezielt an die Eichholz-Gemeinschaftsschule
führt, hat einen guten Grund. Das gibt der Mann aus dem
Kultusministerium freimütig zu. Zwar fänden sich auch in Stuttgart
Schulen dieser Art. Gerade genug sogar. Doch Barbara Knöbl sei eben
"aufgeschlossen", habe "viel Erfahrung in Sachen Bildung" und empfange
Gäste gern, sagt er. Offenes Schulhaus. "Wir haben uns", erklärt die
Schulleiterin der Dolmetscherin zum Übersetzen, "schon vor fünf Jahren
auf die Fahnen geschrieben, dass der Weg des längeren gemeinsamen
Lernens der richtige ist."
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Kopftücher bringen einen Hauch von Exotik ins Klassenzimmer
Die vier Lehrerinnen, darunter eine ältere Schulleiterin, hören aufmerksam
zu, machen sich Notizen, zücken Smartphone und iPad für Fotos und
Videos. Ein eigenwilliger Kontrast zu ihren Kopftüchern, könnte man
meinen. Oder, irgendwie, wiederum auch ganz normal. Eine schöne Schule
sei das, gucken die vier Damen aus den Fenstern in die Natur und finden
Deutschland überhaupt schön, weil es so grün sei (auch wenn's längst
herbstet).
Siegmut Keller hat auf seinem Schreibtisch viele Anfragen aus dem
Ausland. Lehrer, Schulleiter, Bildungsfachleute und -politiker interessieren
sich für das deutsche Schulwesen. Für das duale Ausbildungssystem mit
Haupt-/Real- und Berufsschulen ebenso wie für Gymnasien. Oder
Gemeinschaftsschulen. Was die vier Frauen aus dem Islam in BadenWürttemberg erkunden wollen, ist eine Antwort auf die Frage: Steckt
hinter dem offensichtlichen wirtschaftlichen Erfolg des Ländles, seiner
ökonomischen und sozialen Prosperität, ein schulisches Geheimnis?
Daraus könne man für den Iran etwas lernen. Eine These, für die gewiss
vieles spricht. Im Iran, erklärt die Dolmetscherin den deutschen
Gastgebern, besuchten alle Kinder nach der Grundschule eine
weiterführende Schule, die sie "Gymnasium" nennt. Aber studieren würden
viel weniger. Eine berufliche Ausbildung à la Deutschland mit
betrieblicher Praxis und berufsschulischem Theorieunterricht sei
unbekannt. Womöglich auch schwer kopierbar. "Was wir hier seit 100
Jahren kennen", weiß Siegmut Keller, sei auf andere Kulturen nicht immer
übertragbar. Mentalitätsunterschiede, Traditionen. So schnell ändert man,
was jahrhundertelang gewachsen ist, nicht. Auch dann nicht, wenn man
Veränderungen will. Sindelfingen ist dabei gar nicht erste Station des
Besuchs aus dem islamischen Land. Früher schon haben die Damen
Österreich besucht, wo die Gemeinschaftsschule gerade "politisch von
oben verordnet, also nicht wie bei uns freiwillig umgesetzt wird" (Knöbl).
Auch Kanada, gewissermaßen Mutterland der Gemeinschaftsschule, war
den Iranerinnen einen Aufenthalt wert.
Buchstäblich ein "fabelhafter" Unterricht
Dann geht es ab in zwei Klassenzimmer, wo etwa der 13-jährige Niklas
gerade ganz für sich allein den Umfang von Dreiecken bestimmt. Einen
Raum weiter geht es um Fabeln. Larissa, Nico, Leon und Niklas
präsentieren sich gegenseitig einen ganzen Strauß von Fabeln: "Der Esel
und das Pferd" zum Beispiel. Oder "Der Eber und der Fuchs". Die
Klassenstufe 6 gibt eine sehr gute Figur ab. Mutig stehen die Sechser vor
die Klasse und geben ihre Weisheiten kund, bewerten sich gegenseitig,
auch wenn mal ein Schnitzer passiert. "Der Fuchs, der wo versucht, die
Trauben zu kriegen", sagt einer in schwäbisch-deutscher Dialekt-Diktion.
Egal. Die Iranerinnen als Zuschauerinnen und Zuhörerinnen wirken höchst
interessiert. Vielleicht finden sie diese moderne Art, Schule kooperativ und
lernindividuell zu gestalten, ja buchstäblich fabelhaft.
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