Die „Members only - Enthüllungen eines P1

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Die „Members only - Enthüllungen eines P1
DEUTSCHLAND
22. Dezember 2007
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Die „Members only - Enthüllungen eines P1-Türstehers“ in München
Beruf Spaßbremse: Damir Fister hat als Türsteher des Münchner "P1" zehn Jahre lang bestimmt, wer reinkommt. Jetzt erzählt er von
seiner Zeit in Deutschlands ehemals bekanntester Diskothek.
Du musst draußen bleiben
Zwei heiße Hasen durften immer ins
„P1“, einen scheiß Typ mit zwei heißen
Hasen ließ ich auch noch rein, aber zwei
scheiß Typen mit einem heißen Hasen,
das ging nicht. + + + + Erstaunlich, wie
viele Frauen einfach ohne ihren Freund
ins „P1“ gingen, wenn der Mann nicht
reinkam. Ein Abschiedskuss, und dann
Tschüss. + + + + Auch beste Freunde,
Geschäftspartner und sogar Zwillinge haben sich am Eingang getrennt – einer
rein, der andere heim. + + + + Nur
schlechte Türsteher lassen alle ihre
Freunde in den Club. Wenn sie nicht zur
Türpolitik (berühmt, ausgeflippt und/
oder reich) passten, hab ich auch früheren Mitschülern, Nachbarn, Jungs aus
dem Fußballverein und Freundinnen meiner Frau den Zutritt ins „P1“ verwehrt.
Trotzdem sollte man als Türsteher nicht
die Visitenkarte des Managers eines internationalen Großkonzerns zerreißen
und „Heul doch, du Wurst“ sagen. Die Folge: eine dreiwöchige Suspendierung.
Stammgäste
Es gab eine Liste von etwa 6000 Personen, den erweiterten Kreis der Stammgäste, die ich kennen musste: Aussehen,
Beruf, Vermögen, Freundeskreis. + + +
+ Die Spieler vom FC Bayern durften immer rein, vom TSV 1860 nur Stars wie
Thomas Häßler, Profis der Spielvereinigung Unterhaching mussten draußen
bleiben. + + + + Den Bayern-Verteidiger
Bixente Lizarazu habe ich beim ersten
Mal nicht erkannt, der stand brav eine
halbe Stunde draußen in der Warteschlange, bis ihn ein Mitspieler entdeckt
und lachend reingeholt hat. + + + + Bis
auf Stefan Effenberg haben sich die Bayern-Spieler immer gut benommen. Sehr
zugänglich zum „P1“-Personal war auch
die ein oder andere einsame Spielerfrau.
Bestechungsversuche
Manche Frauen haben uns Türstehern
Sex angeboten, einfach schnell um die
Ecke, um ins „P1“ zu dürfen. Die Männer
haben es mit Geld probiert: Drei russische Geschäftsmänner wollten mir 5000
Mark zustecken. Geld wurde einem eigentlich dauernd angeboten. Man sagt
nicht immer nein.
Männer mit Geld
Ein arabischer Scheich im Club war besser als Weihnachten: Da bekam jeder Türsteher zur Begrüßung 500 Mark, der Barmann ebenso, und als der DJ einmal eine
Platte der Sängerin Ofra Haza auflegte, erhielt er vom Zahlmeister des Scheichs
2000 Dollar zum Dank. + + + + Die bestellten Magnum-Champagnerflaschen
und die Partymädchen wurden von den
Arabern nie angefasst, die waren nur Dekoration. + + + + Als Türsteher wirst du
jeden Abend fünfzig Mal entlassen. Von
Männern, deren Ego es nicht erträgt,
dass sie nicht hineindürfen. Standardsatz: „Weißt du nicht, wer ich bin? Ich bin
der Geschäftsführer/ Sohn/Freund von…
das kostet dich deinen Job“. + + + +
Prominente zu Besuch
Die ganz Großen, Madonna oder Robert
De Niro, wurden groß angekündigt – und
sind dann nie gekommen. + + + + Die
C-Klasse-Promis, Baulöwen und Bratwurstkönige haben sich am schlimmsten
benommen: Da wurde wahllos gekokst
und sich vor Frauen entblößt. + + + +
Echte Stars haben sich in ihren abgesperrten VIP-Bereich zurückgezogen und
dort verhalten gefeiert. + + + + Die Geschäftsleitung hat leider immer öfter prominenten Eltern Membership-Karten für
deren Kinder ausgestellt. Die standen
dann mit ihrer Minderjährigen-Clique
vor der Tür. Ganz schlimm: der Sohn von
Uschi Glas.
Gewalt
In zehn Jahren als Türsteher habe ich
mich laut meinem Tagebuch etwa fünfzig Mal prügeln müssen und an die hundert Schlägereien mitbekommen. Das ist
wenig, verglichen zu anderen Clubs. + +
+ + Wirklich Sorgen um mein Leben ha-
be ich mir nur zweimal gemacht: Ein berüchtigter Wiener Zuhälter, den ich rauswerfen sollte, hat mir seine Pistole vors
Gesicht gehalten. Und ein abgewiesener
albanischer Drogenhändler stellte mir wochenlang nach und drohte meiner Familie mit dem Tod. + + + + Mein Türsteherkollege war ein zwei Meter großer
schwarzer Ex-Footballprofi – darum sind
aggressive Gäste immer auf mich (1,80
Meter) losgegangen. Gegen einen Ringer
habe ich einmal nur gewonnen, weil ich
ihm kräftig in den Arm gebissen habe. +
+ + + Vor dem Eingang des „P1“ stand
immer eine Traube von Menschen, die
gar nicht rein wollten, sondern nur amüsiert zugesehen haben, wie sich andere
mit dem Türsteher streiten.
Ausreden
Eine Ausrede, die bei Ausweiskontrollen
nie funktioniert: „Ich hab keinen Personalausweis dabei, aber hier ist mein Autoschlüssel, der beweist doch, dass ich 18
Jahre alt bin“. + + + + Nicht einmal ein
guter Versuch: Handschriftlich ausgefüllte Schülerausweise, Monatskarten oder
Reisepassanträge. + + + + Unvergesslich ist der etwa 13-jährige, strohblonde,
höchstens 1,70 Meter kleine Junge, der
laut Personalausweis 1,82 Meter groß war,
dunkle Locken hatte, dazu einen Bart
und sehr türkisch aussah. Seine Erklärung: „Das ist ein altes Foto, ich habe meine Haare gefärbt und mich rasiert.“ + +
+ + Journalisten, die vergeblich versucht
haben eine Akkreditierung vorzutäuschen: SZ-Volontäre, Stadtteilzeitungspraktikanten, Schülerzeitungsredakteure, Piratenradio-Angestellte. Ihre Reaktion auf eine Abfuhr: „Ich schreibe euern
Laden kaputt.“ + + + + Ein ganz dummer Trick: Behaupten, dass man den Türsteher Damir gut kennt – aber nicht merken, dass man vor ihm steht. Ich wusste
gar nicht, wie viele Cousins und beste
Freunde ich angeblich habe. + + + + Eine Frau behauptete, sie sei die Mutter
meiner Kinder, ein Mann flüsterte mir
vertraulich zu: „Ich saß im Knast mit Damir“. + + + + Seinen Doktortitel im Aus-
weis vorzuzeigen hilft einem an der „P1“Tür auch nicht. + + + + Ganz Hartnäckige, die von mir abgewiesen wurden, standen später noch einmal vor der Tür: getarnt mit einem Hut, falschen Bärten,
Brillen oder anderer Kleidung.
Touristen
Die Italiener waren immer gut gekleidet
und selbst während des Oktoberfestes
friedlich, aber dreißig Männer mit Maßkrughüten kann ich einfach nicht hineinlassen. + + + + Briten und Osteuropäer
verstehen ein Nein als Aufforderung zum
Kampf. + + + + Lässt man einen Franzosen nicht herein, ist man ein Nazi.
Passt ein Afrikaner nicht zur Türpolitik,
ist man ein Rassist.
Fürs Leben dazugelernt
Es war keine gute Idee damals, für eine
Fred-Feuerstein-Mottoparty 200 Kilo
Fleischstücke per Post zu verschicken –
die Einladungen kamen erst nach vier Tagen an. + + + + Die angenehme Seite
des Berufs: Restaurantchefs, Modegeschäftsinhaber, Reisebürobesitzer und
viele, viele andere wollen um jeden Preis
dein Freund sein. + + + + Die unangenehme Seite des Berufs: wenn dir in der
Fußgängerzone Fremde hinterherrufen:
„Schau mal, das ist der Türsteher vom
›P1‹, dieses arrogante Schwein.“ + + + +
Menschen, die in Diskos tanzen, sehen
dabei nie gut aus. Drogenkonsum macht
das nicht besser.
Persönliches
Stammgäste wurden auf dem Rechnungsblock als „Kotzbrocken-Klaus“
oder „Jochen mit Mundgeruch“ geführt.
+ + + + Auch wenn ich einer der meistgehassten Typen der Stadt war: Wer
freundlich war, humorvoll oder flirten
konnte, hatte immer eine Chance hineinzudürfen. + + + + Bei meinem ersten Besuch als Gast im „P1“ stand ich ewig vor
der Eingangstür, ich habe geklopft und
gerufen, aber niemand hat geöffnet. Ich
stand vor dem falschen Eingang.
Mythos „P1“
Das „P1“ war nie ein schöner Club und
die Musik zu kommerziell. + + + + Den
Ruf des „P1“ hat seine strenge Tür begründet. Jetzt darf fast jeder rein. Das
„P1“ lebt nur noch von seinem Ruhm vergangener Tage.
„Members only – Enthüllungen eines P1Türstehers“ von Damir Fister ist ab sofort
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