1 Mönchengladbach-Rheydt, Pahlkestr. 10, Stadtbad Rheydt
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1 Mönchengladbach-Rheydt, Pahlkestr. 10, Stadtbad Rheydt
Mönchengladbach-Rheydt, Pahlkestr. 10, Stadtbad Rheydt Gutachten gem. § 22 (3), 1 Denkmalschutzgesetz NW zum Denkmalwert gem. § 2 Denkmalschutzgesetz NW E-Mail der UDB Mönchengladbach v. 18.12.2007; Schreiben der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Mönchengladbach an Landeskonservator Prof. Dr. Udo Mainzer, 18.12.2007 Ortstermin: 28.12.2007 Kommission: Dr. A. Schyma; Dr. G. Hoffmann, Dr. M. Kieser, Dr. H. Köhren-Jansen (08.01. u. 18.01.2008) Bearbeiter: Dr. A. Schyma, Dr. M. Kieser Entscheidung: Baudenkmal Das Stadtbad Rheydt in Mönchengladbach-Rheydt, Pahlkestr. 10 („Pahlkebad“), ist ein Baudenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NW. Es ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Rheydt (Stadt Mönchengladbach). Für seine Erhaltung und Nutzung liegen architekturgeschichtliche sowie stadtentwicklungsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Gründe vor. Baudaten Bautyp: Schwimmbad (Hallenschwimmbad) Baujahr: 1963 (Wettbewerb), 1965-69 (Ausführung) Bauherr: Stadt Rheydt Architekt: Dipl.-Ing. Ernst Roddewig, Arch. BDA, Düsseldorf (Badetechnik: Dipl.-Ing. Mieddelmann, München) Anlass des Gutachtens Die Überprüfung des Denkmalwertes des Stadtbades Rheydt erfolgt auf Anforderung der Unteren Denkmalbehörde Mönchengladbach, veranlasst durch einen entsprechenden Auftrag aus den politischen Gremien der Stadt. Anlass sind aktuelle Abriss- bzw. Sanierungspläne für das 1969 eingeweihte Bad. In den bisherigen durch das Rheinische Amt für Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland erstellten Denkmalverzeichnissen für Mönchengladbach, deren letzter Stand in den 1970er und 1980er Jahren erarbeitet wurde, sind Bauten der 1950er Jahre und jünger nicht systematisch erfasst. Dem damaligen Forschungsstand entsprechend wurden bislang nur wenige Einzelfälle aus dieser Zeit überprüft, so dass der Denkmalbestand der Nachkriegsarchitektur sowie der anschließenden Jahrzehnte nicht bekannt ist. Lage und Baugeschichte Der Neubau eines Stadtbades im damals noch selbständigen Rheydt wurde erforderlich, nachdem das alte, 1902 eröffnete Stadtbad an der Stresemannstraße nach Beschädigung im Zweiten Weltkrieg nur provisorisch wiederhergestellt worden und schließlich Ende der 1950er Jahre als nicht mehr zeitgemäß eingestuft worden war. Zunächst waren andere Standorte, vor allem jener Ecke Limitenstraße / MosesStern-Straße vorgesehen. Anfang 1961 wurde aber ein Durchführungsplan für den endgültigen Bauplatz aufgestellt, nördlich des Stadtzentrums als Teil einer städtebaulich neu geordneten Gruppe von Solitärbauten und in unmittelbarer 1 Nachbarschaft zu Hugo-Junkers-Gymnasium und einer ebenfalls neu zu errichtenden evangelischen Volksschule (RP 11.04.1962: „Die großen Projekte der Stadt“). Entwürfe für den Neubau wurden durch einen Anfang des Jahres 1963 ausgeschriebenen Architektenwettbewerb ermittelt. Aus 35 eingereichten Entwürfen wurde der Beitrag von Ernst Gondrom und Horst Ehringhaus (Köln) mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Weniger aus wirtschaftlichen als aus funktionalen Gründen wurde dann jedoch der zweitplatzierte Entwurf von Arch. Ernst Roddewig u. Dipl.-Ing. Mieddelmann (Düsseldorf) zur Ausführung bestimmt, wobei insbesondere die bessere innere Erschließung, die straffe Zusammenfassung der Baumasse und die städtebauliche Anordnung genannt wurden (vgl. StA MG, unverz. Akte, AusschussVorlage 02.12.1963). Vorbehalte gegenüber der ungewöhnlichen Konstruktion sollten durch eine zusätzliche statische Prüfung ausgeräumt werden. Der endgültige Bauantrag datiert vom 14.07.1965, im Februar 1966 erfolgte die offizielle Grundsteinlegung. Am Wettbewerb teilnahmeberechtigt waren „alle frei schaffenden, beamteten und angestellten Architekten, die mindestens seit 1.1.1962 in Rheydt, Mönchengladbach oder Viersen wohnen, ihren Beruf ausüben oder dort geboren sind, Ferner alle frei schaffenden Architekten aus der Bundesrepublik und West-Berlin, nach deren Plänen schon früher ein Hallenschwimmbad gebaut wurde“ (Deutsche Bauzeitung 2/1963, S. W5). Besonders eingeladen wurden außerdem Arch. Dipl.Ing. H. Goesmann, Hannover; Baurat a.D. Dipl.-Ing. W. Kirchner, Bielefeld; Arch. H.P. Lenz, Frankfurt/M.; Arch. Dipl.-Ing. Löffler & Stange, Köln; Arch. Dipl.-Ing. Thielke u. Burbaum, Marl. Einsendeschluss war der 21.05.1963. Fachpreisrichter waren: Prof. Gerhard Weber, Frankfurt/M.; Arch. Roskam, Junkersdorf; Prof. Dr.-Ing. Fischer, Aachen; Baudir. Kreutzberger, Essen; Stadtbaurat Detmering, Rheydt. Wettbewerbsergebnis (Deutsche Bauzeitung 12/1963, S. W47): 1. Preis: Architekt Ernst Gondrom und Dipl.-Ing. Horst Ehringhaus, Köln, Mitarbeiter Dipl.-Ing. Joachim Schneider 2. Preis: Architekt Dipl.-Ing. Ernst Roddewig u. Dipl.-Ing. Mieddelmann, Düsseldorf 3. Preis: Architekt Dipl.-Ing. Hans Schleich, Viersen, Mitarbeiter Architekt Hans Haines 4. Preis: Architekt Hans Dünnwald, Mönchengladbach 1. Ankauf: Architekt Paul Bernert, Rheydt, Mitarbeiter Peter-Paul Bernert 2. Ankauf: Dipl.-Ing. Werner Tjaden u. Dipl.-Ing. Franz Schrewe, Mönchengladbach Eingeweiht wurde das neue Bad zum 02.11.1969. Die Berichte der Lokalpresse zum Neubau waren ungewöhnlich euphorisch (Zusammenstellung: UDB Mönchengladbach): Westdeutsche Zeitung (RY) am 25.10.1969: „Einer sprach von einem Schmuckstück. Gelobt werden vor allem immer wieder die außerordentlich geschickt aufeinander abgestimmten Farben, die das Bad sofort beim Betreten behaglich und gemütlich erscheinen lassen.“ Rheinische Post (RY) am 31.10.1969: „... einziges Sprungbecken der Bundesrepublik mit ausreichender Tiefe ...“ Westdeutsche Zeitung (RY) am 01.11.1969: „Spannbetonbinder, die bisher längsten ihrer Art in der Bundesrepublik, nach Ansicht der Fachleute schönstes Stadtbad in der Bundesrepublik. Stadtamtmann Aretz: In Rheydt steht das fünfte Hallenbad der Bundesrepublik mit einem Zehn-Meter-Turm, doch es ist das einzige, das unter dem Sprungturm eine so große Wassertiefe aufweist.“ Rheinische Post (RY) am 03.11.1969: „Der Sprungturm und das Springerbecken, darüber sind die Fachleute sich einig, gehören zu den modernsten und besten Anlagen in der Bundesrepublik.“ Westdeutsche Zeitung (RY) am 03.11.1969: „OB Wilhelm Schiffer: Bei der Einrichtung dieses schönen Bades war ein Zusammenwirken vieler Kräfte festzustellen, das außerordentlich zu begrüßen ist. Dieser gemeinsame Einsatz 2 bietet die Gewähr dafür, dass sich die ganze Bevölkerung mit diesem Stadtbad verbunden fühlt.“ Auch wenn die Superlative der lokalen Kommentare bei näherer Betrachtung möglicherweise etwas relativiert werden müssen, ist gleichwohl festzustellen, dass über das Rheydter Stadtbad auch in der zeitgenössischen Fachpresse berichtet wurde. So wurde es u.a. in das Handbuch „Bäderbauten“ (1970) aufgenommen, als einer von 180 weltweit ausgewählten Vorbildbauten. Besonderer Wert wurde bei der Planung auf die Eignung des Bades für Kunst- und Turmspringen und entsprechende Wettkämpfe gelegt. Sportler aus Rheydt nahmen vor allem in den späten 1950er und den 1960er Jahren eine führende Position in dieser Sportart ein – die „Rheydter Springerschule“ war sprichwörtlich und bekannt in ganz Deutschland. Die einzige wesentliche substanzielle Veränderung erfolgte nach einem Teilabsturz (15 x 5 m) der Deckenabhängung über dem Sprungturm am 29./30.06.1987, nach dem die Gesamtdecke unter Verwendung von Elementen der alten Decke erneuert werden musste. Begleitet von längeren und kontroversen öffentlichen Diskussionen wurde zum 7. Januar 2008 der Badebetrieb im Stadtbad Rheydt eingestellt. Baubeschreibung Charakteristisches Merkmal und meistfotografiertes Motiv des Stadtbades Rheydt ist die Schwimmhalle, deren Decke an zwei freiliegenden Stahlbetonträgern, die brückenartig über die gesamte Breite der Halle gespannt sind, aufgehängt bzw. – im überhöhten Teil der Halle über dem Sprungturm – auf diesen aufgelegt ist. Die Halle ist an drei Seiten voll verglast, der überhöhte Teil in der Mitte ist als umlaufenden Lichtband ausgeführt. Innerhalb der dominanten Verglasung stellen Boden und Decken optisch lang gestreckte, horizontale Linien dar, die gleichsam schwerelos zu „schweben“ scheinen. Außerdem bewirkte die großzügige Verglasung, wie die Fotos der Bauzeit beweisen, eine starke optische Durchdringung von innen und außen, trotz der fehlenden Außenanlagen des Bades. Diese markante Konstruktion und ihre Gestaltung wurden bereits im Wettbewerb herausgestellt. So schrieb das Preisgericht in seiner Beurteilung des Entwurfs: „Trotz der aufwendig erscheinender Konstruktion hat der Verfasser u. a. mit diesem Mittel einen sehr spannungsreichen Baukörper entwickelt, dessen innere und äußere Gestalt sich in einer harmonischen Übereinstimmung befinden. Positiv wird außerdem die Einheitlichkeit der Fassadengliederung einschließlich der dem Schwimmhallenboden vorgelagerten Terrasse bewertet, die etwas über das Terrain erhoben, einen guten Übergang zum Gelände bietet.“ Architekt Roddewig bemerkte zur Konstruktion mit außen liegenden Brückenträgern in der Baubeschreibung zum Bauantrag 1965: „Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, die äußeren, niedrigeren Dachplatten an den beiden Spannbetonträgern aufzuhängen, während das Dach des höheren Teils auf die Konstruktion aufgelegt wird. Zu dieser Bauweise muss festgestellt werden, dass sie technisch möglich und wirtschaftlicher ist als eine Stützenbauweise, da einmal Kältebrücken nicht vorhanden sind und zum anderen der Innenraum der Halle nicht durch Pfeiler eingeengt wird.“ Brücken-Träger und der verkleidete Schornstein der Kesselanlage setzen somit starke Akzente an einem ansonsten kompakten zweigeschossigen Baukörper auf quadratischer Grundfläche, an den noch ein dreiflügliger eingeschossiger Trakt für Verwaltungsräume und Hausmeisterwohnung (mit abgesetzter Klinkerverkleidung) sowie eine zeittypische, gewendete Außentreppenanlage angefügt sind. 3 Von dem zweigeschossigen, weitgehend nur durch kopfhohe Fensterbänder geöffneten, als konventionelle verkleidete Stahlbetonkonstruktion ausgeführten Eingangs- und Funktionsraum-Trakt hebt sich die über alle Geschosse reichende verglaste Schwimmhalle innen und außen deutlich ab. Sie umfasst ein 25-m-Becken und ein kleineres Lehrschwimmbecken; prägender Bestandteil ist die Sprunganlage aus Sprungturm und weiteren 3-m- und 1-m-Sprungbrettern mit dynamisch geschrägten Postamenten bzw. Pfeilern. Das Hauptbecken wird an der Innenseite auf Höhe des Obergeschosses von einem galerieartigen Gang begleitet, der u.a. die Tribünenanlage für die Springerwettkämpfe erschließt. Von ihm zweigt ferner ein brückenartiger Gang zwischen Haupt- und Lehrschwimmbecken ab. Der Eingangstrakt ist im Inneren nüchtern und entsprechend der Funktionen kleinteilig gehalten. Von dem teilweise modernisierten Foyer aus werden über einen langen, an der Außenwand liegenden Gang die Umkleidekabinen erschlossen. Ein gerader Treppenaufgang (Trittstufen auf Unterzug) führt in das Obergeschoss, von wo aus Tribüne, Cafeteria (eingebaut 1976/77), Sauna und Massageeinrichtungen erreichbar sind. Der Zugang für Schul- und abendliches Vereinsschwimmen ist separat möglich und muss nicht durch die Eingangshalle erfolgen. Über die außen vorgesetzte Treppenanlage werden außerdem der Erschließungsgang im Obergeschoss und die Tribünenanlage angebunden. Konstruktion, Ausstattung, Technik (zusammengestellt von der Unteren Denkmalbehörde Mönchengladbach anhand der Bauakten und bauzeitlichen Veröffentlichungen) Konstruktiv handelt es sich bei der Schwimmhalle um ein Zweibindersystem mit zwei 58 m langen Spannbetonbindern als Zweigelenkrahmen und angehängten Spannbetonbalken im niedrigeren und aufgelegten Spannbetonbalken im höheren Teil, jeweils im Abstand von 2,5 m. Aufgelegte Spannbetonplatten (5 x 0,5 x 0,05 m) nehmen die Dacheindeckung (Dampfbremse, Wärmedämmung, Dachpappe, Perlkiesschüttung) auf. Die Zone zwischen aufgelegter und aufgehängter Dachkonstruktion ist durch ein umlaufendes Glasband voneinander getrennt, wodurch der Eindruck schwebender Flächen entsteht. Die beiden Hauptbinder stehen auf Betonrammpfählen. Das Hauptbecken ruht auf 64 Ortbetonpfählen. Die anschließenden Bauteile sind als konventionell errichteter Stahlbetonbau ausgeführt und z. T. verblendet bzw. verkleidet. An den Spannbetonrahmen ist die zweigeteilte Schwimmhallendecke aufgehängt. Diese Konstruktion ermöglicht es, den niedrigeren Baukörper – bis auf schmale Stahlrundstützen innen vor der Fensterebene – stützenfrei zu halten und den 10-mSprungturm unter der 12,8 m hohen Dachaufhöhung unterzubringen. Becken und Barfußgänge sind gefliest, Stiefelgänge mit Steinzeugfliesen belegt. Das Foyer mit anschließenden Gängen und die Treppenanlage in das Obergeschoss (Tribüne, Sauna, Cafeteria) sind mit Kunststeinplatten belegt. Die Kassentheke ist modernisiert. Der direkte Zugang zur achtstufigen Tribüne ist über einen Gang im 1. Obergeschoss aus möglich, von dem auch die Reinigungs-, medizinischen und Warmluftbäder erreicht werden können. Das große Becken ist als 6-Bahnen-Becken ausgelegt, mit den Maßen 25 x 16,66 m und einer Wassertiefe bis 5 m unterhalb des Sprungturmes. Die Sprunganlage besteht aus dem Sprungturm mit Plattformen in 3, 5, 7,5 und 10 m Höhe sowie je zwei 1-m und 3-m-Sprungbrettern. Das Wasserbecken wird begleitet von einer achtstufigen Tribüne für 320 Zuschauer, ausgelegt als – teilweise abschaltbare – 4 Wärmebank. Eine zusätzliche mobile Tribüne kann auf der Gegenseite aufgestellt werden. Das kleinere Lehrschwimmbecken (Warmbadebecken) misst 8 x 16,55 m und besitzt einen Hubboden für eine variable Wassertiefe von 0,3 bis 1,8 m. Zusätzlich umfasste das Raumprogramm u.a. Reinigungsbäder, medizinische Bäder, Warmluftbäder sowie eine Sauna. Heizungs- und Filtertechnik wurden im Untergeschoss angeordnet. Bei der Wärmeversorgungsanlage (zwei Kessel mit 2,5 Gcal/h für das Hallenbad) ist bemerkenswert, dass ein weiterer Kessel (1,25 Gcal/h) die benachbarte Schule mitversorgt. Der atriumartig um einen Innenhof angeordnete eingeschossige Anbau war für Verwaltungs- und Vereinsräume sowie eine Maschinisten- bzw. Hausmeisterwohnung vorgesehen. Architekt Ernst Roddewig Die Quellenlage zu Leben und Werk des Architekten Ernst Roddewig ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Gutachtens noch sehr lückenhaft. Die vorliegenden Angaben beruhen im wesentlichen auf Auskünften und Materialien der Familie (frdl. z. Verf. gestellt v. H. Schürings, Rheydt) Ernst Roddewig Arch. BDA wurde am 13.10.1912 in Pallien bei Trier geboren. Obwohl er selbst eigentlich Musiker werden wollte, studierte er schließlich Architektur an der TH Stuttgart. Der Zeitraum des Studiums ist z. Zt. nicht bekannt, ausgehend von Roddewigs Geburtsjahr dürfte es aber in die 1930er Jahre und damit noch in die Blütezeit der traditionalistischen „Stuttgarter Schule“ (Bonatz, Schmitthenner, Wetzel) gefallen sein. Fraglich ist, ob die Tatsache, dass der bedeutende Ingenieur Fritz Leonhardt beim Bau des Stadtbades als Prüfingenieur beteiligt war, auf eine fortbestehende Verbindung Roddewigs zur Stuttgarter TH schließen lässt. Roddewigs beruflicher Werdegang und eine Werkliste lassen sich bislang ebenfalls nur rudimentär rekonstruieren. So hat er in der architektonischen Fachpresse nur mit dem Stadtbad Rheydt Spuren hinterlassen, welches wohl – auch ausweislich des Material-Anteils in seinem „Nachlass“ – eindeutig als sein Hauptwerk anzusprechen ist. Daneben hat er laut ehem. Mitarbeitern v.a. einige Kirchen, Schulen und Bankgebäude entworfen, darunter Schulen in Grevenbroich und in Erkrath (1968), wo er auch weitere Bauten errichtet habe. Bürostandort Roddewigs war Düsseldorf, auf den Plänen des Stadtbades 1965 ist als Adresse Metzkauser Str. 21 in D.Gerresheim angegeben. Am 02.12.1984 ist Roddewig 72jährig gestorben. Denkmalwert I. Das Stadtbad Rheydt (Pahlkebad) ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Rheydt (Stadt Mönchengladbach). Bedeutung für die Geschichte des Menschen Das Stadtbad Rheydt ist ein wichtiges Zeugnis der Sport- und Bädergeschichte, insbesondere für deren Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Bedeutung gründet v.a. in der Verbindung einer bemerkenswerten architektonischen Gestalt mit der Erfüllung sowohl allgemeiner als auch spezifischer (Sprung-Wettkampf-Anlage) funktionaler Richtlinien und Vorgaben, die auch überregional als so vorbildlich angesehen wurde, dass das Bad in Handbüchern und Fachzeitschriften aufgenommen und publiziert wurde. Bedeutung für Rheydt (Stadt Mönchengladbach) Das Bad führt die Tradition des öffentlichen Schwimmbades in Rheydt fort, nachdem das erste Stadtbad (1902) wegen Beschädigung im Zweiten Weltkrieg und 5 ungenügender Ausführung nicht mehr den Ansprüchen eines modernen Badebetriebes entsprach. Sportstätten beanspruchen große Flächen im Stadtgebiet und unterliegen von daher besonders sorgfältigen planerischen Überlegungen. Mit der Wahl des neuen Standortes außerhalb des engeren Ortskerns war ausreichend Freiraum gegeben, um den Baukörper wirkungsvoll in Szene zu setzen. Das Bad dokumentiert die Entwicklung in der Geschichte des öffentlichen Bades in Rheydt und den Stellenwert, den die Stadt dem Sport und Freizeitvergnügen beimaß. Mit dem Pahlkebad entschied sich die Stadt für ein modernes Bad, das auch in Publikationen international Anerkennung fand. Mit den beiden Schulbauten erhielt der Standort am nördlichen Rand der Innenstadt von Rheydt einen neuen Schwerpunkt im Stadtgefüge. II. An der Erhaltung und angemessenen Nutzung des Stadtbads Rheydt besteht aus wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen sowie stadtentwicklungs- und sozialgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Architekturgeschichtliche Gründe Das Pahlkebad, 1963 geplant, erfüllt die Richtlinien, die an damalige moderne Hallenbäder gestellt wurden (Fachtechnischer Ausschuss der deutschen Gesellschaft für Badewesen, 1955). Das Bad zeichnet sich durch eine klare funktionale Gliederung aus. Das Bad mit seinen sechs 25 m-Bahnen im großen Becken, der Tribüne und dem Sprungturm war auch auf Wettkämpfe, vor allem im Springen, ausgerichtet. Mit dem Pahlkebad ist dem Architekten eine Verbindung zwischen funktionalem Nutzbau und architektonischem Anspruch gelungen. Der Bau zeichnet sich aus durch Reduktion auf das funktional Wesentliche ohne ästhetische Gesichtspunkte zu vernachlässigen. Der Baukubus des Bades ist vom „International Style“ inspiriert. Die konstruktiven Elemente sind in ihrer ganzen Klarheit sichtbar gemacht. Die übergreifenden Binder gliedern den Baukörper in eleganter Weise und erlauben durch ihre Konstruktion eine stützenfreie Überspannung der Badehalle. Diese wird durch die filigrane, Raum hohe Verglasung rundum belichtet, wodurch die schwebende Leichtigkeit des Baukörpers noch betont wird. Innen- und Außenraum gehen so eine Korrespondenz ein. So ist nicht nur die Einbindung in die umgebende Grünfläche gelungen, sondern auch die sichtbare Einbeziehung der Außenanlagen. Das in Rheydt angewendete Prinzip eines stützenlosen „Universalraumes“, abgehängt von außen brückenartig über das Gebäude geführten Trägern, wurde von Ludwig Mies van der Rohe unmittelbar nach den Zweiten Weltkrieg von Amerika aus auf den Weg gebracht (Cantor Drive-in-Restautrant, 1945/46; ITT Crown Hall, 1950/56). Entscheidend für seine Verbreitung in Deutschland war der spektakuläre, jedoch nicht ausgeführte Wettbewerbsentwurf Mies van der Rohes für das Nationaltheater in Mannheim (1952/53). Es ist auffallend, dass diese Konstruktion im Schwimmbadbau zwar nicht generell, aber doch überdurchschnittlich häufig angewendet wurde, wo nicht nur große stützenfreie Räume, sondern auch die Vermeidung von Wärmebrücken an tragenden Bauteilen als typgerechter Vorteil galten (vgl. die Ausführung von Roddewig zu seinem Entwurf). In seiner konstruktiven Klarheit vergleichbar ist das Pahlkebad mit dem 1961 fertig gestellten Leverkusener Hallenbad von Ulrich von Altenstadt, das ebenfalls von Rahmenträgern bügelartig überfangen wird, in der gläsernen Wandgestaltung allerdings nicht die filigrane Leichtigkeit des Bades in Rheydt aufweist, sondern vielmehr die Betonrasterung betont. 6 Beide Bauten setzten einen innovativen Impuls im Hallenbadbau, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass in Rheydt vor Ausführung ein zusätzliches statisches Gutachten eingeholt werden sollte. Auch noch ein Jahrzehnt später finden sich prominente Beispiele für diese Bauweise, so das Sportzentrum in Diekirch/Luxemburg (1969), das aber ebenfalls die Eleganz des Rheydter Bades vermissen lässt, oder die Schwimmhalle in Burgtiefe auf Fehmarn, 1971-72 nach Entwurf von Arne Jacobsen errichtet, wo Baukörper und Träger zwar „expressiver“ gestaltet sind, das Zusammenspiel von verglaster Halle und verkleideten Trägern aber eine ganz ähnliche Wirkung wie in Rheydt entfaltet. Der Schwimmbadbau der 1950er und 1960er Jahre war insgesamt jedoch eher dominiert von „organischen“ geschwungenen Formen, die die Dynamik der Baukörper betonten wie z.B. die Schwimmoper in Wuppertal, das zeitgleiche Stadtbad in Frankfurt oder das Badezentrum in Krefeld-Bockum (1963-67). Der Kontrast von geschlossenen und offenen (verglasten) Formen war meist vorherrschend. Die „gläserne Haut“ in dieser Dominanz und Konsequenz ist in Rheydt einmalig und sonst nur im Hochhausbau zu finden. Die ästhetische Qualität insbesondere der Schwimmhalle wird nicht zuletzt durch die zahlreichen Fotoaufnahmen, die immer wieder den gleichen Standpunkt einnehmen, transportiert und dokumentiert. Ein zunächst konstruktives Prinzip wird hier eindrucksvoll in eine Gestalt übersetzt, die den Idealen der Moderne von Transparenz, Leichtigkeit und „form-follows-function“ folgt und eindeutig über typologisch-konstruktive Erfordernisse hinausweist. Stadtentwicklungsgeschichtliche Gründe Mit der Verlagerung an den Rand des Ortskerns erhielt der ursprünglich innerorts angesiedelte Badebetrieb einen neuen Standort und trug so der Stadtentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg Rechnung. Im Zusammenhang mit den Schulbauten entstand so im Norden Rheydts ein neuer städtebaulicher Akzent, in welchem Schule, Sport und Freizeit eine gelungene Synthese eingegangen sind. Sozialgeschichtliche Gründe Von dem ursprünglich hygienischen und medizinischen Aspekt des Badewesens entwickelte sich die Badekultur im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Sport- und Freizeitfaktor. Diese Entwicklung zeigt sich auch in Rheydt mit der Auslagerung des Badebetriebes vom Zentrum in eine stärkere Randlage. Die Reinigungs- und Heilanwendungen standen nicht mehr im Vordergrund, Sport und Wettkampf traten an ihre Stelle, so dass auf die Präsenz eines Bades im Zentrum verzichtet werden konnte und mit dem Bau auf großzügigem Gelände die modernen Ansprüche an ein Bad realisiert werden konnten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Stadtbad Rheydt in MönchengladbachRheydt, Pahlkestr. 10 („Pahlkebad“), ein Baudenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NW darstellt. Es ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Rheydt (Stadt Mönchengladbach). Für seine Erhaltung und Nutzung liegen architekturgeschichtliche, stadtentwicklungsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Gründe vor. Quellen und Literatur 7 Gespräch m. Dipl.-Ing. Hans Schürings, Rheydt, 17.01.2008 (Recherche Ernst Roddewig). StA MG, unverz. Akte zum Stadtbad Rheydt (darin BA-Vorlage 02.12.1963, frdl. mitgeteilt v. H. Schürings u. G. Lamers). Deutsche Bauzeitung 2/1963 u. 12/1963, Bauwelt 6/1963 (Wettbewerb Ausschreibung u. Ergebnis) Baupläne (Bauakte), frdl. z. Verf. gest. v. UDB Mönchengladbach. Denkmälerdatenbank des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege. Datenbank „Architektur und Ingenieurbaukunst der 50er, 60er und 70er Jahre im Land Nordrhein-Westfalen.“ (http://www.nrw-architekturdatenbank.uni-dortmund.de) Dietrich Fabian (Hg.): Bäderbauten. Handbuch für Bäderbau u. Badewesen 2, München 1970, zu Rheydt: S. 242-244. Architektur-Wettbewerbe VI, Heft 23 Sportanlagen, Hallenbäder, Freibäder, Stuttgart 1958. Thilo Hilpert: Mies van der Rohe im Nachkriegsdeutschland. Das Theaterprojekt Mannheim 1953 (Ausstellungskatalog Dessau 2002), Leipzig 2002. Im Auftrag gez. Dr. Angelika Schyma Anhang: Bauakten-Auswertung (UDB Mönchengladbach) Bauchronologie: Bauantrag: Baugenehmigung: Grundsteinlegung: Pressebesichtigung: Nachtrag: Rohbauabnahme: Teilgebrauchsabnahme: Einweihung: Gebrauchsabnahme: 14.07.1965 27.04.1966 02.05.1966 07.11.1967 (da kein Richtfest gefeiert wurde) 19.07.1968 21.12.1967 26.11.1968 02.11.1969 20.01.1970 Baubeteiligte: Planung: Statik: Prüfingenieur: Badetechnik: Bodenuntersuchung: Isolierung / Akustik: Elektroplanung: örtliche Bauleitung: Baufirma: Arch. Ernst Roddewig, Düsseldorf / Erkrath Dipl. Ing. H.-W. Beckmann & H.-W. Winkler, Düsseldorf Prof. Dr. Leonhardt, Stuttgart Dipl. Ing. Mieddelmann, München Dr. Müller, Krefeld Dr. Schäcke, Stuttgart Fa. Michel, Düsseldorf Arch. Wolfgang van Eitzen (& Herbert Miessen), Rheydt Arge Hallenbad Rheydt BAUBOAG – Jakob-Durst & Cie. 8