Sachverhalt Prominente im Café
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Sachverhalt Prominente im Café
-1- Prominente im Café L ist die neue Lebenspartnerin des in Deutschland überaus populären Sängers Herbert G, dessen Ehefrau vor einem Jahr nach einer schweren Krankheit verstorben war. Den Tod seiner Frau hat G in einer sehr erfolgreichen CD thematisiert. G und L sind bei Galaveranstaltungen wiederholt gemeinsam in der Öffentlichkeit aufgetreten. Während eines Urlaubs besuchen sie in Rom ein offenes Straßencafé und flanieren durch die Fußgängerzone. Die in der Axel S. Verlag – AG erscheinende Zeitschrift „Bild“ verfasst daraufhin einen Bericht über die neue Liebesbeziehung zwischen G und L und illustriert diesen mit verschiedenen Bildern des Paares. Offenbar stammen die Fotos von Paparazzi. L, die sich bereits in der Vergangenheit gegen die Veröffentlichung von Fotos aus einem Straßencafé gerichtlich zur Wehr gesetzt hat, klagt gegen die „Bild AG“ auf Unterlassung der Veröffentlichung. -2Lösung: Prominente im Café L kann gegen die Axel S.-Verlag AG entsprechend § 1004 I 2 BGB i.V. mit §§ 22, 23 KUG, § 823 I BGB und Art. 1 I, 2 I GG einen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Abdrucks der Bilder haben. I. Die Axel S.-Verlag AG (S) ist als juristische Person gemäß § 1 AG Träger eigener Recht und Pflichten. II. Rechtswidrige Beeinträchtigung eines Rechts der L im Sinne des § 1004 BGB 1. Schutzfähige Rechtsposition S könnte das Recht am eigenen Bild gemäß § 22 KUG verletzt haben. Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt – sei es als sonstiges Recht, sei es in Rechtsanalogie zu den benannten Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit – zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern. Analog § 1004 BGB können deshalb auch ergänzende Unterlassungsansprüche bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild geltend gemacht werden. 2. Einwilligung Bildnisse einer Person dürfen gemäß § 22 S. 1 KUG grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Das Recht am eigenen Bild als spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt dem Abgebildeten die alleinige Befugnis, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (BGHZ 131, 332 [336] Caroline von Monaco II, m.w. Nachw.). Vorliegend hat L keine ausdrückliche Einwilligung in die Veröffentlichung der Bildnisse erteilt. Allerdings kann eine Einwilligung gemäß § 22 S. 1 KUG auch stillschweigend erteilt werden (BGHZ 49, 288 [295] – Ligaspieler). Eine konkludente Einwilligung könnte hier aus den gemeinsamen Galaauftritten von L und G abzuleiten sein. In der Regel ist davon auszugehen, dass der Abgebildete durch die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, bei denen Pressefotografen offiziell zugelassen sind, ein stillschweigendes Einverständnis mit der Verbreitung von Bildnissen über die Teilnahme an diesen Veranstaltung erklärt. Jedoch ist die Reichweite der Erklärung gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich auf Berichte über die konkrete Veranstaltung beschränkt (BGH, GRUR 2005, 74 [75] – Charlotte Casiraghi II). -3Bildberichte über die persönliche Beziehung zwischen L und G aus einem späteren Urlaub sind von einer etwaigen Einwilligung der L in die Berichterstattung über die Galaveranstaltungen damit jedenfalls nicht mehr gedeckt. Die Veröffentlichung der Fotos von L in Rom in der „Bild“ erfolgte ohne Einwilligung. 3. Befugnis zur Veröffentlichung ohne Einwilligung gemäß § 23 I Nr. 1 KUG Nach dem Ausnahmetatbestand des § 23 I Nr. 1 KUG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte unter Umständen einwilligungsfrei veröffentlicht werden. Auch die Fotos von L könnten infolge der Begleitung des berühmten Sängers G zu Bildnissen der Zeitgeschichte zu zählen sein. Bildnisse des vertrauten Begleiters einer so genannten „absoluten Person der Zeitgeschichte“ dürfen grundsätzlich verbreitet werden, wenn der Begleiter zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt (vgl. z.B. BVerfG, NJW 2001, 1921 [1923]). G ist eine „absolute Person der Zeitgeschichte“, d.h. eine Person, die unabhängig von einzelnen Ereignissen auf Grund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet (zur Definition vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021 [1025]). L war bei Fertigung und Veröffentlichung der Urlaubsfotos (und ist nach wie vor) seine Lebensgefährtin. An der Publikation besteht auch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, zumal G den tragischen Tod seiner Frau in einer erfolgreichen CD „verarbeitet“ hat. Anm: § 23 I Nr. 1 KUG erlaubt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetz geberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluss offen stehende Tatbestandsmerkmal des „berechtigten Interesses“ in § 23 II KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer Acht gelassen worden sind (BVerfGE 101, 361 [391f.] - Caroline von Monaco; BVerfG, NJW 2001, 1921 [1922f.] - Prinz Ernst August von Hannover). Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus Art. 2 I GG und 5 I GG ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (BVerfG, NJW 2001, 1921 [1922]). Demgemäß ist bereits in diesem Zusammenhang eine Interessenabwägung hinsichtlich der betroffenen Grundrechte vorzunehmen ist (BGH NJW 2004, 1795 - Charlotte Casiraghi; GRUR 2005, 76 [77] – „Rivalin“ von Uschi Glas. -44. Rückausnahme bei berechtigen Interesse des Abgebildeten gemäß § 23 II KUG Auch Bildnisse der Zeitgeschichte dürfen nicht uneingeschränkt verbreitet werden. So erstreckt sich die Befugnis zur Veröffentlichung gem. § 23 II KUG nicht auf eine Verbreitung und Veröffentlichung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Im Rahmen der nach dieser Vorschrift erforderlichen Prüfung ist die Art und das Gewicht der Persönlichkeitsbeeinträchtigung einerseits und das berechtigte öffentliche Interesses an der Berichterstattung andererseits umfassend zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. a) Öffentliches Interesse an dem Privatleben Prominenter Während Berichte aus dem Intimbereich und der engeren Privatsphäre, d.h. aus dem Bereich der Wohnung einer Person in aller Regel unzulässig sind, hat die Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte lange Zeit durchgehend ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran anerkannt, wie sich eine „absolute Person der Zeitgeschichte“ als einfacher Mensch, also auch außerhalb seiner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt (vgl. BGH NJW 1996, 1128 [1131] - Caroline von Monaco II). Außerdem ist Plätzen, an denen sich der Betroffene unter vielen Menschen befindet, ein Privatsphärenschutz abgesprochen worden (BVerfG, NJW 2000, 1021 [1023]). Anm: Absolute Personen der Zeitgeschichte, bei denen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht nur mit einem bestimmen Ereignis zusammenhängt, sondern aufgrund besonderer Taten (etwa Tennisstar), Bekleidung von herausragenden Ämtern (Außenminister) oder Zugehörigkeit zu einem berühmten Adelsgeschlecht (Prinzessin von Wales) ohnehin besteht, mussten sich nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte auch Beeinträchtigungen gefallen lassen, die nicht mit ihrer „öffentliche Funktion“ zusammen hängen. Dazu zählte man insbesondere das simple Flanieren auf der Straße oder eben das Sitzen im Café. Relative Personen der Zeitgeschichte (etwa Lottogewinner) dürfen dagegen seit je her nur eingeschränkt abgebildet werden im Zusammenhang mit der Funktion, die sie zu einer Person der Zeitgeschichte macht (etwa der Nachwuchskicker beim FC Bayern). b) Ort der Abgeschiedenheit in der Öffentlichkeit In jüngster Zeit haben die deutschen Gerichte den Privatsphärenschutz von Personen der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit verstärkt. So gilt die Privatsphäre bereits als verletzt, wenn sich die abgebildete Person auf die Abgeschiedenheit eines Ortes in der Öffentlichkeit verlässt und sich in einer Weise verhält, die nicht für die Augen Dritter bestimmt ist (z.B. abgeschiedener Bereich eines Restaurants) oder wenn durch technische Mittel (Teleobjektiv) die Arglosigkeit der Betroffenen ausgenutzt wird. Es mache einen Unterschiet, ob man sich -5einer begrenzten Öffentlichkeit aussetzt und ebenfalls anwesende Personen Einblick haben oder ob die Gegebenheit durch eine Fotografie auf die weite Öffentlichkeit ausgedehnt wird. (Vgl. dazu BGH, NJW 1996, 1128 [1130] - Caroline von Monaco II und BVerfG, NJW 2000, 1021 [1023]). Die L befand sich, als sie zusammen mit G durch Rom flanierte bzw. in einem offenen Straßencafé saß, jedoch nicht in einer „Privatsphärenenklaven“, d.h. an einem Ort der Abgeschiedenheit innerhalb Öffentlichkeit. An sich wäre danach ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse der L gemäß § 23 II KUG zu verneinen. c) Änderung der bisherigen deutschen Rechtsprechungsgrundsätze nach den Maßstäben des EGMR zu Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Möglicherweise sind die von den deutschen Gerichten bisher angelegten Maßstäben bei der Abwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK zu modifizieren. aa) Der EGMR (NJW 2004, 2647) hat zu Fotos, die Prinzessin Caroline von Hannover z.B. beim Einkaufen und beim Restaurantbesuch zeigen, u.a. ausgeführt, dass es für den Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung auf den Beitrag ankomme, den Fotos oder Artikel in der Presse zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten (Rdnrn. 60, 76). Hier handele sich nicht um die Verbreitung von „Ideen“, sondern von Bildern mit sehr persönlichen Informationen über einen Menschen (Rdnr. 59), nämlich von Fotos, welche die Bf. im Alltagsleben bei rein privaten Tätigkeiten zeigen (Rdnr. 61). Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass derartige in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen entstünden, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und als Verfolgung empfunden werden (Rdnrn. 59, 68). Auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person müsse eine „berechtigte Hoffnung“ auf Schutz und Achtung ihrer Privatsphäre haben (Rdnrn. 69, 78). Die Einstufung als absolute Person der Zeitgeschichte könne für Persönlichkeiten aus dem Bereich der Politik gelten, die öffentliche Ämter bekleiden, nicht aber für eine „Privatperson“ wie die Bf., die zwar einer Herrscherfamilie angehöre, aber selbst keine offiziellen Funktionen ausübe (Rdnr. 72). Das Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit sei unzureichend und zu vage um einen wirksamen Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten (Rdnrn. 74, 75). Ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich die Bf. allgemein in ihrem Privatleben - sei es auch an nicht abgeschiedenen Orten - verhalte, fehle oder müsse jedenfalls ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften an der Veröffentlichung von Fotos und Artikeln hinter dem Recht der Bf. auf wirksamen Schutz ihrer Privatsphäre zurücktreten (Rdnrn. 77). bb) Der vorliegende Fall ist von den Motiven der Fotos her ganz ähnlich gelagert. Dass es sich bei G um einen Künstler von herausragender Bedeutung und Bekanntheit handelt, -6rechtfertigt keine abweichende Behandlung. Das Urteil des EGMR befasst sich zwar nicht mit Begleitern von Prominenten. Das Recht des Begleiters am eigenen Bild kann aber nicht weniger geschützt sein als dasjenige des Prominenten selbst. Fraglich ist nur, inwieweit die Leitgedanken des Urteils des EGMR vom 24. 6. 2004 für die Auslegung des deutschen Rechts zu berücksichtigen sind. cc) Nach dem Beschluss des BVerfG vom 14. 10. 2004 - 2 BvR 1481/04 (NJW 2004, 3407) gilt: Materielle Rechtskraft können Entscheidungen des EGMR nur hinsichtlich des konkreten Streitgegenstands und nur im Verhältnis zwischen Bf. und betroffenem Vertragsstaat beanspruchen (Rdnrn. 39, 41, 45). Die deutschen Gerichte sind aber im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz und Recht verpflichtet, die Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des Gerichtshofs „im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung“ zu berücksichtigen (Rdnrn. 46, 47). Die EMRK genießt als Völkervertragsrecht auf Grund innerstaatlicher Umsetzung gem. Art. 59 II GG den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und stellt keinen unmittelbaren verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab dar (Rdnrn. 31, 32). Dass Grundgesetz erstrebt die Einfügung Deutschlands in die Rechtsgemeinschaft friedlicher und freiheitlicher Staaten, verzichtet aber nicht auf die deutsche Souveranität (Rdnr. 35). Das Grundgesetz ist nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entsteht (Rdnr. 33). Der Text der EMRK und die Rechtsprechung des EGMR dienen daher auf der Ebene des Verfassungsrechts u.a. als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten, sofern dies nicht entgegen Art. 53 EMRK zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (Rdnr. 32). „Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des Gerichtshofs einschlägig, so sind grundsätzlich die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung, namentlich die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden“ (Rdnr. 49). „Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische ‚Vollstreckung‘ können deshalb gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen“ (Rdnr. 47, s.a. Rdnr. 62). „Bei der Berücksichtigung von Entscheidungen des Gerichtshofs haben die staatlichen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung in ihre Rechtsanwendung einzubeziehen (…) insbesondere dann, wenn es sich um ein in seinen Rechtsfolgen ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handelt, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen will“ (Rdnr. 57), z.B. im Recht zum Schutz der Persönlichkeit. „Es ist die Aufgabe der nationalen Gerichte, eine Entscheidung des EGMR in den betroffenen Teilrechtsbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen, weil es weder der völkervertraglichen Grundlage noch dem Willen des Gerichtshofs entsprechen kann, mit seinen Entschei- -7dungen gegebenenfalls notwendige Anpassungen innerhalb einer nationalen Teilrechtsordnung unmittelbar selbst vorzunehmen (Rdnr. 58). Dabei kann auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Individualbeschwerdeverfahren vor dem Gerichtshof insbesondere bei zivilrechtlichen Ausgangsverfahren die beteiligten Rechtspositionen und Interessen möglicherweise nicht vollständig abbildet. dd) Hiernach ist das Urteil des EGMR vom 24. 6. 2004 auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen und in das deutsche Recht zum Schutz der Persönlichkeit einzupassen. Dies ist nicht einfach, sieht doch der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention gerade in Entscheidungen der höchsten deutschen Gerichte, u.a. in dem Urteil des BVerfG vom 15. 12. 1999 (NJW 2000, 1021), dessen tragenden Entscheidungsgründen gem. § 31 I BVerfGG Bindungswirkung für parallel gelagerte Fälle zukommt (vgl. Rennert, in: Umbach/Clemens, § 31 BVerfGG Rdnrn. 58-60 und 72-74). Das Spannungsverhältnis lässt sich im Einklang mit dem KG Berlin (BRUR 2005, 74 [75] – Lebenspartnerin von Herbert Grönemeyer II) wie folgt lösen: An bestehenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist festzuhalten, auch soweit sie im Urteil des EGMR keinen oder kaum Niederschlag gefunden haben. Dazu zählt, dass sich auch die Unterhaltungspresse auf die Meinungsfreiheit berufen kann, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts eingeschränkt wird, wenn es vom Betroffenen selbst kommerzialisiert wird, und dass der Betroffene seine Privatsphäre nicht dadurch ausweiten kann, dass er in der Öffentlichkeit intime Verhaltensweisen an den Tag legt. Es besteht auch kein Anlass, den Begriff der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ fallen zu lassen - d.h. ein generelles Berichterstattungsinteresses an den Umständen einer Person von vornherein außer Betracht zu lassen - oder auf Inhaber politischer Ämter zu beschränken (ebenso BGH GRUR 2005, 74 875] – Charlotte Casiraghi II). Dagegen entspricht es durchaus dem Gewicht der Menschenwürde (Art. 1 I GG) und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG), dass der EGMR Prominente bei rein privaten Tätigkeiten im Alltagsleben vor einer Verfolgung durch Fotografen schützen will. Das Grundgesetz muss nach Möglichkeit so ausgelegt werden, dass ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen ihre völkervertraglichen Pflichten vermieden wird. Im Lichte der dezidierten und im Kern überzeugenden Erwägungen des EGMR zu diesem Punkt ist es daher mit der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 I 1 und 2 GG) vereinbar das Recht Prominenter und ihrer vertrauten Begleiter auf Achtung ihres Privatlebens nach Abwägung im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken und ihrem Recht am eigenen Bild Vorrang einzuräumen. ee) Bei der Abwägung der beiderseitigen Belange im Rahmen von § 23 II KUG überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse der L, von der Medienöffentlichkeit unbeobachtet in Rom Ur- -8laub verbringen zu können: Zwar hätte L auf Grund der gemeinsamen Auftritte mit G auf Galaveranstaltungen damit rechnen können auch im Urlaub fotografiert zu werden. Diese Umstände ändern aber nichts an der Berechtigung ihres Wunsches, im privaten Alltagsleben nicht von Fotoreportern behelligt zu werden. Die veröffentlichten Bilder sind auch nicht etwa kontextneutral, sondern zeigen L ersichtlich bei privater Gelegenheit. Auch ist zu berücksichtigen, dass L und G beim Urlaub im Ausland fotografiert worden sind, wo G kaum bekannt sein dürfte und keiner der beiden wohnt. Die streitgegenständlichen Aufnahmen sind heimlich und mit großer Wahrscheinlichkeit von einem „Paparazzo“ gefertigt worden. In solcher Weise von den Medien verfolgt zu werden ist geeignet, der L ihre Unbefangenheit im Alltag zu nehmen und sie damit empfindlich in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu stören. Dass G durch sein künstlerisches Wirken im Zusammenhang mit dem Tode seiner Frau ein besonderes Interesse an der Person seiner neuen Partnerin geweckt hatte, kann jedenfalls nach den gemeinsamen Auftritten in der Öffentlichkeit und der umfangreichen Berichterstattung in den Medien hierüber kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse an einer umfassenden Berichterstattung aus späteren gemeinsamen Urlauben mehr begründen. Von einem Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse kann hier keine Rede sein. Die L muss es in ihrem privaten Alltagsleben nicht hinnehmen, fortlaufend von der Unterhaltungspresse in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu werden. S hat rechtswidrig in das Recht am der L am eigenen Bild eingegriffen III. Störereigenschaft der Axel S.-Verlag AG Die S ist als Verlegerin der „Bild“ Handlungsstörer. IV. Wiederholungsgefahr Die Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung kann nur dann erfolgen, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Die Wiederholungsgefahr wird bei bereits geschehener Rechtsverletzung vermutet. An die Widerlegung der Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2005, 76 [78] – „Rivalin von Uschi Glas“). Anhaltspunkte die die Vermutung widerlegen, etwa die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, sind vorliegend nicht ersichtlich. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die C-GmbH die Luftaufnahme weiter verwendet, etwa bei kommenden Berichten über S oder der Archivierung und Abbildung im Internetangebot. Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben. -9- Anm: Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen i.S.v. § 1004 I 2 BGB, ist Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit nach ganz h.A. nicht nur von prozessualer Bedeutung, sondern materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, GRUR 1992, 318 [319] - Jubiläumsverkauf; GRUR 2005, 76 [77] – „Rivalin von Uschi Glas“, Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rdnr. 78; Medicus, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 1004 Rdnr. 97; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 1999, § 1004 Rdnr. 208; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6 Rdnr. 7). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs. Auch wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt. V. Rechtsfolge Die S muss weitere Beeinträchtigungen des Rechts der L am eigenen Bild unterlassen. Das bedeutet, dass S die Bilder zukünftig nicht mehr veröffentlichen darf. S hat gegen die Axel S.-Verlag AG einen Anspruch analog § 1004 I 2 BGB i.V. mit §§ 22, 23 KUG, § 823 I BGB und Art. 1 I, 2 I GG auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen.