Importe nach Brasilien - Bundesanzeiger Verlag
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Importe nach Brasilien Das „Boomland“ aus zollrechtlicher Sicht Von Fernanda Maria Barcellos Herrmann, LL.M. (Münster). Die Verfasserin ist Rechtsanwältin bei Sandler & Travis Trade Advisory Services in São Paulo, Brasilien. Sie ist auf die Beratung nationaler und internationaler Unternehmen in zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Fragen und auf deren Vertretung gegenüber den brasilianischen Behörden spezialisiert. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von ca. R$ 4.143 Mrd. (umgerechnet rund EUR 1.620 Mrd.) in 2011 gehört die Föderative Republik Brasilien („Brasilien“) zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt. Brasilien ist der bevölkerungsmäßig fünftgrößte Staat der Erde und mit über 200 Millionen Einwohne rn der bevölkerungsreichste Staat von Südamerika. Das in den Medien in der letzten Zeit häufig als „Boomland“ bezeichnete Land ist seit langem eines der bedeutendsten Länder für die deutsche Wirtschaft im Ausland. Die ausländischen Investitionen in Brasilien nehmen deutlich zu, insbesondere aufgrund der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016. Beides findet in Brasilien statt. Aufgrund des starken Wirtschaftswachstums des Boomlandes gibt es zahlreiche Felder, auf denen sich europäische bzw. deutsche Unternehmen in Brasilien gut positionieren können. Brasilien ist Mitgliedstaat des Gemeinsamen Markts des Südens („MERCOSUR“), der am 26. März 1991 gegründet wurde. Mercosur hat zum Ziel eine Zollunion in Anlehnung an das europäische Modell zu erreichen. Jedoch wurden seit seiner Gründung nur wenige Schritte bei der Errichtung einer konkreten Zollunion und eines strukturierten gemeinsamen Marktes erzielt. Einige Kernbereiche des Binnenmarkts sind bisher nur in Mercosur-Protokollen geregelt und verlangen die Ratifizierung des jeweiligen Mitgliedstaates. Da bisher kein Zollrecht des Mercosur besteht, übernimmt die brasilianische Regierung die Verantwortung für die Durchführung ihrer eigenen Außenhandels- und Zollpolitik. Dies bedeutet, dass zollrechtliche Fragen auf brasilianischer Ebene analysiert werden müssen. INHALT • Die Rolle und Struktur der brasilianischen Zollverwaltung • Allgemeines brasilianisches Zollrecht • Importe nach Brasilien –– Das „Siscomex-System“ –– Die „Radar“-Bewilligung • Betroffene Einfuhrabgaben • Berechnung und Zahlung der Einfuhrabgaben • Genehmigungspflichtige Waren • Zollabfertigung bei der Einfuhr –– Zollanmelder und Zollschuldner –– Begleitunterlagen –– Überprüfung der Zollanmeldung • Überlassung der Ware • Allgemeine Geldbußen und Sanktionen Die Rolle und Struktur der brasilianischen Zollverwaltung In Brasilien ist das Bundesministerium der Finanzen („Ministério da Fazenda – MF“) für die Zollverwaltung zuständig. Nach dem Wortlaut des brasilianischen Bundesverfassungsgesetzes („Constituição Federal“) umfasst diese Aufgabe die Überwachung und die Kontrolle des Außenhandels mit dem primären Ziel, die finanziellen Interessen Brasi- Oktober 2012 AW-Prax_10-12.indd 329 liens zu schützen. Als Folge davon regelt das MF sowohl das Verfahrens- als auch das Abgabenrecht des brasilianischen Außenhandels. Das Sekretariat der Bundeshauptkasse („Secretaria da Receita Federal do Brasil – SRF“) gehört zu dem Bundesministerium der Finanzen und zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt die Zollverwaltung, die vor allem durch die Generaldirektion der Zollverwaltung („Coordenação Geral de Administração Aduaneira – COANA“) und die Zollstellen („Inspetorias“) jeder Zollregion durchgeführt wird. Mit einer Fläche von etwa 8,5 Millionen km² nimmt Brasilien 47 % des südamerikanischen Kontinents ein und grenzt an Französisch-Guayana, Surinam, Guyana, Venezuela, Kolumbien, Peru, Bolivien, Paraguay, Argentinien, Uruguay und den südlichen Atlantik und hat so mit jedem südamerikanischen Staat, außer Chile und Ecuador, eine gemeinsame Grenze. Um ihre Aufgaben an den Außengrenzen tatsächlich voll erfüllen zu können, teilt sich die brasilianische Zollverwaltung in 10 Zollregionen auf. Mit anderen Worten handelt es sich in Brasilien um eine dezentralisierte Arbeit der Zollverwaltung. Zu jeder Zollregion gehören ein oder mehrere Bundesländer. Als Beispiel hierzu: Zur Zollregion 7 gehören Rio de Janeiro und Espirito Santo, während zur Zollregion 8 nur das Bundesland São Paulo gehört. Die jeweils dazugehörigen Zollstellen sind mit Hilfe der zuständigen Zollbehörden hauptsächlich für die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften sowie die Überwachung des brasilianischen Zollgebietes verantwortlich. Allgemeines brasilianisches Zollrecht Das brasilianische Zollrecht wird sowohl durch das internationale Völkerrecht als auch durch das nationale Recht beeinflusst. Auf internationaler Ebene hat die Welthandelsorganisation („WTO“) einen wesentlichen Einfluss auf das brasilianische Zollrecht. Des Weiteren spielen die Konventionen, Richtlinien und Empfehlungen der Weltzollorganisation („WCO“) eine wichtige Rolle bei der Ausgestaltung der Zollvorschriften. Auf nationaler Ebene sind zahlreiche Gesetze, Verordnungen und sonstige Normen zu benennen, die nach einer hierarchischen Struktur im Verhältnis zueinander anzuwenden sind. Eine wesentliche Rechtsgrundlage ist der brasilianische Zollkodex („Regulamento Aduaneiro“). Er enthält die Regelungen für die Zollverwaltungstätigkeiten, Zollüberwachung, Zollkontrolle sowie Besteuerung bei dem Import (evtl. Ex- 329 05.10.2012 13:11:13 Brasilien port) von Waren. Der Zollkodex ist in dem ganzen brasilianischen Zollgebiet unmitellbar anwendbar. Auf der Grundlage des Zollkodex kann die brasilianische Zollverwaltung Normen bezüglich der Zollkontrolle erlassen, ohne dass etwa ein Parlamentsgesetz erforderlich wäre. Das SRF sowie die COANA erlassen Normen, die die Einzelheiten des brasilianischen Zollkodex regeln. Von besonderer Bedeutung sind die Durchführungsvorschriften („Instruções Normativas“) und Verwaltungsakte („Atos Declaratórios Executivos / Interpretativos“). Importe nach Brasilien Anders als im europäischen Zollrecht wird der Begriff „Einfuhrverfahren“ im brasilianischen Zollkodex ausdrücklich verwendet. Das Einfuhrverfahren umfasst die Überführung einer ausländischen Ware in das brasilianische Zollgebiet. Die Einfuhr von Waren beruht im Wesentlichen auf dem Zollkodex sowie seinen Durchführungsvorschriften. Neben dem Zollkodex und den Durchführungsvorschriften sind weitere nationale Regelungen zu beachten, insbesondere in Bezug auf die Umsatzsteuer und den Einfuhrzoll. Weiterhin sind die Dienstvorschriften der jeweiligen Zollstellen für die Zollförmlichkeiten beim Einfuhrverfahren von besonderer Bedeutung. Das „Siscomex-System“ Seit 1993 bzw. 1997 wird in Brasilien die Abwicklung des Ausfuhr- bzw. des Einfuhrverfahrens durch das „Siscomex-System“ verwaltet. „Siscomex“ steht für „Sistema Integrado de Comércio Exterior“, im Deutschen etwa „Integriertes Außenhandelssystem“, und ist dem deutschem IT-Verfahren ATLAS ähnlich. Das Siscomex trat auf der Grundlage der Bundesverordnung Nr. 660 am 25. Januar 1992 in Kraft und ist grundsätzlich fur alle Import- und Exportgeschäfte verbindlich. Das Siscomex umfasst sowohl die Eingabe als auch die Archivierung der zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Daten und ist mit den Systemen anderer brasilianischer Behörden verbunden, wie zum Beispiel mit der brasilianischen Zent ralbank („Banco Central do Brasil – BACEN“) und dem Außenhandels 330 AW-Prax_10-12.indd 330 sekretariat („Secretaria de Comércio Exterior – SECEX“). Primäres Ziel des Siscomex-Systems ist es Missbräuche im Außenhandel zu vermeiden. Sämtliche zoll- und außenwirtschaftsrechtlich relevanten Daten werden ab der Abgabe der Ausfuhrbzw. Einfuhranmeldung bis zum Abschluss des Verzollungsvorgangs ständig zwischen den beteiligten Behörden kontrolliert und abgeglichen, um vor allem illegalen Abläufen des Außenhandels auf die Spur zu kommen. Vorbedingung für den Zugang zu Siscomex und damit Voraussetzung für die Durchführung von Importgeschäften ist die Registrierung der betroffenen Unternehmen im „Radar“. Die „Radar“-Bewilligung „Radar“ ist ein Antrag auf Zulassung zur Teilnahme am Siscomex-Verfahren, den die brasilianischen Wirtschaftsbeteiligten an die zuständige Zollstelle übermitteln müssen. Dieser Antrag verlangt unter anderem einen Nachweis über die Zahlungsfähigkeit, Einhaltung der Zoll- und Steuervorschriften und die finanzielle Integrität des Unternehmens und ihres Geschäftsführers. Angaben wie die Bilanzdaten, die Steuernummer des Unternehmens („CNPJ”) sowie die Steuernummer des Geschäftsführers („CPF”) sind für die Antragstellung erforderlich. Anhand des „Radars“ kann die Zollverwaltung sowohl die Zuverlässigkeit des Unternehmens für den Außenhandel im Voraus überprüfen als auch das Profil des Unternehmens ständig kontrollieren (insbesondere mit dem Ziel der Betrugsbekämpfung). Aus diesem Grund auch der Name „Radar“, da der Antrag auf Zulassung in der Praxis wie ein Radargerät funktioniert. Es gibt grundsätzlich zwei Modalitäten der Radarbewilligung: normale und vereinfachte. Welche Bewilligung ein Unternehmen benötigt, hängt unter anderem von dem Import- und Exportvolumen ab. Die zuständige Zollstelle überprüft und bearbeitet den Antrag auf Zulassung innerhalb von 30 Tagen und entscheidet über die Ablehnung oder Erteilung der Bewilligung. Die Erteilung der Bewilligung wird als „RadarGenehmigung” bezeichnet. Die Bewilligung des „Radars” ist eine zwingende Voraussetzung für jeden Importeur oder Exporteur, der am brasilianischen Außenhandel teilnehmen möchte. Die brasilianische Zollverwaltung diskutiert derzeit die Umsetzung eines AEO-Programms in Brasilien, in Anlehnung an das von der Weltzollorganisation entwickelte AEO-Modell. Das Programm soll auf die ganze Lieferkette ausgerichtet werden und das heutige „Linha Azul“ Programm ersetzen („Linha Azul“ ist grundsätzlich eine Vereinfachung für besonders zuverlässige brasilianische Importeure und Exporteure). Die gesetzlichen Bestimmungen zum brasilianischen AEOProgramm („OEQ“) werden gerade vorbereitet und mit den betroffenen Wirtschaftskreisen ständig diskutiert, damit der AEO-Status attraktiv wird (kritisch dabei ist die Schaffung konkreter Vorteile für den brasilianischen AEO). Das brasilianische AEO-Programm soll dem europäischen AEO-Programm sehr ähnlich werden, was eine gegenseitige Anerkennung ermöglichen kann. Einzelheiten dazu werden demnächst in der AW-Prax in einem gesonderten Beitrag vorgestellt werden. Betroffene Einfuhrabgaben Sobald eine ausländische Ware über die Grenze in das brasilianische Zollgebiet verbracht wird, kann eine Einfuhrzollschuld entstehen. In der Regel werden in Brasilien die folgenden Steuern und Abgaben auf eingeführte Ware erhoben: • Einfuhrsteuer („Imposto de Importação – I.I.”) – durchschnittlicher Steuersatz 12 %. • Steuer auf industrialisierte Produkte („Imposto sobre produtos industrializados – IPI”) – durchschnittlicher Steuersatz 20 %. • Umsatzsteuer („Imposto sobre a circulação de mercadorias e serviços – ICMS”) – der Regelsteuersatz ist z. B. im Bundesland São Paulo 18 %. • Sozialintegrationsabgabe („Programa de Integração Social e de Formação do Patrimônio do Servidor Público – PIS/Pasep-Importação”) – PIS-Satz beträgt in der Regel 1.65 %. • Sozialfinanzierungsabgabe („Contribuição para o Financiamento da Seguridade Social – COFINS-Importação”) – COFINS-Satz beträgt in der Regel 7.6 %. Oktober 2012 05.10.2012 13:11:13 Der Zollwert der Ware gilt als Berechnungsgrundlage (CIF-Wert der Ware) für die Einfuhrsteuer. Die Höhe des Einfuhrsteuersatzes (sowie IPI-Satzes) hängt von der Kombinierten Nomenklatur des Mercosur (NCM/SH) der Ware ab. Die Kombinierte Nomenklatur des Mercosur ist eine achtstellige Nummer, die nach der Einstufung der Ware gemäß dem Gemeinsamen Zolltarif des Mercosur („Tarifa Externa Comum – TEC“) festgelegt wird. Die Höhe der Umsatzsteuer wird dagegen auch weiterhin von den einzelnen Bundesländern festgelegt, das heißt sie ändert sich nach der Art (NCM/SH) sowie dem Bestimmungsland der importierten Ware. Berechnung und Zahlung der Einfuhrabgaben Die oben genannten Steuern und Abgaben werden in der Regel zusammen mit dem Einfuhrzoll bei der Abgabe der Einfuhranmeldung erhoben. Die Einfuhrabgaben werden in einer sogenannten „akkumulierten Kalkulation” berechnet. Diese erfolgt wie folgt: Nach der Berechnung der Einfuhrsteuer wird der Betrag des Einfuhrzolls zum Zollwert der Ware hinzugerechnet, um die Steuer auf industrialisierte Produkte berechnen zu können (vergleichbar bei der Kalkulation anderer Steuern und Abgaben). Die Berechnung sowie die Zahlung aller Steuern und Abgaben (außer der Umsatzsteuer) erfolgt automatisch durch das Siscomex-System und wird direkt vom Bankkonto des importierenden Unternehmens abgebucht. Da die Umsatzsteuer in der Kompetenz der Bundesländer ist, wird die Zahlung nach dem Gesetz jedes Bundeslandes geregelt. In São Paulo erfolgt die Zahlung der Umsatzsteuer seit 2007 automatisch, durch ein System, das mit dem Siscomex-System verbunden ist. Außerdem besteht im Bundesland São Paulo die Möglichkeit der Zahlung über das Internet für kleinere und mittlere Unternehmen. Auf den Import von Waren per Seeverkehr wird eine sogenannte Abgabe „AFRMM“ in Höhe von 25 % erhoben, berechnet auf der Grundlage der internationalen Frachtkosten gemäß dem Frachtbrief. Die Zollabfertigung der Ware hängt dann von der Prüfung der Zahlung dieser Abgabe ab. Diese Ab- Oktober 2012 AW-Prax_10-12.indd 331 gabe wird nicht durch die Häfen im Norden und Nordwesten Brasiliens erhoben. Des Weiteren wird eine sogenannte Siscomex-Gebühr in Höhe von BRL 185,00 (etwa 72,00 Euro) pro Einfuhranmeldung und BRL 29,50 (etwa 11,00 Euro) pro angemeldete Ware erhoben. Die Siscomex-Gebühr und weitere Gebühren, wie zum Beispiel Hafenumschlagsgebühren (deren Höhe vom Bestimmungsterminal abhängt), sind der Berechnungsgrundlage für die Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Genehmigungspflichtige Waren Importe nach Brasilien sind in der Regel genehmigungsfrei. Falls eine genehmigungspflichtige Ware eingeführt werden soll, muss der Importeur eine Importlizenz vor der Versendung der Ware in das Siscomex-System eintragen, das heißt bevor die Ware aus dem Exportland verschifft wird. Die Importlizenz wird automatisch für solche Ware bestätigt, an der keine weiteren formellen Handlungen vorzunehmen sind. Ist für die betreffende Ware die Vorlage sonstiger Unterlagen vorgeschrieben, ist stets eine nicht-automatische Importlizenz erforderlich. Zollabfertigung bei der Einfuhr Die Zollabfertigung einer importierten Ware erfolgt nach brasilianischem Zollrecht durch das sogenannte Zollabfertigungsverfahren („Despacho Aduaneiro de Importação“). Das Einfuhrabfertigungsverfahren umfasst die von den Zollbehörden durchgeführten Handlungen zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften. Grundlage des Einfuhrabfertigungsverfahrens ist die Abgabe der Zollanmeldung, welche neben den mandatorisch beizufügenden Unterlagen – wie zum Beispiel Handelsrechnung – überprüft wird. Die Überlassung der Ware ist der vorerst letzte Schritt der zollamtlichen Tätigkeit. Für alle Waren, die aus einem Drittland stammen und in das brasilianische Zollgebiet überführt werden, ist eine Einfuhranmeldung (Zollanmeldung) abzugeben. Bei der Einfuhr spielt es also keine Rolle, ob die anzumeldende Ware eine ausländische oder nationale Ware ist (wiedereingeführte nationale Ware muss auch angemeldet werden). Es kommt allein auf die Herkunft der Ware aus dem Ausland und ihre Verbringung in das brasilianische Zollgebiet an. Die Abgabe einer elektronischen Einfuhranmeldung in das Siscomex-System ist seit dem Jahr 1997 obligatorisch. Dies kann entweder über das Internet oder via elektronischen Datenaustauschs (englisch „Electronic Data Interchange” – EDI) erfolgen. Die Frist, innerhalb der eine Einfuhranmeldung abzugeben ist, wird durch den Zollkodex bestimmt und reicht von 90 Tagen nach der Entladung der Ware im sogenannten „primären Zollgebiet” (Hafen, Flughafen, Grenze) bis zu 120 Tagen nach der Überführung der Ware in ein sogenanntes „sekundäres Zollgebiet” („dry-port“). Für die in das Zollgebiet eingeführte Ware ohne die Abgabe einer Einfuhranmeldung sieht der Zollkodex die Möglichkeit der Vernichtung oder Zerstörung vor. Des Weiteren ist auch die Aufgabe zugunsten der Staatskasse nach einer rechtsmäßigen Verwaltungsentscheidung vorgesehen. Zollanmelder und Zollschuldner Die Zollanmeldung darf nur vom Inhaber der Radar-Bewilligung, seinem Vertreter oder einem staatlich geprüften und eingetragenen Zollagent abgegeben werden. Der Inhaber der Radar-Bewilligung ist der Geschäftsführer des Unternehmens, dessen Steuernummer in dem Antrag auf Zulassung für das Siscomex-System vorgelegt und mit bei der Bewilligung registriert und freigeschaltet wurde. Seine Vertreter sind die Angestellten, die durch eine formelle Vollmacht das Unternehmen bei der zuständigen Zollstelle vertreten können. Dagegen ist der Zollagent eine selbstständige natürliche Person, unabhängig von dem Importeur, der durch eine formelle Vollmacht ermächtigt wird, zollrechtliche Aufgaben des Importeurs gegenüber allen Behörden zu erledigen. Im Europäischen Zollrecht kann der Zollagent mit der Figur des direkten Stellvertreters verglichen werden, da er im Namen und für Rechnung eines anderen handelt (und wird nicht zum Gesamtschuldner). Anders als im Europäischen Zollrecht können in der Regel in den Fällen, in denen eine Einfuhrzollschuld entstanden ist, nicht mehrere Personen in Anspruch genommen werden. Die entstandene Zollschuld begründet grundsätz- 331 05.10.2012 13:11:13 Brasilien lich eine persönliche Zahlungspflicht des Importeurs (des Handelnden). Unabhängig davon, wer die Zollanmeldung abgibt (also Zollanmelder ist), wird in allen Fällen der Importeur Zollschuldner sein. Begleitunterlagen Der vom Zollanmelder ausgefüllten Einfuhranmeldung sind alle erforderlichen Unterlagen obligatorisch beizufügen. Beizufügende Dokumente im Einfuhrverfahren sind hauptsächlich die Originalhandelsrechnung des Verkäufers und der internationale Frachtbrief, aber für bestimmte Waren auch die Einfuhrlizenz, nichtpräferenzielles Ursprungszeugnis, Konformitätsbescheinigung usw. Zu beachten ist, dass der Zollkodex bestimmte Bedingungen für die Ausstellung einer Rechnung vorsieht, wie zum Beispiel die Unterschrift des Verkäufers / Exporteurs auf der Rechnung, Warenbeschreibung in Portugiesisch oder Englisch, Ursprungsland des Herstellers der Ware usw. Fehlende Begleitunterlagen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Strafe oder Bußgeld geahndet werden kann. Überprüfung der Zollanmeldung In der Regel wird jede Zollanmeldung überprüft. Nach ihrer Abgabe im Siscomex wählt das System einen von den vier sogenannten „Abfertigungskanälen” aus: Grün, Gelb, Rot oder Grau. Die Wahl des Abfertigungskanals erfolgt automatisch nach verschiedenen Parametern, wie zum Beispiel der Zuverlässigkeit des Importeurs (dafür spielt die Radar-Bewilligung eine wichtige Rolle), dem Zollwert der Ware, dem Ursprungsland usw. Die Verwendung von Untersuchungsgeräten (Scanner) als Hilfsmittel für die Überprüfung der Zollanmeldung bzw. die Untersuchung der eingeführten Ware ist im brasilianischen Zollrecht vorgesehen. Beim grünen Kanal wird die Ware ohne weitere Überprüfungsakte durch die Zollbehörden automatisch abgefertigt bzw. überlassen. Wird eine Ware dem gelben Kanal zugewiesen, dann erfolgt eine Prüfung aller Begleitunterlagen. Beim roten Kanal kommt neben der Prüfung der Unterlagen auch eine Zollbeschau der Ware in Betracht. Schließlich, wenn eine Ware dem grauen Kanal zugewiesen wird (was nur beim Import möglich ist), dann ist neben der Über- 332 AW-Prax_10-12.indd 332 prüfung der Unterlagen und der Zollbeschau auch eine Zollwertüberprüfung erforderlich. Zu beachten ist, dass in der Praxis auch eine Ware, die dem grünen Kanal zugeordnet wird, überprüft werden kann, wenn die Zollbehörde Gründe dafür sieht. Die Importeure nennen es „Wassermelonenkanal“: Trotz des grünen Äußeren, ist er eigentlich Rot (wie eine Wassermelone – sie sieht grün aus, ist aber eigentlich rot). Welchem Kanal eine Ware zugeordnet wird, ist von besonderem Interesse für den Importeur, da die Dauer der Zollabfertigung („lead time”) im Wesentlichen von der Wahl des Kanals abhängt. Überlassung der Ware Die Überlassung der Ware bei der Einfuhr ist die letzte Phase des Zollabfertigungsverfahrens. Sobald die Angaben in der Zollanmeldung überprüft worden sind, wird die Ware dem Zollanmelder überlassen, das heißt, dass dem Zollanmelder endgültig erlaubt wird, über die Ware zu verfügen. Die Überlassung der Ware erfolgt automatisch mittels einer Nachricht des Sis comex-Systems sowie der Erstellung eines sogenannten Einfuhrnachweises („Comprovante de Importação“). Verjährungsfrist: Die Einfuhranmeldung kann nach der Überlassung der Ware innerhalb einer Frist von fünf Jahren auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden (nachträgliche Zollüberprüfung). Allgemeine Geldbußen und Sanktionen Das brasilianische Zollrecht sieht zahlreiche Geldbußen für Fehler oder vorschriftswidriges Einfuhrverfahren vor. Eine Geldbuße kann beispielsweise in Höhe von 10 % der Einfuhrsteuer erhoben werden, wenn anstelle einer Originalrechnung eine Kopie beigefügt wird. Die falsche Einstufung der Ware in die Kombinierte Nomenklatur spielt eine große Rolle bei der Erhebung von Geldbußen. Das Bußgeldverfahren ist ein Verfahren zur Bestrafung von Ordnungswidrigkeiten. Die zuständige Zollbehörde ermittelt die ordnungswidrigen Akte und ahndet diese mit dem Bußgeldbescheid („Auto de Infração“). Das Zollabfertigungsverfahren wird normalerweise bis zum Ende des Bußgeldverfahrens unterbrochen, das heißt die Ware wird nicht überlassen bevor der eventuelle Fehler korrigiert ist und die enstandene Geldbuße bezahlt oder zum Vorwurf Stellung genommen wird. Neben den Geldbußen, die in der Regel bei weniger schweren Verstößen verhängt werden, greift bei gravierenden Verstößen das Steuerstrafrecht. Dies wäre der Fall, wenn eine Ware vorschriftswidrig in das brasilianische Zollgebiet verbracht, also eingeschmuggelt wird. FAZIT Angesichts der überragenden Perspektiven in Brasilien lässt sich kaum jemand davon abbringen, dort Investitionen zu tätigen. Der landesinterne Absatzmarkt wächst rasant. Selbst in 2008, als die Finanz- und Wirtschaftskrise begann, wuchs Brasiliens Wirtschaft immer noch mit 5,1 %. In den Handelsbeziehungen Brasiliens nimmt die EU mit einem Anteil von etwa 23 % die Spitzenposition ein. Die EU und Deutschland sind die größten Auslandsinvestoren in Brasilien. Aufgrund der bevorstehenden sportlichen Großveranstaltungen fließen jetzt Milliardenbeträge in den Ausbau von Straßen, Flughäfen und Hotels. Damit spielen Importe eine wichtige Rolle. Dabei haben die ausländischen Investoren einige Hürden zu überwinden. Sie müssen sich an ein Zoll- bzw. Steuerrecht gewöhnen, das detaillierte (wenn nicht ungewöhnliche) Anforderungen festlegt. Die Komplexität sowie die Unbeständigkeit der Zollund Steuervorschriften erschwert den Import von Produkten nach Brasilien. Eine zusätzliche Belastung sind die zum Teil im Vergleich mit der EU übermäßig langen Zollabfertigungsverfahren beim Import. Das brasilianische Zollrecht kennt deutlich mehr Verfahrensschritte und verlangt eine umfangreichere Dokumentation für die Anmeldung bei der Einfuhr von Waren als das europäische. Dadurch können sich Zollabfertigungsverfahren regelmäßig über Tage hinziehen. Das brasilianische Zollrecht soll aber nicht ausländische Investoren von Importen nach Brasilien abschrecken, denn bei der richtigen Handhabung lässt sich jedes Zollabfertigungsverfahren erfolgreich abwickeln. Oktober 2012 05.10.2012 13:11:13