Feuerwehr Sankt Augustin „Gefahr“ Nagelplattenbinder

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Feuerwehr Sankt Augustin „Gefahr“ Nagelplattenbinder
Feuerwehr
Sankt Augustin
Aus- und Fortbildung
„Gefahr“
Nagelplattenbinder
AK: Ausbildung
Bearbeiter: HBM Karp
Stand: 05/2007
1
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Seite
3
Was sind Nagelplattenbinder
Seite
4
Aufbauschema
Seite
5
Mehrteilige Binder und Verbindungen
Seite
6
Problematik, Einsturzgefahren
Seite
7
Schutzmöglichkeiten
Seite
8
Im Brandfall
Seite
9
Fazit
Feuerwehrleute müssen Bescheid wissen
und
Gefährlicher Innenangriff
Seite
10
Quellenverzeichnis
Seite
11
2
Vorwort:
In Deutschland entstehen immer mehr Lebensmittel-Discounter und
Fast-Food-Restaurants. Die Gebäude werden meist in Rekordzeit errichtet.
Für die Feuerwehr stellen die Dachkonstruktionen im Brandfall oft ein
enormes Risiko dar.
Holzkirchen in Oberbayern, südlich von München:
Um 22.56 Uhr wird die Feuerwehr der Großgemeinde mit Stufe 3 in die Tegernseer Straße
alarmiert. Die Meldung lautet „Brand beim Minimal“.
Bei Ankunft der Feuerwehr dringt Rauch aus dem 50 mal 25 Meter großen Supermarkt.
Das 1990 erweiterte Gebäude weist unterschiedliche Dachkonstruktionen auf.
Neben klassischer Balkenkonstruktion ist ein Teil über dem Verkaufsbereich mit einer
Stahlbinder-, ein anderer, 10 mal 20 Meter großer Bereich mit einer so genannten
Nagelplattenbinderkonstruktion (NPBinder) ausgeführt. Drei Atemschutz-Trupps gehen mit
einem C-Rohr vor. Den Brandort können sie zunächst nicht ausmachen.
Unter Einsatz der Wärmebildkamera konzentrieren sich die Kräfte auf den Dachbereich des
Marktes. Über eine installierte Leiter geht ein Trupp zum Öffnen der Dachhaut vor.
Als die Rauchentwicklung plötzlich dramatisch zunimmt, bricht die Einsatzleitung den
Innenangriff ab. Auch die auf dem Dach befindlichen Einsatzkräfte erhalten den
Rückzugsbefehl. Noch bevor dieser allerdings ausgeführt werden kann, stürzt das
komplette Dach des westlichen Gebäudeteils in den Ladenbereich. Sofort schlagen heftige
Flammen aus dem Gebäude. Glücklicherweise standen die noch auf dem Dach verbliebenen
Männer – ohne es zu wissen – auf dem älteren Gebäudeteil mit herkömmlicher
Dachkonstruktion. Nur wenige Schritte weiter und sie wären mit dem Dach abgestürzt.
Das nun heftige Feuer konnte erst zwei Stunden nach der Erstalarmierung von insgesamt
elf Feuerwehren unter Kontrolle gebracht werden. Eingesetzt werden sieben Werfer und
Wenderohre, drei B-, neun C-Rohre und etwa 60Pressluftatmer. Ein Totalverlust des
gesamten Markts konnte nicht verhindert werden, die Ruine musste abgerissen
werden. Die Brandursache war zunächst nicht zu ermitteln.
30 Feuerwehrleute durch Deckeneinstürze getötet
Aufgrund der Verwendung von Binderkonstruktionen seit den 50er Jahren
in den USA setzte dort schon vor Jahren eine entsprechende Sensibilisierung ein.
Zwischen 1977 und 1995 starben in den USA 30 Firefighter bei 16 Bränden durch einstürzende
Binderkonstruktionen. Seit dem Einsturz eines Automarktes in Hackensack, New Jersey, bei
dem 1988 fünf Feuerwehrmänner umkamen, werden Binder als „Firefighter-Killer“ bezeichnet.
Während in der Landwirtschaft vielleicht – entsprechend dem Brandfortschritt– noch eher von
einem klassischen Innenangriff abgesehen wird, sieht dies vor allem bei den neu errichteten
Discount-Ladengeschäften oder bei Schnellrestaurants anders aus. Hier gilt es, vermeintlich
größere Werte zu schützen, was die Entscheidung des Einsatzleiters entsprechend
beeinflusst.
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Was sind Nagelplattenbinder ?
Aus einer verzinkten Stahlblechplatte werden Nägel angestanzt und herausgebogen.
So entsteht eine Stahlblechplatte mit einseitig heraus geformten Nägeln.
Mit Hilfe einer Presse werden diese Nagelplatten plan eben in das Holz gedrückt. Mit zwei
Nagelplatten lassen sich zwei oder mehrere Holzstäbe miteinander verbinden.
Die Vorteile dieser Holzverbindungen sind vielfältig:
• Keine Materialschwächung, dadurch geringer Holzverbrauch durch schmale
Holzquerschnitte
• Eine schnelle Verarbeitung
• Stabile Verbindung von zwei oder mehreren Hölzern in beliebigen Winkeln
So sehen Nagelplattenbinder aus.
Sie sind industriell vorgefertigt,
ihre Nägel dringen nur
wenige Zentimeter in das Holz ein. Nicht
ihre gesamte Fläche trifft den Holzbalken.
Konstruktionen aus Holz mit Nagelplattenverbindungen lassen sich fast überall einsetzen.
Der “einfache” statische Nachweis ermöglicht sichere Konstruktionen.
Es gibt verschiedene Arten von Nagelplatten die sich in der Materialstärke und Anordnung der
Nägel unterscheiden. Für aggressive Umgebungen sind Nagelplatten aus Edelstahl erhältlich.
Die Arbeitsabläufe bei der Fertigung sind immer gleich. Erst werden die unteren Nagelplatten
ausgelegt, danach die Hölzer in die Form gelegt, im Anschluss wird die obere Nagelplatte
positioniert.
Am Ende der Fertigung werden die Nagelplatten mit einer Druckkraft von 30 bis 50 to in das
Holz gepresst.
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Aufbauschema:
Wer die Baustelle eines solchen Supermarkts einmal beobachtet hat,
ist von der Schnelligkeit des Baufortschritts beeindruckt. Nachdem das Erdgeschoss im Rohbau
steht, werden die mit Tiefladern angefahrenen und industriell vorgefertigten Elemente
der NP-Binder oft innerhalb eines Tages aufgesetzt. In den meisten Fällen wird damit nur das
klassische Satteldach simuliert. Entsprechend dünn
– nur fünf bis sechs Zentimeter breit und zehn Zentimeter hoch –
sind die Holzverstrebungen bemessen, die an den Knotenpunkten von Nagelplatten
zusammengehalten werden.
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Mehrteilige Binder
Sehr große Binder werden in der Regelmehrteilig hergestellt und angeliefert. Gründe
dafür sind in der Produktion oder in der Transportdimension zu suchen.
Mehrteilige Binder haben vorbereitete Verbindungspunkte, an denen die
Binderteile auf der Baustelle miteinander verbunden werden.
Verbindungen
Mit der statischen Berechnung sind die Verbindungsmittel vorgegeben.
In der Regel sind Lochbleche an den Untergurtstößen
und BFU-Platten am Firstknoten vorgesehen. Die erforderliche Anzahl der Nägel
ist in den Werkplänen vermerkt.
Technische Werte:
Als Beispiel
Maximale Länge
Spannweite
Höhe
Abstand
Holzstärke
Holzgüte
Norm
Zulassung
Material der Platten
bis 35,50 m
bis 35,00 m, freitragend
bis 5,00 m einteilig, sonst mehrteilig
variabel, (1,00; 1,25 m, als bewährtes Raster)
5 bis 8 cm oder mehrfach 2 x 5 cm; 2 x 6 cm bis 4 x 8 cm
Sortierklasse S10K, technisch getrocknet
DIN 1052, 4074
je nach Plattentype
Verzinktes Stahlblech 1,0 oder 2,0 mm Edelstahl 1,0 oder 2,0 mm
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Problematik:
Warum besteht eine erhöhte Einsturzgefahr bei Nagelplattenbindern:
Seit dem Jahr 2002 kam es in Nordrhein-Westfalen in 5 Discount-Supermärkten mit
Nagelplatten-Dachkonstruktionen zu Bränden mit schlagartigem Einsturz der Dächer. Innerhalb
weniger Minuten nach Ausbruch eines Brandes kam es zum Vollbrand und Totaleinsturz des
Daches. Dabei ergibt sich das Gefahrenpotential dieser Dachkonstruktion aus der Statik: Die
tragenden Dachelemente, deren Holzelemente lediglich an den Knoten mit Nagelplatten
verbunden sind, werden lediglich auf den Außenwänden aufgelagert.
Zusätzliche Stützen sind nicht vorhanden.
Kommt es zum Versagen eines Nagelplattenbinders, ist keine Lastumlagerung möglich,
so dass es in den meisten Fällen zum Totaleinsturz kommt. Nagelplatten-Dachkonstruktionen
weisen aufgrund der Verwendung von sägerauhen Holzelementen ein hohes Brandpotential
auf. Klimatechnik, Heizung, Lüftung und die Elektronik befinden sich typischerweise unter dem
Dach und erhöhen die Brandgefahr, so dass es häufig zu einem raschen Übergreifen des
Brandes auf das gesamte Gebäude und damit zum Einsturz des Daches kommt. Aufgrund
dieser unkalkulierbaren Gefahr gestalten sich auch die Löscharbeiten problematisch: Durch die
erhöhte Einsturzgefahr ist das Löschen lediglich von außen möglich. Ein Innenangriff der
Feuerwehr hingegen gilt als extrem gefährlich. Trotz der genannten Risiken gilt für
Discountmärkte mit Nagelplatten-Dachkonstruktionen, die in der Regel eine Verkaufsfläche von
700 bis 1500 qm aufweisen, nicht die Mindestanforderung im Brandverhalten, F 30-B. Diese
Anforderung ist nach der Verkaufsstättenverordnung NRW (VkVO NRW) erst ab einer Größe
von 2000 qm anzuwenden.
Die Gefährlichkeit der Nagelplatten-Dachkonstruktion widerspricht allerdings der Bauordnung
für das Land Nordrhein-Westfalen, da die Rettung von Menschen sowie wirksame
Löscharbeiten
(BauO NRW, § 17 Brandschutz) durch das bereits beschriebene unkalkulierbare
Brandverhalten nicht möglich ist. Die hohe Wahrscheinlichkeit des Einsturzes eines Daches
läuft zudem dem § 3 der Bauordnung NRW zuwider. Dieser besagt, dass bauliche Anlagen
so geschaffen sein müssen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben,
Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden dürfen.
Nagelplattenbinder werden bei unterschiedlichen Gebäudetypen als kostengünstige
Dachkonstruktion
verwendet, ihr Einsatz ist somit nicht nur auf Discountmärkte beschränkt. Seit
dem Jahr 2000 sind in Deutschland nach Informationen des Landesfeuerwehrverbandes
NRW und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren NRW in Discountmärkten
mindestens 17 Brände mit schlagartigem Einstürzen der Dächer bekannt geworden. In
der überwiegenden Anzahl der Fälle sind die Brände außerhalb der Betriebszeiten entstanden
(Brandstiftung). Bei einigen dieser Einsätze wurden Einsatzkräfte der Feuerwehren verletzt
bzw. gefährdet. Einsätze der Feuerwehr, bei denen Menschen aus den Discountmärkten
gerettet werden mussten, sind nicht bekannt.
Das Schutzziel einer sicheren und schnellen Räumung bei derartigen Gebäuden wird durch
die Erfüllung der Vorschriften über Anzahl, Anordnung, max. Länge und Kennzeichnung von
Rettungswegen, organisatorische Maßnahmen sowie des vorbeugenden baulichen und
technischen Brandschutzes erreicht.
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Schutzmöglichkeiten ?
1. Wie bewertet die Landesregierung die Problematik und die Risiken der Verwendung
von Nagelplatten-Dachkonstruktionen in vielen Discount-Supermärkten in NRW?
Der Totaleinsturz eines Daches durch Brandeinwirkung, an das keine Anforderungen an die
Feuerwiderstandsdauer gestellt wird, kann je nach Einsatztaktik des Einsatzleiters der
Feuerwehr – wie bei jedem Innenangriff - mit Gefahren für die am Löscheinsatz beteiligten
Feuerwehrkräfte verbunden sein. Die Feuerwehren in NRW fordern deshalb, dass beim Neubau
von Verkaufsstätten, die nicht in den Geltungsbereich der Verkaufsstättenverordnung fallen,
das Tragwerk des Daches in der Feuerwiderstandsklasse F 30 B erstellt werden soll. Das
gleiche Sicherheitsziel kann aber auch mit anderen Maßnahmen erreicht werden. Dazu gehören
technische ebenso wie statische Maßnahmen. Da diese Gebäude keiner Sonderbauvorschrift
unterliegen, ist im jeweiligen Einzelfall von der Bauaufsichtsbehörde in Abstimmung
mit der Brandschutzdienststelle zu klären, ob und ggf. welche Maßnahmen erforderlich
sind.
2. Aus welchem Grund werden Gebäude mit einer Größe von 700 bis 1500 qm von der
Mindestanforderung im Brandfall ausgenommen, obwohl nachweislich ein hohes
Gefahrenpotenzial
besteht?
An Dachkonstruktionen werden nach der Bauordnung NRW grundsätzlich keine Anforderungen
hinsichtlich der Feuerwiderstandsdauer gestellt. Dies ermöglicht die Errichtung von
Dachstühlen und Dachkonstruktionen z. B. in Holzbauweise und entspricht der Bautradition
in Deutschland. Lediglich in einigen Sonderbauvorschriften werden Anforderungen an die
Feuerwiderstandsdauer des Dachtragwerkes gestellt. Dies gilt z. B. für die Verkaufsstättenverordnung
NRW, die eine Feuerwiderstandsdauer der Dachtragwerke in nicht gesprinklerten
Verkaufsstätten fordert. Discountmärkte fallen wegen ihrer geringeren Verkaufsfläche
nicht unter die Regelungen der Verkaufsstättenverordnung, die erst für Verkaufsstätten ab
einer Verkaufsfläche von ca. 2000 qm gilt.
3. Welche Empfehlungen bzw. Erlasse beabsichtigt die Landesregierung hinsichtlich von
Bauanträgen für Nagelplatten-Dachkonstruktionen?
Da Brandereignisse mit anschließendem Einsturz von Dächern in ganz Deutschland bekannt
geworden sind und Discountmärkte i.d.R. auch bundesweit Filialen betreiben, strebt die
Landesregierung
eine Abstimmung mit den anderen Ländern darüber an, ob und ggf. welche
Maßnahmen bei der Errichtung von Nagelplatten-Dachkonstruktionen zu beachten sind.
4. Bei welcher Gelegenheit wird die Landesregierung diese Problematik auch auf Bundesebene
ansprechen?
Die Problematik wurde auf Veranlassung des Vertreters von NRW bereits in Arbeitsgremien
der Bauministerkonferenz behandelt. Die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen.
5. Wie informiert die Landesregierung die Verbraucherinnen und Verbraucher in NRW
über die Gefahren eines Brands in Discountmärkten?
Die bestehenden Brandschutzmaßnahmen haben sich bei den bekannt gewordenen Bränden
hinsichtlich der Kundinnen und Kunden der Verkaufsstätten als wirksam erwiesen. Im
Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 4 verwiesen.
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Das Feuer erfasst sofort die tragende Dachkonstruktion!
Das Problem: die Nägel, die mit den Platten diese Knoten fixieren, dringen nur wenige
Zentimeter in das Holz ein. Bei einem Brand im Dachbereich werden sofort die Verstrebungen
– und damit die Dachkonstruktion selbst – angegriffen.
Bei einem fortgeschrittenen Brand verlieren die Nagelplatten an den Verbindungspunkten
ihren Halt, fallen ab und bringen schlagartig die gesamte Konstruktion zum Einsturz.
Die Feuerwehrleute, die hier tätig werden müssen, wissen meist nicht, wie lange der
Schwelbrand bereits dauert. Es ist lediglich Rauch aus dem Dach erkennbar, der Verkaufsraum
unter der isolierten Zwischendecke ist nahezu rauchfrei. In dieser Situation bleiben dem
Einsatzleiter vermeintlich nur zwei Varianten des Löschangriffs: Öffnen der abgehängten
Decke von unten oder Öffnen der Dachhaut von oben. Genau dies kann aber zum Verhängnis
werden, wie es die Feuerwehren in Holzkirchen hautnah erfahren mussten.
Je nach Branddauer kann ein Einsturz bereits die ersten vorgehenden Angriffstrupps treffen.
Lebenswichtig ist daher die Beurteilung der Konstruktionsart bei einer ersten Erkundung.
Sie entscheidet, ob ein Innenangriff im jeweiligen Fall riskiert werden kann. Oft ist aber eine
solche Beurteilung vor Ort nur bedingt möglich. Noch gefährlicher sind Nagelplattenbinder
bei Bränden in Schnellrestaurants. Hier wirken sich im Brandfall vor allem aufgesetzte schwere
Klimaanlagen negativ auf die Stabilität des Daches aus. Außerdem kann die Stabilität durch die
Ansammlung von Löschwasser beeinträchtigt werden. Da Binderelemente vorgefertigt
angeliefert werden, kann es vorkommen, dass sich bereits beim Transport
Nagelplatten lockern, die Folgen im Brandfall sind absehbar.
Blick auf den
eingestürzten
Dachstuhl.
Zusammengebrochen
ist nur der etwa 200
Quadratmeter
große Bereich, der
mit so genannten
„Nagelplattenbindern“
gebaut worden war.
Das Dach liegt im Einkaufsbereich.
Es ist deutlich zu erkennen, dass die
Einrichtung nicht vom Brand betroffen
war das Feuer brannte nur in der
Dachkonstruktion.
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Fazit:
Feuerwehrleute müssen Bescheid wissen
Was kann die Feuerwehr vorbeugend tun? Ein erster Schritt wäre eine Erfassung von
Binderkonstruktionen
– die als solche im fertigen Zustand meist nicht erkennbar sind –
bereits in der Bauphase. Entsprechende Informationen können dann im Einsatzfall
schon auf der Anfahrt an die Einsatzkräfte weitergegeben werden. In Teilen der USA werden
derartige Objekte im Eingangsbereich entsprechend gekennzeichnet.
Durch die Privatisierung der baurechtlichen Prüfung des Vorbeugenden Brandschutzes erhält
die Feuerwehr in Deutschland auch von kritischen Bauten, wie Sonderbauten,
nur dann Informationen, wenn sie von Bauaufsicht oder privatem Sachverständigen
eingeschaltet wird. Die meisten Bauten mit NP-Bindern werden aber nicht als Sonderbauten
eingestuft, so dass keinerlei Informationen an die Feuerwehren fließen. Im Übungs- und
Ausbildungsplan einer Feuerwehr sollte das Thema Baukunde obligatorisch sein. Und
falls der Ernstfall eintritt: Neben der immer gebotenen Portion Vorsicht kann eine
Wärmebildkamera wertvolle Dienste leisten. Während ein auf diese Weise überwachter Brand
von Einrichtungskomponenten aggressiv im Innenangriff bekämpft werden sollte, sind
Defensive und der Außenangriff die Mittel der Wahl, sobald die Flammen die
Gebäudekonstruktion erfasst haben.
Eines muss jedem Feuerwehrmann klar sein: Bei einem Feuer im Dachbereich sind weder
Arbeiten auf dem Dach noch darunter sicher! Unter Umständen ist es vertretbar, ein
Gebäude kontrolliert abbrennen zu lassen, anstatt die Gesundheit oder sogar das Leben der
Einsatzkräfte zu gefährden.
Gefährlicher Innenangriff !
Traditioneller Innenangriff kann gefährlich werden
Dieses Ereignis zeigt das Risiko für Feuerwehren, die mit einem ähnlichen
Brand konfrontiert werden: Der Innenangriff war und ist noch immer das Mittel der Wahl bei der
überwiegenden Zahl der Brandeinsätze. Solange ein Feuer in einem Gebäude für den
Einsatzleiter beherrschbar erscheint – etwa bei zunächst nur mäßiger Rauchentwicklung – wird
traditionell versucht, das Feuer unmittelbar zu bekämpfen. Und genau dies kann bei
Binderkonstruktionen gefährlich werden. Binder werden eingesetzt, um große Distanzen von bis
zu 35 Metern stützenfrei zu überspannen. Es gibt sie als Holzbinder (zum Beispiel Leimbinder),
Nagelplattenbinder sowie Stahl- oder Stahlbetonbinder. Da diese Bauart in punkto Bauzeit und
Kosten deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Konstruktionen aufweist, wird sie
zunehmend eingesetzt. Beispielsweise in der Landwirtschaft, aber auch in allen anderen
Bereichen des gewerblichen sowie industriellen Bauwesens. Derzeit entstehen vielerorts
Einkaufsmärkte der bekannten Discounter-Ketten. In den meisten Fällen werden
Nagelplattenbinder für die Dachkonstruktion eingesetzt. Binder haben unabhängig vom Baustoff
den Nachteil, dass im Brandfall der Zeitpunkt eines Einsturzes auch nicht ansatzweise
eingeschätzt werden kann. Während sich ein Kollaps bei herkömmlicher Bauart meist durch
ein Nachgeben oder Bewegungen in der Konstruktion sowie charakteristische Geräusche
ankündigt, verliert der Binder schlagartig seine Funktion. In der Regel weist er nur die
Feuerwiderstandsklasse F0 (Das Bauteil erfüllt im Brandfall weniger als 30 Minuten seine
Funktion.) auf. F0-Konstruktionen lässt das Baurecht bei zahlreichen Gebäuden und Nutzungen
zu. Hierunter fallen alle Wohngebäude mit bis zu zwei Wohnungen und maximal zwei
Geschossen. Land- und forstwirtschaftliche Gebäude sowie gärtnerische Betriebsgebäude
können mehrheitlich in Deutschland sogar in unbegrenzter Größe ohne FeuerwiderstandsKlasse errichtet werden.
Eine Begrenzung stellen nur Brandabschnittstrennungen je 10 000 Kubikmeter umbautem
Raum dar. Sonstige eingeschossige Gebäude sind in der Regel ebenso ohne
Feuerwiderstandsklasse ausgeführt. Darunter fallen beispielsweise eingeschossige
10
Restaurants oder Werkstätten, sofern nicht aufgrund einer kritischen Nutzung eine Feuer
hemmende Konstruktion (F 30-B nach DIN 4102) gefordert wird. Bei diesen Gebäuden ist
die Brandabschnittsgröße auf 1 600 Quadratmeter begrenzt. Discounter und Restaurants
erreichen aber diese Größe meist nicht. Eine Unterteilung kritischer Dachkonstruktionen,
wie etwa NP-Binder, ist in Deutschland derzeit nicht durchsetzbar.
Somit kann der Verzicht auf einen Innenangriff den Verlust eines Brandabschnitts von 1 600
Quadratmetern oder 10 000 Kubikmeter Raumvolumen bei land- und forstwirtschaftlichen
Betriebsgebäuden bedeuten.
Informationsquellen:
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN Drucksache 14/4226
Brandschutz 04/2007
Suckfüll Holzbau Systeme
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