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HINTERGRUNDINFORMATION
» GENMAIS 1507
Die EU-Kommission hat dem Rat am 6. November 2013 einen Vorschlag für eine Anbauzulassung für
den gentechnisch veränderten Mais 1507 der Firma Pioneer Hi-Bred vorgelegt.
Der Zulassungsantrag von Pioneer stammt aus dem Jahr 2001. Im Jahr 2010 verklagte Pioneer die EUKommission, weil keine fristgerechte Entscheidung über den Zulassungsantrag erfolgt war. Das Gericht
der Europäischen Union gab im September 2013 dieser Klage Recht.
Zur Abstimmung der Außen- und Europaminister der EU-Staaten kommt es voraussichtlich am 11.
Februar 2014. Für eine positive oder negative Entscheidung des Rates ist eine „qualifizierte Mehrheit“
erforderlich. Kommt diese nicht zustande, kann die Kommission alleine entscheiden und wird nach
bisherigen Aussagen die Zulassung erteilen.
Erstmals seit dem nationalen Anbauverbot für den Gentech-Mais MON810 im Jahr 2009 kann es
damit auch in Deutschland wieder zum kommerziellen Anbau einer gentechnisch veränderten
Pflanze kommen.
BUNDESREGIERUNG IMMER NOCH UNENTSCHIEDEN
Die Bundesregierung hat noch immer keine eindeutige Position zum Zulassungsvorschlag beziehen
wollen (trotz mehrfacher Nachfragen im Bundestag). Am Mittwoch, 5. Februar 2014, findet die letzte
Kabinettssitzung vor dem Stichtag der EU-Entscheidung (11. Februar) statt. Spätestens dann wird
sich die Bundesregierung auf ihr Abstimmungsverhalten verständigen.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat sich „skeptisch“ zur AnbauZulassung für „1507“ geäußert. Neben Kanzleramt, Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte sich zunächst auch das SPD-geführte
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) intern für die Anbauzulassung ausgesprochen –
in klarem Widerspruch zu SPD-Parteitagsbeschlüssen und zum SPD-Bundestagswahlprogramm. Erst
Appelle wie der Offene Brief Grüner Bundestagsabgeordneter sowie die gleichlautende Forderung von
Verbänden wie BUND und BÖLW motivierten den Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden Gabriel am
23. Januar doch noch dazu, die Anbauzulassung öffentlich abzulehnen.
Neben 1507 stehen Anbau-Zulassungen für mindestens fünf weitere gentechnisch veränderte
Pflanzen an, deren Zulassungsverfahren ähnlich fortgeschritten sind. Dies gilt auch für die
Wiederzulassung von MON 810. Mit der Wiederzulassung würde das deutsche Anbauverbot für MON 810
automatisch aufgehoben.
RISIKEN DER GENTECHNISCH VERÄNDERTEN MAISLINIE „1507“
Die Maislinie 1507 ist gegen den Herbizidwirkstoff Glufosinat immun. Dessen Anwendung unterliegt in
der EU strengen Anwendungsbeschränkungen, da der Wirkstoff von der Wissenschaft als Embryoschädigend eingestuft wird. Weil die EU-Risikobewertungsbehörde EFSA davon ausgeht, dass die
Glufosinat-Toleranz in der landwirtschaftlichen Praxis nicht genutzt wird, wurden im EUZulassungsverfahren mögliche Auswirkungen dieser Eigenschaft überhaupt nicht untersucht. Dabei
wird die Kombination von 1507 mit Glufosinat in den USA von Pioneer offensiv beworben. Zwar ist die
Anwendung dieses Wirkstoffs bei Mais in Deutschland zurzeit verboten, aber niemand kann
garantieren, dass dies so bleibt.
GENTECH-MAIS 1507 PRODUZIERT SELBST GIFT, DAS INSEKTEN BEDROHT
Zusätzlich produziert Mais 1507 in allen Pflanzenteilen ein Gift, welches vor allem gegen schädliche
Schmetterlingsarten wie den Maiszünsler wirken soll. Studien wie die von Mendelsohn et al. (2003)
belegen, dass 1507 deutlich giftiger ist als der Genmais MON810, insbesondere der Pollen enthält laut
EFSA 350-mal mehr Gift.
Sowohl Menge als auch Art des Toxins bergen große Risiken für sogenannte Nichtziel-organismen (also
vor allem Insektenarten). Wegen dieser ökologischen Risiken ist der Anbau vom Genmais MON810 in
Deutschland seit 2009 verboten.
Obwohl auch die EFSA solche Risiken und Datenlücken im Fall von 1507 festgestellt und Maßnahmen
zum Schutz Nichtzielorganismen vorgeschlagen hat (unter anderem Abstände zu Naturschutzgebieten),
sind diese Forderungen im Kommissionsvorschlag nicht berücksichtigt. Umweltverbände wie
Greenpeace und Testbiotech kritisieren auch, dass Auswirkungen von 1507 auf Wasser- und
Bodenorganismen kaum untersucht wurden.
GESUNDHEITLICHE RISIKEN KAUM ERFORSCHT
Auch gesundheitliche Risiken wurden bislang kaum erforscht. So fehlen aussagekräftige
Untersuchungen zu Allergierisiken durch das im Gen-Mais gebildete Insektengift oder möglichen
Langzeit-Wirkungen von Lebensmitteln aus Mais 1507. Fütterungsversuche über 90 Tage an Ratten
haben auffällige Abweichungen bei Blut- und Leberwerten sowie verkleinerte Nieren ergeben.
Risikobewertungsbehörden mehrerer EU-Staaten haben zudem erhebliche methodische Mängel und
fehlende Daten bei Studien kritisiert, auf denen der Zulassungsvorschlag der EU-Kommission für 1507
basiert.
GENTECH-ZULASSUNG SCHADET DEM WIRTSCHAFTSSTANDORT DEUTSCHLAND
Eine Zulassung des Gentech-Maises schadet auch dem Produktionsstandort Deutschland. Landwirte,
Ernährungswirtschaft und Handel haben sich in letzter Zeit auf eine gentechnikfreie Erzeugung
ausgerichtet. Allein die 190 Mitglieder des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik erzielen einen
Jahresumsatz von 68 Milliarden Euro. Die deutsche Lebensmittelwirtschaft müsste sich im Falle einer
1507-Zulassung mit Riesenaufwand vor der Verunreinigung ihrer Felder und Produkte schützen.
Bei dieser Zulassung steht also nichts weniger auf dem Spiel als der hart errungene Status eines
„gentechnikfreien“ Landes!
GRÜNE FORDERUNGEN:
Eine Zulassung von 1507 ist aufgrund der unzureichend geklärten Risiken für die Umwelt nicht zu
verantworten. CSU und SPD müssen zu ihren bisher gentechnikkritischen Positionen stehen und ein
Nein Deutschlands unterstützen. Außerdem fordern wir, dass die Bundesregierung sich aktiv auch bei
anderen EU-Ländern für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlages einsetzt, damit eine
„qualifizierte Mehrheit“ gegen den Kommissionvorschlag möglich wird. Wenn die Große Koalition jetzt
nicht handelt, ist ihre Aussage im Koalitionsvertrag „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der
Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik an“ als leere Floskel entlarvt. Das Europäische
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | HINTERGRUNDINFORMATION
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Parlament hat sich am 23. Januar 2014 mit breiter Mehrheit gegen eine Anbauzulassung für den
Gentechnik-Mais 1507 von Pioneer ausgesprochen und (wie wir Grüne) eine Reform der
Risikobewertungsverfahren für GVO gefordert, damit Risiken und Auswirkungen umfassend und
unabhängig untersucht werden. Dazu gehört auch die Berücksichtigung sozio-ökonomischer Folgen
des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen (GVO).
Wir Grüne im Bundestag wollen die Gentechnikfreiheit Deutschlands und des Großteils Europas im
Interesse von Verbraucherschutz, Landwirten und Imkerei erhalten. Gentechnikfreie Qualitätsprodukte
sind ein Wettbewerbsvorteil für Europas Landwirtschaft auch beim Export hochwertiger Lebensmittel.
Insgesamt fällt die Bilanz von 20 Jahren kommerziellem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
(GVO) eindeutig negativ aus: Weder sind mit der Agrogentechnik Ertragszuwächse noch Einsparungen
bei Pestiziden verbunden. Stattdessen steigen die Pestizidmengen (vor allem Glyphosat) in den GVOAnbaugebieten aufgrund von zunehmenden Resistenzen bei Unkräutern und Schädlingen. Gleichzeitig
verringert sich die Sortenvielfalt und die Kosten für Saatgut steigen erheblich. Die Probleme und
Herausforderungen der Landwirtschaft lassen sich besser durch moderne und kostengünstige
konventionelle Züchtung sowie durch bessere Anbausysteme lösen (unter anderem mehr Fruchtfolgen,
Ökolandbau).
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