Gesch ftsmodelle strategischer Luftverkehrsallianzen - Org

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Gesch ftsmodelle strategischer Luftverkehrsallianzen - Org
Geschäftsmodelle strategischer Luftverkehrsallianzen
Dipl.-Kfm. Stephan Kraft M.A./UWM
Professur für Betriebswirtschaftslehre II
Unternehmensführung und Organisation
Justus-Liebig-Universität Gießen
Licher Str. 62
D-35394 Gießen
Tel.: +49 (0) 641-99 22 436
Fax: +49 (0) 641-99 22 439
Website: http://wiwi.uni-giessen.de/home/krueger
E-Mail: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis.......................................................................................II
1. Problemstellung, Ziel und Aufbau des Beitrags................................1
2. Theoretische Grundlagen ....................................................................2
2.1.
Luftverkehr........................................................................................................2
2.1.1. Allgemeine Definition..................................................................................2
2.1.2. Besonderheiten des Luftverkehrs.................................................................2
2.1.3. Kooperationen im Luftverkehr.....................................................................3
2.2.
Strategische Allianzen.......................................................................................4
2.3.
Geschäftsmodelle ..............................................................................................5
3. Geschäftsmodelle strategischer Allianzen im Luftverkehr ..............7
3.1.
Prozessmodell....................................................................................................7
3.1.1. Prozessmodellstruktur..................................................................................7
3.1.2. Wertschöpfungsprozesse..............................................................................8
3.1.2.1. Steuerungsprozesse ...............................................................................8
3.1.2.2. Operative Prozesse ...............................................................................9
3.1.2.3. Unterstützungsprozesse.......................................................................12
3.2.
Teilnehmermodell ...........................................................................................15
3.2.1. Allianzmitglieder .......................................................................................15
3.2.2. Star Alliance Services GmbH ....................................................................17
3.2.3. Reisevermittler und Endkunden.................................................................17
3.3.
Transaktionsmodell .........................................................................................18
3.3.1. Probleme der Zusammenarbeit ..................................................................18
3.3.2. Koordinationsmechanismen und -formen..................................................18
3.3.2.1. Vertrauen als Basis der Koordination ................................................19
3.3.2.2. Heterarchische Koordination .............................................................19
3.3.2.3. Hierarchische Koordination ...............................................................20
3.4.
Erlösmodell .....................................................................................................21
3.4.1. Ergebnisverteilung zwischen zwei Allianzpartnern...................................21
3.4.2. Ergebnisverteilung zwischen mehreren Allianzpartnern ...........................21
3.4.3. Probleme der Ergebnismessung und Ergebnisverteilung...........................22
4. Würdigung und Aussicht...................................................................22
4.1.
Beurteilung des Geschäftsmodells der STAR ALLIANCE .................................22
4.2.
Zukünftige Bedeutung der Luftverkehrsallianzen...........................................24
4.2.1. Bedeutung der Liberalisierung und Deregulierung....................................24
4.2.2. Internes Wachstum durch Alleingang........................................................24
4.2.3. Externes Wachstum durch Fusion oder Akquisition..................................25
4.2.4. Externes Wachstum durch strategische Allianzen .....................................25
5. Fazit......................................................................................................26
Literaturverzeichnis..................................................................................28
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1. Problemstellung, Ziel und Aufbau des Beitrags
Aufgrund politischer Entwicklungen in der Zeit von 1919 bis 1949 entwickelte sich der Luftverkehr zu einem bis in die 70er Jahre hinein stark regulierten Sektor. Die häufig im Besitz ihres
Heimatlandes befindlichen Luftverkehrsgesellschaften wurden durch protektionistische Maßnahmen der Heimatländer vor Wettbewerb geschützt. Dennoch versuchten sie schon früh durch
traditionelle Kooperationen auf Branchen- und Unternehmensebene die Vorteile einer Zusammenarbeit zu nutzen. Ab Ende der 70er Jahre setzte in den USA und ab Mitte der 80er Jahre auch
in Europa ein Prozess der stufenweisen Liberalisierung und Deregulierung des Luftverkehrs ein,
aufgrund dessen die traditionellen Kooperationsformen teilweise an Bedeutung verloren. Verstärkt durch die Globalisierungsentwicklungen und die steigenden wirtschaftlichen und technischen Anforderungen des Luftverkehrs nahm der Wettbewerb im Luftverkehrssektor zu und die
strategischen Anforderungen an die Fluggesellschaften, insbesondere im internationalen Luftverkehr, stiegen. Trotz Liberalisierung und Deregulierung bestehen aber bis heute rechtliche Restriktionen, so dass von den möglichen Varianten, die sich zur Erfüllung dieser gestiegenen Anforderungen generell anbieten, Alleingänge und Zusammenschlüsse nur bedingt umsetzbar sind.
Die Luftverkehrsgesellschaften versuchen deshalb seit Mitte der 90er Jahre durch neuere Kooperationsformen, insbesondere durch die Bildung strategischer Luftverkehrsallianzen, marktmachtund effizienzorientierte Optimierungsspielräume zu nutzen, um ihre Wettbewerbsposition innerhalb veränderter Rahmenbedingungen und trotz verbliebener staatlicher Restriktionen halten und
ausbauen zu können. Das Ziel dieses Beitrages besteht deshalb darin, das Geschäftsmodell einer
strategischen Luftverkehrsallianz unter den gegebenen Bedingungen darzustellen und kritisch zu
würdigen. Dazu werden in Abschnitt 2 zunächst die für das Verständnis dieser Arbeit wichtigen
theoretischen Grundlagen über Strategische Allianzen, Geschäftsmodelle und den Luftverkehr
sowie Kooperationen im Luftverkehr dargestellt. Abschnitt 3 grenzt zunächst das Analyseobjekt
„strategische Luftverkehrsallianz“ näher ein und erläutert im Anschluss die Ziele der Luftverkehrsallianzen. Darauf aufbauend wird das Geschäftsmodell strategischer Luftverkehrsallianzen
an einem konkreten Beispiel dargestellt und ermittelt, welche Erfolgsfaktoren eine adäquate
Ausgestaltung des Geschäftsmodells gewährleisten muss. Eine Würdigung des Status quo und
eine Aussicht über die Zweckmäßigkeit solcher Geschäftsmodelle unter dem Aspekt zukünftiger
Veränderungen erfolgt in Abschnitt 4. Ein kurzes Fazit beschließt den Beitrag.
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2. Theoretische Grundlagen
2.1.
Luftverkehr
2.1.1.
Allgemeine Definition
Der Begriff „Luftverkehr“, zu dem der Linien- und Gelegenheitsflugverkehr zählen, bezeichnet
die „Gesamtheit aller Vorgänge, die der Ortsveränderung von Personen, Fracht und Post auf den
Luftwegen dienen, (…) und alle damit unmittelbar oder mittelbar verbundenen sonstigen Dienstleistungen“ (Rössger, E./Hünermann, K.-B. (1968), S. 3.). Der Linienflugverkehr umfasst „Luftfahrtunternehmen, die Personen oder Sachen gewerbsmäßig durch Luftfahrzeuge auf bestimmten
Linien öffentlich und regelmäßig befördern“ (§ 21 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG)). Der
Gelegenheitsflugverkehr, dessen wichtigster Teil der Ferienflug- und Pauschalreiseverkehr ist,
wird als gewerblicher Luftverkehr bezeichnet, der kein Linienflugverkehr ist (vgl. § 22 Luftverkehrsgesetz (LuftVG)). Eine strikte Unterscheidung zwischen den beiden Arten ist häufig nicht
mehr möglich. Die Partner strategischer Luftverkehrsallianzen sind jedoch in der Regel traditionelle Linienfluggesellschaften. Deshalb beziehen sich Luftverkehrsallianzen vor allem auf den
zivilen, öffentlich zugänglichen und gewerblich durchgeführten Linienflugverkehr im internationalen Mittel- und Langstreckenbereich, der hauptsächlich der Personenbeförderung dient.
2.1.2.
Besonderheiten des Luftverkehrs
Der Luftverkehr unterscheidet sich von anderen Verkehrs- und Wirtschaftsbereichen durch Besonderheiten in Bezug auf das Produkt selbst, die Nachfrage- sowie die Produktions- bzw. Angebotsbedingungen (vgl. Pompl, W. (2002)). Diese Besonderheiten sind für die Wettbewerbsstrategie und das Geschäftsmodell strategischer Luftverkehrsallianzen relevant.
Das Produkt „Luftverkehrsleistung“ ist eine abstrakte, immaterielle Dienstleistung. Der Käufer kauft ein Versprechen ohne die Leistung vorher prüfen oder später umtauschen zu können.
Da für den Käufer eine Vorauszahlungspflicht besteht, ist es besonders wichtig, ihn im Vorfeld
der Kaufentscheidung durch ein hohes Leistungspotenzial, eine vertrauenschaffende Markenbildung und eine qualitätsbewusste Werbung vom Kauf der Leistung zu überzeugen. Die Luftverkehrsleistung setzt sich aus einer Grundleistung, bestehend aus der Beförderung einer Person
vom Ausgangsort zum Zielort, und ergänzenden Serviceleistungen vor, während und nach dem
Flug zusammen. Da die Grundleistung bei allen Anbietern sehr homogen ist, kommt es im Wettbewerb besonders auf die Ausgestaltung der Serviceleistungen an. Luftverkehrsleistungen sind
außerdem nicht lagerfähig, so dass ungenutzte Sitzplätze oder Frachträume später nicht mehr
nutzbar und jederzeit kostendeckende Sitzladefaktoren nur schwer zu realisieren sind.
Die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen hängt von exogenen, kaum beeinflussbaren Faktoren wie den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, zeitlichen Faktoren, demographischen, po-
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litischen und sozio-kulturellen Einflüssen sowie der Substitutionsgüterkonkurrenz ab. Die Luftverkehrsgesellschaften können die Nachfrage aber auch aktiv über endogene Faktoren wie Preis,
Flugangebot, Flugdauer, Serviceleistungen, Sicherheit, Pünktlichkeit und Image beeinflussen.
Das Angebot von Luftverkehrsleistungen wird durch die Flugplanung, d.h. die Gestaltung des
Streckennetzes (Routing), die Festlegung der Flugzeiten und Frequenzen (Scheduling) und die
Einsatzplanung des Fluggerätes und Personals determiniert. Dabei müssen die infrastrukturellen
Engpässe des Luftraumes, der Bodenkapazitäten und des Fluggeräts ebenso wie staatliche Restriktionen berücksichtigt werden. Das Angebot wird darüber hinaus durch die direkte und indirekte Angebotsdistribution, durch die Preisgestaltung in Abhängigkeit von möglichen Tarifen
und Beförderungsklassen, durch die für die Kapazitäts- und Ertragsoptimierung der Luftverkehrsgesellschaften notwendigen Yield-Management-Systeme und durch die Produktdifferenzierung im Rahmen der Serviceleistungen rund um den Flug beeinflusst (vgl. Schäfer, I. S. (2003)).
2.1.3.
Kooperationen im Luftverkehr
Obwohl auch Kooperationen im Luftverkehr auf Branchenebene bestehen, fokussiert dieser Abschnitt auf die Kooperationen auf Unternehmensebene. Die traditionellen Kooperationen auf
Unternehmensebene im kommerziellen Bereich verloren durch die Liberalisierung des Luftverkehrs an Bedeutung und wurden aufgrund ihrer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung teilweise
verboten und durch neuere Kooperationsformen ersetzt, weshalb an dieser Stelle auch nicht näher auf diese Abkommen eingegangen werden soll. Zu den Kooperationen auf Unternehmensebene neuerer Art, die erst durch den Liberalisierungsprozess der 80er Jahre möglich wurden,
gehören regionale Allianzen in Form von Franchise-Abkommen, streckenspezifische Allianzen
in Form reiner Code-Share-Abkommen sowie globale bzw. strategische Allianzen. Die Kooperationsformen neuerer Art bestehen typischerweise zwischen Partnern auf der gleichen Wertschöpfungsstufe. Speziell strategische Luftverkehrsallianzen umfassen solche Kooperationsbereiche,
die über die traditionellen Kooperationen auf Branchen- und Unternehmensebene hinausgehen.
Eine strategische Luftverkehrsallianz besteht letztlich aus einem komplexen Geflecht von gemeinsamen Projekten, die mehrere oder alle Leistungserstellungsfunktionen einer Fluggesellschaft umfassen. Auffällig ist, dass der Bildung strategischer Luftverkehrsallianzen bzw. der
Aufnahme neuer Allianzmitglieder zahlreiche bilaterale, funktionsspezifische Kooperationen
zwischen den späteren Allianzpartnern vorausgehen (vgl. STAR ALLIANCE (2004a); SKYTEAM
(2004a); ONEWORLD (2004a)). Dennoch bestehen, trotz der zahlreichen bilateralen Vereinbarungen zwischen Luftverkehrsgesellschaften, nur wenige strategische Luftverkehrsallianzen mit
globaler Reichweite und umfassendem Beziehungsgeflecht.
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2.2.
Strategische Allianzen
Aus theoretischer Sicht lässt sich eine Luftverkehrsallianz dem methodischen Konzept interorganisatorischer Netzwerke zuordnen. dass sich u.a. durch folgende Charakteristika auszeichnet:
• Die Akteure interorganisatorischer Netzwerke sind rechtlich selbständige und wirtschaftlich
zwar eigenständige aber dennoch teilweise voneinander abhängige Unternehmen.
• Die Beziehungen zwischen den Akteuren sind längerfristig und relativ stabil. Da sie freiwillig
eingegangen werden, sind sie aber auch jederzeit kündbar.
• Eine wesentliche Netzwerkeigenschaft ist das Vertrauen der Netzwerkunternehmen darauf,
dass die Partner opportunistisches Verhalten unterlassen. Damit eng verbunden ist die Reziprozität der Erwartung, dass sich die Beiträge der an einer Austauschbeziehung beteiligten
Partner im Laufe der Beziehung ausgleichen.
• Zwischen den Partnern bestehen Interdependenzen, die zwar den Handlungsspielraum aller
Partner erweitern, aber gleichzeitig die Autonomie einzelner Partner einengen können.
• Diese Interdependenz erfordert auf dem Kooperationsfeld ein kooperatives Verhalten der
Partner. Trotzdem kann auf anderen als den Kooperationsfeldern weiterhin Wettbewerb und
Konkurrenz zwischen den Partnern bestehen.
Im Zusammenhang mit Luftverkehrsallianzen wird in der Praxis jedoch häufiger von „strategischen Allianzen“ gesprochen. Strategische Allianzen als Sonderform interorganisatorischer
Netzwerke lassen sich wie folgt charakterisieren.
• Strategische Allianzen weisen einen starken Geschäftsfeldbezug auf, d.h. die Zusammenarbeit
konzentriert sich häufig auf ein strategisches Geschäftsfeld (Produkt-Markt-Kombination).
• Strategische Allianzen dienen im Gegensatz zu Allianzen im operativen Bereich als Instrument der strategischen Unternehmensführung der Realisierung einer konkreten Unternehmens- bzw. Geschäftsfeldstrategie. Damit verbunden ist das gemeinsame Ziel der beteiligten
Unternehmen, ihre Wettbewerbsposition und Wettbewerbsvorteile im betreffenden Geschäftsfeld durch den Aufbau von Erfolgspotenzialen langfristig gegenüber Dritten zu sichern.
• Strategische Allianzen erstrecken sich häufig auf mehrere bzw. nahezu alle Funktionsbereiche
eines Unternehmens.
• Obwohl die Partner einer strategischen Allianz wirtschaftlich und rechtlich eigenständig bleiben, wird die wirtschaftliche Autonomie innerhalb der Kooperationsfelder eingeschränkt.
• Strategische Allianzen sind aufgrund des Ziels, langfristige Wettbewerbsvorteile schaffen zu
wollen grundsätzlich für längere Dauer angelegt und zeitlich nicht beschränkt.
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• Strategische Allianzen zeichnen sich immer häufiger durch eine internationale Ausrichtung,
d.h. durch die Zusammenarbeit von Unternehmen unterschiedlicher Nationalität aus.
• Der Geschäftsfeldbezug strategischer Allianzen spricht für die Beschränkung auf horizontale
Kooperationen. Die kooperierenden Unternehmen, d.h. die Fluggesellschaften, sind demnach
vor der Bildung der strategischen Allianz als Wettbewerber im gleichen oder in ähnlichen Geschäftsfeldern und deshalb auf der gleichen Wertschöpfungsstufe aktiv.
Für den weiteren Verlauf des Beitrags gilt folgende Arbeitsdefinition einer strategischen Allianz.
Die strategische Luftverkehrsallianz ist eine spezifische Kooperationsform zwischen mehreren
rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Linienfluggesellschaften, deren Hauptleistung die Beförderung von Passagieren darstellt. Ihr Ziel besteht darin durch die Verbindung individueller
Stärken und die gemeinsame Erfüllung von Teilaufgaben langfristige Erfolgspotenziale und darauf aufbauende Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die die Wettbewerbsposition der beteiligten
Partnerunternehmen in einem oder mehreren strategischen Geschäftsfeldern gegenüber Dritten
sichern und verbessern. Die strategische Allianz stellt einen wesentlichen Teil der Gesamtunternehmensstrategie der Allianzpartner dar. Die globale und regionale Zusammenarbeit erstreckt
sich auf zahlreiche Unternehmensbereiche und geht über die üblichen traditionellen Kooperationsformen hinaus, wodurch die wirtschaftliche Autonomie der Partner teilweise eingeschränkt
wird (vgl. auch Schäfer, I. S. (2003)).
2.3.
Geschäftsmodelle
Ein Geschäftsmodell soll die für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit relevanten Geschäftsprozesse in vereinfachter Form wiedergeben. Neben einer klaren Vorstellung vom Geschäftsfeld
und dessen wettbewerbsstrategischen Besonderheiten, muss das Geschäftsmodell detaillierte
Vorstellungen der Geschäftspartner über die externe und interne Gestaltung des Geschäfts enthalten. Dazu gehören klare Regelungen der Geschäftsanbahnung und -abwicklung, die Verteilung der dafür notwendigen Aufgaben bzw. Prozessteile zwischen den Partnern (extern) und die
geschäftsspezifische Ausgestaltung der zur Werteschaffung und Erzielung von Wettbewerbsvorteilen notwendigen Teilprozesse (intern). Der Beitrag fokussiert im Folgenden auf vier Teilmodelle (vgl. Bach, N./Buchholz, W./Eichler, B. (2003a)), die als Beschreibungs- und Analyseraster
für die detaillierte Darstellung des Geschäftsmodells von Luftverkehrsallianzen dienen. Im Rahmen dieser Teilmodelle soll herausgearbeitet werden, welche Prozesse der Zusammenarbeit unterliegen, welche Unternehmen idealer Weise eine strategische Allianz bilden und auf welche
Art und Weise die Koordination der Zusammenarbeit und die Erlösverteilung erfolgt, damit ein
solches Netzwerk dauerhaft und erfolgreich funktioniert.
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• Das Prozessmodell bildet alle Wertschöpfungsprozesse innerhalb der Luftverkehrsallianz ab
und beantwortet die Frage, anhand welcher Prozesse Wert geschaffen bzw. Nutzen gestiftet
wird. Die Wertschöpfungsprozesse sind von der konkreten Wettbewerbssituation und der
Wettbewerbsstrategie abhängig. Die Varianten der Prozessgestaltung sind in einen Wertschöpfungsnetzwerk prinzipiell vielfältiger als innerhalb einer einzelnen Fluggesellschaft.
• Das Teilnehmermodell klärt, welche Aufgabenträger in welcher Rolle an den Wertschöpfungsprozessen beteiligt sind. Es steht deshalb in enger Wechselwirkung mit dem Prozessund Transaktionsmodell und erklärt das reibungslose Zusammenwirken der Partner. Neben
den Allianzpartnern sind auch die Kunden zu berücksichtigen, da die Interaktion mit diesen
wichtiger Bestandteil der Prozesse ist. Außerdem sollen solche Beziehungen im Teilnehmermodell organisatorisch verankert werden, die für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit relevant
sind. Neben vertikalen Beziehungen, die aus der Steuerung von komplexen Wertschöpfungsnetzwerken durch übergeordnete Koordinationsorgane resultieren, gehören dazu auch horizontale Beziehungen. Die Struktur des Teilnehmermodells ergibt sich letztendlich aus den
Teilnehmern, den wahrgenommenen Rollen und deren Wechselbeziehungen.
• Das Transaktionsmodell beschreibt die eingesetzten Koordinationsmechanismen, die eine
zielgerichtete Koordination der Einzelaktivitäten der Wertschöpfungspartner sicherstellen sollen und somit ein wesentliches Erfolgspotenzial eines Wertschöpfungsnetzwerkes darstellen.
Dafür sind im Wertschöpfungsnetzwerk neben der für Einzelunternehmen typischen hierarchischen Koordination auch marktliche, heterarchische und vertrauensbasierte Koordinationsmechanismen notwendig. Die effiziente, arbeitsteilige Aufgabenerfüllung in einem Netzwerk beinhaltet oftmals eine Kombination aller Koordinationsmechanismen.
• Das Erlösmodell zeigt, wie Erlöse und Kosten, die üblicherweise an die Aktionen und Wertschöpfungsbeiträge der Teilnehmer gekoppelt sind, erzielt und Überschüsse unter den Teilnehmern aufgeteilt werden. Neben zahlungswirksamen Vorgängen zählen auch die aus der
Zusammenarbeit resultierenden Synergieeffekte zu den Erlösen. Allerdings gestaltet sich die
Quantifizierung und Verrechnung der monetär nicht unmittelbar messbaren Synergieeffekte
und der Kosten der Zusammenarbeit im Gegensatz zur Aufteilung der zahlungswirksamen Erlöse über Verrechnungspreise bzw. vertragliche Regelungen schwierig. In diesem Fall ist das
Vertrauen der Partner in eine den Tatsachen entsprechende monetäre Evaluation und darauf
aufbauende Festlegung von Ausgleichszahlungen von besonderer Bedeutung.
Ob die Zusammenarbeit von Luftverkehrsgesellschaften von Erfolg gekrönt ist, hängt von der
konkreten Ausgestaltung des Geschäftsmodells der Luftverkehrsallianz und seiner Teilmodelle
ab. Im Folgenden wird dies anhand des Geschäftsmodells der STAR ALLIANCE dargestellt.
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3. Geschäftsmodelle strategischer Allianzen im Luftverkehr
3.1.
Prozessmodell
3.1.1.
Prozessmodellstruktur
Die STAR ALLIANCE kann als Intermediär zwischen den in ihr vereinigten Linienfluggesellschaften auf der einen und den Nachfragern auf der anderen Seite verstanden werden, da sie beide
Gruppen miteinander in Kontakt bringt (vgl. Abb. 2). Sie selbst besitzt jedoch kein einziges
Flugzeug oder Gebäude und für sie arbeitet auch kein einziger Pilot oder Flugbegleiter. Sie ist
zur Leistungserbringung auf externe Kooperationspartner bzw. ihre Allianzmitglieder angewiesen und kann deshalb auch als Intermediär zwischen den Allianzmitgliedern aufgefasst werden
(vgl. Abb. 2). Als Intermediär muss die STAR ALLIANCE eine besondere Vermittlungstechnik
oder ein spezielles Vermittlungsangebot bieten, das der Vernetzung der über Raum und Zeit verteilten Netzwerkteilnehmer dient. Zwar existiert keine neue und einzigartige Vermittlungstechnologie zwischen den Allianzpartnern und Kunden, allerdings besteht das einzigartige Vermittlungsangebot der STAR ALLIANCE für die Nachfrager darin, dass sie im Sinne des „SeamlessTravel-Experience“ sorgenfrei rund um die Welt in kürzester Zeit und auf höchstem Serviceniveau reisen können. Im Vergleich dazu bietet die STAR ALLIANCE ihren Allianzpartnern eine
besondere Vermittlungstechnologie in Form von „StarNet“. Es ermöglicht den IT-gestützen Austausch von Informationen, Daten und Nachrichten zwischen den Allianzpartnern. Revolutioniert
wird diese Vermittlungstechnologie jedoch durch die Entwicklung der geplanten „Common-ITPlatform“, deren Ziel es ist die IT-Systeme der Allianzpartner und sämtliche Vertriebskanäle
zum Nutzen der Allianzpartner und Kunden zu verbinden. Das besondere Vermittlungsangebot
der Allianz an die Allianzmitglieder besteht deshalb letztlich in der Verbesserung ihrer Kostenund Ertragssituation. Typisch für einen Intermediär ist auch, dass die Netzwerkteilnehmer, insbesondere die Nachfrager, aus der rein theoretischen Möglichkeit der Netznutzung, einen Nutzen
ziehen. Außerdem variiert der Nutzen Einzelner in Abhängigkeit von der Anzahl der übrigen
Netzwerkteilnehmer. Entscheidend für die Zielerreichung der Anbieter und die Bedürfnisbefriedigung der Abnehmer sind vor allem eine simultane, synchronisierte Ausführung der operativen
Netzwerkaktivitäten sowie ein dafür notwendiges Maß an Standardisierung.
Wie schon erwähnt, ist die STAR ALLIANCE als Intermediär nicht selbst an der Leistungserstellung beteiligt. Der Mehrwert, den sie Nachfragern und Allianzpartnern bietet, beruht somit auf
der Zusammenarbeit der Allianzpartner innerhalb bestimmter Kooperationsbereiche. Die Zusammenarbeit umfasst die einfache Integration bzw. Koordination der separat durchgeführten
Aktivitäten der Allianzpartner, insbesondere bei der Erbringung der Grund- und Serviceleistungen. Darüber hinaus findet eine gemeinsame Projektarbeit zur allianzübergreifenden Verbesse-
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rung der operativen Prozesse und Unterstützungsprozesse statt, die durch die STAR ALLIANCE
SERVICES GMBH unterstützt wird. Letztlich sind auch Steuerungs-, Planungs- und Kontrollprozesse notwendig, um die Zusammenarbeit zu gewährleisten. Deshalb orientiert sich die Analyse
des Prozessmodells der STAR ALLIANCE an den Prozesskategorien des SOS-Modells. Bei der
folgenden Betrachtung ist von Interesse, welche Prozesse Gegenstand der Zusammenarbeit sind
und wie der Mehrwert innerhalb dieser Prozesse für Kunden und Allianzpartner geschaffen wird.
3.1.2.
Wertschöpfungsprozesse
3.1.2.1. Steuerungsprozesse
Die strategische Planung ist primär eine Zielerreichungsplanung, die neben den allianz- und mitgliederspezifischen Zielen auch die kundenspezifischen Bedürfnisse berücksichtigt. Im Zentrum
der Strategieplanung und -umsetzung der STAR ALLIANCE steht das Ziel die Wettbewerbsposition der Allianzmitglieder durch die Zusammenarbeit langfristig zu halten oder zu verbessern.
Dabei steht vor allem die „Revenue-Generation“ und nicht die „Cost-Reduction“ im Vordergrund. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn der Kundenwunsch des „Seamless-Travel“, d.h. der
Wunsch nach mehr, sowie schnelleren Verbindungen, einem lückenloseren Verbindungsnetz,
bequemerem Reisen sowie umfangreicheren Serviceangeboten erfüllt wird und sich die Dachmarke „STAR ALLIANCE“ als Qualitätsführer etablieren kann. Die allianzübergreifenden, strategischen Entscheidungen beinhalten deshalb vor allem absatzmarktgerichtete Entscheidungen über
die Aufnahme neuer Mitglieder, die Entwicklung neuer Produkte (Lounges, E-Ticketing) und
den Außenauftritt. Die strategischen Entscheidungen über das langfristige Leistungsprogramm
(Flugangebot) und die dafür erforderlichen Potenziale, über die Erlösaufteilung und den Abschluss von Code-Share-Abkommen sind im Vergleich dazu keine speziellen multilateralen Allianzentscheidungen, da sie von den Allianzmitgliedern einzeln oder bilateral getroffen werden.
Die allianzübergreifende, operative Planung, die auf der strategischen Planung aufbaut, betrifft
vor allem die Ausarbeitung der allianzübergreifenden strategischen Entscheidungen innerhalb
multilateraler Gremien. Im Gegensatz dazu betrifft die operative Planung der Allianzmitglieder
das kurz- bis mittelfristig zu erstellende Leistungsprogramm (Flugangebot) auf Basis gegebener
Kapazitäten. Für die operative Planung der Grundleistung „Flug“ ist insbesondere die bilaterale
Abstimmung der Flugpläne (Flugrouten, Flugzeiten und Frequenzen) der Allianzmitglieder notwendig. Dadurch sollen die Umsteigezeiten und Anschlussverbindungen optimiert, die Gesamtreisezeit minimiert, mehr Verkehr auf die Allianz gezogen und der Marktanteil erhöht werden.
Im Rahmen der Personalführung, -motivierung und -anreizgewährung findet keine allianzübergreifende Zusammenarbeit statt. Die Führung und Motivation der Piloten, Flugbegleiter und des
Bodenpersonals verbleibt aus zwei Gründen im Verantwortungsbereich der Allianzmitglieder.
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Zum einen bleiben die Allianzpartner prinzipiell Wettbewerber, zum anderen sollen die Allianzpartner auch im Rahmen der STAR ALLIANCE ihren individuellen Charakter behalten. Wie später
noch zu sehen sein wird, ist die gemeinsame Personalführung nicht zwingend notwendig, um
Abstimmungs- und Akzeptanzprobleme auf der Führungs- und Mitarbeiterebene zu minimieren.
3.1.2.2. Operative Prozesse
Da vor allem die absatzmarktgerichteten Prozesse Gegenstand der Zusammenarbeit der Allianzpartner sind und zahlreiche Projekte auf die Verbesserung des Kundenservices zielen, ist zunächst der operative Prozess der Flugdienstleistungserstellung zu betrachten. Der Gesamtprozess
lässt sich mit Hilfe der Reisekette graphisch darstellen (vgl. Diegruber, J. (1991)).
Information & Reservierung
Transport Check-in
zum
& GepäckFlughafen abfertigung
Serviceleistungen vor ...
Lounge
GrundGepäck- Welcome
leistung ausgabe Services
„Flug“
Transport
während
... nach dem Flug
Abb. 1: Reisekette eines Allianzmitglieds aus Kundensicht (in Anlehnung an Diegruber, J. (1991), S. 111.)
Durch die Zusammenarbeit von Fluggesellschaften, deren Streckennetze und internationale
Drehkreuze sich komplementär ergänzen, lässt sich die Grundleistung „Flug“ allianzübergreifend optimieren. Die Allianzpartner profitieren sowohl von höheren Erlösen aufgrund der Gewinnung neuer und der Bündelung vorhandener Verkehrströme, als auch von niedrigeren Kosten
aufgrund der höheren Auslastung des Fluggeräts. Insbesondere die streckenspezifischen CodeShare-Abkommen, Hauptbestandteil strategischer Allianzen, und regionale Partnerschaften spielen dabei eine große Rolle. Für die Kunden resultieren daraus zahlreichere und schnellere Verbindungsmöglichkeiten (Quasi-Online Verbindungen) bei gleichzeitig niedrigeren Ticketpreisen.
Zu den Serviceleistungen während des Flugs zählen der Komfort des Fluggeräts, gut ausgebildete Flugbegleiter, die Bordunterhaltung und die Verpflegung. Insbesondere die Zielgruppen
„Geschäftsreisender“ bzw. „Vielflieger“ genießen einen besonderen Service. Die individuelle
Ausgestaltung der Serviceleistungen während des Flugs bleibt jedoch generell im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich jedes einzelnen Allianzmitglieds, da sie weiterhin Wettbewerber bleiben, die sich differenzieren wollen. Die Philosophie der STAR ALLIANCE betont deshalb
die Bewahrung des individuellen Charakters und der kulturellen Kompetenz der Allianzmitglieder. Allerdings müssen die Allianzpartner gewisse Mindeststandards vor ihrer Aufnahme erfüllen, damit die Allianzpassagiere bei allen Allianzpartnern einen gleichwertigen Service erfahren.
Im Gegensatz dazu profitieren die Allianzmitglieder und Nachfrager ganz erheblich von der Zusammenarbeit bei den Serviceleistungen vor und nach dem Flug. Dies ist umso wichtiger, da
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der Wettbewerb unter den Fluggesellschaften und damit auch zwischen den Allianzen zunehmend am Boden stattfindet. Das räumliche Zusammenrücken der STAR ALLIANCE Partner in bestehenden Hubs oder separaten Terminals und das elektronische „Zusammenrücken“ der Partner
im Rahmen von „StarNet“ bietet allen Beteiligten Vorteile. Durch die räumliche Optimierung
wird die Orientierung der Kunden erleichtert, der Service der Allianzpartner harmonisiert und
die Wege und Umsteigezeiten verkürzt. Eigens für die Koordination zeitkritischer Anschlussflüge der Allianzpartner gibt es die „Star Connections Center“, die dafür sorgen, dass die Passagiere
samt Gepäck rechtzeitig beim Anschlussflug eintreffen. Die Verbindung der Computersysteme
im Rahmen von „StarNet“ und der Datenaustausch in „Real-time“ tragen ebenfalls zur Harmonisierung der Produkte und Prozesse bei. Darüber hinaus bietet die STAR ALLIANCE den Statuskunden aller Allianzpartner besondere Vorteile, die die kurzfristige Verfügbarkeit von Plätzen auf
vollständig belegten Flügen, den Check-in, den Aufenthalt vor und nach einem Flug, das Boarding und die Reisegepäckbestimmungen betreffen. Durch die gegenseitige Anerkennung der
Vielfliegerprogramme erreichen die STAR ALLIANCE Kunden außerdem schneller einen höheren
Status und kommen eher in den Genuss der bevorzugten Behandlung.
Die Serviceleistungen nach dem Flug umfassen spezielle Ankunftsdienste für die Passagiere
der STAR ALLIANCE und eine gemeinsame Gepäckabfertigung. Die genannten Bereiche der Zusammenarbeit dienen letztlich alle der Umsetzung der absatzmarktgerichteten „Seamless-TravelExperience“ und damit der Kundenbindung und Erlössteigerung. Allerdings resultieren aus der
gemeinschaftlichen Nutzung der Flughafeninfrastruktur und des Personals zur Bodenabfertigung
auch zusätzliche Kostensenkungen.
Obwohl der direkte und indirekte Vertrieb zu den Serviceleistungen vor dem Flug gehört, soll
er aufgrund der Möglichkeiten zur Zusammenarbeit getrennt von diesen betrachtet werden. Der
Direktvertrieb findet typischerweise über Websites, Call-Center, Ticketautomaten an Flughäfen
und Verkaufsbüros an Flughäfen und in Großstädten statt. Im Rahmen der STAR ALLIANCE entstehen Vorteile beim direkten Vertrieb zum einen aus der Website der STAR ALLIANCE, zum anderen aus dem gemeinsamen Betrieb von Verkaufsbüros und Ticketschaltern. Der Kunde profitiert dadurch, dass er via Internet oder vor Ort zentral Zugang zu dem umfangreichen Verbindungsangebot aller Allianzpartner bekommt und insbesondere über die Website noch Zugang zu
weiteren Servicediensten erhält. Die Allianzmitglieder ihrerseits können aufgrund der gemeinsamen Nutzung von Verkaufsbüros und Ticketautomaten ihre Kosten niedrig halten. Der Effekt
der direkten Vertriebsaktivitäten auf die Nachfrage ist jedoch relativ gering, da weiterhin rund
80% aller Flüge indirekt über Reisevermittler gebucht werden. Deshalb konzentriert sich die
Zusammenarbeit der Allianzpartner vor allem auf den indirekten Vertrieb durch Reisevermittler.
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Sie benötigen für ihre Tätigkeit ein Computerreservierungssystem (CRS), welches die Flugdaten
aller Fluggesellschaften auf einem Monitor darstellt. Diese Darstellung können die Allianzmitglieder durch die Zusammenarbeit im Rahmen von Code-Share-Abkommen positiv beeinflussen.
Denn derselbe Flug wird dann unter den Flugnummern beider Allianzpartner angeboten und in
den CRS direkt hintereinander dargestellt, so dass die Flüge der Wettbewerber von der ersten
Seite verdrängt werden. Da zu 80% Flüge der ersten Seite gebucht werden, hat dies eine erhebliche Bedeutung für die Wettbewerbssituation. Der eigentliche Vorteil der Code-ShareAbkommen liegt aber darin, dass sich die beteiligten Parteien die „Vertriebspower“ des jeweils
anderen Partners verfügbar machen. Indem der Flug der durchführenden Fluggesellschaft ebenfalls unter dem Code ihres Allianzpartners vermarktet wird, verschafft sie sich Zugang zu solchen Kunden, die normalerweise dem Allianzpartner treu sind. Eine Zusammenarbeit der Allianzpartner im Bereich der Agentenloyalitätsprogramme, früher von hoher Bedeutung für die
Bindung und Beeinflussung der Reisevermittler, ist heute nicht mehr von großer Bedeutung, da
die meisten Fluggesellschaften keine Reisevermittlerprovisionen mehr zahlen. Ebenfalls positiv
auf den Vertrieb wirkt sich die allianzübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen der Vielflieger- und Firmenkundenprogramme aus. Neben der Erhöhung der Kundenloyalität, lassen sich
wichtige Daten über die Kunden gewinnen. Die Vertriebszusammenarbeit führt also ebenfalls zu
Kostensenkungen und Erlössteigerungen und einem besseren Service für die Nachfrager.
Produkt- und Verfahrensinnovationen stellen einen für die Erzielung eines relativen Wettbewerbsvorteils durch die Allianz entscheidenden Bereich der Zusammenarbeit innerhalb der STAR
ALLIANCE dar. Die Innovationen umfassen sowohl absatzmarktgerichtete als auch unternehmensgerichtete Innovationen. Zu den innovativen absatzmarktgerichteten Produkten gehören
z.B. die verschiedenen Ticketvarianten. Neben dem „Round the World“-, „Circle Pacific”- und
„Circle Asia”-Ticket gibt es den Airpass für die Regionen Nordamerika, Brasilien, Asien, Japan,
Südpazifik, Thailand oder Europa. „Convention Plus“ dagegen ist nicht nur ein Ticket, sondern
darüber hinaus ein individuelles Servicepaket für die Anreise und Organisation internationaler
Veranstaltungen. Die innovativen Serviceleistungen umfassen das „Interline Electronic Ticketing“, das auch bei Flügen mit mehreren Allianzmitgliedern lediglich die Ausstellung eines elektronischen Tickets erfordert, die Lounges im exklusiven STAR ALLIANCE Design, die STAR ALLIANCE
„Baggage Service Facilities“, die STAR ALLIANCE „Self Service Check-in Kiosks“ und die
„Star Connections Center“. Unternehmensgerichtete Innovationen umfassen u.a. Projekte zur
technischen Standardisierung der Flugzeugtechnik, zur Entwicklung besserer Verfahren bei der
Flugzeugbetankung und zur Reduzierung der Triebwerks-Emissionen. Eine wesentliche Innovation neben „StarNet“ stellt die Entwicklung der gemeinsamen IT-Plattform und die damit ange-
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strebte allianzübergreifende Optimierung der Bereiche Verfügbarkeit, Flugpläne, Reservierung,
Preisfestlegung, Ticketausstellung und Kundenservice am Flughafen dar.
Sämtliche Vorteile der STAR ALLIANCE wären wirkungslos, wenn diese nicht vom Kunden
wahrgenommen würden. Aus diesem Grund spielen die Marktkommunikation und der Aufbau
einer starken Marke (Branding) ebenfalls eine wichtige Rolle. Slogans wie „The airline network
for earth“ und „Seamless-Travel-Experience“, das Markenzeichen sowie die Begriffe Globalität,
Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Individualität, Qualität, Sicherheit und Komfort werden permanent
kommuniziert und verleihen der STAR ALLIANCE eine hohe Markenidentität. Die Marktführerschaft der STAR ALLIANCE unter den Allianzen und die Vielzahl absatzmarktgerichteter Neuheiten verstärken ihre Markenpositionierung. Diese Faktoren führen letztlich zu einem guten Markenimage und zusammen mit der hohen Markenbekanntheit zu einer starken Marke und einem
hohen Markenwert der STAR ALLIANCE. Einen großen Beitrag zum Image der STAR ALLIANCE
leistet auch die zweigeteilte Markenstrategie der Allianzpartner und der STAR ALLIANCE, die sich
aufgrund ihrer Interdependenz gegenseitig unterstützen. Während für die Dachmarkenstrategie,
d.h. die Repräsentation und Kommunikation der STAR ALLIANCE, vor allem die STAR ALLIANCE
SERVICES GMBH zuständig ist, verfolgen die Allianzpartner ihre individuellen Markenstrategien.
3.1.2.3. Unterstützungsprozesse
Generell erfolgt im Rahmen der Unterstützungsprozesse keine nennenswerte Zusammenarbeit
zwischen den Allianzmitgliedern.
Die Personalbeschaffung und Personalentwicklung der Piloten, Flugbegleiter und des Bodenpersonals liegt aus den gleichen Gründen wie die Personalführung, -motivierung und
-anreizgewährung im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der Allianzmitglieder.
Ähnlich sieht es bei der Informationsversorgung aus. Zwar ist ohne Informationsversorgung
die Erbringung harmonisierter Prozesse und Produkte im Rahmen der STAR ALLIANCE nicht
möglich. Da jedoch die Allianzmitglieder für die Leistungserbringung zuständig sind, generieren
sie die Informationen größtenteils eigenständig. Eine allianzübergreifende Informationsversorgung ist bisher nur bedingt möglich. Mittlerweile hat man jedoch das zusätzliche Potenzial erkannt, dass aus der Vernetzung der unterschiedlichen IT-Systeme der Allianzpartner und der
Vertriebskanäle resultiert und zu wesentlichen Verbesserungen sämtlicher absatzmarkt- und unternehmensgerichteter Prozesse der Allianzmitglieder führt. Aus diesem Grund wurde Ende 2004
die Entwicklung einer mitgliederübergreifenden IT-Plattform in der STAR ALLIANCE angestoßen.
Durch die Implementierung dieser Plattform wird sich die Informationsversorgung aller Allianzmitglieder wesentlich verbessern. Zahlreiche Prozesse, u.a. der Kundenservice am Flughafen,
können dadurch optimiert und beschleunigt werden. Die bessere Prognostizierbarkeit des Bu-
13
chungsverhaltens der Kunden wird eine optimierte Preis-Mengensteuerung und zusätzlich die
Ermittlung einer optimalen Überbuchungsrate erlauben und zu Ertragssteigerungen führen. Kosteneinsparungen entstehen demgegenüber, weil die bestehenden EDV-Systeme der Allianzmitglieder kaum verändert und das Personal nicht neu geschult werden muss.
Durch eine gemeinsame Beschaffung und Wartung lassen sich erhebliche Kostenersparnisse
realisieren. Neben den traditionellen Beschaffungs- und Wartungskooperationen im Luftverkehr,
die unabhängig von der Allianz sind, unterhalten die Allianzpartner der STAR ALLIANCE deshalb
zusätzliche Kooperationen bei der Beschaffung von Fluggerät und Treibstoff und der Wartung
von Fluggerät. Um die meisten Beschaffungsprozesse kümmern sich die Allianzpartner aber
immer noch unabhängig voneinander, obwohl sich weitere Einsparpotenziale in Form von Rabatten bei der Beschaffung der Kabinenausstattung und der Produkte für die Inflight-Services
erschließen ließen.
Auch die Organisationsstruktur der STAR ALLIANCE leistet einen wesentlichen Beitrag zum
Allianzerfolg und damit zur Zielerreichung der Allianzmitglieder und zur Bedürfnisbefriedigung
der Kunden und ist seit der Allianzgründung häufig den Anforderungen angepasst worden.
Die bisherigen Ausführungen, graphisch in Abb. 2 dargestellt, verdeutlichen, dass die Ausgestaltung des Prozessmodells stark durch die Wettbewerbssituation und den Differenzierungsgedanken der STAR ALLIANCE geprägt wird. Neben der Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse spielt
die Nutzung der Ressourcen und Fähigkeiten der Allianzmitglieder eine wichtige Rolle.
14
Globaler Passagier-Linienflugverkehr
Luftverkehrsallianz als Intermediär zwischen AM und Kunden
Planungs-/Steuerungs-/Kontrollprozesse
Strategische Planung und
Umsetzung auf Allianzebene
AM 3
Operative Prozesse
Allianzspezifische Services
für Vielflieger
AM 2
AM 1
Operative Planung und
Zielsetzung auf Allianzebene
Luftverkehrsallianz als
Intermediär
zwischen
den AM
Information & Reservierung
Transport
zum
Flughafen
GR 2
Code-ShareAbkommen
Verbindung sich komplementär
ergänzender Allianzmitglieder
Check-in
& Gepäckabfertigung
Serviceleistungen vor ...
Grundleistung
„Flug“
Lounge
während
Kürzere Wege und Umsteigezeiten
durch räumliche Konzentration
Gepäckausgabe
Welcome
Services,
Transport
... nach dem Flug
Besserer Kundenservice durch
elektronische Vernetzung
GR 1
RV
PR 1
Allianzspezifische Marktkommunikation und Markenaufbau
AM 5
Allianzspezifische Produkt- und Verfahrensinnovationen
AM = Allianzmitglied
PR = Privatreisender
GR = Geschäftsreisender
RV = Reisevermittler
PR 2
Allianzspezifische Vertriebsaktivitäten
AM 4
Allianzspezifische
Organisation
Unterstützungsprozesse
Allianzübergreifende
Informationsversorgung
Allianzspezifische Beschaffung/Wartung
Abb. 2: Prozessmodell einer Luftverkehrsallianz (in Anlehnung an Krüger, W. (1994); Diegruber, J. (1991))
15
3.2.
Teilnehmermodell
3.2.1.
Allianzmitglieder
Die Rolle der Allianzmitglieder innerhalb der Allianz besteht vor allem darin die Flugdienstleistung, d.h. den Flug und alle Servicetätigkeiten, zu erbringen. Die Partnerwahl ist deshalb für den
Allianzerfolg von großer Bedeutung, da von ihr das Potenzial für Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen entscheidend abhängt. In Bezug auf das Streckennetz kommen als ideale Partner
einer Allianz nur Unternehmen in Frage, die sich komplementär ergänzen bzw. deren Flugstreckennetze sich zu einem globalen Flugstreckennetz sinnvoll verbinden lassen. Ein optimales
globales Flugstreckennetz zeichnet sich durch den Zugang zu den international wichtigsten
Drehkreuzen (sog. Hubs) und durch viele Zubringerdienste aus. Diese wichtigen Erfolgsvoraussetzungen erfüllt die STAR ALLIANCE sehr gut. Durch die Wahl ihrer Allianzmitglieder verfügt
sie über den Zugang zu strategisch wichtigen Hubs weltweit und das dichteste globale Flugstreckennetz der Branche (vgl. Abb. 3). Zusätzlich gewährleisten die regionalen Partnerschaften der
meisten Allianzmitglieder mit kleinen Fluggesellschaften die für die Auslastung der Hubs so
wichtigen Zubringerdienste. Teilweise erlangen einzelne Regionalfluggesellschaften auch den
Mitgliedsstatus. In Abhängigkeit von ihrem Flugstreckennetz haben die Allianzmitglieder unterschiedliche Rollen (vgl. Abb. 3). Die erste Gruppe, der große internationale Fluggesellschaften
angehören, bietet intensiv beflogene Interkontinentalverbindungen an und gewährleistet den Betrieb eines globalen Multi-Hub-Systems. Die zweite und dritte Gruppe, der mittelgroße und kleine internationale Fluggesellschaften und Regionalfluggesellschaften angehören, dienen dem
Aufbau eines kontinentalen Multi-Hub-Systems und der Bündelung des kontinentalen Verkehrs.
Allerdings bieten die Mitglieder der zweiten Gruppe auch einzelne Interkontinentalverbindungen
an, während die dritte Gruppe aufgrund zu geringer Verkehrsströme häufig nur Kontinentalverbindungen anbietet. Neben dem Streckennetz gibt es weitere Bereiche in denen sich die Allianzpartner nicht nur komplementär ergänzen sondern auch voneinander lernen. Während im Bereich
Innovationen, Technik, Sicherheit Air Canada, Lufthansa, SAS, United Airlines sowie VARIG
dominieren, führen Lufthansa und SAS bei der Umweltverträglichkeit ihrer Flotte, Air Canada
und SAS bei den Vielfliegerprogrammen und Lufthansa und Thai Airways bei der Pünktlichkeit.
Es gibt allerdings Bereiche, in denen sich die Allianzpartner möglichst ähnlich sein sollten, so
z.B. in ihrer starken regionalen Stellung, die umso dominanter ist, je mehr Start- und Landerechte und Gates sie an ihren Heimatbasen besitzen, und in ihrem hohen Service- und Qualitätsniveau (Image), was sich durch die Auszeichnungen belegen lässt.
Die Rolle der Allianzmitglieder beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Leistungserbringung.
Auch allianzübergreifende Aktivitäten, die der Steuerung und Weiterentwicklung der Allianz
16
dienen, werden von den Allianzmitgliedern im Rahmen mehrerer Gremien, d.h. im „Chief Executive Board“ (CEB), dem „Alliance Management Board“ (AMB), den „Sounding Boards“ und
den „Advisory Groups“ wahrgenommen. Auf die Art und Weise der Zusammenarbeit innerhalb
der Gremien und zwischen den Gremien wird im Transaktionsmodell detailliert eingegangen. An
dieser Stelle lässt sich sagen, dass die Rollen, die die Allianzpartner bei der Steuerung und Weiterentwicklung innerhalb der Gremien wahrnehmen, formal identisch sind. Denkbar ist aber,
dass einzelne Mitglieder in Abhängigkeit ihres Know-hows bzw. ihrer Stärken in den dargestellten Bereichen bei der Lösung von Problemen oder bei der Vorbereitung von Entscheidungen
inhaltlich eine Führungsrolle übernehmen (Lerneffekt).
ALLIANZPARTNER
SEIT
HEIMAT-
HUBS
REGION
ZIELE/
*
+
#
LÄNDER
Internationale Linienfluggesellschaften
Air Canada
1997
Kanada
Toronto, Montreal, Vancouver
150/36
16
13
1
Air New Zealand
1999
Neuseeland
Auckland, Los Angeles
47/15
42
34
2
All Nippon Airways
1999
Japan
Tokio (Haneda, Narida), Osaka
71/10
9
16
1
Asiana Airlines
2003
Südkorea
Seoul (Incheon, Gimpo)
54/17
40
45
2
Austrian Airlines Group
2000
Österreich
Wien, Innsbruck, Salzburg
130/66
30
43
1
British Midland
2000
England
London Heathrow, Manchester
38/14
53
92
2
LOT Polish Airlines
2003
Polen
Warschau
58/31
81
98
2
Lufthansa
1997
Deutschland
Frankfurt a.M., München
176/74
1
9
1
SAS Scandinavian Airlines
1997
Dänemark,
Kopenhagen, Oslo, Stockholm
77/26
12
36
1
(Austrian Airlines, Austrian Arrows, Lauda Air)
Norwegen,
Schweden
Singapore Airlines
2000
Singapur
Singapur (Changi)
56/32
18
12
1
South African Airways
2005
Südafrika
Cape Town, Johannesburg
60/26
33
35
1
Spanair
2003
Spanien
Madrid, Barcelona
26/8
67
-
2
TAP Air Portugal
2005
Portugal
Lisabon
42/25
42
61
2
Thai Airways Intl.
1997
Thailand
Bangkok, Phuket, Chiang Mai, Hat Yai
74/34
24
17
1
US Airways
2004
USA
Philadelphia, Charlotte, Pittsburgh
182/37
14
14
1
United Airlines
1997
USA
Chicago, Denver, San Francisco, Los
193/23
6
2
1
Angeles, Washington D.C.
VARIG Brazilian Airlines
1997
Brasilien
Rio de Janeiro, Sao Paulo
74/21
37
27
1
Blue1
2004
Finnland
Kopenhagen, Oslo, Stockholm
14/7
-
-
3
Adria Airways
2005
Slowenien
Ljubljana
22/18
-
-
3
Croatia Airlines
2005
Kroatien
Zagreb
21/13
-
-
3
Regionalfluggesellschaften
* Platzierung unter den Top 100 Airlines gemessen anhand der Einnahmen im Jahr 2003
+ Platzierung unter den Top 100 Airlines gemessen anhand der verkauften Passagierkilometer (RPK) im Jahr 2003
# Gruppeneinteilung anhand der Platzierungen unter den Top 100 und gemäß der oben dargestellten Flugstreckenkriterien
Abb. 3: Allianzmitglieder der STAR ALLIANCE (vgl. Airline Business (2004))
17
3.2.2.
Star Alliance Services GmbH
Aufgrund der ursprünglich begrenzten Zahl von Allianzmitgliedern, war für die STAR ALLIANCE
kein eigenständiges Allianz-Management geplant. Im Jahr 2000 wurde aufgrund der größeren
Mitgliederzahl und der zunehmend komplexeren internen Koordination das „Alliance Management Team“ als geschäftsführende Instanz der STAR ALLIANCE gegründet und in 2001 in die
STAR ALLIANCE SERVICES GMBH umbenannt. Die Verwendung des Begriffs „AllianzManagement“ ist irreführend, da die STAR ALLIANCE SERVICES GMBH nicht über die entsprechenden Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse bzw. eine leitende Funktion innerhalb der Allianz verfügt. Ihre Aufgaben beschränken sich auf die Marktkommunikation und die Aufgaben
einer Projektmanagementgruppe. Die Rolle der STAR ALLIANCE SERVICES GMBH besteht in erster Linie darin, den „Partnergesellschaften der STAR ALLIANCE konkrete Vorteile zu bieten, die
sie auf sich allein gestellt nicht erreichen könnten“ (Deutsche Lufthansa (2002), S. 11). Ihre
Leistung kommt deshalb nur dann zum Einsatz, wenn sie über die Möglichkeiten der Mitglieder
hinaus Wert generiert. Dafür werden basierend auf den Wünschen der vielfliegenden Kunden
Produktideen generiert. Die Aufgabe der Mitarbeiter der STAR ALLIANCE SERVICES GMBH besteht dann darin, ausgewählte Projekte, die in Projektteams gemeinsam mit Experten der Allianzpartner umgesetzt werden, zeit- und budgetverantwortlich zu leiten, was aufgrund der unterschiedlichen Kulturen und Entscheidungsprozesse der Allianzmitglieder nicht immer problemlos
ist. Die Geschäftsbereiche und Schwerpunkte ihrer Organisation „Netzwerk und Verkauf“, „Produkte und Services“ sowie „Marketing“ verdeutlichen die Bereiche der Projektarbeit.
3.2.3.
Reisevermittler und Endkunden
Reisevermittler und Endkunden sollen im Rahmen des Teilnehmermodells aufgrund ihrer hohen
Bedeutung für die Allianz, welche durch die Loyalitätsprogramme deutlich wird, ebenfalls betrachtet werden. Die Nachfrager in ihrer Rolle als Endkunden bestimmen durch ihren Wunsch
nach Netzgröße, schnellen Transfers, Service und Anerkennung ihres Kundenstatus maßgeblich
die Gestaltung einer Luftverkehrsallianz. Die Geschäftsreisenden als Hauptzielgruppe des Linienflugverkehrs nutzen vorrangig Business- und First-Class-Leistungen und legen besonderen
Wert auf Qualität. Aufgrund ihrer geringen Preiselastizität generieren sie einen Großteil der Einnahmen. Demgegenüber nutzen die preissensitiven Privatreisenden hauptsächlich EconomyClass-Leistungen. Obwohl der Privatreiseverkehr nicht die Hauptzielgruppe darstellt, ist er für
den Linienflugverkehr wichtig, um hohe Sitzladefaktoren zu gewährleisten bzw. bestimmte Strecken im Linienverkehr aufrecht zu erhalten. Die Bedeutung der Reisevermittler in ihrer Rolle als
indirekte Vertriebspartner der Allianz liegt in ihrem Einfluss auf den Ticketverkauf. Da die Reisevermittler mittels der CRS oftmals die Fluggesellschaft für den Kunden auswählen, ist es für
18
die Fluggesellschaften sehr wichtig, entsprechend weit oben in den CRS zu erscheinen und sich
die Bekanntheit ihrer Allianzpartner in fremden Märkten zu nutze zu machen, indem ihre Flüge
unter dem Airline-Code des Partners im CRS erscheinen. Die naheliegende Überlegung einer
allianzübergreifenden Bindung der Reisevermittler mittels Agentenloyalitätsprogrammen ist wegen wettbewerbsrechtlicher Gründe nicht ohne weiteres bzw. nur passiv möglich. Die meisten
Fluggesellschaften haben außerdem aufgehört Reisevermittlerprovisionen zu zahlen.
3.3.
Transaktionsmodell
3.3.1.
Probleme der Zusammenarbeit
Im Rahmen des Transaktionsmodells stellt sich die Frage, wie die arbeitsteilige Aufgabenerfüllung der Allianzpartner für eine dauerhaft funktionierende Allianz zu koordinieren ist. Die Antwort auf diese Frage muss berücksichtigen, dass bei der Koordination der Zusammenarbeit Kooperation und Wettbewerb, Autonomie und Abhängigkeit sowie Vertrauen und Kontrolle optimal zu balancieren sind. Dieser Balanceakt wird durch zahlreiche Faktoren erschwert. Die rechtliche Selbständigkeit der Wettbewerber und der damit verbundene Eigensinn in Bezug auf die
Verfolgung eigener Ziele führt zu Abstimmungsproblemen bei der allianzübergreifenden Zielund Strategieplanung. Die Berücksichtigung der Interessen und Ziele aller Allianzpartner ist
oftmals, verstärkt durch kulturelle Probleme, mit zeitintensiven, komplexen Entscheidungsprozessen auf Allianzebene verbunden und vermindert die unternehmerische Flexibilität des einzelnen Partners. Aufgrund der Zusammenarbeit und gemeinsamen Ressourcennutzung existiert eine
gegenseitige Abhängigkeit der Allianzpartner und das Risiko die Allianzpartner, die gleichzeitig
Wettbewerber bleiben, zu stärken. Probleme im Personalbereich der Allianzpartner entstehen
aufgrund fehlender Leistungsbereitschaft und/oder Leistungsfähigkeit. Außerdem läuft das Management Gefahr, zu viel oder zu wenig Zeit in die Allianz zu investieren, was zu Problemen für
das eigene Kerngeschäft oder zu Problemen sowohl bei der Abstimmung mit den Allianzpartnern als auch bei der Akzeptanz der Allianz durch die Mitarbeiter führt.
3.3.2.
Koordinationsmechanismen und -formen
Von den bekannten Koordinationsmechanismen Preis, Weisung und Vertrauen hat das Vertrauen
den höchsten Stellenwert im Netzwerk. Daneben spielt die heterarchische (horizontale) Koordination eine wesentliche Rolle. Die marktliche Koordination der Zusammenarbeit über Verrechnungspreise existiert zwar, stellt aber kein allianzspezifisches Koordinationsinstrument dar. Sie
beschränkt sich auf die im Rahmen der Code-Share-Abkommen anfallenden Erlöse und wird
deshalb im Erlösmodell dargestellt. Das Ziel dieser Koordinationsmechanismen, die in den verschiedenen Koordinationsformen und -maßnahmen zum Ausdruck kommen, besteht in der effizienten Gestaltung der Zusammenarbeit und der Vermeidung von Problemen, insbesondere des
19
Misstrauens und des opportunistischen Verhaltens der Allianzmitglieder. Der richtige Mix der
Koordinationsformen und -maßnahmen soll eine Win-Win-Situation für alle Partner schaffen.
3.3.2.1. Vertrauen als Basis der Koordination
Weil das gegenseitige Vertrauen der Allianzpartner eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Allianz ist, genießen vertrauensbildende Maßnahmen einen hohen Stellenwert. Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang die besondere Bedeutung einer gemeinsamen Unternehmenskultur betont. Aufgrund der internationalen Zusammensetzung der Luftverkehrsallianzen ist fraglich, ob die Schaffung einer solchen Kultur möglich bzw. gewünscht ist oder ob nicht
gerade kulturelle Unterschiede zum Allianzerfolg beitragen. Gestützt wird diese Einschätzung
durch die Tatsache, dass die STAR ALLIANCE die Wahrung der kulturellen Individualität ihrer
Allianzmitglieder explizit betont. Die fehlende kulturelle Übereinstimmung soll durch gute Beziehungen zwischen den Partnern, d.h. durch Respekt und die Anerkennung gegenseitiger Interessen auf der Führungsebene kompensiert werden. Besonders wichtig sind deshalb Personalmaßnahmen auf oberster Führungsebene, z.B. die Besetzung von allianzübergreifenden Gremien
mit den Mitgliedern der ersten und zweiten Führungsebene der Allianzmitglieder. Aufgrund dieser Philosophie ist es der STAR ALLIANCE möglich trotz kultureller Unterschiede die Produkte
und Prozesse zu harmonisieren und zu integrieren. Unterhalb der Führungsebene sollen Kommunikationsmaßnahmen bei den Mitarbeitern ein Verständnis für die Allianzziele, die Allianzpartner und die Auswirkungen der Allianz erzeugen. Diese Maßnahmen schaffen eine hohe Akzeptanz bzw. ein Zugehörigkeitsgefühl unter den Allianzmitgliedern. Die STAR ALLIANCE verwendet konkret Newsletter, Informationstage und das Intranet zur Kommunikation und Information der Mitarbeiter. Ein weiteres Instrument zur Vertrauensbildung stellen langfristige und multilaterale Allianzverträge dar, da die Allianzpartner hierdurch die Ernsthaftigkeit ihres Bestrebens signalisieren. Allerdings spielen sie innerhalb der STAR ALLIANCE eine untergeordnete Rolle. Protokolliert werden lediglich die im CEB getroffenen Entscheidungen.
3.3.2.2. Heterarchische Koordination
Die heterarchische Koordination bezeichnet die auf Selbstabstimmung und Verhandlungen basierende horizontale unternehmensübergreifende Abstimmung zwischen im Prinzip gleichberechtigten Partnern eines Netzwerks. Häufig werden für die Selbstabstimmung zusätzliche Organisationseinheiten (sog. Gremien) geschaffen, die parallel zur Einzelorganisation der Allianzpartner existieren und mit Entscheidungsträgern derselben hierarchischen Ebene der Allianzmitglieder besetzt sind. Auch die STAR ALLIANCE zeichnet sich durch eine solche Struktur aus. An
oberster Stelle der Gremien steht das „Chief Executive Board“, besetzt mit den Chief Executive
Officers der Allianzmitglieder. Vom CEB geht der Anstoß für die Bearbeitung bestimmter The-
20
men, die von jedem Partner eingebracht werden können, aus. Das CEB trifft alle strategischen
Entscheidungen, z.B. über die Aufnahme neuer Mitglieder, den Außenauftritt und neue Produkte. Jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht, d.h. ein „Primus inter Pares“ existiert nicht. Allerdings reicht für eine Entscheidung eine Zweidrittelmehrheit. Dem „Alliance Management
Board“ gehören die Vice Presidents Alliances der Allianzmitglieder an, die wiederum Empfehlungen an das CEB geben. Für die operative Planung der einzelnen Projekte in den entsprechenden Funktionsbereichen (Sales, Product, IT, etc.) sind die „Sounding Boards“ zuständig, die von
den Executive Vice Presidents der Allianzmitglieder geleitet werden. Sie erhalten den formalen
Auftrag zur Ausarbeitung bestimmter Ideen vom CEB. Die „Advisory Groups“, die mit den Experten der Allianzpartner besetzt sind und in der Organisation der Allianzpartner verankert sind,
sind vor allem für die operative Projektumsetzung innerhalb der Allianzmitglieder zuständig.
3.3.2.3. Hierarchische Koordination
Üblicherweise sind in heterarchisch koordinierten Netzwerken hierarchische Koordinationsinstrumente nicht vorgesehen, insbesondere weil im Grundsatz eine relativ gleichmäßige Machtverteilung zwischen den Allianzpartnern besteht. Das CEB der STAR ALLIANCE kann aber formale Aufträge an die nachgelagerten Sounding Boards erteilen. Insofern bestehen hierarchische
Strukturen, die dafür sorgen, dass die gemeinsam getroffenen Entscheidungen auch gemeinsam
in die Unternehmen der Allianzpartner getragen werden. Hierarchische Koordination in dem
Sinn, dass ein Allianzmitglied einem anderen Allianzpartner Weisungen erteilen kann, existiert
aber nicht, da das CEB mit Vertretern aller Allianzpartner besetzt ist. Auch die STAR ALLIANCE
SERVICES GMBH als geschäftsführende Instanz der STAR ALLIANCE stellt keine hierarchisch übergeordnete Instanz dar. Da sie nicht über die entsprechenden Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse verfügt, ist sie auch nicht in der Lage allianzübergreifende strategische Entscheidungen
zu treffen und deren operative Umsetzung anzuordnen. Allianzverträge, die explizite Vereinbarungen über die Koordination der Zusammenarbeit enthalten, sowie Vereinbarungen, die positives sowie negatives Verhalten der Allianzmitglieder begünstigen (Anreizsysteme) bzw. verhindern (Sanktionsmaßnahmen) sollen, sind bei der STAR ALLIANCE nicht von Bedeutung. Der
Misserfolg einiger Luftverkehrsallianzen hat zudem gezeigt, dass Minderheitskapitalbeteiligungen, generell ein mögliches Instrument zur gegenseitigen Beeinflussung, für die effiziente Koordination der Zusammenarbeit ebenfalls ungeeignet sind und deshalb von den Allianzmitgliedern
der STAR ALLIANCE nicht gezielt im Rahmen der Allianz verwendet werden.
Der Abstimmungsbedarf innerhalb der Allianz wird somit ausschließlich durch Selbstabstimmung unter den beteiligten Allianzpartnern erreicht.
21
3.4.
Erlösmodell
3.4.1.
Ergebnisverteilung zwischen zwei Allianzpartnern
Damit eine Allianz langfristig stabil bleibt, muss die Verteilung der mit der arbeitsteiligen
Erbringung von Flugdienstleistungen einhergehenden Erlöse und Kosten zwischen den Allianzmitgliedern entsprechend geregelt sein. Die Erlösaufteilung innerhalb einer Luftverkehrsallianz
unterscheidet sich jedoch nicht von der zwischen Fluggesellschaften ohne Allianzzugehörigkeit.
Sie findet im Prinzip fast immer bilateral statt und stellt deshalb auch keine allianzspezifische
Aufgabe dar. Im Folgenden interessiert zunächst, wie das wirtschaftliche Ergebnis zwischen Allianzpartnern verteilt wird, die im Rahmen von Code-Share-Abkommen eine Strecke bedienen.
Im Rahmen von Code-Share-Abkommen sind zwei Fluggesellschaften, die durchführende und
die vermarktende Fluggesellschaft, an der Erbringung eines Fluges beteiligt. Bei einem Direktflug (Point-to-Point-Code-Sharing) schreibt die vermarktende Fluggesellschaft die von ihr vereinnahmten Erlöse der durchführenden Fluggesellschaft gut. Die vermarktende Fluggesellschaft
erhält unter Umständen einen Provisionsanteil. Im Gegensatz dazu vermarkten bei Umsteigeflügen (Connection-Code-Sharing) beide Fluggesellschaften den Flug und führen jeweils eine
Teilstrecke durch. Da der Durchgangspreis des Umsteigeflugs in der Regel geringer ist als die
Summe seiner Teilstreckenpreise, erfolgt die Aufteilung der Erlöse gemäß einer „Prorate“, die
sich aus dem Verhältnis des Durchgangspreises zur Summe der Teilstreckenpreise ergibt.
3.4.2.
Ergebnisverteilung zwischen mehreren Allianzpartnern
Komplexere Formen der Ergebnisverteilung berücksichtigen neben der durchführenden und der
vermarktenden Fluggesellschaft einer bestimmten Strecke auch solche Allianzmitglieder, die
Flüge in der gleichen Region anbieten und somit Grund zu opportunistischem Verhalten hätten.
Im Rahmen des Incremental-Revenue-Sharing-Modells wird deshalb ermittelt, wie sich die
Erlöse einer Strecke innerhalb einer bestimmten Region nach der Allianzbildung im Vergleich
zur Periode vor der Allianzbildung entwickelt haben. In Abhängigkeit eines streckenspezifischen
Referenzwertes, der auf dem erzielten Umsatz der Strecke vor der Allianzbildung basiert, wird
der ermittelte Mehr- oder Mindererlös nach einem festgelegten Schlüssel zwischen allen in der
Region tätigen Allianzmitgliedern aufgeteilt, wobei der Großteil des Ergebnisses beim Operating
Carrier verbleibt. Während der Marketing Carrier noch eine gewisse Beteiligung für seine Vermarktungsleistung bekommt, sind die übrigen Allianzmitglieder nur in geringem Maß am Ergebnis beteiligt. Der Anreiz der Allianzmitglieder weiterhin die Erlöse ihrer eigenen Flüge zu
maximieren, kann deshalb nicht beseitigt werden. Das Total-Revenue-Sharing-Modell sieht im
Vergleich dazu die Verteilung der gesamten Umsatzerlöse zwischen den in der gleichen Region
tätigen Allianzpartnern vor. Im Gegensatz zum Incremental-Revenue-Sharing-Modell werden
22
die Interessengegensätze durch dieses Modell minimiert, da die Ergebnisanteile der Allianzmitglieder, unabhängig davon welches Mitglied den Flug durchführt, prozentual gleich bleiben.
Das Profit-Sharing-Modell basiert auf der Verteilung des Gewinns, d.h. der Erlöse und Kosten,
wird aber aufgrund seiner geringen Praxistauglichkeit selten eingesetzt. Die Gewinnverteilung
zwischen den Allianzmitgliedern sollte sich hier an dem Gewinnverhältnis der Allianzmitglieder
vor der Allianzbildung orientieren.
3.4.3.
Probleme der Ergebnismessung und Ergebnisverteilung
Die Ermittlung und Verteilung der Erlöse, die bei der Durchführung des Flugs entstehen, sind
relativ problemlos möglich. Hinsichtlich der Behandlung der Kosten stellt sich aber die Frage, ob
es sinnvoll und möglich ist diese zu verrechnen. Die Tatsache, dass den Allianzmitgliedern durch
die Zusammenarbeit Kosten entstehen, die sie nicht selbst verschuldet haben, spricht generell für
eine Kostenverrechnung. Allerdings besteht bei der Verrechnung die Gefahr, dass die Partner mit
guter Kostenstruktur die überhöhten selbst verschuldeten Kosten anderer Partner tragen. Außerdem ist die Verrechnung oftmals nicht möglich, da sich die partnerindividuellen Kosten aufgrund
der Geheimhaltung nur schwer ermitteln und allianzbezogene Kosten von den übrigen Kosten
kaum trennen lassen. Eine Ergebnisverteilung, die Erlöse und Kosten im Sinne des ProfitSharings berücksichtigt, ist deshalb schwierig und wird nur selten angewandt.
Ein weiteres Problem besteht in der Bewertung partnerschaftlicher Beiträge, die sich nicht auf
die Grundleistung Flug, sondern auf die Zusammenarbeit in anderen Bereichen beziehen. Häufig
entstehen dabei Synergien, die nicht direkt erlös- und kostenwirksam sind. Zwar ist eine Wirkung dieser Beiträge auf den Allianzerfolg und das Ergebnis der Allianzmitglieder wahrscheinlich, jedoch lassen sich die Synergien sowohl in ihrer Einzel- als auch Gesamtwirkung kaum
erfassen und quantifizieren. In der Praxis findet oftmals nur eine vage und subjektive Schätzung
der individuellen Synergiepotenziale statt, deren Aussagekraft aber fraglich ist. Aus diesem
Grund sind sie auch nicht Gegenstand der Ergebnisverteilung im Rahmen der STAR ALLIANCE.
Um sie bei der Ergebnisverteilung berücksichtigen zu können, müssten aussagekräftige Verfahren wie die „aktivitätsbasierte Erfolgsmessung“ zur Messung der Synergieeffekte angewandt
werden. Aber selbst dann sollten aufgrund der Unsicherheit über die tatsächliche Höhe der monetären Synergieeffekte Risikoabschläge berücksichtigt werden.
4. Würdigung und Aussicht
4.1.
Beurteilung des Geschäftsmodells der STAR ALLIANCE
Für Linienfluggesellschaften wurden in der Literatur wiederholt zahlreiche Erfolgsfaktoren als
Basis ihres Wettbewerbsvorteils und ihrer Erfolgsposition identifiziert (vgl. Diegruber, J.
(1991)). Als für den Erfolg von herausragender oder „kritischer“ Bedeutung haben sich die Kun-
23
denorientierung, das Image, die Mitarbeitermotivation, das Streckennetz, ein innovatives Management, die Vertriebssysteme (CRS) und Vertriebskanäle, das Yield-Management und die Kosteneffizienz heraus kristallisiert. Es ist nahe liegend, dass die Erfolgsposition einer Luftverkehrsallianz auf der Schaffung eines kollaborativen Wettbewerbsvorteils im Bereich dieser Erfolgsfaktoren basiert. Aus diesem Grund soll die Beurteilung der Ausgestaltung des Geschäftmodells
der STAR ALLIANCE anhand dieser Erfolgsfaktoren erfolgen.
Die Partnerwahl ist grundlegende Voraussetzung für die Befriedigung der Kundenbedürfnisse
und die Zufriedenheit der Allianzpartner. Deshalb stellt die Kompatibilität der Partner in Bezug auf die Größe, Marktposition, das Streckennetz sowie die geographische Lage und das Verkehrspotenzial der Hubs einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Die Zahl der Verbindungen steigt,
die Bedienung weltweiter Destinationen wird möglich, regionale Überschneidungen werden
vermieden, Gesamtflugzeiten und Umsteigezeiten verkürzen sich und die Flugzeugauslastung,
die Größe des verwendeten Fluggeräts und/oder die Frequenz der Flüge erhöht sich durch die
Bündelung der Verkehrsströme und die Zusammenarbeit im Rahmen von Code-ShareAbkommen. Die Allianzmitglieder sollten auch in kultureller und strategischer Hinsicht kompatibel sein und eine gemeinsame Vision haben. Dies stellt sicher, dass alle Partner ein einheitliches Verständnis von den Prozessen der Reisekette haben und eine allianzübergreifende Produktund Prozessharmonisierung möglich ist, die für die Kundenorientierung und Differenzierung
gegenüber Wettbewerbern von wesentlicher Bedeutung ist. In Bezug auf die Partnerwahl ist die
STAR ALLIANCE nahezu optimal aufgestellt. Sie verfügt über den Zugang zu strategisch wichtigen Hubs weltweit, das dichteste globale Flugstreckennetz der Branche und viele Zubringerdienste. Durch die Aufnahme entsprechender Partner sollen zukünftig auch die bisher weniger
gut bedienten Regionen in Afrika und Asien abgedeckt werden. Von zentraler Bedeutung ist,
dass sich ihre Allianzmitglieder an einer gemeinsamen Vision und Mission orientieren, gemeinsame Ziele verfolgen und die Geschäftsplanung in ihren Grundzügen abstimmen. Die STAR ALLIANCE
zeichnet sich darüber hinaus durch eine konsequente Ausrichtung auf die Verbesserung
des Kundenservices aus. Dies wird durch die zahlreichen gemeinsamen allianzübergreifenden
Projekte zur Verbesserung absatzmarktgerichteter aber auch unternehmensgerichteter Prozesse
deutlich, die der Allianz einen hohen Differenzierungsgrad verleihen.
Von hoher Erfolgsrelevanz ist auch ein konsistentes und positives Image der Allianz. Über ein
solches Image verfügt die STAR ALLIANCE aufgrund der intensiven Marktkommunikation durch
die STAR ALLIANCE SERVICES GMBH und der zweigeteilten Markenstrategie der Allianz und ihrer Mitglieder. Unterstützt wird der Imageaufbau dadurch, dass die Kontaktpunkte zur Allianz
24
entlang der Reisekette, insbesondere bei den Serviceleistungen vor und nach dem Flug, das gleiche Bild der Marke vermitteln und konsequent an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet sind.
Auch die gemeinsame Infrastruktur trägt zum Erfolg bei. Denn die gemeinsame Nutzung der
Infrastruktureinrichtungen sowie die Zusammenlegung von Servicetätigkeiten vor und nach dem
Flug spart Kosten, erhöht den Kundennutzen und trägt zum einheitlichen Bild bei. Als wichtiger
infrastruktureller Erfolgsfaktor der Zukunft gilt die Integration der IT-Systeme, da sie den „Trade-off“ zwischen intensiverer Abstimmung der Leistungserbringung und dadurch ansteigender
Komplexität der Koordination überwinden kann. Deshalb soll auch die informationstechnologische Infrastruktur der STAR ALLIANCE durch ein gemeinsame IT-Plattform verbessert werden.
Der Erfolg hängt ebenfalls stark von der Organisation und dem Management der Zusammenarbeit innerhalb einer Allianz ab. Nur wenn die Partner wie bei der STAR ALLIANCE gleichberechtigt sind, Kapitalbeteiligungen sowie Allianzverträge für die Gewährleistung einer reibungslosen Zusammenarbeit nicht erforderlich sind, und sie von der Allianz gleichermaßen profitieren,
ist ein dauerhaftes Bestehen zu erwarten. Persönliche Beziehungen zwischen den Führungskräften der Allianzpartner und die interne Kommunikation zwischen dem Management und der operativen Ebene jedes Allianzpartners spielen dabei eine wichtige Rolle.
4.2.
Zukünftige Bedeutung der Luftverkehrsallianzen
4.2.1.
Bedeutung der Liberalisierung und Deregulierung
In den vergangenen Jahren wurden große Liberalisierungs- und Deregulierungsbemühungen im
Luftverkehr, insbesondere innerhalb Europas und zwischen Europa und den USA, unternommen.
Den bisherigen Höhepunkt der Liberalisierung stellen die Open-Sky-Abkommen zwischen den
USA und vor allem europäischen Staaten sowie das dritte Liberalisierungspaket innerhalb der
EU dar. Außerhalb dieser Regionen verhindern zahlreiche Regierungen die weitere Öffnung ihrer Luftverkehrsmärkte. Daneben ist ein weltweiter Trend zur Privatisierung ehemals im Staatsbesitz befindlicher Fluggesellschaften zu erkennen. Trotzdem existieren bis zum jetzigen Zeitpunkt weder echte globale bzw. transnationale Fluggesellschaften, noch bestehen nachhaltig
kompetitive Marktsstrukturen auf den meisten Luftverkehrsteilmärkten. Aufgrund zahlreicher
Initiativen wird die Liberalisierung in der Zukunft voranschreiten und einen maßgeblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung strategischer Luftverkehrsallianzen haben.
4.2.2.
Internes Wachstum durch Alleingang
Internes Wachstum ist eine gängige Strategie der Allianzmitglieder innerhalb bestimmter Teilluftverkehrsmärkte. Theoretisch ist der Alleingang auch die einfachere und erstrebenswertere
Alternative, da der enorme Abstimmungsbedarf dadurch weitestgehend eliminiert werden könnte. Zwei Gründe sprechen allerdings gegen die Alleingang-Strategie als adäquaten Ersatz für die
25
Allianz-Strategie auf dem globalen Luftverkehrsmarkt. Für das Angebot eines globalen Flugstreckennetzes mit Umsteigemöglichkeiten ist der Aufbau eines globalen Multi-Hub-Systems notwendig, welches erstens auf entsprechenden Luftverkehrsrechten und zweitens auf infrastrukturellen Kapazitäten beruht. In der Regel kann eine einzelne Fluggesellschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Die in der EU ansässigen Fluggesellschaften besitzen zwar innerhalb der EU
alle Luftverkehrsrechte, auch die der 5. - 8. Freiheit, die für den Betrieb von Drehkreuzen außerhalb ihres Heimatlandes notwendig sind. Außerhalb der EU fehlen ihnen aber diese Rechte. Dadurch wird der Zu- und Umsteigeverkehr im Ausland und damit der wirtschaftliche Betrieb von
Hubs im Ausland verhindert. Daneben erschweren auch infrastrukturelle Faktoren wie verfügbare Start- und Landerechte und Gates an den Flughäfen die Alleingang-Strategie. Aufgrund der
nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen und rechtlichen Markteintrittshemmnisse ist der globale Alleingang folglich für die meisten Fluggesellschaften nur bedingt umsetzbar.
4.2.3.
Externes Wachstum durch Fusion oder Akquisition
Auch Fusionen (Eigentum: 100%) und Akquisitionen (Eigentum: 100% > x > 49%) sind innerhalb nationaler Teilluftverkehrsmärkte nicht unüblich, können aber bis zum jetzigen Zeitpunkt
die Allianz-Strategie im globalen Luftverkehrsmarkt nicht ersetzen. Der Grund liegt darin, dass
bei einem Zusammenschluss von Fluggesellschaften verschiedener Länder die fusionierte oder
akquirierte Fluggesellschaft ihre Luftverkehrsrechte aufgrund der in den bilateralen Staatsabkommen verankerten Nationalitätenklausel verliert. Eine bedingte Ausnahme besteht nur für
Fluggesellschaften mit Sitz in der EU, da es ihnen möglich ist eine Fluggesellschaft in einem
anderen als ihrem Heimatstaat innerhalb der EU zu kaufen und zu betreiben, ohne dass diese die
Luftverkehrsrechte in der EU, wohl aber die Luftverkehrsrechte außerhalb der EU, verliert. Dagegen sind Zusammenschlüsse zwischen kleineren und größeren Fluggesellschaften eines Landes und innerhalb der EU häufiger zu beobachten. Trotz der bisherigen Liberalisierungsbemühungen sind die Zusammenschlüsse auf wenige Beispiele vor allem innerhalb einzelner Länder
beschränkt. Durch den Wegfall staatlicher Marktzugangsbarrieren werden Zusammenschlüsse
voraussichtlich massiv an Bedeutung gewinnen und zu einem adäquaten Ersatz strategischer
Allianzen werden. Ihr Vorteil gegenüber der Alleingang-Strategie liegt vor allem darin, dass der
zeitaufwendige und kostenintensive Aufbau von Drehkreuzen entfallen würde.
4.2.4.
Externes Wachstum durch strategische Allianzen
Unter den gegebenen Umständen können einzelne Allianzmitglieder heute nur durch eine Kombination aus nationaler Alleingang- und Akquisitions-Strategie sowie internationaler AllianzStrategie zum Global Carrier avancieren. Dabei sind die strategischen Allianzen notwendig, um
die bestehenden Hindernisse für internes und externes Unternehmenswachstum auf dem globalen
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Luftverkehrsmarkt zu umgehen. Mit fortschreitender Liberalisierung bieten sich den Allianzmitgliedern aber zunehmend interessantere Perspektiven für grenzüberschreitende Alleingänge und
Zusammenschlüsse. Die Tatsache, dass strategische Allianzen häufig nur als zweitbeste Lösung
in Ermangelung rechtlicher Möglichkeiten zu grenzüberschreitenden Fusionen betrachtet werden, legt den Schluss nahe, dass sie lediglich ein Übergangsstadium auf dem Weg zum Zusammenschluss darstellen, ebenso wie die bilateralen Code-Share-Abkommen die Basis für die Bildung strategischer Allianzen darstellen. Aus den Global Carriern, die heute noch in der STAR
ALLIANCE zusammenarbeiten, würde durch den Zusammenschluss ein einziger Mega-Carrier
bzw. ein Global Brand entstehen. Bis die Liberalisierung soweit vorangeschritten ist, werden
strategische Allianzen aber die beste Möglichkeit für Linienfluggesellschaften darstellen, um
ihre Ziele im internationalen Luftverkehr zu verfolgen. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass
sich der Integrationsgrad innerhalb der Allianzen bisher weiter erhöht. Ein möglicher Austritt
von Allianzpartnern wird zunehmend unwahrscheinlicher und die Bedeutung strategischer Luftverkehrsallianzen wird in naher Zukunft tendenziell zunehmen.
5. Fazit
Linienfluggesellschaften kooperieren im Rahmen von strategischen Luftverkehrsallianzen, um
rechtliche Restriktionen im internationalen Luftverkehr umgehen, ihre eigenen Ziele erreichen
und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen zu können. Allerdings ist die Zusammenarbeit von Fluggesellschaften weder ein Garant für den Erfolg der Allianz noch für den Erfolg ihrer Mitglieder.
Anders ist weder das Scheitern der Luftverkehrsallianzen „Global Excellence Alliance“, „Atlantic Excellence Alliance“, „Qualiflyer Group“ noch der Wechsel von Allianzmitgliedern zwischen
Allianzen oder der Konkurs einzelner Allianzmitglieder zu erklären. Diese Arbeit zeigt allerdings, dass eine adäquate Ausgestaltung des Geschäftsmodells einer Luftverkehrsallianz zum
Erfolg der Allianz beiträgt und somit bedingt zum Erfolg ihrer Mitglieder beitragen kann. Dafür
muss das Prozess-, Teilnehmer-, Transaktions- und Erlösmodell so ausgestaltet werden, dass
gleichzeitig die Kundenbedürfnisse erfüllt und die Belange der Allianzmitglieder berücksichtigt
werden. Anhand des Beispiels „STAR ALLIANCE“ lässt sich detailliert nachvollziehen, wie eine
konkrete Ausgestaltung der Teilmodelle aussehen kann, wo die Vorteile aber auch Probleme
liegen. Aufgrund sich verändernder wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen unterliegt die Ausgestaltung des Geschäftsmodells kontinuierlichen proaktiven und reaktiven Veränderungen. Kurz- bis mittelfristig wird im Mittelpunkt dieser Veränderungen eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb bestimmter Prozesse, die Aufnahme weiterer Mitglieder und die kontinuierliche Anpassung des Allianz-Managements an die Allianzentwicklung stehen. Diesen Veränderungen muss sich auch die STAR ALLIANCE stellen, um ihre Wettbewerbsposition halten und
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ausbauen zu können. Ob und wie lange das Geschäftsmodell der Luftverkehrsallianz bestehen
und Erfolg haben wird, hängt aber maßgeblich davon ab, wie schnell und wie tief greifend der
Liberalisierungs- und Deregulierungsprozess im internationalen Luftverkehr voranschreitet.
Festzuhalten bleibt, dass es sich bei dem Geschäftsmodell der Luftverkehrsallianz kurz- bis mittelfristig um die beste Lösung, langfristig jedoch nur um eine Übergangslösung handelt, die
durch Fusionen abgelöst werden dürfte.
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