Spezial Wohnen mit Stil 03/10

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Spezial Wohnen mit Stil 03/10
SPEZIAL
Januar 2010
WOHNEN MIT STIL
Bad-Träume
Designer
Homestory
Wohlfühl-Oasen im Wohnzimmer
Die Trends der Kölner Möbelmesse
Feuerwache mit radikalem Chic
WWW.IMM-COLOGNE.DE
DIE
INTERNATIONALE
MÖBELMESSE
KÖLN
CREATING
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JANUAR
2010
Eintrittskarte = VRS-Fahrausweis !
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Koelnmesse GmbH, Messeplatz 1, 50679 Köln
Tel. 0180 5 91 3131*, Fax 0221 821-99 1180
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* 0,14 EUR/Min. aus dem dt. Festnetz, max. 0,42 EUR/Min. aus dem Mobilfunknetz
und allen bekannten Vorverkaufsstellen.
D E S I G N I N H A LT
INTRO
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Warum wir wieder an
nüchterne Neuheiten glauben.
Die fünfköpfige Trend-Jury der
Kölner Möbelmesse imm
cologne 2010 gibt den Ton an
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MEIN KÖLN
14
Der Kölner Design-Professor Paolo Tumminelli verrät seine
liebsten Szene-Treffpunkte in der Domstadt
WOHNTRENDS
Mönchischer Minimalismus oder
warme Kuscheligkeit. Was sich
hinter den vier Strömungen des Jahres
Discipline, Comfort Zone (Foto),
Rehab und Trickery verbirgt
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HAUSBESUCHE
Zwei Traumhäuser
in Münster und Krefeld:
eine umgebaute
alte Feuerwache und eine
Villa im Bauhaus-Stil
von Design-Connaisseurin
Petra Josephs (Foto)
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WOHNBÄDER
Wellness-Oase statt Nasszelle: Einst Stiefkind deutscher Behaglichkeit,
wandelt sich das Bad zur Bühne für Körperkult
TRAUMHAUS
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Das wohl teuerste Fertigbauhaus im Ruhrgebiet – Stararchitekt
Daniel Libeskind hat es in Datteln gebaut
F OCUS -SPEZIAL „WOHNEN MIT STIL“
FOCUS Magazin Verlag GmbH, Arabellastraße 23, 81925 München, Postfach 81 03 07, 81903 München, Telefon: 0 89/92 50-0, Fax: 0 89/92 50 - 20 26
Herausgeber: Helmut Markwort
Chefredakteure: Helmut Markwort und Uli Baur
Art Director: Bardo Fiederling
Titel: Eva Dahme
Chef vom Dienst: Sonja Wiggermann
Konzeption & Redaktion: Gabi Czöppan
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Gabi Czöppan, Petra Hollweg,
Matthias Kietzmann, Pascal Morché, Thomas van Zütphen
Grafik: Kristina Runge
Bildredaktion: Sirka Henning
Dokumentation/Schlussredaktion: Dr. Martin Seidl,
Petra Kerkermeier (stellv.)
Titel: Constantin Meyer/Kölnmesse 2010
Produktion/Herstellung: Ernst Frost, Helmut Janisch
Bildbearbeitung: Reinhard Erler (Ltg.)
Bildtechnik: Harry Neumann (Ltg.)
Redaktionstechnik: Bernd Jebing, Kai Knippenberg
FOCUS-Spezial „Wohnen mit Stil“ erscheint in der
FOCUS Magazin Verlag GmbH. Verantwortlich für den
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Verleger: Dr. Hubert Burda
INHALT: Fotos: O. Krato/FOCUS-Magazin, Kölnmesse 2010, Screen ID/Libeskind
DESIGN INTRO
BLICK NACH VORN
FOCUS-Redakteurin
Gabi Czöppan über
kreative Schübe in
schwierigen Zeiten
NEUER STIL
E
s geht ein Ruck durch die Branche. Nach der Schockstarre durch
die Finanzkrise und rückläufige Verkaufszahlen starten die Kreativen der Möbelindustrie jetzt wieder richtig durch: Eine „große
Chance auf Rückbesinnung“ wittert die Designerin und Architektin Johanna Grawunder in der Rezession. „Es gelten wieder die Grundwerte
des Bauhauses: form follows function“, meint die Amerikanerin aus
San Francisco. „Ich bin optimistisch, nicht nur wie wir Materialien im
Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ökologie benutzen, sondern auch wie
wir künftig leben und konsumieren werden.“
Die Designerin mit Büro in Mailand ist Mitglied des von der Kölner
Möbelmesse ins Leben gerufenen Trendboards 2010. Die Jury, bestehend aus fünf Experten, hat für die diesjährige imm cologne die
vier Haupttrends der Saison zusammengestellt. Das Ergebnis präsentiert die Messe ab Dienstag dieser Woche in einem Trendbook und
in einer Sonderschau, die am Wochenende auch dem Publikum offensteht. Was sich hinter den Schlagwörtern „Discipline“, „Comfort
Zone“, „Rehab“ und „Trickery“ verbirgt, lesen Sie auf den nächsten
Seiten. So viel sei schon verraten: Das wichtigste heißt Rehab, Erholung, Kur. Nach exzessiven Materialschlachten, ausufernden Wohnlandschaften, postmodernen Spielereien und luxuriösen Dekors sehnen wir uns nach nüchternen Neuheiten.
Der neue Luxus heißt Qualität. Bewährtes wird verfeinert, pures
Material betont, Handwerk perfektioniert und dabei experimentiert.
Immer mehr Konsumenten lassen sich hochwertige Verarbeitung
und natürliche, schadstoffarme Werkstoffe etwas kosten. Nachhaltig bedeutet auch: langlebig, ein Möbelstück soll nicht nur für Generationen halten, es soll auch Trends und Moden überstehen und
zeitlos gefallen. „Wir sind zu arm, uns billige Möbel zu kaufen“, zitiert Dirk-Uwe Klaas vom Verband der deutschen Möbelindustrie (VDM)
das Motto seines Großvaters und bringt damit das KonsumentenCredo auf den Punkt. Der VDM-Hauptgeschäftsführer hat längst einen „Mentalitätswandel“ bei den Deutschen festgestellt. „Die Menschen werden wieder sensibler für die Ressourcen dieser Welt und
für die Dinge, die Wert und Beständigkeit haben“, prognostiziert er.
„Die Nachfrage nach Nachhaltigkeit und Wertigkeit nimmt auch in unserer Branche zu.“
Während die einen ihr Wohnzimmer stilsicher entschlacken, suchen die anderen im heimeligen Nest Behaglichkeit und Schutz vor
den Widrigkeiten der Welt da draußen. Durchschnittlich sei „der
Mensch im Jahr rund 340 Tage im eigenen Zuhause“, schätzt DirkUwe Klaas. Es liegt auf der Hand, dass Einrichten bei den Deutschen Kult ist. Das Land der treuesten Ikea-Gänger ist Weltmeister des internationalen Wohnens – kein anderer europäischer Staat
importiert so viele Möbel wie Deutschland. Selbst das Badezimmer
wird hierzulande zunehmend einer Frischzellenkur unterworfen. Wir
zeigen Ihnen, wie sich die kühle Nasszelle zur modernen WellnessOase gewandelt hat, wir blicken in zwei traumhaft gestaltete Häuser und stelle Ihnen das erste Fertigbauhaus des New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind vor.
GABI CZÖPPAN
Weitere Berichte lesen Sie auf: www.focus.de/moebelmesse
4
»Ein Haupttrend heißt:
zurück zu den
Basics: handwerkliche
Perfektion und
natürliche
Materialien«
CECILIE MANZ,
DESIGNERIN, KOPENHAGEN
T R E N D - J U RY
Cecilie Manz, Marcus Fairs,
Johanna Grawunder, Giulio Ridolfo
und Bertjan Pot sagten die Trends
an: Discipline, Comfort Zone,
Rehab und Trickery
»Nach Designexzessen der
letzten Jahre
heißt es jetzt:
ausnüchtern
und eine neue
Behaglichkeit
pflegen«
»Wir fanden
widersprüchliche Trends
wie das Spiel
mit Illusionen
und den Drang
zu einer neuen
Klarheit«
M A R C U S FA I R S ,
DESIGNKRITIKER, LONDON
GIULIO RIDOLFO,
TEXTILEXPERTE, UDINE
»Die Rezession
ist eine
Chance, uns
wieder auf
Werte wie
Nachhaltigkeit
und Ökologie
zu besinnen«
»Die
Sehnsucht
nach Werten
bestand schon
vor der Krise –
jetzt wird sie
radikaler
umgesetzt«
J O H A N N A G R AW U N D E R ,
DESIGNERIN UND ARCHITEKTIN,
SAN FRANCISCO UND MAILAND
B E R T J A N P O T,
DESIGNER, SCHIEDAM (NL)
TONABSTIMMUNG
Die Juroren Giulio Ridolfo (l.),
Cecilie Manz (M.) und Bertjan
Pot (2. v. l.) wählten Farben und
Materialien zu den jeweiligen
Trend-Begriffen aus
Fotos: 2008 Lutz Sternstein/Kölnmesse 2010
5
DESIGN TRENDS
F Ü R D E N K PA U S E N
Um Hans J. Wegners Tisch „CH327“
(Carl Hansen & Son) stehen Stefan Diez’
schwarzer Armlehnstuhl „CH04 Houdini“
(e15), rechts, und zwei „Monza“Stühle von Konstantin Grcic (Plank) –
deren Rückenlehne aus Plastik
ist in sechs Farben erhältlich
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DISCIPLINE
Designer besinnen sich wieder auf die Tugenden des
Bauhauses: Möbel sollen schön, schlicht und funktional
sein. Keine Spielchen, keine Schnörkel. Klassische, gedeckte Farben sowie Echtholz und Leder
betonen den Trend. Gefragt ist eine Einrichtung, die einfach gut gemacht und zeitlos elegant ist
STILIKONE
Hans J. Wegners MuschelSessel „CH07“ (Carl Hansen
& Son) hat seit 1963 jede
Mode überlebt. Seit 1997
wird der Dreibeiner wieder
produziert. Passend dazu:
„Kartio“-Wasserglas des
Finnen Kaj Franck (iittala)
TON IN TON
Fotos: Constantin Meyer/Kölnmesse 2010
Die Stehleuchte „Trinitas“ (2009)
von Dögg Design für Ligne Roset
harmoniert mit Stefan Diez’ Barhocker
„Thonet 404 H“ (2008/9). Das Bild am
Boden von Nicolette Brunklaus
aus Amsterdam zeigt alte Zinnkrüge
ASKETISCH
SCHLANK UND SCHLICHT
Noch ein Klassiker, neu aufgelegt:
Pierre Paulins Beistelltisch
„Lupo“ von 1953 (Ligne Roset) unter
Tom Dixons Leuchte „Beat Light“
aus lackiertem Messing. Die
„Tonale“-Schale hat Architekt David
Chipperfield für Alessi entworfen
Der Hocker „CH54“ des
Dänen Hans J. Wegner
(† 2007) für Carl Hansen
& Son ist seit 1966 ein
Klassiker, die Leinenserviette (Landpartie) neu
F OCUS -SPEZIAL 2010
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ANSCHMIEGSAM
Der 82-jährige Brasilianer
Sergio Rodrigues entwarf
den Hocker „Mocho“ bereits
1954, den passenden Sessel
„Diz“ 2002 (Classicon).
Das sorgfältig gedrechselte
Eukalyptusholz dafür stammt
aus kontrolliertem Anbau
COMFORT ZONE
Es darf wieder gekuschelt
werden. Weiche Möbel
in runden flexiblen Formen
und appetitlichen Farben von Praliné-Braun bis Brombeerrot spenden Trost in
harten Zeiten. Das heimelige Nest wird zur Trutzburg gegen die Welt da draußen
EXOTISCHES FLAIR
Nach indischen RangoliMustern nannten
Nipa Doshi und Jonathan
Levien ihren Teppich
(Moroso), den Hocker
„Zucca“ (Skitsch) kreierte
Todd Bracher, die Lampe
„Vapeur“ (Moustache)
Inga Sempé, die Vase
stammt von llot llov
BEHAGLICHE FOLKLORE
Muster und Formen aus fernen Ländern
inspirierten Patricia Urquiola zu Sofa und Tisch
„Fergana“ (Moroso). Die Vase „AMF“ hat
das Berliner Designbüro llot llov entworfen,
das Gemälde hat Thomas Hannibal gemalt
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Fotos: Kölnmesse 2010
F OCUS -SPEZIAL 2010
B O N B O N FA R B E N
Edward van Vliets Hocker „Donut“
(Moroso) aus der Sushi-Kollektion
macht seinem Namen alle Ehre: Er ist
zum Anbeißen schön
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DESIGN TRENDS
REHAB
Die neue Nüchternheit wirkt Wunder in den eigenen vier Wänden.
Mit neutralen Weiß- bis Grautönen und praktischen, von allem Dekorativen
befreiten Formen haben Designer den Möbeln eine Entgiftungskur verpasst. Kühl
und verlässlich präsentiert sich der neue Stil – er schafft Platz für innovative Materialien
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ERFINDERISCH
Pepe Heykoop entwarf den
raffinierten Stuhl „A restless
chairacter“, der wackelt, aber
nicht umfällt. Lampe „Tab F1“
von Barber & Osgerby (Flos),
Tisch „Don’t Leave Me“
von Thomas Bentzen (Hay),
Michaela Schleypens Teppich
„Navy“ erinnert an Pflastersteine (Floor To Heaven)
ALLES OFFEN
Das Regalsystem „qubing“ von
Ralph Ehrnsperger & Johann Ehmann ist
beliebig aus- und umbaufähig – auch
einzeln zweckmäßig, ob für Schuhe oder
hier für Schlauchrollen. Mark Brauns
Hängeleuchte „Pyrus“ besteht aus Papier
P L AT Z S P A R E N D
Der Tisch „5º“ (fünf Grad) von Tomás
Alonso (siehe auch oben) für die
Firma Moormann verschwindet im
Handumdrehen an der Wand – er
ist klappbar. Die laminierte Eichentischplatte kann man wenden
F OCUS -SPEZIAL 2010
NACKT UND PUR
Cecilie Manz’ Stuhl „Pluralis“
(Mooment) für Groß und Klein dient
auch als Leiter; Mattias Ståhlboms
Leuchte „E27“ (Muuto) ist schlicht
nach der Standard-Sockel-Bezeichnung für Glühlampen benannt
Fotos: Constantin Meyer/Kölnmesse 2010
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TRICKERY
Es lebe die Welt des schönen Scheins. Es darf glitzern, dampfen, zischen,
wackeln. Was verbirgt sich hinter dem Designobjekt? Ein Stuhl, ein
Schrank oder ein Sofa? Egal. Hauptsache, die Illusion stimmt. Diese Möbel verführen mit frischen Farben,
handwerklicher Improvisation und einer frechen Kombination aus Kunststoff und Holz
PA R T Y K N A L L E R
Die Farbe des bequemen
Schichtholzsessels „Overdyed
Lounge Chair“ aus der Diesel
Collection (Moroso) erinnert
an Stonewashed Jeans, ein
Hingucker am Boden ist
Tom Dixons orangefarbene
Kugelleuchte „Fluoro Shade“.
Jonglierteller von Cold Flame
B A U K L Ö T Z E S TA U N E N
IN SZENE GESETZT
Der Niederländer Pepe Heykoop
entwarf den „Brickchair“ mit
einer Sitzfläche, die so ungemütlich
ist, wie sie aussieht. Daher ist
das bunte Objekt mehr Kunst als
Stuhl. Die Jonglierbälle daneben
sind Dekor (Cold Flame)
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Vier Schwedinnen stecken
hinter dem Designlabel Front,
sie haben das Lümmelbett
„Cushion Sofa“ (Moroso)
erdacht, die Berliner m.a.l.v.
die „Stroh:kissen“, der
„Overdyed Side Table“ ist
aus der Diesel Collection
Fotos: Constantin Meyer/Kölnmesse 2010
F OCUS -SPEZIAL 2010
BÜHNE FREI
Mariano Fortunys Stehleuchte „Fortuny“
(Pallucco) hat neben Philippe Nigros Stuhl und
Tisch „Build up“ (Skitsch) einen großen Auftritt,
das Geschirr entwarf Petra Fischer (1260 Grad),
der Jonglierteller ist von Cold Flame
MEIN
KÖLN
Der Kölner Designprofessor Paolo Tumminelli wirft einen ganz eigenen Blick auf die Szene in der Domstadt
Hotel im Wasserturm
Die Nobelherberge besticht durch ihre
intime Atmosphäre. Tumminelli genießt in der Bar den freien Blick nach
oben. „Der hohe Raum erinnert an
den Aufgang zur Bibliothek in Umberto
Ecos Abtei“, schwärmt er. Das Design
hat die französische Innenarchitektin
Andrée Putman entworfen. Tumminelli
empfiehlt, direkt an der Bar zu essen:
„New Yorker Flair zu Kölner Preisen“.
(Kaygasse 2, Tel. 02 21/2 00 80)
Capricorn [i] Aries
Das winzige, hochedle Restaurant in der Kölner Südstadt „liegt
nur wenige Schritte entfernt von der Köln International School
of Design, an der ich unterrichte“, sagt Tumminelli. Koch Klaus
Jaquemod kredenzt mindestens fünfgängige Menüs, die Brasserie bietet französische Hausmannskost. Inhaberin Judith
Werner zaubert Atmosphäre, „intim, chic und ohne Allüren“, so
der Italiener. „Ich schicke meine Mailänder Freunde hin, und die
sind ganz begeistert.“ (Alteburgerstr. 34, Tel. 02 21/32 31 82)
Vintage Genuss
Kap am Südkai
Der neu entstandene Rheinauhafen, in dem Designfirmen wie Dornbracht ausstellen, ist für Tumminelli ein
grandioses Ziel für Sightseeing. „Der große ArchitektenZoo ist endlich ein Versuch, Köln städtebaulich zu requalifizieren“, so der Professor. Außer guter Küche bietet
das im Areal gelegene „Kap Bistro“ „den zweitschönsten
Aussichtspunkt über Köln nach dem Dom“ – vom Dachgarten aus. (Agrippinawerft 30, Tel. 02 21/35 68 33 33)
Dieses klassisch gehobene
Restaurant mit Weinhandel
und Kochschule erinnert den
Hochschullehrer „an eine
moderne Interpretation des
,Einstein‘ in Berlin“. Das
Gebäude liegt an der wenig
erbaulichen Hahnenstraße,
die modernistische Architektur stammt jedoch von Riphahn. Von der Restaurant-Terrasse
schaut man auf das Wohnatelier von Uta Brandes und Michael
Erlhoff. Das bekannte Designprofessoren-Duo ist Stammgast im „Vintage“. „Im Winter gehört es fast zur Tradition,
den Stammtisch der beiden am Schaufenster zu reservieren“,
so Tumminelli. (Hahnenstr. 37, Tel. 02 11/92 07 10)
Das von Oswald Mathias Ungers entworfene Haus beeindruckt
Tumminelli innen wie außen. „Heute gibt es so viel Pseudoarchitektur, da freut mich der Blick auf dieses strenge, konsequent modulare Objekt.“ Die mittelalterliche Sammlung lobt er:
„In diesen raren Kunstwerken gibt es einen Spagat zwischen
Schönheit, Fantasie, Erotik und Gewalt zu sehen – langweilig
ist da gar nichts.“ (Obenmarspforten, Tel. 02 21/22 12 11 19)
Hallmackenreuther Bar
Neptunbad
Die Szenekneipe im kultigen belgischen Viertel liegt bei Tumminellis Studenten im Trend, weil sich dort Kölner Kreative wie die
Modedesignerin Eva Gronbach treffen. „Die lebendige schmuddelige Coolness hebt sich wohltuend von Treffs in Berlin oder
München ab“, so der Designexperte. Möbliert ist die KölschKneipe im Stil der 60er, dazu gibt’s gratis Ausstellungen. „Ich
war noch nie der Kneipentyp“, so Tumminelli. „Ich wähle das
Lokal gern für Nachmittagstermine, inbesondere während der
imm cologne.“ (Brüsseler Platz 9, Tel. 02 21/51 79 70)
Das traditionsreiche Jugendstilbad
aus dem Jahr 1912 im MultikultiStadtteil Ehrenfeld ist zu einem schicken Spa umgebaut. „Die Kombination aus historischer, mit Porzellan
ummantelter Sauna und der asiatischen Outdoor-Badelandschaft ist
einmalig“, schwärmt Tumminelli.
(Neptunplatz 1, Tel. 02 21/71 00 71)
Aufgezeichnet von: Matthias Kietzmann
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F OCUS -SPEZIAL 2010
Fotos: U. Arens, Hotel im Wasserturm, Vintage, fabpics/AKG, Neptunbad
Wallraf-Richartz-Museum
Model: Shiva
Design: Jean-Pierre Audebert
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Design-Welten zu Gast in Köln
Schrankprogramm „reef“ von interlübke
Mit zahlreichen Innovationen aus allen Bereichen des Interior
Designs eröffnet die imm cologne die neue Möbelsaison. Markenhersteller und Designer aus aller Welt sind wieder dabei.
Sortimente und Gestaltungsideen für Möbel, Leuchten und Teppiche gibt es viele. Der
Kölner Messe gelingt es immer wieder, nicht nur einen Ausschnitt zu zeigen, sondern
die gesamte Vielfalt der Einrichtungswelten zu präsentieren – vom Basic-Esszimmer
über das Edel-Schlafzimmer bis zum extravaganten Formexperiment. Auch ausgefallene
Ideen haben hier eine Chance, ihr Publikum zu finden.
Die ersten Neuheiten verkünden viel Innovationsfreude: Ein neuer, mit Humor gepaarter
Look reduziert Möbel wie den Tisch „Lackaffe“ von Atelier Haußmann oder den Hocker
„Handle“ von TemaHome auf ihr funktionales Skelett, ohne dass es ihnen an Attraktivität mangelt. Die unter der Rubrik „Kastenmöbel“ laufende Innovation aus dem Hause
interlübke verwandelt Wände in Skulpturen voller Leben und Rhythmus, Teppiche wie
„Fabric“ von kymo und Leuchten wie „Eraser 260“ von Moree sind mehr als ein Textil
und eine Leuchte. Selbst klassische Kollektionen wie das Schlafzimmerprogramm „Vico“
von Gruber + Schlager oder das Esszimmer „Tao“ von Haleywood brechen mit der Langeweile des Serien-Einerleis und präsentieren sich so originell wie konzeptionsstark. Daneben etablieren sich unterschiedliche Möbelkonzepte wie der neue Klassiker „Ottana“
von Leolux in schönster Harmonie. Auf der imm cologne haben sie Platz genug.
Schminktisch „Vico“ von Gruber + Schlager
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Innovationen und Highlights
Ideen zum Leben
Formvollendete und kreative Neuheiten gibt es auf der internationalen Einrichtungsmesse zu sehen. Die Brüder Andreas und Rainer Haußmann beispielsweise
haben den Tischböcken zu einer Renaissance verholfen: „Lackaffe“ ist der optimale Unterbau für ein individuelles Möbelstück. Der höhenverstellbare Tischbock
aus pulverbeschichtetem Eisen ist für die unterschiedlichsten Platten und Bretter
flexibel einsetzbar. Plüschiges Retro-Design präsentiert die Traditionsmarke
Bretz. Omas blumige Sesselchen erscheinen auf einmal voluminös aufgeplustert.
Dennoch steckt mehr in den Sofas der Reihe „Kautsch“ als heiße Luft: Speziell
gehärtete Federkerne und fein austarierte, dauerelastische Kaltschäume lassen
den Körper sanft versinken. Die aus dem Zentrum entspringenden Linien formen gepolsterte Kassetten, die sich an den Körper schmiegen. Optisch scheint
„Kautsch“ klischeehaft überzeichnet und geradewegs einem Comic entsprungen.
Luftige Träume verspricht das Schlafzimmerprogramm „Vico“ von Gruber +
Schlager. Bei aller Massivität der Konstruktion wirken die Elemente alles andere
als schwer. Vielmehr scheinen sie Bodenkontakt zu meiden und ein wenig über
dem Boden zu schweben.
Oben links: Höhenverstellbarer Tischbock „Lackaffe“ von
Atelier Haußmann. Oben rechts: Esszimmer „Tao“
von Haleywood. Links: Sessel aus der Reihe „Kautsch“ von
Bretz. Rechts: Drehsessel und Schemel „Ottana“
von dem Designer Frans Schrofer
DESIGN HOMESTORIES
SCHÖNE AUSSICHT
Arbeitszimmer als Schaufenster der Welt –
im Hintergrund der Hafen von Antwerpen,
35 Quadratmeter groß, in Öl auf Leinen
18
Foto: O. Krato/FOCUS-Magazin
Wolfgang Hölker
_Kinderbuch-Verleger, Münster
Zwischen Kirchturmuhr und
Volkskunst – das Arbeitszimmer
seiner Stadtwohnung in einer alten
Feuerwache lässt der CoppenrathVerleger, hier mit Ehefrau Siggi,
zum Märchenmuseum „wachsen“
WOHNKULTUR
Ein unprätenziöser Zweckbau und ein Meisterwerk
der Moderne. Gemeinsam ist ihnen: das Baujahr und
die Menschen, die ihr Heim mit viel Stil und Liebe
zum Detail gestaltet haben
F OCUS -SPEZIAL 2010
19
DESIGN HOMESTORIES
Z
wischen „My home is my castle“ und „Platz ist in der kleinsten Hütte“, zwischen Reihenhaus und Flusstal-Lage variiert die
Bandbreite der Orte, an denen sich Menschen zwischen Weser
und Rhein einrichten. Wo sich früher die Kumpel trafen, leben heute
Nachbarn, in der aufgemöbelten 2-Raum-Wohnung der Zechensiedlung ebenso wie im schicken Loft eines Förderturms. Doch auch am
High End von Wohnkomfort und Lebensräumen regieren die Differenz
– und die Herangehensweise, mit der sich ihre Bewohner der Einrichtung und Ausstattung eines Domizils nähern. „Räume müssen wachsen“, sagt etwa Wolfgang Hölker, dem der Gedanke, seine Wohnung
„von Fremden (bezugs-)fertig einrichten zu lassen“, so fern liegt „wie
die Mundart der Münsterländer dem Kisuaheli“.
AUSGELÖSCHT
Gewagter Vergleich, aber Hölker, 61, darf ihn eingehen. Der KinWohnen und Arbeiten
derbuch-Verleger aus Münster vereint viele Talente und Passionen.
führen den Zweckbau
„Landeskunde im Allgemeinen und Afrika im Besonderen“ sind nur
der Alten Feuerwache
zwei davon. Sagt’s und klinkt den Besucher durch die Tür seines Arzu neuem Nutzwert
beitszimmers in eine andere Welt. Das Eintauchen dorthin kostet
den Gast nur den Moment, den es braucht, die Schwelle zu passieren. Auf 150 Quadratmeter Teppichboden – in einer einzigen Bahn –
inszeniert der Teppichkünstler Jaspar von Maltzahn den heimischen
Arbeitsplatz Hölkers mit dem Motiv einer historischen Afrika-Karte
zum kontinentalen Eingangstor eines Globus. Ein Unikat, lückenlos
verlegt. „Aber fertig“, so Hölker, „wird ein Domizil auch nach 20 JahR A D I O - S TA R
ren Wohnen nicht“. Gemessen daran, haben er und seine Frau Siggi
Fesch verkleidet wird selbst
Spiegelburg, 53, noch viel Zeit.
der alte Rundfunkempfänger
Hölker, Herausgeber so erfolgreicher Kinderbuchserien wie „Felix“
dekorativ
oder „Prinzessin Lillifee“, sagt: „Im Grunde bin ich Geschichtenerzähler.“ In diesem Sinne mutiert die Alte Wache
der Berufsfeuerwehr Münster seit dreieinhalb
Jahren zur Erzählkulisse eines Märchenonkels und – wie dieser versichert – „einer fabelhaften Frau“. Im Sommer 2006 kauften
der gelernte Grafiker und die Mode-Designerin den Komplex, um im Zentrum der Domstadt eine Schlafstatt zu haben. Erst im vergangenen Sommer bezogenen sie im Turm
der Anlage ihre Stadtwohnung. Was heute
sein Arbeitszimmer ist, war 1928, im Baujahr der Wache, die Turnhalle der Feuerwehrmänner. Fußläufig von seinem Verlag im angesagten Hafenviertel rund um die Docks des
Dortmund-Ems-Kanals zu erreichen, hat Hölker hier ein Domizil geschaffen, in dem Teppiche quasi Führungsfunktion übernehmen,
um in jedem Raum zur Märchenstunde einzuladen. Zunächst mussten aber fünf Betondecken in den 25 Meter hohen Turm gegossen
werden, bevor Kaminzimmer, Küche, Bad, ein
französisches und ein chinesisches Schlafzimmer einziehen konnten. Die Münsteraner
Blauröcke hatten den Turm einst als durchgehenden Schacht genutzt, um nach Einsätzen
im Dienst des heiligen Florians ihre Schläuche zum Trocknen aufzuhängen.
Zurück im Arbeitszimmer, macht der Hausherr mit Fante-Flaggen aus Ghana Volkskunde
zu Volkskunst. Chinesische Vasen, das Stühle-Quintett „The Big Five“, ein Transistorradio
in blumigem Futteral oder altes Kinderspielzeug aus aller Welt sind Impulse, „die mich
N E U W E R T Der Louis-Vuitton-Reisekoffer im Kaminzimmer. Früher ein Vielflieger, heute ein Tisch
anstoßen, die mir etwas bedeuten“.
20
S T E I L E S T I E G E Fünf Etagen musste der Hausherr einziehen lassen, um den Feuerwehrturm bewohnbar zu machen
So findet alles seinen natürlichen Ort. Wie eine Prager Kirchturmuhr, die er auf dem Trödel im gelderländischen Dinxperlo aufstöberte und deren fast mannshohes Uhrwerk von 1754 er mit einem Totenschädel zu seiner persönlichen Variante von Vanitas gestaltete.
Das Zifferblatt an der Eingangsseite des Arbeitszimmers und das
gegenüber liegende Uhrwerk vermitteln gleich zwei Botschaften: Alles bekommt seine Zeit, aber bis dahin muss man Geduld aufbringen. Für Hölker ist der Chronograf Beweis dafür, „dass viele Dinge
nicht einfach gekauft werden. Ich hab die Uhr ja gar nicht gesucht,
sie hat mich gefunden – auf mich gewartet.“ Dabei, versichert Hölker, „bin ich überhaupt kein Sammler im klassischen Sinne“. Kritzeleien seiner Töchter hängen neben abstrakten Expressionisten wie
Bill Kopley, Originalbildern des US-Fotografen Peter Beard und einer
maschinenpistolengerüsteten Collage mit dem Titel „Fuck you art
lovers“ des Dänen Kristian von Hornsleth.
„Keine Angst, die Uzi ist nicht echt“, scherzt Hölker und wehrt
sich gegen den Vorwurf, nur um des Effekts willen ein Sammelsurium an Krimskrams aus dem Blickwinkel von Kunst und Design zu betrachten. Alles habe seine Bedeutung und bekomme eine besondere
Aussagekraft oft erst dadurch, „dass ich mit den Dingen Geschichten verbinde“. So wie die kleine Plastik des Bildhauers Henry Moore,
den er Ende der 70er-Jahre in London kennen lernte. „Kunst ist Inspiration, wenn sie unterm Strich einen Prozess des Nachdenkens initiiert“, sagt er. Das gilt auch für eine kleine Skulptur von Hans-Günther
van Look zum Beispiel: Die Arbeitsprobe des Meistermann-Schülers
sei ihm, versichert Hölker, „bedeutungslos gewesen bis zu dem Moment, als meine Frau sie in Paris entdeckt und mitgebracht hat“. So
F OCUS -SPEZIAL 2010
Fotos: O. Krato/FOCUS-Magazin
entstehen Geschichten. Legenden, Mythen, die Objekte über den Artefakt hinaus mit Wert versehen. Schon deshalb darf für den Sohn
eines Schreinermeisters „eine Kunst niemals erholsam sein und soll
– wenn man sie anschaut – auf keinen Fall beruhigen“. Denn, so Hölker: „Emotion und Information schaffen Kreation.“
An dieser Expertise orientiert der Verleger auch den Wert von Büchern, die er im fünfgeschossigen Komplex zwischen Teppichkunst
und wohldurchdachten Farbkonzepten, zwischen Chaiselongue und
Cheminée zum Gegenstand der Einrichtung macht. Vom Renaissance-Maler Pieter Bruegel d. Ä., Industriedesigner Luigi Colani über
Salvador Dalí und den österreichischen Maler Herbert Brandl bis hin
zu „Vanity Fair“-Porträts oder die „Art of Walt Disney“ – die Palette
der Themen und Techniken, Köpfe und Künste, mit denen aufwendig gestaltete Bildbände den Glanz prominenter Namen in Hölkers
Sammlung bringen, ist breit gestreut. Im mittleren vierstelligen Bereich liegen da schon mal die Summen, die es ihm wert sind, immer
mal wieder in eine limitierte Originalausgabe schauen zu können –
wie etwa in die des Taschen Verlags über das Lebenswerk von Peter Beard. Dabei geht es ihm oft nicht um die Inhalte der Bücher,
sondern um deren hochwertige Machart. „Da bin ich großzügig in
neidloser Anerkennung“, gibt Hölker zu, „und als Verleger eben besonders, wenn es um die Arbeiten von Kollegen geht“. Ansonsten
kommt er „sehr gut ohne diesen Schnickes aus, der für andere seinen Wert daraus bezieht, dass ein berühmter Name ihn adelt“.
Wenn nicht in der Feuerwache, wohnen Wolfgang Hölker und
Siggi Spiegelburg 30 Minuten außerhalb von Münster – auf einem
Schloss. Wen(n) das nicht neugierig macht . . .
21
DESIGN HOMESTORIES
M O D E L L G E N F Streamline-Esszimmer von Mauser
R A U M P AT R O U I L L E Terrierhündin Evus, 8, streunt um die aus alten
Z A U B E R K A S T E N Klappsekretär in der Art eines Übersee-Reisekoffers
DOWNLIGHT
Lampe von Jean Perzel auf
Dreisatztisch mit schwarzem
Glas von Marcel Baugniet
Petra Josephs
_Interieur-Scout, Krefeld
Ihr Schlaufentisch von
Marcel Breuer und das Sideboard
(im Hintergrund) von Dominique
sind für Interieur-Connaisseure
so etwas wie mobiliare Schätze
Benzinfässern gefertigte Rundformstahl-Vitrine aus den 30er-Jahren von Mauser
In der Ästhetik nüchterner Sachlichkeit, wenngleich dem Gegenteil eines Zweckbaus, erhebt Petra Josephs in Krefeld ihr Haus zum
Treffpunkt moderner und zeitgenössischer Kunst. Stilistisch dem Neuen Bauen der späten 20er-Jahre zuzuordnen, wurde die Villa im Umfeld des damaligen Bauhaus-Direktors Mies van der Rohe für einen
Seidenfabrikanten entworfen, der ihr bis heute seinen Namen gibt:
Villa Heusgen. Die aktuelle Hausherrin und ihr Mann Christoph, ein
gelernter Theater-Requisiteur, sind aus Leidenschaft, aber auch von
Berufs wegen Kunstliebhaber.
Durch einen Tipp von Freunden wurde das Paar 2003 darauf aufmerksam, dass der gegenwärtige Besitzer, ein Krefelder Architekt, einen Mieter für die Villa suchte. Bis dahin hatten die Eheleute eigentlich nach einer Fabriketage gesucht – so Petra Josephs, „aber sind
darin glücklicherweise erfolglos geblieben“. Auf 450 Quadratmetern
vereinen sie und ihr Mann seither Formen und Farben, Lustprinzip
und Funktionsprinzip, Vision und Tradition. Das Speed-Dating durch
die Epochen vom Art déco bis zur Moderne beleben sie ständig mit
neuen Eroberungen, die sie als professionelle Interieur-Scouts weltweit für ihr Düsseldorfer Einrichtungshaus aufstöbern.
Vielleicht sind es die Schiffe, Flugzeuge oder Eisenbahnen, aus
denen die Josephs nicht wenige ihrer exklusiven Fundstücke zusammentrugen: Grande Vitesse atmet das Haus vielerorts wie in der
Sitzecke mit dem Glastisch von Jules Leleu, der in den 30er-Jahren
ein Apartment des Luxusliners „Normandie“ schmückte – oder dem
Cocktail-Smoker „Climax“ von W. J. Campbell, der früher im Salonwagen der Pullman Palace Car Company den Fernzug Chicago–New
York dekorierte.
F OCUS -SPEZIAL 2010
Fotos: O. Krato/FOCUS-Magazin
Geprägt von der Sehnsucht nach neuen Formen,
stehen Materialmix und rasante Formensprache vieler
der Josephs’schen Möbel für die Aufbruchstimmung einer Zeit, die Design von altem Plunder befreien wollte.
„Weit weg von Plüsch und Drechselarbeiten des späten
19. Jahrhunderts“, so Petra Josephs, „sollte Produktgestaltung in eine andere, neue Zukunft gehen.“
Im Erdgeschoss der Villa Heusgen – also in Dimensionen, die für den Raumbegriff „Wohnzimmer“ wenig
Platz lassen – treffen Bauhaus und Art déco aber auch
auf Gegenwartskunst. Ein Stilmix, mit dem die Hausherrin gern „wohldosierte Verwirrung stiftet“.
Da hängen Hinterglasbilder von Michael Burges oder
des Beuys-Schülers Emil Schult über der Sitzgarnitur
von Donald Deskey aus der legendären Radio City Music Hall. Emaille-Vasen von Camille Fauré auf dem Endlos-Stahlrohrtisch von Marcel Breuer finden sich neben einer Skulptur der Serie „Circle Line“ von Thomas
Schönauer und einem Sideboard von Christian Krass.
Die Einrichtung aus Möbeln, Accessoires, Bildern und
Licht gerät zu einer Art Who’s who des Designs der vergangenen 90 Jahre. Und ob am Beispiel der Tischuhr
Atmos von Jaeger-LeCoultre (nach einem Entwurf von
Jean-Léon Reutter) oder einer Wandlampe von Jacques
Le Chevallier – kenntnisreich füllt die passionierte Design-Expertin auch längst verstorbene Großmeister beider Stilrichtungen mit neuem Leben.
Gäbe es die genealogische Ahnenforschung für
Schränke und Stühle, Lampen und Lüster, wäre der
Gotha des Designs für weite Teile des Josephs’schen
Fundus lexikalischer Kronzeuge: Hier sind Kreation und
Konfektion allenfalls mal eine kurze Liaison eingegangen, aber nie eine feste Verbindung. „Solche Unikate
und verbliebenen Exemplare von Kleinstserien aufzutreiben ist ein wenig wie Beute machen“, gibt Petra Josephs gern zu,
und man versteht, warum die Jagd Spaß macht.
Ob mit tiefroter Coiffeuse von Thonet aus dem Frankreich der
30er-Jahre oder mit Steh- und Wandleuchten von Jean Perzel, ob mit
der aus alten Benzinfässern gefertigten Mauser-Vitrine im Esszimmer oder mit dem Pop-Art-Aluminiumstecker von Lebovici, der das Arbeitszimmer ihres Mannes illuminiert, für Petra Josephs verbreitete
die Villa auf jedem Quadratmeter schon Inspiration, „als wir sie vor
sieben Jahren völlig leer sahen und zu uns sprechen ließen“.
Bereits das Haus allein mit seinen geometrischen Konturen,
der klaren Korrespondenz von Ecken und Kurven ist ein Fest für
die Augen. Durch mehr als 50 bodentiefe Fenster und zahlreiche
deckenhohe Wandelemente fließt die Parklandschaft seiner Umgebung in die lichtdurchfluteten Räume und macht für die Bewohner „drinnen und draußen zu einem symbiotischen Erlebnis“. Allerdings nicht gerade im Winter. Energetisch betrachtet, sei die Villa
– auch weil sie unter Denkmalschutz steht – ein „eher schwieriges
Haus“, räumen die Bewohner ein. Trotz dieses saisonalen Handicaps macht der Purismus seiner minimalistischen Architektur das
Haus zur idealen Bühne für das Interieur, dem sich die Eheleute
verschrieben haben.
Entscheidend ist der Gesamteindruck. „Die Verbindung stilechter Einrichtung mit der zeitgenössischen Architektur lässt viele unserer Besucher zum ersten Mal erkennen, mit welchen Visionen
Künstler, Designer und Architekten wie Mies van der Rohe vor acht
Jahrzehnten die Welt bewegten“, strahlt Josephs über „die enorme
ästhetische Kraft“.
THOMAS VAN ZÜTPHEN
23
DESIGN BADEZIMMER
D U S C H Q U A D R AT
Philippe Starck zeigt mit seinem sehr männlichen
Spa-Konzept „Shower-Collection“ für Axor, dass er
Produktdesigner und Innenarchitekt zugleich ist
PRIVATE WELLNESS-OASE
Resultat des
neuen Körperkults:
Das Bad verschmilzt immer häufiger mit dem Wohnbereich. Auf der heimischen Bühne der Eitelkeit
wird der Körper nicht länger nur gereinigt, sondern vielmehr gefeiert
24
Fotos: H. Grohe, Interfoto, aus: „Das private Hausbad“ Hans Grohe Archiv für Bad-und Sanitärgeschichte Schiltach
S
chiltach ist klein. Ein „Städtle“ im Schwarzwald mit knapp
4000 Einwohnern, gute 120 Kilometer von Stuttgart entfernt.
Romantische Fachwerkhäuschen schmiegen sich in das enge
Tal der Kinzig, jenes Flüsschens, das sich hier mit der Schiltach
vereinigt, was immer wieder zu Hochwasser in dem Ort führt. Den
Kontakt zum Wasser kann man in Schiltach aber auch ganz anders
finden. Zum Beispiel in der „Aquademie“ des Bad- und Armaturenherstellers Hansgrohe. In der aquademischen Showerworld kann
man auf einer Fläche von 250 Quadratmetern Probeduschen und
das gesamte Sortiment der Hansgrohe-Brausen, -Duschpaneele
und -Showerpipes bis hin zur Kopfbrause mit Schwallstrahl oder
den großflächigen „Raindance Rainmaker“ am eigenen Leib testen. Wem das nicht genügt, dem bieten die Badewannen der exklusiven Axor-Designer-Kollektion Entspannung, und als Trockenübung
fürs Hirn ist ein Besuch des hauseigenen Museums zu empfehlen. 700 Jahre Badgeschichte sind hier nachgebaut – zum Teil mit
Exponaten, um die jedes technische Museum das Unternehmen
beneiden dürfte.
„Wir stellen uns“, so Philippe Grohe, Enkel des Unternehmensgründers Hans und Markenleiter der Edellinie Axor, „permanent die
Frage, wohin sich das Bad jenseits seiner funktionalen Bedeutung
als Raum in Zukunft entwickelt.“ Weil der Mensch inzwischen aus
seiner fünf oder sechs Quadratmeter großen Nasszelle ausgebrochen ist und eine Antwort auf Philippe Grohes Frage fordert, erwirtschaftete Hansgrohe 2008 einen Umsatz von rund 668 Millionen
Euro. Sogar im schwierigen Jahr 2009 blieben die Umsatzrückgänge unter dem Krisendurchschnitt, auch weil Europa und dort
Deutschland die wichtigsten Märkte sind und man im Nahen, Mittleren und Fernen Osten ohnehin noch mit kräftigen Wachstumspotenzialen rechnet.
Die Welt wird kälter, und Deutschland geht baden. Das sieht
auch Jens Wischmann so. Der Chef der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) erkennt das private Bad als „Rückzugsraum
in eine neue Innerlichkeit“. Allerdings machen Wasser und Wanne
allein noch keine Wellness-Oase, erklärt Wischmann. „Damit das
Aussperren der Außenwelt gelingt und sich innere Ruhe einfindet“,
müssen laut Wischmann in Zukunft „sowohl Raumaufteilung des Bades als auch das Einrichtungskonzept stimmen“. Ebenfalls an Stellenwert gewännen die Wahl der Farbe, die Haptik der Materialien
und die Differenziertheit der Beleuchtung. „Die Badgestaltung wird
individueller. Es gibt nicht mehr so klare Trends wie das Colani-Bad
der 80er- oder das Starck-Bad der 90er-Jahre.“ Dem kann Marcus
Möller nur beipflichten. Der Sprecher von Deutschlands größtem Badewannenhersteller Kaldewei im nordrheinwestfälischen Ahlen erkennt „im intimsten Raum des Hauses“ den Trend zur individuellen
Farbwahl: „Frei stehende Badewannen wie unsere Ellipso Duo
BIEDERER DERRICK
Viele Badezimmer sehen
auch heute noch genauso
aus wie jenes Privatbad
des deutschen Schauspielers
Horst Tappert aus
den 1960er-Jahren
FRÜHE DUSCHE
1890 erfand Pfarrer Lechler
die „Volksbrause“:
ein gefüllter Eimer mit Brausekopf. Der Slogan „Jedem
Deutschen wöchentlich
ein Bad“ galt seit 1873
25
DESIGN BADEZIMMER
Oval verkaufen sich in Schwarz ausgesprochen gut.“ 350 verschiedene Badewannenmodelle stünden zur Auswahl.
Architekten, Designer, Badhersteller – alle sind sie sich einig:
Rein funktionale Bäder sind out. Beim Baden will man nicht mehr
nur sauber werden, sondern mit sich ins Reine kommen, deshalb
wird im Badezimmer der Körper nicht länger zwanghaft gereinigt,
sondern vielmehr gefeiert. In deutschen Einfamilienhäusern und
Wohnungen verneigt man sich vor jahrtausendealten Badekulturen. Diagnostizierte doch schon ein Mediziner am Ende des 18.
Jahrhunderts: „Alle Völker, die baden, sind gesünder und stärker
wie die, die es nicht tun.“ In diesem Sinne werden heute das russische Schwitzbad, der arabische Hamam, die römischen Thermen
und die nordische Sauna beschworen und mit jeglichem High-TechKomfort kombiniert: Reflexzonenmassagen per Wasser und Ultraschall, Jetstrahler oder Whirlpool-Düsen und Dampfsaunen mit regelbaren Klimastufen umschmeicheln unsere Körper.
Statt Normfliesenraster bieten Architekten auch Oberflächen
aus Glas und Edelstahl, samtigen Sichtbeton, edlen Terrazzo, Mosaiken oder klassische Schiffsdielen aus Teak. Altarähnlich und puristisch präsentieren sich Waschbecken, Tropenschauer rieseln sanft
auf uns herab, während Rollbars und Designerliegen in diesem Ambiente einer neuen Intimkultur zum Relaxen nach dem Bade einladen.
Endlich hat unser Körperkult seine Bühne gefunden – und die wird
immer größer. Sie wird zum erweiterten Wohnraum, in dem wir stundenlang Musik hören, lesen oder bei Sushihäppchen entspannen
können. Auf der diesjährigen Möbelmesse imm-cologne in Köln trägt
26
S C H A U M F A B R I K H O L LY W O O D In dem Film „Die Frauen“ (Regie: George Cukor)
aus dem Jahr 1939 ist die Badewanne aus Kristallglas. Hier, im Schaumbad, führt
Joan Crawford endlose intrigante Telefongespräche
SINNLICH POETISCH
Das Traumbad der Designerin
Patricia Urquiola befindet sich
in einem Pavillon und ist für die
unterschiedlichen Bedürfnisse
von Mann und Frau entworfen
BAD UND SALON
Wer sagt, dass Badewannen
immer weiß sein müssen?
Kaldewei verkauft sein Wannenmodell „Ellipso Duo Oval“ besonders häufig auch in Schwarz
S C H A U K E LW A N N E
Fotos: H. Grohe, defd, Kaldewei, aus: „Das private Hausbad“ Hans Grohe Archiv für Bad-und Sanitärgeschichte Schiltach (3)
Carl Dittmanns „Wellenbadschaukel“ von 1889 sorgte
bei exzessivem Gebrauch für
Wasserschäden
das Präsentationsformat Pure Village dieser Marktentwicklung im
Badsegment Rechnung: Unter dem Motto „Living Bath Room“ zeigt
Pure Village das Bad als festen Bestandteil der Welt des InteriorDesigns. Im Badezimmer werden erstmals die unterschiedlichsten
Produktsegmente zu einer neuen Raumkategorie zusammengeführt,
schließlich demonstriert sie die Verschmelzung der Wohnbereiche:
Bad und Schlafzimmer wachsen ähnlich wie Küche und Wohnzimmer zu einer Einheit zusammen. „Da die imm cologne alle Aspekte des Interior-Design abbilden will, liegt es nahe, auch die Gestaltungsmöglichkeiten zu zeigen, die Markenprodukte und modernes
Baddesign eröffnen“, kommentiert Gerald Böse, Vorsitzender der
Geschäftsführung der Koelnmesse, die Entwicklung im Bad.
Für Axor hat die spanische Stardesignerin Patricia Urquiola das
perfekte Bad, diesen „Me-Room“ bereits erfunden: Auf einer Grundfläche – die im Idealfall 74,5 Quadratmeter beträgt – gibt Urquiola
„dem charakteristischen Spannungsverhältnis zwischen Intimität
und Begegnung, Trennen und Teilen einen ganz eigenen Charme“,
verspricht der Hersteller. Verständlich, dass in einem solchen Badetempel vieles Platz hat, nur nicht mehr der Streit zwischen Mann
und Frau vorm Alibert-Schrank über die nicht vom Ende her ausgedrückte Zahnpastatube. Aber, wer hat so viel Platz, wer so viele Quadratmeter zur Verfügung, um seine Träume von der privaten
Wellness-Oase kühl oder sinnlich, puristisch oder romantisch auszuleben und auch auszubauen?
„Gerade die Generation der jetzt Fünfzigjährigen“, sagt Jens Wischmann vom VDS und sieht typische Fallstudien: „Die Kinder gehen
F OCUS -SPEZIAL 2010
aus dem Haus. Die Eltern bleiben zurück. Das Badezimmer wird umgebaut und dann mindestens um den Raum des ehemaligen, angrenzenden Kinderzimmers erweitert.“ Verständlich, dass angesichts
solcher Umbaumaßnahmen die deutsche Sanitärwirtschaft nicht auf
dem Trockenen sitzt. Allein zur Sanitärindustrie gehören hierzulande
rund 230 Unternehmen mit etwas weniger als 40 000 Beschäftigten,
die sich ausschließlich der Herstellung von Sanitärkeramik, von
Acryl- und Stahlwannen, von Duschabtrennungen, Armaturen und
Brausen sowie von Badmöbeln und Badaccessoires widmen.
Das Bad ist Trend. Das zeigt demnächst die Ausstellung „intimacy!
Baden in der Kunst“ des Kunstmuseums Ahlen (31. Januar–25. April). Schließlich gewährten profane Badeszenen Künstlern seit Dürer
die Möglichkeit, den Körper nackt darzustellen. Dass aber Architekten bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein das Badezimmer klein und funktional schufen, dass sie es zur fenster- und trostlosen Transitstation auf dem Weg zwischen Schlafen und Wachen
machten, das gilt heute als unverzeihlich. Ein Bad kann anders aussehen. Das erfährt der Mensch nicht nur aus Wohn- und Designmagazinen, die seit ein paar Jahren nur noch Redakteure mit chronischem Waschzwang zu beschäftigen scheinen, sondern vor allem
auf Reisen, in geschmackbildenden Designhotels.
Eine Pionierfunktion in Bezug auf Badästhetik und Wasserspiele übernahmen schon immer teure Hotels. Hatte Kaiserin Elisabeth
von Österreich, „Sissi“, schon 1890 im Münchner Hotel „Vier Jahreszeiten“ so exzessiv in Carl Dittmanns Schaukelbadewanne gebadet, dass dabei das untere Stockwerk überflutet wurde, so
27
DESIGN BADEZIMMER
RÜCKZUGSORT
Jean-Marie Massauds
Bäder für Axor lassen
Hektik und Stress
schnell vergessen
standen wenig später die Jugendstil- und Art-déco-Badezimmer in
Londoner und New Yorker Luxushotels vermögenden Bürgerlichen
zur Verfügung. Das Gros der Menschheit indes stellte sich am Wochenende die Zinkbadewanne in die Küche und erhitzte auf dem
nahen Herd das Wasser, um darin zu baden. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten nur drei (!) Prozent der Deutschen ein Badezimmer.
Noch in den 30er- und 40er-Jahren war das private Bad mit seinem
Heißwasserboiler so spartanisch, dass feuchte Badeträume von
opulenten Baderäumen nur Hollywoodstars auf der Leinwand auslösen konnten. In New Yorks erstem Designhotel, dem „Morgans“,
ließ die französische Design-Duse Andrée Putman erstmals aluminiumblitzende High-Tech-Waschbecken aufstellen, und richtig ins Gerede kamen Hotelbäder Ende der 80er-Jahre, nachdem Philippe Starck
das „Paramount“ in Manhattan gestaltet hatte. Auch heute zeigen
die Hotelzimmer weltweit, woher gute Badeinrichtung stammt. Ob
Duravit, Dornbracht oder Villeroy & Boch, ob Grohe, Hansgrohe oder
Kaldewei, der internationale Badluxus schwört auf deutsche Hersteller; wen wundert es da, dass selbst die Badarmaturen auf der
„Queen Mary II“ aus Schiltach im Schwarzwald stammen?
Das Hotelzimmer und sein Bad: Quelle der Inspiration und des
Wasserschadens. Als Conrad Hilton, Gründer der gleichnamigen Hotelkette, 1979 auf dem Sterbebett gefragt wurde, ob er seinen Angestellten noch ein Vermächtnis übermitteln wolle, antwortete er:
„Der Duschvorhang gehört nach innen in die Wanne.“
Doch natürlich ist der Duschvorhang im Edelbad längst abgehängt, und auch der Mord dahinter ist im zukünftigen raumgreifen-
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PREISGEKRÖNT
Matteo Thun und
Antonio Rodriguez
wurden für ihr
Konzept ONE
ausgezeichnet
F OCUS -SPEZIAL 2010
SKULPTURAL
Mit dem Model
„Novecento“ präsentiert agape weiche
Linienführung
WELLNESS
PHILIPPE GROHE
Der Enkel des Unternehmensgründers leitet heute
die HansgroheDesignlinie Axor
„Das Bad wird in Zukunft
zu einem wesentlichen Teil
des Wohnraums. Es dient
der Erholung, Entspannung
und dem Wohlfühlen.“
FOCUS: Was ist das Bad für ein Ort?
REINER GEIST
Schon der griechische
Mathematiker und Denker
Archimedes nahm sein Bad
im klassischen Holzzuber
den Bad-Ambiente neuer Offenheit und Beziehungspflege undenkbar. Ebenso undenkbar ist es, dass einem in den neuen Bädern
profane Dinge wie Shampooflasche, Niveadose oder Zahnbürste ins
Auge stechen. Die Requisiten der Reinigung sind längst in chromblitzendem oder zedernhölzernem Badmobiliar versteckt. „Wellnessbad-Architektur“ heißt für VDS-Geschäftsführer Jens Wischmann zudem, „sich auf die wesentlichen Objekte zu beschränken.“
Reduktion als Erholung für das Auge. Ebenfalls stressmindernd
wirke es sich aus, wenn keiner auf den anderen warten müsse.
Waschtisch, Wanne und Dusche sollten daher stets „ein Fall für
zwei“ sein.
In jenen mauerlosen, transparenten, nur durch multifunktionale
Paravantheizungen abgetrennten Wohnbädern wird das bisher im
Verborgenen gepflegte Waschritual jetzt wie im Schauraum ausgestellt. Wie damals, im Mittelalter, als Baden ein sinnliches Gemeinschaftserlebnis war und es sie noch lange nicht gab, jene zivilisatorische „Peinlichkeits- und Schamschwelle“, die das Waschen und
Baden aus der sichtbaren häuslichen Wohnwelt in separate Räume
zu verbannen begann. Das vom Wohnbereich getrennte „Badezimmer“ galt einmal als der pure Luxus, als eine Errungenschaft und
Folge höfischer Zivilisiertheit. Den Waschzuber in der Stube, den
hatten die Armen, und ihn glaubte man endlich überwunden zu haben. Nun ist er wieder da, der Waschzuber. Als frei stehende Luxusbadewanne. Mehr noch: als Skulptur, die unbedingt in der Mitte des Raumes platziert wird und die sich sogar mit Wasser füllen
lässt. Und alle gucken zu, wenn man drin sitzt.
PASCAL MORCHÉ
F OCUS -SPEZIAL 2010
P. G.: Ein sehr intimer Ort und der einzige, an dem der Mensch sich genau im
Spiegel ansieht. Hier geht es nicht mehr
um bloßes Sauberwerden, sondern um Erholung, Entspannung und Wohlfühlen.
FOCUS: Wasser ist immer noch nass . . .
P. G.: Aber es wird im Bad unterschiedlich wahrgenommen. Morgens soll es einen zum Beispiel erfrischen, und abends
soll es beruhigend wirken.
FOCUS: Das Baddesign der Zukunft?
P. G.: Unterstützt die Symbiose zwischen
Mensch, Natur und Raum. Antonio Citterio, Patricia Urquiola oder Jean-Marie Massaud denken in ganzheitlichen Raumkonzepten. Mir macht der Dialog mit solchen
Künstlern und Architekten mehr Freude
als mit reinen Produktdesignern. Die arbeiten meist nur an einem Wasserhahn. Das
Bad wird Teil des Wohnraums. Die Einbeziehung der Natur spielt gerade hier eine
immer bedeutendere Rolle. Designer wie
die Brüder Bouroullec, die sich sehr von einer floralen Formensprache inspirieren lassen, werden gerade bei der Badgestaltung
großes kreatives Potenzial entfalten.
FOCUS: Es gibt Grohe im westfälischen
Hemer und Hansgrohe in Schiltach. Ziemlich verwirrend für den Kunden, oder?
P. G.: Das sind zwei Unternehmen, die
nichts miteinander zu tun haben. Es gab
zwei Familienlinien, die sich bereits 1934
trennten. Grohe mag größer sein, Hansgrohe hingegen setzte immer auf Design und
Innovation und bietet mit der Produktlinie
Axor absoluten Luxus.
FOCUS: Duschen oder baden Sie?
P. G.: Ich dusche meist und genieße das
Dampfbad. Um unsere Armaturen zu testen, wechsle ich sie bei mir zu Hause im
Bad ständig aus. Meine Frau macht das
fast wahnsinnig.
Fotos: Hans Grohe, agape, A. Körner, culture-images
29
DESIGN ARCHITEKTUR
TRAUMHAUS
Warum „Exklusivität“ und „Fertighaus“ für
Daniel Libeskind kein Widerspruch sind
S C H R Ä G Der Libeskind-Prototyp ähnelt einem Kristall
G R O S S Z Ü G I G Vier Zimmer, Küche, Bad auf 515 Quadratmetern
Daniel
Libeskind
_Stararchitekt
„Häuser mussen Körper, Seele
und Charakter haben“ – mit
seiner Handschrift beeinflusst
der Baukünstler eine ganze
Generation junger Architekten
und Stadtplaner
KLEINE KLIENTEL
Der in Polen geborene
Amerikaner sucht weltweit
maximal 30 exklusive Käufer
für das von ihm entworfene
Niedrigenergiehaus
30
D
er Wunsch, Couture gewissermaßen zu konfektionieren, ist nicht
nur auf den Prêt-à-porter-Schauen in Paris, Mailand oder New
York schwer in Mode. Ob die Masche auch zieht, wenn eine Edelfeder unter den Bauzeichnern hochkarätige Stararchitektur als Fertighaus anbietet, wird sich zeigen. Der Platz, auf dem Daniel Libeskind
eine seiner neuesten Kreationen ins Rennen schickt, ist als Catwalk
quasi eher unglamourös: die Kleinstadt Datteln, am Nordrand des
Ruhrgebiets. Mitten im größten Kanalknotenpunkt Europas, unweit
der Autobahn A2, steht der Prototyp einer 515-Quadratmeter-Ökovilla, die der New Yorker und eine Reihe von Partnern an weltweit
maximal 30 weiteren Standorten reproduzieren wollen.
Serielle Herstellung in einzigartiger Exklusivität. Mit seiner Architektur des Jüdischen Museums in Berlin, dem Entwurf des Freedom
Towers auf dem New Yorker World-Trade-Center-Gelände oder dem
Royal Ontario Museum in Toronto hat sich Daniel Libeskind den Ruf
eines Stars seiner Zunft mit unverwechselbarer Handschrift erarbeitet – und vieles von dem, was seine Arbeiten markant macht, findet
sich in Datteln wieder. Mit für ihn typischen gebrochenen Fassaden,
ineinandergeschachtelten spitzwinkligen Raumkörpern, wandhohen
Fenstern und einer Außenverkleidung aus Zink adressiert das Holzhaus die Klientel stilbewusster Individualisten mit hohem Designanspruch. „Ich hab mich selbst gefragt: Wie möchte ich leben? – Und
dieses Haus ist die Antwort darauf“, strahlte Libeskind Ende September vergangenen Jahres, am Tag der Einweihung seines Musterhauses. Dieses dient – mangels bis dato real existierender Wohnbeispiele – als Repräsentanz und zu Ausstellungszwecken für den
Dattelner Baustoffproduzenten Rheinzink. Verschiedentlich hat das
Unternehmen schon andere Modelle des Meisters mit Fassaden einkleiden dürfen.
Die Idee vom Leben im Kunstwerk hat der ausgebildete Ex-Musiker an der Klaviatur „Licht, Proportionen, Maßstäbe und Details“
entlanggeführt, um ein Wohnhaus zu komponieren, „das in der Villentradition des alten Roms als Magnet für Emotionen taugt“. Klingt
viel versprechend. Sicher ist – die weitgehend unbekannte Baustelle
„Privates Eigenheim“ hat dem 63-Jährigen viel Spaß gemacht: „Es
ist beispiellos rund um den Globus.“
Dass es bei der einmaligen Nennung im Werkverzeichnis des
Meisters nicht bleibt, sollen die weltweit ersten Adressen des internationalen Maklergewerbes regeln. Nur eine Hand voll ausgewählter
Luxusimmobilien-Händler erhielten bislang Exposés der LibeskindVilla und den Auftrag, Interessenten zu finden. Das macht Sinn. Denn
je nach Ausstattung – sowohl möglicher Bauherren als auch des
Hauses – sollte potenzielle Käufer nicht ins Grübeln bringen, dass
ein Fertighaus der Marke Libeskind zwischen zwei und drei Millionen
Euro kostet. Das Grundstück in Uferhanglage – am Lago Maggiore
zum Beispiel – noch nicht einkalkuliert.
THOMAS VAN ZÜTPHEN
Fotos: Klaus Helbig, Screen ID, Michael Klinkhamer/alle Libeskind
F OCUS -SPEZIAL 2010
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Manchmal gelingt es jungen
Designern von D³ Design
talents, der Nachwuchsplattform der imm cologne, den
etablierten Designmarken und
ihren kreativen Spitzenprofis
etwas von ihrem Glanz zu
stehlen. Sie präsentieren in
unaufgeregtem Ambiente ihre
Prototypen, für die es in der
Regel keinen Hersteller gibt.
Zumindest noch nicht. Denn
mittlerweile hat das Fachpublikum der imm cologne den
D³ Contest und die Ausstellung
der Gewinner als Talentfundgrube für sich entdeckt.
Humorvoll, unkonventionell, ambitioniert und visionär, manchmal auch nur genial einfach – so präsentiert sich heute das Design. Davon profitiert auch die Plattform D³ Design
talents mit ihrem internationalen Nachwuchswettbewerb D³ Contest. Die Ausstellung auf
der internationalen Möbel- und Einrichtungsmesse imm cologne sprüht vor Kreativität
und hat sich zu einem bei Industrie und Designszene hoch anerkannten Talentforum
und Ideenfeuerwerk entwickelt. Die Koelnmesse als Initiator hatte vor sechs Jahren
zusammen mit dem Rat für Formgebung nach einem Format gesucht, das der Situation
der Designer und den Interessen des Publikums gleichermaßen entgegenkommt. Die
Kuratierung dieser Ausstellung gewährleistet den hohen Qualitätsstandard der gezeigten
Objekte und ihrer Präsentation. Für den D³ Contest können sich Absolventen bewerben,
deren Abschluss nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Nur wer das Auswahlgremium
überzeugt, darf ausstellen. Das Designevent D³ möchte eine Kommunikationsbasis für
junge, kreative Menschen und erfahrene Marktprofis sein, es soll zwischen Menschen,
Institutionen und Märkten vermitteln. Daher gibt es auch die Ausstellungsformate D³
Professionals und D³ Schools, in dessen Rahmen sich Hochschulen präsentieren.
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2.2
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Internationale Basics – Wohn- und Schlafraummöbel
4.1, 4.2, 10.1
3.2
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Moderne Wohn- und Schlafraummöbel, Stil- und Reproduktionsmöbel*
Designorientierte Wohn- und Schlafraummöbel*
3.1
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Natur- und Massivholzmöbel, Kindermöbel
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Polstermöbel – Sitzgarnituren, Sessel, Liegen, Einzelsofas, Funktionscouches
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Junges Wohnen, SB-Möbel, Schlafzimmereinrichtungen*
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imm pure
Modernes Möbel-Design und Küchen, komplette Wohnphilosophien*
* Wohnaccessoires und -textilien, Teppiche und Leuchten werden den entsprechenden Angebotsbereichen zugeordnet.