Dietrich Fobbe Erst wenn der letzte Baum gerodet ist... Erschienen
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Dietrich Fobbe Erst wenn der letzte Baum gerodet ist... Erschienen
Dietrich Fobbe Erst wenn der letzte Baum gerodet ist... Erschienen: Jahrbuch 1988 Der kleine deutsche Ort Berghausen besaß etwas, was andere Städte nicht besaßen. In der Steinstraße stand auf der linken Seite auf dem Bürgersteig eine zwanzig Meter hohe Eiche, eine Besonderheit, wenn man bedachte, daß dies der letzte Baum auf der Erde war. Längst hatte man sich auf das Herstellen künstlicher Atemluft spezialisiert. Tagtäglich besuchten Touristen diese Sehenswürdigkeit. Doch eines Tages entschloß sich der Bürgermeister der Stadt, den Baum zu fällen. Ich bin der Baum. Ich bin der Baum. Ich kann denken. Ich lebe. Ich bin die neue herrschende Lebensform und beherrsche die Telepathie. Was ist Telepathie? Ich weiß es nicht, dennoch beherrsche ich sie. Die Menschen sollen verschwinden, sie sind dumm und dekadent. Die Pflanzen werden herrschen und der Mensch wird vergehen. Ich werde sie mit Ihren eigenen Waffen schlagen. Mit der Atombombe! Der Mensch wird sich wundern, wenn seine Waffe plötzlich losgeht. Die Natur schlägt zurück und die Pflanze wird regieren. Der Mensch wird mit seiner Waffe untergehen. Ich werde der neue Herrscher und die Pflanzenwelt wird wieder auferstehen. Ich zünde die Bomben, die den Menschen töten. Hans Marx war nicht besonders glücklich über den Beschluß des Bürgermeisters. Er hatte den Baum gepflegt und gemocht. Sein Beruf war zwar schon seit dreißig Jahren ausgestorben, aber Hans nannte sich trotzdem noch gerne Holzfäller. Nun schlurfte er die Steinstraße entlang. In der Hand hielt er seine alte Axt, mit der er zum letzten Mal vor 35 Jahren einen Baum gefällt hatte. Schließlich stand er vor der Eiche und schaute sich zum letzten Mal den Stamm an. Das Holz knirschte, als Hans die Axt hob und zuschlug. Im selben Augenblick starteten aus unbekannten Gründen sämtliche Atomraketen aus ihren Silos. In spätestens zehn Minuten würden sie ihre Ziele erreichen. Bis dahin hatte Hans die zwanzig Meter hohe Eiche längst gefällt... ENDE (c) Dietrich Fobbe 1