Empfehlungen für kritische Situationen bei Arbeiten des SiGe

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Empfehlungen für kritische Situationen bei Arbeiten des SiGe
Erfahrungsaustausch der
Sicherheits- und Gesundheitskoordinatoren
Empfehlungen für SiGe-Koordinatoren
aus juristischer Sicht
Vortrag von
Rechtsanwalt
Ralf M. Leinenbach
Justiziar der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt
Lehrbeauftragter der Fachhochschule Anhalt (FH)
am 16. November 2005 in Halle
Ralf M. Leinenbach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Richard-Wagner-Str. 5, 39106 Magdeburg
Tel.: 03 91/54 48 66, Fax: 03 91/54 48 6-88, E-Mail: [email protected]
Vortragsübersicht
Honorarrecht
Vergaberecht
Haftungsrecht
Strafrecht
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
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Honorarrecht (1)
Die Vergütung des Sicherheits- und
Gesundheitskoordinators richtet sich nicht nach
der HOAI (OLG Celle, IBR 2004, 431)
Folge ist, dass das Honorar in der Höhe frei
vereinbart werden kann
Die Honorarabrede kann des Weiteren auch
formfrei getroffen werden
§ 5 Abs. 4 HOAI – Vergütung für Besondere
Leistungen nur bei schriftlicher Vereinbarung und
nicht nur unwesentlicher Arbeits- und
Zeitaufwand – gilt nicht (OLG Celle, a. a. O.)
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
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Honorarrecht (2)
Wird zwar vereinbart, dass SiGeKo-Arbeiten
durchgeführt werden, unterbeleibt aber die
Regelung eines Honorars, ist gleichwohl ein
wirksamer SiGeKo-Vertrag geschlossen
Der Auftraggeber schuldet dann die „übliche
Vergütung“ i. S. d. §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB
Eine Vergütung der SiGeKo-Tätigkeit in Höhe von
0,4 % der Nettobausumme liegt im Rahmen des
Üblichen (OLG Celle, IBR 2004, 431)
Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat –
differenziert nach Objekt – Vergütungen von
0,6 % bis 1,2% der Nettobausumme als üblich
ermittelt
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Vergaberecht
SiGekO-Aufträge sind bei Überschreitung der
maßgeblichen Schwellenwerte nach den
Vorschriften der VOF auszuschreiben
Für gemeindliche Aufträge und Landesaufträge
liegt der Schwellenwert derzeit noch bei 200.000 €
(§ 2 Nr. 2 VOF)
bei mehrjährigen Aufträgen ist § 3 VgV zu
beachten
Bei einem Verstoß gegen die Vergabepflicht kann
der SiGeKo-Vertrag nichtig sein (§ 13 S. 6 VgV,
§§ 134, 138 BGB)
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Haftungsrecht (1)
Baustellen sind gefährlich
Das liegt zum einen an der Art der
auszuführenden Tätigkeiten (schwere Lasten,
große Höhen etc.)
Hinzu kommt das nebeneinander zahlreicher
Arbeiten mit einer Potenzierung der
Einzelgefahren
Zur besonderen Gefährdung trägt des Weiteren
der Zeit- und Kostendruck bei
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Haftungsrecht (2)
Vom Bauherren sind daher die allgemeinen
Rechtsregelen für den Schutz der Rechtsgüter Dritter,
insbesondere für deren Leben, Gesundheit und
Eigentum zu beachten:
Schutzpflichten
aus Vertrag
aus Schutzgesetzen
Verkehrssicherungspflichten
aus der Schaffung einer Gefahrenlage
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Haftungsrecht (3)
Schutzpflichten aus Vertrag folgen aus:
folgenden Verträgen mit den Baubeteiligten
Bauvertrag
Architektenvertrag
Planerverträge
Verträge mit sonstigen Baubeteiligten
Geschützt werden die Vertragspartner und ihre
Mitarbeiter gegen wechselseitige Gefährdungen
(Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter)
Geschützter Personenkreis: (1) Leistungsnähe,
(2) Einbezieungsinteresse, (3) Erkennbarkeit
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Haftungsrecht (4)
Schutzpflichten aus Schutzgesetzen folgen aus:
den auf Grundlage des Arbeitschutzgesetzes
erlassenen Verordnungen u. Richtlinien
Baustellenverordnung
RAB
Schutzausrüstungsverordnung
Lastenhandhabungsverordnung
Arbeitsmittelbenutzungsverordnung
Geregelt wird die Sicherheit und der
Gesundheitsschutz der auf der Baustelle
Beschäftigten
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Haftungsrecht (5)
Deliktische Verkehrssicherungspflichten folgen aus:
der Schaffung einer Gefahrenlage
verpflichtet ist derjenige, in dessen Verantwortungsbereich die Gefahrenquelle liegt
geht die Gefahr vom Verhalten aus, ist
derjenige verantwortlich, der es steuern kann
es sind die notwendigen u. zumutbaren
Maßnahmen zu treffen, um die Schädigung
anderer zu verhindern
Geschützt sind diejenigen Personen, mit deren
Gefährdung der Pflichtige üblicherweise rechnen
muss und Kinder
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Haftungsrecht (6)
Die Verkehrssicherungspflichten werden
konkretisiert durch:
DIN-Vorschriften
Unfallverhütungsvorschriften
allgemein anerkannte Berufsstandards
RAB
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Haftungsrecht (7)
Somit ergeben sich Schutzpflichten und
Verkehrssicherungspflichten für:
den Bauherren und
die sonstigen Baubeteiligten und zwar
untereinander und
gegenüber Dritten
Die Schutzpflichten und Verkehrssicherungspflichten
können delegiert werden. Für den originär
Verantwortlichen treten dann an dessen Stelle
Kontrollpflichten
Überwachungspflichten und
Koordinierungspflichten
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Haftungsrecht (8)
Die wirksame Delegation setzt somit voraus:
eine eindeutige u. klare Absprache
aus Beweisgründen: Schriftlich
Für „Lücken“ haftet der Bauherr persönlich
Gleiches gilt bei Verletzung der Kontroll-,
Überwachungs- und Koordinierungspflichten
Aber Achtung!: Unklare Regelungen können sich zu
Lasten des Koordinators auswirken. Er haftet für den
Sicherheitserfolg
Der SiGeKo wird gemäß § 4 BaustellenVO in eigener
Verantwortung (siehe hierzu auch RAB 33)
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Haftungsrecht (9)
Stufenplan:
Gefahrensituation
Maßnahme
1. Stufe
bei jedem Bauvorhaben im
Sinne der BaustellenVO
Berücksichtigung der allgem.
Grundsätze von § 4 ArbSchG bei
Planung der Ausführung
2. Stufe
wenn
Vorankündigung
- die voraussichtliche Dauer der
Arbeiten mehr als 30 Arbeitstage
betragen wird und mehr als 20
Beschäftigte tätig werden,
- oder wenn der Umfang der Arbeiten
voraussichtlich 500 Personentage
überschreitet
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Haftungsrecht (10)
Stufenplan:
Gefahrensituation
Maßnahme
2. Stufe
Mehrere Arbeitgeber werden
tätig
Bestellung eines Koordinators
mit Aufgaben gemäß
§ 3 BaustellenVO
4. Stufe
wenn
(ggf. Vorankündigung),
Bestellung eines Koordinators,
Aufstellung eines Sicherheitsund Gesunheitsschutzplanes
- auf einer Baustelle mehrere
Arbeitgeber tätig werden
- und die voraussichtliche Dauer der
Arbeiten mehr als 30 Arbeitstage
betragen wird und mehr als 20
Beschäftigte tätig werden,
- oder wenn der Umfang der Arbeiten
voraussichtlich 500 Personentage
überschreitet
- oder besonders gefährliche Arbeiten
gemäß Anhang II zur BaustellenVO
ausgeführt werden
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Haftungsrecht (11)
OLG Celle, Urteil v. 03.03.2004, 9 U 208/03
BGH, Beschluss v. 21.07.2005, VII ZR 67/04:
Ein Bauunternehmer kann sich nicht dadurch von
seiner Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle
befreien, dass er einen Sicherheits- u.
Gesundheitskoordinator beauftragt
Denn ein Verschulden des SiGeKo wird dem
Auftragnehmer nach § 278 BGB zugerechnet
Der Auftragnehmer haftet nicht nur dafür, dass er den
SiGeko ordnungsgemäß auswählt und kontrolliert
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Haftungsrecht (12)
OLG Celle, Urteil v. 03.03.2004, 9 U 208/03
BGH, Beschluss v. 21.07.2005, VII ZR 67/04:
Der Vertrag zwischen dem Auftragnehmer und dem
SiGeKo ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten
aller Personen, die sich berechtigter Weise auf der
Baustelle aufhalten.
Der SiGeKo haftet gegenüber diesen Personen
unmittelbar, wenn es zu einem Unfall kommt
Der Auftragnehmer hat die Nebenpflicht vor Schaden
zu bewahren. Setzt er einen Nachunternehmer ein
(nichts anderes ist der SiGeKo) dann, haftet der
Auftragnehmer für dessen Verschulden, wie für
eigenes Verschulden
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Haftungsrecht (13)
OLG Bamberg, Urteil v. 11.09.2002, 8 U 29/02:
Wenn ein SiGeko auf einer Baustelle eingesetzt wird
und auf dessen Anordnung eine Öffnung in der
Geschossdecke über dem Keller ausreichend
gesichert ist, haftet der SiGeKo nicht für den Sturz
eines Arbeiters durch die Öffnung in den Keller, wenn
nicht bewiesen werden kann, dass der SiGeKo die
Entfernung der Sicherung bei der Wahrnehmung
seiner Überprüfungspflichten hätte bemerken
müssen
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Haftungsrecht (14)
OLG Bamberg, Urteil v. 11.09.2002, 8 U 29/02:
Auch bei kleinen Deckenöffnungen (hier 1 qm) kann
sich die Notwendigkeit für ausreichende
Sicherungsvorschriften nach der BaustellenVO und
den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften
ergeben (BGV C 22)
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Haftungsrecht (15)
BGH, NJW 1985, 1078:
Die zu treffenden Sicherungsmaßnahmen haben sich
nach den Sicherungserwartungen der mit den
Gegebenheiten und üblichen Gefahren einer
Baustelle vertrauten Personen zu richten
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Strafrecht (1)
Die zivilrechtlich für den SiGeKo geltenden
Schutzpflichten und Verkehrssicherungspflichten
wirken sich auch strafrechtlich aus
Der SiGeKo ist insoweit Garant für die Sicherheit und
Gesundheit der auf den Bau Tätigen
Er muss alles ihm zumutbare tun bzw. veranlassen,
um vorhersehbare Gefährdungen zu vermeiden
Anderenfalls haftet er strafrechtlich wegen
fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen der
notwendigen Schutzmaßnahmen
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Strafrecht (2)
AG Obernburg, CS 103 Js 2067/01:
Ein Arbeitnehmer führte auf der oberen Ebene des zu
errichtenden Parkhauses Bewehrungsarbeiten in
unmittelbarer Nähe der Auffahrt der darunter
liegenden Ebene durch
Bei Eisenflechtarbeiten verliert er das Gleichgewicht
und erleidet einen Schädelbasisbruch
Das AG Oberburg verurteilte den SiGeKo zu einer
Geldstrafe von 2.800 EUR
Der SiGeKo hätte erkennen müssen, dass
Absturzsicherungen fehlen und hätte
Abhilfemaßnahmen einleiten müssen
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
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Strafrecht (3)
AG Obernburg, CS 103 Js 2067/01:
Zudem habe der SiGeKo es unterlassen die
notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen vor
Arbeitsbeginn konkret mit den ausführenden Firmen
festzulegen und abzustimmen
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
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Strafrecht (4)
OLG Rostock Urteil v. 10.09.2004, 1 Ss 80/04 I 72/04:
Kommt es unter Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften zu einem Arbeitsunfall, ist der
Arbeitsgeber nicht für die Verletzung oder den Tod
eines sich in voller Kenntnis mit dem Verstoß
verbundenen Gefahr selbst schädigenden
Arbeitnehmers verantwortlich, wenn er dessen
Willensbildung nicht beeinflusst hat
Im konkreten Fall: Falsche Lagerung von
Gasflaschen und dadurch eingetretener Explosion
trotz entsprechender Ermahnung zur
ordnungsgemäßen Lagerung
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
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Kontakt
Rechtsanwalt Ralf M. Leinenbach
Leinenbach Rechtsanwälte
Richard-Wagner-Str. 5, 39106 Magdeburg.
Telefon: 03 91-54 48 66.
E-Mail: law@leinenbach-rechtsanwälte.de
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