„Sorry, die trockenen Kehlen rufen“

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„Sorry, die trockenen Kehlen rufen“
Umwelt baut Brücken
Die Rheinpfalz – Nr. 298
Samstag, 23. Dezember 2006
08_LNEU
Die Neustadter und ihre slowenischen Gastgeber (jeweils nebeneinander von links): Nina Nickel, Spela Jeglic, Martina Mocnik, Kristina Hengen, Eva Traven, Merrit Kraus, Miriam Sauter, Vesna Groselj, Gabriel Christmann, Alenka Lipovsek, Carolin Schmeichel, Petra Strnisnik, Hannah Schnörr, Tina Jenko, Sarah Khan-Blouki und Spela Klemen.
Das Projekt
Zehntklässler als Journalisten
Die Wasserversorgung in der slowenischen Region Kamnik: Mit diesem
Thema haben sich die Schüler der
Klasse 10 c des Neustadter KurfürstRuprecht-Gymnasiums und ihr Lehrer Rainer Nosbüsch beschäftigt, als
sie als Teilnehmer des Zeitungsprojekts „Umwelt baut Brücken – Jugendliche im europäischen Dialog“
bei ihren osteuropäischen Partnern
zu Gast waren (wir berichteten am 7.
Dezember). Über ihre Rechercheergebnisse schrieben sie die Beiträge
auf diesen beiden Seiten. Auch die
Bilder stammen von ihnen selbst.
Mit dem Projekt der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt (DBU), des
Zentrums für Umweltkommunikation der DBU und des IZOP-Instituts
in Aachen, das pädagogischer Ratgeber und Organisator ist, werden mehrere Ziele verfolgt. Die Schüler sollen
eine der 20 beteiligten Tageszeitungen – unter anderem die RHEINPFALZ – kennen lernen, die sie drei
Monate lesen und im Unterricht behandeln. Letztlich sollen sie das Medium kritisch lesen und darin selbst kritisch über ihre Ergebnisse berichten.
Weiteres Ziel ist denn auch, ein
Umweltthema zu hinterfragen – im
Falle der Neustadter Schüler war es
die Wasserversorgung von Kamnik.
Ein zweites Thema wartet auf sie im
nächsten Frühjahr, wenn ihre slowenischen Gäste vom Gymnasium in
Kamnik – 23 Kilometer von Ljubljana
entfernt – bei ihnen in der Pfalz zu
Besuch sind. Bei diesen Austauschen
sollen die Schüler über die Grenzen
hinweg miteinander ins Gespräch
kommen. Jede der 34 deutschen
Schülergruppen hat deshalb eine
Partnerklasse in Polen, der Slowakei,
Slowenien, Tschechien oder Ungarn,
die sie einmal besucht und von der
sie selbst besucht wird. Fünf deutsche Klassen kommen aus der Pfalz:
Neben den Zehntklässlern aus Neustadt beteiligen sich Teams aus Bad
Bergzabern, Speyer, Bad Dürkheim
und Zweibrücken.
Schirmherren des Projekts sind
der deutsche Bundespräsident Horst
Köhler, der slowenische Staatspräsident Janez Drnovsek, Ungarns Staatspräsident László Sólyom, der frühere
polnische Präsident Aleksander Kwasniecwski und der slowakische Staatspräsident Ivan Gasparoviÿ. (tkn)
Das Land
ƒ Slowenien ist ein grundwasserreiches Land.
ƒ Durchschnittlich befinden sich in
18 Metern Tiefe unter dem Erdboden
in nassem Kies 150 Liter Grundwasser pro Kubikmeter.
ƒ Es gibt 1500 Wasserschutzgebiete,
die drei Viertel der Gesamtfläche Sloweniens ausmachen.
ƒ In Slowenien wurden 2003 die
EU-Richtlinien für Wasserreinheit
eingeführt.
ƒ Die Landwirtschaft ist der größte
Verschmutzer des Grundwassers
ƒ Die Verschmutzungswerte des
Grundwassers liegen unter den allgemeinen Grenzwerten.
ƒ Die Kamniska Bistrica, die Hauptwasserquelle von Kamnik, ist eine
Quelle am Fuße der Alpen, umrahmt
von Bergen bis 2600 Meter Höhe.
Sie liefert das Wasser für 22 000 bis
25 000 Menschen.
ƒ Leitungswasser in Kamnik ist
nicht gechlort. Nur ein Mal wurde
das Trinkwasser aufgrund einer Überschwemmung 1991 gechlort.
Paul Schuseil,
Jonas Völk, Philip Sobirey
„Sorry, die trockenen Kehlen rufen“
Kommentar
Slowenen
überraschen
Ein zuversichtlicher Wassertropfen rechnet mit ständig besserer Wasserqualität in Slowenien
þ Menschen setzen dem Wasser zu.
Wenn sie Farben oder Lacke unbedacht entsorgen. Oder die Kanalisation undicht ist. Das macht auch der
slowenischen Stadt Kamnik zu schaffen, die versucht, die Qualität ihres
Grundwassers zu verbessern. Ein imaginärer Wassertropfen erzählt.
Von Anna Scherbarth, Eva Littau
und Nina Nickel
Um alles gut zu verstehen, müssen
wir ganz vorne beginnen. Die Geschichte unseres Wassertropfens
fängt mit dem Niederschlag an. Zuerst räumen wir mit dem Vorurteil
auf, dass es in niederschlagsreichen
Gegenden viel Grundwasser gibt. „Ein
hartnäckiges Gerücht, das auch unter
uns Wassertropfen verbreitet ist“,
klagt H. Zweio. Er kommt aus Slowenien, wo es im Süden zwar mehr Niederschlag als in Deutschland, im Norden jedoch annähernd gleich viel
Grundwasser gibt. „Es liegt alles an
der Beschaffenheit des Bodens“, erläutert H. Zweio. „Wir bevorzugen leicht
passierbare Böden wie Kies. Während
wir durch die vier Schichten der Erde
dringen, unterziehen wir uns einer
Art Reinigung. Diesen Teil der Reise
mag ich besonders“, kichert H. Zweio
geniert. „Das kitzelt so schön.“
„Doch es lauern Gefahren“, wispert
H. Zweio, und wir müssen uns zu ihm
hinbeugen, damit wir ihn verstehen
können. „Denn wir sind nicht der einzige Stoff, der sich in der Erde bewegt.
Es gibt andere, für Lebewesen gefährliche Stoffe. Nitrate! Pestizide! Organische Lösungsmittel!“. Dabei wird er
immer lauter. „Und warum? Weil ihr
eure Pflanzen düngt, eure Kanalisation oft undicht ist und ihr euch nicht
um eure Fabrikabwässer kümmert, gelangen Nitrate zu uns ins Grundwasser. Durch Pflanzenschutzmittel kommen Pestizide dazu, und als ob das
nicht genug wäre, verursachen eure
Farben, Lacke und Waschmittel, dass
organische Lösemittel in die Erde gespült werden.“
Nach diesem Ausbruch entspannt
H. Zweio sich und fährt fort: „Doch
Ihr lernt dazu. Seit einigen Jahren gibt
es bestimmte Richtlinien, die eine
übermäßige Verschmutzung verhindern sollen.“ Durch die strengen Kontrollen hat sich die Lage des Trinkwassers in der Gegend um Kamnik soweit
verbessert, dass man das entweder an
den Quellen aufgefangene oder von
den Pumpen geförderte Wasser nicht
mehr mit Chlor reinigen muss, sondern direkt in die Haushalte bringen
kann. Aufgrund dieser Tatsache hellt
sich die Miene von H.Zweio auf. „Ich
bin sehr zuversichtlich, dass sich die
Lage des Wassers soweit verbessert,
dass Slowenien in wenigen Jahren die
EU-Richtlinien vollständig erfüllen
wird. Und nun entschuldigt mich, die
trockenen Kehlen rufen.“
Von Michele Döppert
und Merrit Kraus
þ Viele Slowenen scheinen die
Güte ihres Trinkwassers nicht zu
schätzen zu wissen.
Sauberes Wasser in sauberer Natur: In Slowenien .
Kalkstein als natürlicher Filter
Die Wasserqualität in Slowenien ist
sehr gut. Hier wird das Wasser nur
gefiltert, es werden keine reinigenden Stoffe hinzugefügt. Auch muss
es nicht mit Chlor gereinigt werden, denn nur 35 Prozent der Erdoberfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Im Gegensatz zu
Deutschland, wo zum Beispiel die
Bewohner mancher Orte gelegentlich eine Nachricht erhalten, in der
sie dazu aufgefordert werden, das
Wasser zu bestimmten Zeitpunkten nicht zu trinken.
Umso verwunderlicher ist es,
dass die Slowenen ihr Wasser
kaum aus der Leitung trinken.
Wäre es doch billiger und gesünder
als das Wasser aus dem Supermarkt, welches sie in großen Mengen kaufen. Wir in Deutschland wären froh darüber, wenn wir so billiges und qualitativ hochwertiges
Trinkwasser hätten. Umso mehr
überrascht es, dass sehr viele Slowenen – zumindest die, die wir getroffen haben, nicht auf ihr Trinkwasser zu vertrauen scheinen.
—FOTO: RAINER NOSBÜSCH
20 Quellen getestet
In Sloweniens Bergen: Sauberes Wasser plätschert einfach so aus dem Gestein Vid Kregar lebt für sauberes Trinkwasser
þ Und woher kommt jetzt das Trinkwasser, das in Kamnik aus der Leitung fließt? Aus den Bergen.
þ Grüne Wiesen, grüne Wälder, eiskaltes Quellwasser, das aus schroffen
Felsen entspringt – hier fühlt sich
Vid Kregar zu Hause. Der 55-jährige
Restaurateur forscht leidenschaftlich
an allen Dingen, die mit Wasser zu
tun haben. Sein gemütliches Wesen
und sein dichter Vollbart lassen ihn als
den naturverbundenen und lebensfrohen Menschen wirken, der er ist.
Von Nicolas Fröhlich, Sonja Lang
und Holger Sprengel
„Hier befinden wir uns an einem geologisch interessanten Ort“, berichtet
Naturforscher Vid Kregar, als wir auf
unserer Exkursion in die Bergwelt von
Kamnik aus dem Bus steigen. Dort verläuft nicht nur die Grenze von Wald
und Wiese, sondern auch dem weiter
oben liegenden Kalkgestein und dem
darunter liegenden Schiefer. Das Wasser, welches durch das karstige Kalkgestein sickern kann, tritt an dieser Stelle an die Oberfläche, da es den Schiefer nicht durchdringen kann.
Auf seinem Weg durch das Kalkgestein wird es auf ganz natürliche Weise gereinigt. Zudem kommt keine Verschmutzung durch die Bevölkerung
hinzu, da hier oben keine Menschen
leben. Dann machen wir uns auf den
Weg durch die vom Herbst bunt gefärbte Landschaft und erkunden die
Natur. Typisch für diese Landschaft
sind tiefe Becken, in denen sich bei
Regen das Wasser ansammelt. Auf
dem Weg in das nächste Dorf entdeckt Exkursionsleiter Kregar eine Ziege, die sich im Zaun verfangen hat. Er
versucht mit unserer Unterstützung,
das Tier zu befreien. Kurze Zeit später
steht sie auch schon – wenn noch
wacklig – auf ihren Beinen. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis wir das
Dorf Palovce erreichen. Die wenigen
kleinen Häuser und Ställe lehnen sich
an den steilen Hang an. Sie haben oft
keinen Abwasserkanal und verschmutzen so das Grundwasser.
In der Ferne sind die Hauptstadt
Ljubljana und die Dörfer am Fuße des
Berges zu sehen. Sie werden mit dem
Aus allen Bächen würde Naturforscher Vid Kregar wahrlich nicht trinken.
Dann zum Beispiel nicht, wenn zuvor das Abwasser eines Bergdorfes zugeleitet wird.
—FOTO: NICOLAS FRÖHLICH
Wasser der Bergquellen versorgt –
ohne künstliche Aufbereitung. Unterhalb des Dorfes kosten wir das Wasser
an einem Brunnen. Der Rückweg
führt uns an einem malerischen Bach
entlang ins Tal. „Dieses Wasser würde
ich nicht trinken, denn die wenigen
Häuser des Dorfes verschmutzen den
ganzen Bach“, sagt Kregar. Sobald das
Wasser jedoch unter der Erdoberfläche ist, wird es wieder auf die natürliche Weise gefiltert.
Wir schließen unseren Ausflug mit
der Besichtigung einer Pumpstation
ab. Dort erwartet uns Ales Strazar, Leiter des Wasserwerkes von Domzale.
Er zeigt uns die Pumpe, die das Wasser aus 150 Metern Tiefe aus der Erde
hochholt. Außer dieser gibt es noch
drei weitere Pumpstationen im Tal, deren Förderleistung je zehn Liter pro
Sekunde beträgt. Sie werden aus Domzale ferngesteuert. Das war‘s für uns.
Wir fahren mit dem Bus zurück.
Kregar hat seinen Beruf als Restaurateur
von Kachelöfen, Geschirr und Holzaltären so gewählt, dass
er stets genug Zeit
für sein, für ihn mindestens ebenso wichtiges Hobby hat.
Durch sein Physik-,
Chemie-, und Geologiestudium gelangte
er zu einem großen
Wissen über sein Interessengebiet, welches er nun bei Projekten,
Vorträgen
und Führungen vor
allem an Schulen weitergibt.
Diese ehrenamtlichen Aktivitäten begann er, als seine Söhne das Gymnasium
besuchten. Damals
setzte er durch, dass
Schüler sich an Forschungsarbeiten beteiligen konnten und
mehr Freiheiten bei
der zeitlichen Festsetzung der Prüfungen
bestanden.
Dieses
Schulprojekt gewann bei Wettbewerben mit nationalem Vergleich bereits
mehrere Preise. Nach dem schulischen Abschluss seiner Söhne führte
er den Kontakt zu forschungsinteressierten Schülern fort und sieht diesen
bis heute als alltäglichen Bestandteil
seines Lebens.
Bei Untersuchungen und Geschmacksproben von 20 slowenischen Quellen fand
er heraus, dass viele
Menschen ihr eigenes Wasser erkennen
und
slowenisches
Wasser sehr sauber
und qualitativ hochwertig ist. Da seine
Forschungsarbeiten
am
Grundwasser
sehr teuer sind, hat
die europäische Jugendgemeinschaft
das Sponsern seiner
Studien
übernommen. Mit dieser Organisation hat er vor,
unter anderem auch
Forschungsfreizeiten
anzubieten, zu denen
Jugendliche aus ganz
Europa eingeladen
sind. Das Ziel von
Vid Kregar ist es, die
Sauberkeit des Trinkwassers in Slowenien
zu erhalten und die
Menschen zu umweltbewussterem
Denken anzuregen.
Vid Kregar möchte künftig
auch Forschungsfreizeiten anbieten. —FOTO: NICOLAS FRÖHLICH
Gabriel Christmann,
Christoph
Danckwardt,
Johannes Michel,
Tobias Zogrotzky
Tamara Komatar (von links), Sonja Lang, Luka Hren, Paul Schuseil, Jure Gubanc, Felix Pleuger, Aljaz Tepina, Nicolas Fröhlich, Mark Bracic, Volker Nittnaus, Urska Jerman, Ines Kerth, Marusa Vidrih und Jonas Scholz.

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