Niederrhein

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Niederrhein
Foto: Stiftung Museum Schloss Moyland.
Leben am niederrhein Kulturregion Niederrhein
Niederrhein –
zu schön, um zuhause
zu bleiben
Mit einer 3-teiligen Serie möchten wir Ihnen Lust machen auf Ausflugsziele Ihrer Region.
In Teil 1 sind wir auf Spurensuche in den Kreisen Kleve und Wesel.
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Kulturregion Niederrhein leben am niederrhein
W
ir lassen den Blick schweifen, soweit
das Auge reicht. Denn am Niederrhein
gibt es kaum nennenswerte Erhebungen. Doch flach ist der Niederrhein nur aus
geografischer Sicht. Die wunderschöne Region
hat herausragende Sehenswürdigkeiten genauso zu bieten wie kulturellen Tiefgang. NIEDERRHEIN MANAGER bringt Ihnen einige
Aspekte der regionalen Geschichte nahe, ohne
Anspruch auf Vollständigkeit, aber unterhaltsam aufgereiht an Tipps für erlebenswerte Ausflüge. Haben Sie am Wochenende schon etwas
vor? Tauchen Sie ab in den Zauber historischer
Stätten, besuchen Sie eine Ausstellung im schönen Schloss Moyland, erobern Sie eine Festung
des Alten Fritz oder lassen Sie Ihre Sinne auf
Reisen gehen, mit einem richtig guten Buch
über Geschichte(n) am Niederrhein.
„Niederrhein ist überall“ sagte der Moerser
Hanns-Dieter Hüsch. Damit spielte er auf die
offene und heitere Gesinnung der Niederrheiner
an, die gerne feiern und reisen. Kein Wunder, dass
sich die wirtschaftliche, politische und religiöse
Entwicklung dieser Region spürbar über die eigenen Gebietsgrenzen hinaus auswirkte. Andererseits ließen sich schon immer gerne Menschen
hier nieder, so dass die unterschiedlichsten Einflüsse Bewohner und Geschichte prägten.
So besiedelten bereits um 5.500 v. Chr.
neusteinzeitliche Bauern den Xantener Raum.
Ganz so weit möchten wir hier nicht im Detail
zurückblicken. Aber wer auf eine spannende
Reise durch zwei Jahrtausende Kirchen- und
Die Gründung der Schwanenburg in Kleve reicht bis ins
11. Jahrhundert zurück (Foto: Kleve Marketing).
Kulturgeschichte gehen möchte, der sollte
dem StiftsMuseum in Xanten einen Besuch
abstatten. Kostbarkeiten aus Gold, Silber, Elfenbein und Edelstein erzählen von der Zeit
der Römer, des Mittelalters und der Neuzeit
bis zur napoleonischen Herrschaft am Niederrhein. Textilien, Gemälde, Schmuck, Bücher,
Urkunden und einzigartige Kirchenschätze
dokumentieren die mehr als 1000-jährige Geschichte des St. Viktor-Stiftes.
Mit Kind und Kegel
Freizeitpark Wisseler See: Ob für einen Tag oder
zum Campingurlaub – am Wisseler See garantieren
ein Naturfreibad mit Großwasserrutsche, Sandstrand,
Spielanlagen, Boots- und Fahrradverleih, Segel- und
Tauchschule, Kegel- und Bowlingbahnen etc. Spaß für
Jung und Alt (www.wisseler-see.de).
Wunderland Kalkar: Das Wunderland Kalkar zeigt die
unglaubliche Geschichte von der Verwandlung eines
Kernkraftwerkes (welches nie ans Netz gegangen ist!)
zu einem der größten Erholungs- und TaINFO
gungszentren Deutschlands. Neben Hotels
und großzügigen Sporteinrichtungen lockt Kernie’s Familienpark mit Attraktionen wie Achterbahn, Riesenrad
oder der Kletterwand am Kühlturm. Geöffnet vom 31.
März bis 28. Oktober 2012 (www.wunderlandkalkar.eu).
Austern statt Äpfel
In Xanten liegt Geschichte zum Greifen
nahe. Untrennbar verknüpft mit Xanten sind
die Römer, die gravierende Veränderungen
in das bis dahin vorherrschende rein ländliche kulturelle Leben brachten. Die ersten in
Xanten stationierten Soldaten kamen aus Italien und Südfrankreich. Auf ihre mediterran
geprägte Lebensweise wollten sie auch
StiftsMuseum · Kapitel 21
46509 Xanten
www.stiftsmuseum-xanten.de
Tiergarten Kleve: Wildpferd und Wildschwein gehören zu den alten Haustierrassen, die zunehmend vom
Aussterben bedroht sind. Der Klever Tiergarten arbeitet
eng mit den Zuchtverbänden zusammen, europaweit.
So sind hier sogar Somali-Wildesel und kleine Pandas
zu bestaunen. Der Tiergarten, eingebettet in eine sehr
schöne historische Parklandschaft, beherbergt rund 300
Tiere (www.tiergarten-kleve.de).
Terrazoo: Hautnah können Sie und Ihre Kinder Kontakt
zu Spinnen, Echsen, Schlangen und weiteren exotischen
Tieren aufnehmen. Im Reptilienhaus des Terrazoos in
Rheinberg sind neben der Besichtigung auch vielfältige
Aktionen buchbar, z.B. Kindergeburtstage oder Abendführungen (www.terrazoo.de).
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leben am niederrhein Kulturregion Niederrhein
vergleichbar hoch hinaus reicht die Schwanenburg (www.schwanenturm.de). Im 11.
Jahrhundert auf einer Anhöhe erbaut, verleiht ihr Standort der später entstehenden
Siedlung seinen Namen: Aus Cleef (für Kliff,
Klippe) wird Kleve. Neben der Schwanenburg lohnt sich auch ein Besuch von Schloss
Wissen, südlich von Weeze (www.schlosswissen.de). Seit 500 Jahren ist das romantische Wasserschloss Stammsitz der Familie
von Loë und einer der bedeutendsten Adelssitze am Niederrhein.
Stattlich zeigt sich auch das in einem
dreiteiligen Ensemble ehemaliger Kurbauten
untergebrachte Museum Kurhaus Kleve. In
den 90er Jahren dieses Jahrhunderts aufwändig umgebaut, beeindruckt hinter den
klassizistischen und wilhelminischen Mauern heute ein meisterliches Zusammenspiel
denkmalwürdiger Bausubstanz mit neuer
Architektur – der perfekte Rahmen für mo-
hier nicht verzichten. Grundnahrungsmittel
importierten sie genauso wie Luxusgüter aus
Italien, Spanien, Griechenland, aus der Türkei
und dem östlichen Mittelmeer. Sogar Austern
gehörten zu den Speisen der Soldaten.
Die Römer brachten nicht nur neue Sitten, sondern auch neue Technologien mit,
zum Beispiel die Steinbauweise. Vor allem
im Bereich der militärischen Anlagen zeigte
sich die römische Okkupation. Aus den beeindruckenden Kastellen entstanden später
Städte wie Xanten, Dormagen oder Neuss.
Überall hinterließen die Römer Spuren.
Ausgegraben oder rekonstruiert sind Teile
davon im Archäologisch­en Park Xantens,
kurz APX. Rund vierhundert Jahre lang war
Xanten einer der bedeutendsten römischen
Orte in Germanien. An die zehntausend
Menschen wohnten in der imposanten
Stadt, die Kaiser Trajan um 100 n. Chr. zur
Colonia Ulpia Traiana ernannte. Auf deren
Gelände finden sich heute Ausgrabungen
und Rekonstruktionen römischer Bauwerke. „Römerpark“ und das LVR-RömerMuseum im APX zeigen mit einer reizvollen
Kombination aus antiken Fundstücken und
modernen Medien, wie die Römer vor 2000
Jahren lebten. Museum und APX bieten ein
umfangreiches Programm für Kinder und
Erwachsene.
Im Laufe des 3. Jahrhunderts machen
sich Vorboten der großen europäischen Völkerwanderungen bemerkbar. Nach längeren
Unruhen wird die Colonia gegen Ende des
3. Jahrhunderts schließlich von den Franken
überrannt und zerstört. Der Verlauf der Geschichte bleibt unruhig. Zeitzeichen setzen u.
a. Karl der Große (772-804), die Normannen
(Wikinger), der Vertrag von Verdun (843) und
Otto I. Die Region leidet unter Erbstreitigkeiten, Glaubensdifferenzen und Krisen, bis der
Niederrhein unter den Grafen von Kleve im
13. und 14. Jahrhundert umfangreiche Städtegründungen erfährt. Imposante Kirchen und
Klöster entstehen, die vielerorts auch heute
noch zu besichtigen sind.
Bummeln Sie durch die historischen
Stadtkerne von Wachtendonk, Brüggen,
Kempen, Kalkar und Rees mit ihren mittelalterlichen Stadtmauern, Burgen und
Befestigungstürmen. Für den Niederrhein
B.C. Koekkoek-Haus · Koekkoekplatz 1
47533 Kleve
www.koekkoek-haus.de
Stiftung · Museum Schloss Moyland · Am Schloss 4
47551 Bedburg-Hau
www.moyland.de
Museum Kurhaus Kleve · Tiergartenstraße 41
47533 Kleve
www.museumkurhaus.de
Kurztipps nicht nur für Kurztripps
(Foto: Annegret Gossens)
Kleve: Moderne Theaterstücke produziert das freie
XOX-Theater im 3. Stock des ehemaligen Fabrikgebäudes der XOX-Biskuit-Fabrik. www.xox-theater.de
Kranenburg: Der Mühlenturm war Teil der ab 1395
errichteten Stadtbefestigung von KraTIPPS
nenburg und diente bis zum Ersten
Weltkrieg als Stadtwindmühle. Heute wird das Gebäude als Museum genutzt. www.geschichteimturm.de
Moers: Das im Herzen der Stadt Moers liegende, aus
einer mittelalterlichen Burg entstandene Schloss beherbergt das Grafschafter Museum und das Moerser
Schlosstheater. Sehenswert: der zum Schloss gehörende romantische Park mit Freizeitpark und Japanischem Garten. www.grafschafter-museum.de
Kleve/Groesbeek: Ein Ausflug der besonderen
Art – mit der Grenzland-Draisine vom charmanten
Städtchen Groesbeek über Kranenburg bis nach
Kleve, 5 Kilometer. Für Ausgiebige gibt es auch
noch die 10-Kilometer-Variante mit Zielort Kleve.
www.kleve-tourismus.de
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Geschichte(n) vom Niederrhein
Das kleine Buch vom Leben am Niederrhein, Christian
Behrens, Sabine Abel, Mercator Verlag.
Niederrheiner sind Meister der Fantasie. Da sie immer
wieder tagelang im niederrheinischen Nebel sitzen,
müssen sie sich - weil einfach nichts zu sehen ist –
schon etwas einfallen lassen. Und so hat
TIPP
auch der niederrheinische Humor einen
besonders weiten Horizont. Die heiteren Gedichte und
kleinen Texte von Christian Behrens verbinden sich mit
den luftigen Aquarellen von Sabine Abel zu einem lockeren Reigen, augenzwinkernd, voller Lebenslust und
mit dem Blick für die kleinen Schönheiten des Alltags.
Kulturregion Niederrhein leben am niederrhein
derne Kunst. Seit Februar und bis zum 20.
Mai 2012 zeigt das Museum anlässlich des
zehnjährigen Todestages des Malers Raimund Girke eine rund 40 Arbeiten umfassende Präsentation.
Einmal in Kleve sollten Sie sich das B.C.
Koekkoek-Haus nicht entgehen lassen, eine architektonische Kostbarkeit, die zu den bedeutendsten Denkmälern des 19. Jahrhunderts am
Niederrhein gehört. Auch in diesem Gebäude
befindet sich ein überregional beachtetes Museum (www.koekkoek-haus.de).
Napoleon und der Alte Fritz
mit, weit bevor in Holland die erste Windmühle stand. Sehenswert ist der exakt angelegte barocke Klostergarten mit seiner markanten Terrassenanlage (www.kloster-kamp.de).
Extrem verheerende Folgen hatte der
2.Weltkrieg, in dem Städte wie Wesel oder Emmerich sehr stark zerstört wurden. Noch gut erhalten ist in Wesel der historische Marktplatz.
Sicherlich lohnt sich aber auch ein Rundgang
durch die Anfang dieses Jahrhunderts errichtete Bergarbeitersiedlung Kamp-Lintforts, heute
eine vorbildlich restaurierte Kolonie mit dem
schönen Beinamen „Gartenstadt“.
Wer sauber und ohne Helm „in die Tiefe“
gehen möchte, der ist im Geologischen Museum bestens aufgehoben. Über 18.000 Belegstücke – Fossilien, Gesteine und Mineralien
– vermitteln einen imposanten Einblick in die
seit 1907 im Bereich der Kamp-Lintforter Zeche Friedrich Heinrich erbohrten, durchteuften
und erschlossenen Erdschichten.
Die Adligen und Reichen am Niederrhein
ließen sich imposante Schlösser bauen. Diese
befinden sich oft noch in Familienbesitz. Einige sind beliebte Ausflugsziele mit zum Teil
herrlichen Parkanlagen. So auch das Schloss
Moyland, heute ein Museum für moderne und
zeitgenössische Kunst und ein internationales Forschungszentrum zu Joseph Beuys. Der
weltweit größte Komplex mit Arbeiten des
Künstlers stellt das Zentrum der Sammlung
dar. Mit seinem vielfältigen Ausstellungs- und
Veranstaltungsangebot sowie dem historischen
(Wasser-)Schlossensemble inmitten der weitläufigen Gartenanlage ist das Museum ein Anziehungspunkt von internationaler Bedeutung.
Klein, aber fein und ebenfalls international geprägt: der Skulpturenpark in Viersen.
In 20 Jahren entstand rund um die Städtische
Galerie im Park eine einzigartige Skulpturensammlung, an der sich renommierte Künstler
mit zum Teil aufwändigen Werken beteiligt
haben (www.heimatverein-viersen.de).
Die Territorien am Niederrhein bekamen
1794 als erste die durch die Französische Revolution verursachten Veränderungen zu spüren.
Nach 1806 gehörten alle ehedem preußischen
Besitzungen in Nordwestdeutschland dem
französischen Staat an oder unterlagen für
zwei Jahrzehnte seinem Einflussbereich. Das
Preußen-Museum Wesel vermittelt einen umfassenden Eindruck von der rheinisch-preußischen Geschichte. Schon die Räumlichkeiten
sind einen Besuch wert. Das ehemalige „Körnermagazin“ (Getreidedepot) der Zitadelle, das
um 1835 erbaut wurde, ergänzt sich perfekt mit
dem mit der Zitadelle verbundenen Glasanbau.
Bis zum 24. Juni 2012 widmet sich zudem eine
Sonderausstellung der zeitgenössischen Kunst
Chiles (www.preussenmuseum.de).
Neben dem Preußen-Museum und dem
imposanten Willibrordi-Dom lassen sich Anziehungspunkte im schönen Umland auch beschaulich mit dem Fahrrad erschließen. Z.B.
die erstmals 1334 erwähnte Burg Diersfordt,
ursprünglich im Besitz der Ritter von Hessen.
Heute kann man im Schloß Diersfordt stilvoll
tagen und feiern. Im Sommer lockt ein schöner
Biergarten (www.schlosshotel-diersfordt.de).
Auch die Niederrheiner haben ihr „Sanssouci“, das Kloster Kamp, 1123 als erstes Zisterzienserkloster auf deutschem Boden gegründet,
entwickelte sich Kamp in kürzester Zeit zum
geistigen Zentrum der Region. Von hier aus
wurden über hundert weitere Zisterzienserklöster gegründet und viele kulturelle Neuerungen geschaffen. So brachten die Mönche unter
anderem das Wissen um Windkraftnutzung
Perspektivenwechsel, von Schwarz zu
Grün: Der Niederrhein bietet viel Natur und
hervorragende Freizeitangebote. Zwischen
Moers und Geldern erwartet der Volkspark
Oermter Berg mit zahlreichen Angeboten
wie Tiergehegen und Grillplätzen seine Besucher. Die Ausstellung der Naturkundlichen
Sammlung Niederrhein am Fuß des Oermter Berges vermittelt Wissenswertes über die
Geschichte dieser wunderschönen Region
(www.volkspark-oermter-berg.de). Ulrike Kossessa
Preußen-Museum NRW · An der Zitadelle 14-20
46483 Wesel
www.preussenmuseum.de
Geologisches Museum Kamp-Lintfort (im Schulzentrum)
Moerser Straße 167 · 47475 Kamp-Lintfort
www.geologisches-museum-kamp-lintfort.org
LVR-Archäologischer Park · Am Rheintor
LVR-RömerMuseum · Siegfriedstraße 39
46509 Xanten · www.apx.lvr.de
Grüne Oase vor
den Toren des Reviers
(Foto: Axel Thünker DGPh).
Savoir vivre
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