Importe nach Brasilien - Bundesanzeiger Verlag

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Importe nach Brasilien - Bundesanzeiger Verlag
Importe nach Brasilien
Das „Boomland“ aus zollrechtlicher Sicht
Von Fernanda Maria Barcellos Herrmann, LL.M. (Münster). Die Verfasserin ist Rechtsanwältin bei Sandler & Travis Trade Advisory Services in São Paulo, Brasilien. Sie ist auf die Beratung nationaler und internationaler Unternehmen in zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Fragen und auf deren Vertretung gegenüber den brasilianischen Behörden spezialisiert.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von ca. R$ 4.143 Mrd. (umgerechnet rund EUR 1.620 Mrd.) in
2011 gehört die Föderative Republik Brasilien („Brasilien“) zu den zehn größten Wirtschaftsmächten
der Welt. Brasilien ist der bevölkerungsmäßig fünftgrößte Staat der Erde und mit über 200 Millionen
Einwohne rn der bevölkerungsreichste Staat von Südamerika. Das in den Medien in der letzten Zeit
häufig als „Boomland“ bezeichnete Land ist seit langem eines der bedeutendsten Länder für die deutsche Wirtschaft im Ausland. Die ausländischen Investitionen in Brasilien nehmen deutlich zu, insbesondere aufgrund der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016. Beides findet in
Brasilien statt. Aufgrund des starken Wirtschaftswachstums des Boomlandes gibt es zahlreiche Felder, auf denen sich europäische bzw. deutsche Unternehmen in Brasilien gut positionieren können.
Brasilien ist Mitgliedstaat des Gemeinsamen Markts des Südens („MERCOSUR“), der am 26. März 1991 gegründet
wurde. Mercosur hat zum Ziel eine Zollunion in Anlehnung an das europäische Modell zu erreichen. Jedoch wurden seit
seiner Gründung nur wenige Schritte bei der Errichtung einer konkreten Zollunion und eines strukturierten gemeinsamen
Marktes erzielt. Einige Kernbereiche des Binnenmarkts sind bisher nur in Mercosur-Protokollen geregelt und verlangen die
Ratifizierung des jeweiligen Mitgliedstaates. Da bisher kein Zollrecht des Mercosur besteht, übernimmt die brasilianische
Regierung die Verantwortung für die Durchführung ihrer eigenen Außenhandels- und Zollpolitik. Dies bedeutet, dass zollrechtliche Fragen auf brasilianischer Ebene analysiert werden müssen.
INHALT
• Die Rolle und Struktur der brasilianischen
Zollverwaltung
• Allgemeines brasilianisches Zollrecht
• Importe nach Brasilien
–– Das „Siscomex-System“
–– Die „Radar“-Bewilligung
• Betroffene Einfuhrabgaben
• Berechnung und Zahlung der Einfuhrabgaben
• Genehmigungspflichtige Waren
• Zollabfertigung bei der Einfuhr
–– Zollanmelder und Zollschuldner
–– Begleitunterlagen
–– Überprüfung der Zollanmeldung
• Überlassung der Ware
• Allgemeine Geldbußen und Sanktionen
Die Rolle und Struktur der
brasilianischen Zollverwaltung
In Brasilien ist das Bundesministerium
der Finanzen („Ministério da Fazenda –
MF“) für die Zollverwaltung zuständig.
Nach dem Wortlaut des brasilianischen
Bundesverfassungsgesetzes („Constituição Federal“) umfasst diese Aufgabe
die Überwachung und die Kontrolle
des Außenhandels mit dem primären
Ziel, die finanziellen Interessen Brasi-
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liens zu schützen. Als Folge davon regelt das MF sowohl das Verfahrens- als
auch das Abgabenrecht des brasilianischen Außenhandels.
Das Sekretariat der Bundeshauptkasse
(„Secretaria da Receita Federal do Brasil – SRF“) gehört zu dem Bundesministerium der Finanzen und zu seinen
wichtigsten Aufgaben zählt die Zollverwaltung, die vor allem durch die
Generaldirektion der Zollverwaltung
(„Coordenação Geral de Administração
Aduaneira – COANA“) und die Zollstellen („Inspetorias“) jeder Zollregion
durchgeführt wird.
Mit einer Fläche von etwa 8,5 Millionen km² nimmt Brasilien 47 % des südamerikanischen Kontinents ein und
grenzt an Französisch-Guayana, Surinam, Guyana, Venezuela, Kolumbien,
Peru, Bolivien, Paraguay, Argentinien,
Uruguay und den südlichen Atlantik
und hat so mit jedem südamerikanischen Staat, außer Chile und Ecuador,
eine gemeinsame Grenze. Um ihre
Aufgaben an den Außengrenzen tatsächlich voll erfüllen zu können, teilt
sich die brasilianische Zollverwaltung
in 10 Zollregionen auf. Mit anderen
Worten handelt es sich in Brasilien um
eine dezentralisierte Arbeit der Zollverwaltung.
Zu jeder Zollregion gehören ein oder
mehrere Bundesländer. Als Beispiel
hierzu: Zur Zollregion 7 gehören Rio
de Janeiro und Espirito Santo, während
zur Zollregion 8 nur das Bundesland
São Paulo gehört. Die jeweils dazugehörigen Zollstellen sind mit Hilfe der
zuständigen Zollbehörden hauptsächlich für die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften sowie die
Überwachung des brasilianischen Zollgebietes verantwortlich.
Allgemeines brasilianisches Zollrecht
Das brasilianische Zollrecht wird sowohl durch das internationale Völkerrecht als auch durch das nationale
Recht beeinflusst. Auf internationaler
Ebene hat die Welthandelsorganisation
(„WTO“) einen wesentlichen Einfluss
auf das brasilianische Zollrecht. Des
Weiteren spielen die Konventionen,
Richtlinien und Empfehlungen der
Weltzollorganisation („WCO“) eine
wichtige Rolle bei der Ausgestaltung
der Zollvorschriften.
Auf nationaler Ebene sind zahlreiche
Gesetze, Verordnungen und sonstige
Normen zu benennen, die nach einer
hierarchischen Struktur im Verhältnis
zueinander anzuwenden sind. Eine wesentliche Rechtsgrundlage ist der brasilianische Zollkodex („Regulamento
Aduaneiro“). Er enthält die Regelungen
für die Zollverwaltungstätigkeiten,
Zollüberwachung, Zollkontrolle sowie
Besteuerung bei dem Import (evtl. Ex-
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port) von Waren. Der Zollkodex ist in
dem ganzen brasilianischen Zollgebiet
unmitellbar anwendbar. Auf der Grundlage des Zollkodex kann die brasilianische Zollverwaltung Normen bezüglich
der Zollkontrolle erlassen, ohne dass
etwa ein Parlamentsgesetz erforderlich
wäre.
Das SRF sowie die COANA erlassen
Normen, die die Einzelheiten des brasilianischen Zollkodex regeln. Von besonderer Bedeutung sind die Durchführungsvorschriften („Instruções Normativas“) und Verwaltungsakte („Atos
Declaratórios Executivos / Interpretativos“).
Importe nach Brasilien
Anders als im europäischen Zollrecht
wird der Begriff „Einfuhrverfahren“ im
brasilianischen Zollkodex ausdrücklich
verwendet. Das Einfuhrverfahren umfasst die Überführung einer ausländischen Ware in das brasilianische Zollgebiet.
Die Einfuhr von Waren beruht im Wesentlichen auf dem Zollkodex sowie
seinen Durchführungsvorschriften. Neben dem Zollkodex und den Durchführungsvorschriften sind weitere nationale Regelungen zu beachten, insbesondere in Bezug auf die Umsatzsteuer
und den Einfuhrzoll. Weiterhin sind die
Dienstvorschriften der jeweiligen Zollstellen für die Zollförmlichkeiten beim
Einfuhrverfahren von besonderer Bedeutung.
Das „Siscomex-System“
Seit 1993 bzw. 1997 wird in Brasilien
die Abwicklung des Ausfuhr- bzw. des
Einfuhrverfahrens durch das „Siscomex-System“ verwaltet. „Siscomex“
steht für „Sistema Integrado de Comércio Exterior“, im Deutschen etwa „Integriertes Außenhandelssystem“, und
ist dem deutschem IT-Verfahren ATLAS ähnlich. Das Siscomex trat auf der
Grundlage der Bundesverordnung Nr.
660 am 25. Januar 1992 in Kraft und ist
grundsätzlich fur alle Import- und Exportgeschäfte verbindlich. Das Siscomex umfasst sowohl die Eingabe als
auch die Archivierung der zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Daten und ist
mit den Systemen anderer brasilianischer Behörden verbunden, wie zum
Beispiel mit der brasilianischen Zent­
ralbank („Banco Central do Brasil –
BACEN“) und dem Außenhandels­
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sekretariat („Secretaria de Comércio
Exterior – SECEX“).
Primäres Ziel des Siscomex-Systems
ist es Missbräuche im Außenhandel zu
vermeiden. Sämtliche zoll- und außenwirtschaftsrechtlich relevanten Daten
werden ab der Abgabe der Ausfuhrbzw. Einfuhranmeldung bis zum Abschluss des Verzollungsvorgangs ständig zwischen den beteiligten Behörden
kontrolliert und abgeglichen, um vor
allem illegalen Abläufen des Außenhandels auf die Spur zu kommen. Vorbedingung für den Zugang zu Siscomex und damit Voraussetzung für die
Durchführung von Importgeschäften ist
die Registrierung der betroffenen Unternehmen im „Radar“.
Die „Radar“-Bewilligung
„Radar“ ist ein Antrag auf Zulassung
zur Teilnahme am Siscomex-Verfahren,
den die brasilianischen Wirtschaftsbeteiligten an die zuständige Zollstelle
übermitteln müssen. Dieser Antrag verlangt unter anderem einen Nachweis
über die Zahlungsfähigkeit, Einhaltung
der Zoll- und Steuervorschriften und
die finanzielle Integrität des Unternehmens und ihres Geschäftsführers. Angaben wie die Bilanzdaten, die Steuernummer des Unternehmens („CNPJ”)
sowie die Steuernummer des Geschäftsführers („CPF”) sind für die Antragstellung erforderlich. Anhand des
„Radars“ kann die Zollverwaltung sowohl die Zuverlässigkeit des Unternehmens für den Außenhandel im Voraus
überprüfen als auch das Profil des Unternehmens ständig kontrollieren (insbesondere mit dem Ziel der Betrugsbekämpfung). Aus diesem Grund auch
der Name „Radar“, da der Antrag auf
Zulassung in der Praxis wie ein Radargerät funktioniert.
Es gibt grundsätzlich zwei Modalitäten
der Radarbewilligung: normale und
vereinfachte. Welche Bewilligung ein
Unternehmen benötigt, hängt unter anderem von dem Import- und Exportvolumen ab. Die zuständige Zollstelle
überprüft und bearbeitet den Antrag auf
Zulassung innerhalb von 30 Tagen und
entscheidet über die Ablehnung oder
Erteilung der Bewilligung. Die Erteilung der Bewilligung wird als „RadarGenehmigung” bezeichnet.
Die Bewilligung des „Radars” ist eine
zwingende Voraussetzung für jeden
Importeur oder Exporteur, der am brasilianischen Außenhandel teilnehmen
möchte.
Die brasilianische Zollverwaltung
diskutiert derzeit die Umsetzung eines AEO-Programms in Brasilien, in
Anlehnung an das von der Weltzollorganisation entwickelte AEO-Modell. Das Programm soll auf die
ganze Lieferkette ausgerichtet werden und das heutige „Linha Azul“
Programm ersetzen („Linha Azul“
ist grundsätzlich eine Vereinfachung
für besonders zuverlässige brasilianische Importeure und Exporteure). Die gesetzlichen Bestimmungen zum brasilianischen AEOProgramm („OEQ“) werden gerade
vorbereitet und mit den betroffenen
Wirtschaftskreisen ständig diskutiert, damit der AEO-Status attraktiv
wird (kritisch dabei ist die Schaffung konkreter Vorteile für den brasilianischen AEO). Das brasilianische AEO-Programm soll dem europäischen AEO-Programm sehr
ähnlich werden, was eine gegenseitige Anerkennung ermöglichen
kann. Einzelheiten dazu werden
demnächst in der AW-Prax in einem
gesonderten Beitrag vorgestellt werden.
Betroffene Einfuhrabgaben
Sobald eine ausländische Ware über die
Grenze in das brasilianische Zollgebiet
verbracht wird, kann eine Einfuhrzollschuld entstehen. In der Regel werden
in Brasilien die folgenden Steuern und
Abgaben auf eingeführte Ware erhoben:
• Einfuhrsteuer („Imposto de Importação – I.I.”) – durchschnittlicher Steuersatz 12 %.
• Steuer auf industrialisierte Produkte
(„Imposto sobre produtos industrializados – IPI”) – durchschnittlicher
Steuersatz 20 %.
• Umsatzsteuer („Imposto sobre a circulação de mercadorias e serviços –
ICMS”) – der Regelsteuersatz ist z.
B. im Bundesland São Paulo 18 %.
• Sozialintegrationsabgabe („Programa
de Integração Social e de Formação
do Patrimônio do Servidor Público –
PIS/Pasep-Importação”) – PIS-Satz
beträgt in der Regel 1.65 %.
• Sozialfinanzierungsabgabe („Contribuição para o Financiamento da Seguridade Social – COFINS-Importação”) – COFINS-Satz beträgt in
der Regel 7.6 %.
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Der Zollwert der Ware gilt als Berechnungsgrundlage (CIF-Wert der Ware)
für die Einfuhrsteuer. Die Höhe des
Einfuhrsteuersatzes (sowie IPI-Satzes)
hängt von der Kombinierten Nomenklatur des Mercosur (NCM/SH) der
Ware ab. Die Kombinierte Nomenklatur des Mercosur ist eine achtstellige
Nummer, die nach der Einstufung der
Ware gemäß dem Gemeinsamen Zolltarif des Mercosur („Tarifa Externa Comum – TEC“) festgelegt wird. Die
Höhe der Umsatzsteuer wird dagegen
auch weiterhin von den einzelnen Bundesländern festgelegt, das heißt sie ändert sich nach der Art (NCM/SH) sowie
dem Bestimmungsland der importierten Ware.
Berechnung und Zahlung der
Einfuhrabgaben
Die oben genannten Steuern und Abgaben werden in der Regel zusammen mit
dem Einfuhrzoll bei der Abgabe der
Einfuhranmeldung erhoben. Die Einfuhrabgaben werden in einer sogenannten „akkumulierten Kalkulation” berechnet. Diese erfolgt wie folgt: Nach
der Berechnung der Einfuhrsteuer wird
der Betrag des Einfuhrzolls zum Zollwert der Ware hinzugerechnet, um die
Steuer auf industrialisierte Produkte
berechnen zu können (vergleichbar bei
der Kalkulation anderer Steuern und
Abgaben).
Die Berechnung sowie die Zahlung aller Steuern und Abgaben (außer der
Umsatzsteuer) erfolgt automatisch
durch das Siscomex-System und wird
direkt vom Bankkonto des importierenden Unternehmens abgebucht. Da die
Umsatzsteuer in der Kompetenz der
Bundesländer ist, wird die Zahlung
nach dem Gesetz jedes Bundeslandes
geregelt. In São Paulo erfolgt die Zahlung der Umsatzsteuer seit 2007 automatisch, durch ein System, das mit dem
Siscomex-System verbunden ist. Außerdem besteht im Bundesland São
Paulo die Möglichkeit der Zahlung
über das Internet für kleinere und mittlere Unternehmen.
Auf den Import von Waren per Seeverkehr wird eine sogenannte Abgabe
„AFRMM“ in Höhe von 25 % erhoben,
berechnet auf der Grundlage der internationalen Frachtkosten gemäß dem
Frachtbrief. Die Zollabfertigung der
Ware hängt dann von der Prüfung der
Zahlung dieser Abgabe ab. Diese Ab-
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gabe wird nicht durch die Häfen im
Norden und Nordwesten Brasiliens erhoben.
Des Weiteren wird eine sogenannte
Sis­comex-Gebühr in Höhe von BRL
185,00 (etwa 72,00 Euro) pro Einfuhranmeldung und BRL 29,50 (etwa
11,00 Euro) pro angemeldete Ware
erhoben. Die Siscomex-Gebühr und
weitere Gebühren, wie zum Beispiel
Hafen­umschlagsgebühren (deren Höhe
vom Bestimmungsterminal abhängt),
sind der Berechnungsgrundlage für die
Umsatzsteuer hinzuzurechnen.
Genehmigungspflichtige Waren
Importe nach Brasilien sind in der Regel genehmigungsfrei. Falls eine genehmigungspflichtige Ware eingeführt
werden soll, muss der Importeur eine
Importlizenz vor der Versendung der
Ware in das Siscomex-System eintragen, das heißt bevor die Ware aus dem
Exportland verschifft wird. Die Importlizenz wird automatisch für solche
Ware bestätigt, an der keine weiteren
formellen Handlungen vorzunehmen
sind. Ist für die betreffende Ware die
Vorlage sonstiger Unterlagen vorgeschrieben, ist stets eine nicht-automatische Importlizenz erforderlich.
Zollabfertigung bei der Einfuhr
Die Zollabfertigung einer importierten
Ware erfolgt nach brasilianischem Zollrecht durch das sogenannte Zollabfertigungsverfahren („Despacho Aduaneiro
de Importação“). Das Einfuhrabfertigungsverfahren umfasst die von den
Zollbehörden durchgeführten Handlungen zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften. Grundlage des Einfuhrabfertigungsverfahrens ist die
Abgabe der Zollanmeldung, welche neben den mandatorisch beizufügenden
Unterlagen – wie zum Beispiel Handelsrechnung – überprüft wird. Die
Überlassung der Ware ist der vorerst
letzte Schritt der zollamtlichen Tätigkeit.
Für alle Waren, die aus einem Drittland
stammen und in das brasilianische
Zollgebiet überführt werden, ist eine
Einfuhranmeldung (Zollanmeldung)
abzugeben. Bei der Einfuhr spielt es
also keine Rolle, ob die anzumeldende
Ware eine ausländische oder nationale
Ware ist (wiedereingeführte nationale
Ware muss auch angemeldet werden).
Es kommt allein auf die Herkunft der
Ware aus dem Ausland und ihre Verbringung in das brasilianische Zollgebiet an. Die Abgabe einer elektronischen Einfuhranmeldung in das Siscomex-System ist seit dem Jahr 1997
obligatorisch. Dies kann entweder über
das Internet oder via elektronischen
Datenaustauschs (englisch „Electronic
Data Interchange” – EDI) erfolgen.
Die Frist, innerhalb der eine Einfuhranmeldung abzugeben ist, wird durch den
Zollkodex bestimmt und reicht von 90
Tagen nach der Entladung der Ware im
sogenannten „primären Zollgebiet”
(Hafen, Flughafen, Grenze) bis zu 120
Tagen nach der Überführung der Ware
in ein sogenanntes „sekundäres Zollgebiet” („dry-port“). Für die in das Zollgebiet eingeführte Ware ohne die Abgabe einer Einfuhranmeldung sieht der
Zollkodex die Möglichkeit der Vernichtung oder Zerstörung vor. Des Weiteren ist auch die Aufgabe zugunsten
der Staatskasse nach einer rechtsmäßigen Verwaltungsentscheidung vorgesehen.
Zollanmelder und Zollschuldner
Die Zollanmeldung darf nur vom Inhaber der Radar-Bewilligung, seinem
Vertreter oder einem staatlich geprüften
und eingetragenen Zollagent abgegeben werden.
Der Inhaber der Radar-Bewilligung
ist der Geschäftsführer des Unternehmens, dessen Steuernummer in dem
Antrag auf Zulassung für das Siscomex-System vorgelegt und mit bei
der Bewilligung registriert und freigeschaltet wurde. Seine Vertreter sind die
Angestellten, die durch eine formelle
Vollmacht das Unternehmen bei der
zuständigen Zollstelle vertreten können. Dagegen ist der Zollagent eine
selbstständige natürliche Person, unabhängig von dem Importeur, der durch
eine formelle Vollmacht ermächtigt
wird, zollrechtliche Aufgaben des Importeurs gegenüber allen Behörden zu
erledigen. Im Europäischen Zollrecht
kann der Zollagent mit der Figur des
direkten Stellvertreters verglichen werden, da er im Namen und für Rechnung
eines anderen handelt (und wird nicht
zum Gesamtschuldner).
Anders als im Europäischen Zollrecht
können in der Regel in den Fällen, in
denen eine Einfuhrzollschuld entstanden ist, nicht mehrere Personen in Anspruch genommen werden. Die entstandene Zollschuld begründet grundsätz-
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lich eine persönliche Zahlungspflicht
des Importeurs (des Handelnden). Unabhängig davon, wer die Zollanmeldung abgibt (also Zollanmelder ist),
wird in allen Fällen der Importeur Zollschuldner sein.
Begleitunterlagen
Der vom Zollanmelder ausgefüllten Einfuhranmeldung sind alle erforderlichen
Unterlagen obligatorisch beizufügen.
Beizufügende Dokumente im Einfuhrverfahren sind hauptsächlich die Originalhandelsrechnung des Verkäufers und
der internationale Frachtbrief, aber für
bestimmte Waren auch die Einfuhrlizenz, nichtpräferenzielles Ursprungszeugnis, Konformitätsbescheinigung
usw. Zu beachten ist, dass der Zollkodex bestimmte Bedingungen für die
Ausstellung einer Rechnung vorsieht,
wie zum Beispiel die Unterschrift des
Verkäufers / Exporteurs auf der Rechnung, Warenbeschreibung in Portugiesisch oder Englisch, Ursprungsland des
Herstellers der Ware usw.
Fehlende Begleitunterlagen stellen eine
Ordnungswidrigkeit dar, die mit Strafe
oder Bußgeld geahndet werden kann.
Überprüfung der Zollanmeldung
In der Regel wird jede Zollanmeldung
überprüft. Nach ihrer Abgabe im Siscomex wählt das System einen von den vier
sogenannten „Abfertigungskanälen” aus:
Grün, Gelb, Rot oder Grau. Die Wahl des
Abfertigungskanals erfolgt automatisch
nach verschiedenen Parametern, wie zum
Beispiel der Zuverlässigkeit des Importeurs (dafür spielt die Radar-Bewilligung
eine wichtige Rolle), dem Zollwert der
Ware, dem Ursprungsland usw.
Die Verwendung von Untersuchungsgeräten (Scanner) als Hilfsmittel für die
Überprüfung der Zollanmeldung bzw.
die Untersuchung der eingeführten
Ware ist im brasilianischen Zollrecht
vorgesehen.
Beim grünen Kanal wird die Ware ohne
weitere Überprüfungsakte durch die
Zollbehörden automatisch abgefertigt
bzw. überlassen. Wird eine Ware dem
gelben Kanal zugewiesen, dann erfolgt
eine Prüfung aller Begleitunterlagen.
Beim roten Kanal kommt neben der
Prüfung der Unterlagen auch eine Zollbeschau der Ware in Betracht. Schließlich, wenn eine Ware dem grauen Kanal
zugewiesen wird (was nur beim Import
möglich ist), dann ist neben der Über-
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prüfung der Unterlagen und der Zollbeschau auch eine Zollwertüberprüfung
erforderlich. Zu beachten ist, dass in der
Praxis auch eine Ware, die dem grünen
Kanal zugeordnet wird, überprüft werden kann, wenn die Zollbehörde Gründe
dafür sieht. Die Importeure nennen es
„Wassermelonenkanal“: Trotz des grünen Äußeren, ist er eigentlich Rot (wie
eine Wassermelone – sie sieht grün aus,
ist aber eigentlich rot).
Welchem Kanal eine Ware zugeordnet
wird, ist von besonderem Interesse für
den Importeur, da die Dauer der Zollabfertigung („lead time”) im Wesentlichen von der Wahl des Kanals abhängt.
Überlassung der Ware
Die Überlassung der Ware bei der Einfuhr ist die letzte Phase des Zollabfertigungsverfahrens. Sobald die Angaben
in der Zollanmeldung überprüft worden
sind, wird die Ware dem Zollanmelder
überlassen, das heißt, dass dem Zollanmelder endgültig erlaubt wird, über die
Ware zu verfügen.
Die Überlassung der Ware erfolgt automatisch mittels einer Nachricht des Sis­
comex-Systems sowie der Erstellung
eines sogenannten Einfuhrnachweises
(„Comprovante de Importação“).
Verjährungsfrist: Die Einfuhranmeldung
kann nach der Überlassung der Ware innerhalb einer Frist von fünf Jahren auf
Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft
werden (nachträgliche Zollüberprüfung).
Allgemeine Geldbußen und
Sanktionen
Das brasilianische Zollrecht sieht zahlreiche Geldbußen für Fehler oder vorschriftswidriges Einfuhrverfahren vor.
Eine Geldbuße kann beispielsweise in
Höhe von 10 % der Einfuhrsteuer erhoben werden, wenn anstelle einer Originalrechnung eine Kopie beigefügt wird.
Die falsche Einstufung der Ware in die
Kombinierte Nomenklatur spielt eine
große Rolle bei der Erhebung von
Geldbußen.
Das Bußgeldverfahren ist ein Verfahren
zur Bestrafung von Ordnungswidrigkeiten. Die zuständige Zollbehörde ermittelt die ordnungswidrigen Akte und
ahndet diese mit dem Bußgeldbescheid
(„Auto de Infração“). Das Zollabfertigungsverfahren wird normalerweise bis
zum Ende des Bußgeldverfahrens unterbrochen, das heißt die Ware wird
nicht überlassen bevor der eventuelle
Fehler korrigiert ist und die enstandene
Geldbuße bezahlt oder zum Vorwurf
Stellung genommen wird.
Neben den Geldbußen, die in der Regel
bei weniger schweren Verstößen verhängt werden, greift bei gravierenden
Verstößen das Steuerstrafrecht. Dies
wäre der Fall, wenn eine Ware vorschriftswidrig in das brasilianische
Zollgebiet verbracht, also eingeschmuggelt wird.
FAZIT
Angesichts der überragenden Perspektiven in Brasilien lässt sich kaum
jemand davon abbringen, dort Investitionen zu tätigen. Der landesinterne
Absatzmarkt wächst rasant. Selbst
in 2008, als die Finanz- und Wirtschaftskrise begann, wuchs Brasiliens
Wirtschaft immer noch mit 5,1 %.
In den Handelsbeziehungen Brasiliens nimmt die EU mit einem Anteil
von etwa 23 % die Spitzenposition
ein. Die EU und Deutschland sind
die größten Auslandsinvestoren in
Brasilien. Aufgrund der bevorstehenden sportlichen Großveranstaltungen
fließen jetzt Milliardenbeträge in den
Ausbau von Straßen, Flughäfen und
Hotels. Damit spielen Importe eine
wichtige Rolle.
Dabei haben die ausländischen Investoren einige Hürden zu überwinden.
Sie müssen sich an ein Zoll- bzw.
Steuerrecht gewöhnen, das detaillierte
(wenn nicht ungewöhnliche) Anforderungen festlegt. Die Komplexität
sowie die Unbeständigkeit der Zollund Steuervorschriften erschwert den
Import von Produkten nach Brasilien.
Eine zusätzliche Belastung sind die
zum Teil im Vergleich mit der EU
übermäßig langen Zollabfertigungsverfahren beim Import. Das brasilianische Zollrecht kennt deutlich mehr
Verfahrensschritte und verlangt eine
umfangreichere Dokumentation für
die Anmeldung bei der Einfuhr von
Waren als das europäische. Dadurch
können sich Zollabfertigungsverfahren regelmäßig über Tage hinziehen.
Das brasilianische Zollrecht soll aber
nicht ausländische Investoren von
Importen nach Brasilien abschrecken,
denn bei der richtigen Handhabung
lässt sich jedes Zollabfertigungsverfahren erfolgreich abwickeln.
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