Steyr Mannlicher Lead free

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Steyr Mannlicher Lead free
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Fotos: G. Hofer
Steyr Mannlicher Lead free
Manche Jäger getrauen sich nicht, auf bleifreie Büchsenmunition
umzustellen, weil sie fürchten, die Waffe könnte Schaden nehmen.
Nun gibt es spezielle Laufprofile in den Jagdwaffen von Steyr Mannlicher, die eigens für bleifreie Kupfergeschoße konzipiert wurden.
A
bseits aller ideologisch geführten Diskussionen um Sinn oder Unsinn von
Blei- bzw. Alternativgeschoßen verfügen
verschiedene Werkstoffe über verschiedene
Eigenschaften, die berücksichtigt werden
müssen. Im Fall der Büchsenmunition geht
es hier unter anderem um die Verträglichkeit des unter Hochdruck in den Lauf eingepressten Geschoßes.
Bei uns verwendet man für den Büchsenschuss heute Waffen mit gezogenen
Läufen. Das Laufprofil ist also nicht glatt,
sondern hat Längsrillen zur Führung des
Geschoßes (Züge und Felder), die sich spiralförmig durch den Lauf ziehen (Drall). Die
heute verwendeten Läufe wurden dafür
entwickelt, dass sich relativ elastische
Geschoße mit dünnem Mantel aus Tombak (Kupferlegierung) oder Fluss-Stahl und
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Verwendet man nun stattdessen Vollgeschoße aus Kupfer oder Kupferlegierungen,
die im Inneren keinen weichen Bleikern
haben, kann das Geschoß nicht so elastisch reagieren, wie es die Laufkonstrukteure erwartet haben. Die Folge kann ein
unerwarteter Druckanstieg sein, es kann
zu ungewolltem Abrieb und damit Ablagerungen kommen und in der Folge zu einer
Verringerung der Präzision oder Schlimmerem. Um dem entgegenzuwirken, hat Steyr
Mannlicher nun sogenannte Lead-freeLäufe entwickelt – also Bleifrei-Läufe. Diese
sollen die Laufbelastung durch das Einpressen der Vollkupfer-Geschoße gering halten.
Statt der üblichen vier Züge und Felder hat
der „Steyr-Bleifrei-Lauf“ jetzt sechs davon. Die
Auflagefläche des Geschoßes wird entlang
der Felder geringer und besser über den Querschnitt verteilt.
Der Lead-Free-Lauf wird mittels der Initialen LF
am Lauf gekennzeichnet.
einem Bleikern bei einigen Tausend Bar
Gasdruck so weit verformen, wie es von
den Entwicklern gedacht ist.
Kupfer wird zur Herausforderung
Der Anblick 10/2015
WAFFE, SCHUSS & OPTIK • UNTER JÄGERN
Auf der Rehjagd mit Steyr CL II SX Lead free
N
icht nur am Schießstand, sondern auch im
Revier wurde die Waffe geführt. Vor dem
jagdlichen Einsatz wurde das Gewehr mit einer
RWS-Munition (bleifreies HIT-Geschoß, 10,7 g)
eingeschossen. Keine gravierenden Korrekturen waren für einen Schuss auf 100 m mit 4
cm Hochschuss nötig.
Von Georg Hofer
Geführt in einem Gemeindejagdrevier in der
Weststeiermark, konnte die mit einem Kunststoffschaft ausgestattete Büchse im Kaliber .30-06 positiv überraschen. Die Robustheit des Schaftes zeichnete natürlich das SXModell besonders aus. Im Gegensatz zu einem
Holzschaft kann man in puncto Kratzer beruhigter durch das Revier pirschen. Am Hochsitz angelangt, dauerte es nicht einmal eine
halbe Stunde, und ich konnte am Waldrand auf
mehr als 150 Meter einen hellbraunen Fleck
erkennen. Tatsächlich war es ein Rehbock, der
alleine vor sich hinäste. Vorsichtig wechselte er
auf die Wiese und verhoffte immer wieder zum
Weidevieh auf der darunterliegenden Weide.
Der Puls stieg allmählich an, denn der Bock
passte ...
Ohne an die Bretter des Hochsitzes zu stoßen,
wurde die Steyr ruhig in Anschlag gebracht.
Der Puls beschleunigte sich innerhalb von
Sekunden. Nun war der Bock auf einer Entfernung von geschätzten hundert Metern. Jetzt
war es höchste Zeit, den Schuss abzufeuern.
Das Kahles Helia 5, 1,6-8 x 42i auf die 7-fache
Vergrößerung eingestellt, das Rad der SBSSicherung nach vorne gedreht, das Abzugszün-
Natürlich können aber auch bleifreie ZinnGeschoße oder traditionelle Blei-Geschoße
verwendet werden.
Die Grundidee ist denkbar einfach: Statt der
üblichen vier Züge und Felder gibt es jetzt
sechs davon. Damit wird die Auflagefläche
entlang der Felder geringer und besser über
den Querschnitt verteilt. Dadurch sollen
alle üblicherweise zu erwartenden Nachteile von Vollkupfer-Geschoßen reduziert
werden.
gel eingestochen, den Abzug betätigt und das
bleifreie Geschoß verließ den Lead-Free-Lauf. Der
13 kg schwere Rehbock sprang noch 2 Meter weiter, verendete dann aber sofort.
Die Nervosität und die hohen Temperaturen im
Sommer können schon manchmal verschwitzte
Hände des Schützen hevorrufen. Kein Problem
für den Kunststoffschaft der Steyr – die Waffe
liegt durch die griffigen Elastomereinlagen sicher
in der Hand. Der Rückstoß der 3,3 kg schweren
Waffe im Kaliber .30-06 war sowohl am Schießstand als auch im Jagdeinsatz erträglich. Das
eckige Design des Vorderschafts ist nicht jedermanns Geschmack, aber im Design sind Gott sei
Dank die Geschmäcker sehr verschieden. Eine
robuste und praxisgerechte Waffe mit kompromissloser Schussleistung, die im Revier überzeugen konnte. Der Preis der Testwaffe ohne Zielfernrohr beträgt € 2.153,- (UVP).
Erfolgreiches Zusammenspiel von Waffe, Optik und
Munition.
Dieses Zielfernrohr ist ein absoluter Allrounder, geeignet sowohl für Drückjagden als auch
für Jagdsituationen mittlerer Entfernungen.
Der verbaute Leuchtpunkt kann leicht mit der
linken Hand ein- bzw. ausgeschaltet werden.
Sollte man nach dem Abbaumen vergessen,
den Leuchtpunkt zu deaktivieren, so sorgt die
Automaticlight-Funktion für eine automatische
Abschaltung zur Schonung der Batterie. Per Neigungssensor wird der Leuchtpunkt bei 75° automatisch abgeschaltet, und wird die Waffe nach
dem Ablegen bei einem Winkel zwischen 45°
und 75° nicht bewegt, erlischt der rote Punkt
nach etwa zwei Minuten. Es reicht die kleinste
Bewegung und der Leuchtpunkt aktiviert sich
von selbst und dank der Memoryfunktion in die
voher ausgewählte Leuchtstärke. Das Testexemplar ist mit einem 4-Dot-Absehen ausgestattet
– die „Balken“ sind extrem fein und daher am
Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Im Revier
hat sich das Zielfernrohr aus dem Hause Kahles
sehr bewährt. Mit dem 42-mm-Objektiv kann
man auch im letzten Büchsenlicht die Umgebung
noch gut erkennen und deuten. Ebenso auffallend ist die detailgetreue und scharfe Abbildungsqualität auch am Rand der Optik. Ein weiterer Vorteil ist die schlanke und dezente Bauweise (L: 320 mm, H: 58 mm). Es passt dadurch
auf jede Waffe. Der Ladenrichtpreis beträgt
€ 2.120,-. Wer großen Wert auf Ästhetik in Kombination mit Robustheit legt, für den ist die Stahledition des Zielfernrohres genau richtig.
hat sich ausschließlich auf die Schussgruppen bezogen und in keiner Weise auf
eine eventuell veränderte Geschoßwirkung
im Wild. Gerade den gehämmerten Läufen von Steyr Mannlicher sagt man am
Stammtisch ja nach, dass diese nicht alle
gleich töten, weil die Geschoße nicht alle
im selben Maße „angeschnitten“ werden.
Das blieb bei uns diesmal unberücksichtigt.
Begonnen wurde mit dem bleifreien HITGeschoß von RWS. Dieses ist dem Barnes
TTSX sehr ähnlich, hat aber eine modifizierte Polymerspitze und ist beschichtet. Auf 100 m im Freigelände geschossen, haben sich hier die Einschusslöcher
bei mehreren Schussgruppen mehr oder
Kahles Helia 5, 1,6 – 8 x 42i
Steyr Mannlicher CL II bleifrei
Für unseren Test ist eine Steyr Mannlicher CL II im Kaliber .30-06 zur Verfügung
gestanden. Die Testmunition – bleifrei wie
-hältig – stammte aus dem Hause RUAG.
Die Idee hinter dem Test war, verschiedene
Geschoßtypen und Munitionsmarken zu
vergleichen und diese altbewährten Bleigeschoßen gegenüberzustellen. Der Test
Die hinterfräßten Mündungen sind wesentlich mitverantwortlich für die überragenden Schussleistungen der Steyr-Läufe. Das Kahles Helia 5, 1,6 – 8 x 42i ist optisch und praktisch eine gute Wahl.
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UNTER JÄGERN • WAFFE, SCHUSS & OPTIK
im Kaliber eines Kaffeehäferls. Nach fachkundiger chemischer Reinigung wurde
das Schussbild deutlich besser und könnte
für jagdliche Anforderungen sogar als gut
beurteilt werden. Unter Schießstandbedingungen sollte damit ein Schnaps-Stamperl
mit jedem Schuss getroffen werden können. Dennoch kam es vor allem an die Leistung des HIT-Geschoßes nicht annähernd
heran – auch nicht nach der Laufreinigung
und auch nicht mit der kalten Waffe.
Foto: M. Ossmann
Laufwechsel wagen?
Auch für den Lead-Free-Lauf muss die geeignete Munition ermittelt werden, denn „bleifrei ist
nicht gleich bleifrei“. Für den Munitionstest kamen das RWS-HIT, Norma-Kalahari, GECO-Zero und
Sellier&Bellot-Exergy zum Einsatz. Die mit Abstand engsten Streukreise lieferte das RWS-HIT.
weniger berührt. Für eine Serienwaffe mit
Serienmunition eine unglaubliche Leistung.
Nicht ganz so gut war das Kalahari-Geschoß
von Norma. Dieses Teilzerlegunggeschoß mit offener Hohlspitze ist ebenfalls
beschichtet und schoss sich ebenfalls sehr
gut. Wenn schon nicht fünf, dann doch
zumindest drei Schuss lagen meist so, dass
sie eine 2-Euro-Münze angerissen hätten.
Mit dem Geco-Zero-Geschoß stand uns
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auch ein Zinn-Geschoß zur Verfügung.
Auch das harmonierte sehr gut mit der
Waffe und brachte ähnliche Trefferbilder
wie das Kalahari von Norma.
Als bleihältiges Referenzprodukt haben wir
das altbewährte Norma Jagdmatch verwendet, das ja erwiesenermaßen hervorragend schießt. Aus ungereinigtem Lauf war
das Ergebnis jedoch nicht wirklich beeindruckend. Der Streukreis bewegte sich fast
Dass viele bleifreie Geschoße auch aus
herkömmlichen Büchsenläufen sehr gut
schießen, ist hinlänglich erprobt worden.
Aus dem Lead-free-Lauf im Mannlicher CL
II haben diese sogar hervorragend geschossen. Aber auch hier wird wahrscheinlich
nicht jeder Lauf mit jedem Geschoß in
derselben Weise harmonieren, weshalb
man das selbst am besten ausprobieren
muss. Und wenn man ein gut schießendes und gut wirkendes Geschoß gefunden
hat, bleibt man in aller Regel dann ja auch
dabei. Beim Neukauf einer Büchse für den
Jagdeinsatz ist diese Alternative auf jeden
Fall eine Überlegung wert. Und die BleiGeschoß-Diskussion ist nun um die Facette
des idealen Laufes erweitert worden.
Stefan Maurer
Der Anblick 10/2015