Die Erbengemeinschaft - zivilrechtliche und steuerrechtliche

Transcription

Die Erbengemeinschaft - zivilrechtliche und steuerrechtliche
Die Erbengemeinschaft
Zivilrechtliche und steuerrechtliche Aspekte
von Dr. Stephan Seltenreich
1
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Erbengemeinschaft ist
§ Gesamthandsgemeinschaft
§ keine Bruchteilsgemeinschaft
§ Sondervermögen der Erben
Strukturelle Behandlung wie Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
§ Besonderheiten geregelt in §§ 2032 – 2063 BGB
Unterschiede zur GbR:
§
§
§
§
2
Entstehung kraft Gesetzes (mit Erbfall)
Zufalls- und Zwangsgemeinschaft (kein Gesellschaftsvertrag)
auf Auflösung gerichtet
kein selbständiges Rechtssubjekt, nicht rechtsfähig
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Beteiligung mehrer Personen führt zu Interessengegensätzen:
Erbengemeinschaft
Erblasser (Erhaltung des Lebenswerks)
Erbengemeinschaft
Gläubiger (z.B. Vermächtnisnehmer)
Mitglieder der Erbengemeinschaft untereinander (z.B. verschiedene Familienstämme)
Klassische Streitfragen:
§
§
3
Nachlassverwaltung oder unmittelbare Aufteilung oder gar Versilberung
Nachlassaufteilung/-verwaltung: Gleichbehandlung
Teilungsanordnung
Ausgleichspflicht
Verteilung der Erträge aus Nachlassverwaltung
Nutzungsentschädigung (Miterbe bewohnt Haus in Erbmasse)
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassverwaltung
§
durch Erben
§ Ausnahmen
- bei Testamentsvollstreckung (§ 2205 BGB),
- bei angeordneter Nachlassverwaltung (§ 1184 BGB),
- bei Einsetzung eines Nachlassinsolvenzverwalters (§ 80 InsO)
§
Grundsatz: Gemeinschaftliche Nachlassverwaltung (Einstimmigkeit)
aber Ausnahmen:
- ordnungsgemäße Verwaltung: Stimmenmehrheit (§§ 2038 II, 745 I BGB)
- notwendige Verwaltungsmaßnahmen: jeder Miterbe (§ 2038 I S. 2 BGB)
- Recht jedes Miterben, Ansprüche aus dem Nachlass für die
Erbengemeinschaft geltend zu machen (§ 2039 BGB)
- nur für außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen bleibt es bei der
Grundsatzregelung der Einstimmigkeit
4
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassauseinandersetzung und Nachlassteilung
§
§
Recht jedes Miterben auf jederzeitige Auseinandersetzung (§ 2042 I BGB)
Aber Ausdehnung auf
§ Erwerber eines Erbanteils (§ 2033 BGB),
§ Pfandgläubiger bei Pfandreife,
§ Testamentsvollstrecker des Miterben,
§ Nießbraucher am Miterbenanteil, § 1066 II BGB (zusammen mit Miterben)
§
Aufschub der Auseinandersetzung § 2043 / § 2045 BGB
§ zu erwartende Geburt eines Miterben
§ laufendes Verfahren über Annahme als Kind
§ laufendes Verfahren über Anerkennung einer vom Erblasser errichteten Stiftung
§ Aufschub bis zur Gläubigerermittlung
5
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassauseinandersetzung und Nachlassteilung
Ausschluss durch den Erblasser, § 2044 BGB
§ Anordnungsmöglichkeit des Erblasser, durch letztwillige Verfügung
§ max. Ausschluss der Auseinandersetzung: 30 Jahre
§ Anordnung des Ausschusses der Auseinandersetzung hat nur schuldrechtliche
Wirkung.
Einvernehmliche Auseinandersetzung aller Miterben ist dinglich wirksam.
6
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassauseinandersetzung und Nachlassteilung
Auseinandersetzungsplan §§ 752 – 757 BGB i.V.m. § 2042 II BGB
1.
2.
3.
7
Bestandsermittlung
Bestandsberichtigung um Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Vermächtnis)
Verteilung Reinnachlass gem. Erbteilen unter Berücksichtigung von
Anrechnungen (z.B. Vorempfang)
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassauseinandersetzung und Nachlassteilung
Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten § 2046 BGB
§
Klassische Nachlassverbindlichkeiten, § 2046 BGB
Pflichtteilsansprüche; Pflichtteilsergänzungsansprüche
Vermächtnisse
§
§
Miterbe kann gleichzeitig Nachlassgläubiger sein (z.B. Vorausvermächtnis).
Zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten ist Nachlass ggf. in Geld
umzusetzen (§ 2046 III BGB) Welche Nachlassgegenstände versilbert werden,
ist von allen Miterben zu bestimmen (Einstimmigkeit erforderlich, keine
Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung).
Nicht fällige oder streitige Nachlassverbindlichkeiten sind zur Begleichung
vorzuhalten, § 2046 I BGB.
§
8
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Nachlassauseinandersetzung und Nachlassteilung
Verteilung des Reinnachlasses
§ Tilgung in Natur
Durch Ausgleichung des Vorempfangs (§ 2055 BGB) kann Teilungsquote von
Erbquote abweichen.
§ Vollzug der Teilung durch Überführung des Gesamthandeigentums in
Alleineigentum
§ Wenn Teilung in Natur nicht oder nur mit Wertverlust möglich, so Verkauf und
Verteilung des Erlöses.
Abwicklung:
- bei beweglichen Gegenständen nach Regeln des Pfandverkaufs
- bei Grundstücken nach Regeln der Teilungsversteigerung
9
Die Erbengemeinschaft: Zivilrecht
Teilungsanordnung
§
§
§
§
§
§
§
§
10
Erblasser kann durch letztwillige Verfügung Teilungsanordnungen treffen, § 2048
BGB.
Teilungsanordnung hat auf Erbquote keinen Einfluss.
Teilungsanordnung hat schuldrechtliche Wirkung.
Erben werden verpflichtet, Nachlass gem. Teilungsanordnung aufzuteilen.
Keine Sonderrechtsnachfolge des Begünstigten, sondern nur schuldrechtlicher
Anspruch auf entsprechende Teilung gegen Erbengemeinschaft.
Entgegenstehende Übereignung – bei Einstimmigkeit der Erben – sind wirksam.
Gestaltungsmöglichkeit des Erblassers: Anordnung der Testamentsvollstreckung.
Früchte aus dem zugeordneten Vermögensgegenstand (z.B. Ausschüttungen aus
Aktiendepot) stehen dem Begünstigten ab dem Erbfall zu, §§ 2184, 2042 BGB.
Ob Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis vorliegt, ist im Wege der Auslegung
zu ermitteln. Wenn Wert des zugewiesenen Gegenstands die Erbquote deutlich
übersteigt, spricht vieles für Vorausvermächtnis.
Die Erbengemeinschaft: ErbSt-Recht
Allgemeines
§
§
§
§
11
ErbSt ist Erbanfallsteuer (Bereicherung des Erben ist Steuersubjekt).
Besteuerung stellt auf den Zeitpunkt des Erbfalls ab, nicht auf Zeitpunkt der
Erbauseinandersetzung.
Auseinandersetzungen der Erben ist daher im Grundsatz für ErbSt irrelevant.
Wertsteigerungen und Wertverluste zwischen Erbfall und Auseinandersetzung sind
unbeachtlich.
Die Erbengemeinschaft: ErbSt-Recht
§
§
§
12
Steuerpflichtig sind nicht nur die Erben, sondern alle, die von einem der in § 3 ErbSt
genannten Fälle erfasst werden.
Das sind insbesondere:
§ Erben
§ Vermächtnisnehmer
§ Pflichtteilsberechtigte
§ Abfindungen für Verzicht auf Erbschaft, Pflichtteil, Erbersatzanspruch,
Vermächtnis
§ Verträge zu Gunsten Dritter auf den Todeszeitpunkt (Lebensversicherung zu
Gunsten der Ehefrau)
Abgestellt wird auf die Werte im Zeitpunkt des Erbfalls unter Zugrundelegung der
erbschaftsteuerlichen Werte sowie unter Berücksichtigung der persönlichen und
sachlichen Freibeträge.
Die Erbengemeinschaft: ErbSt-Recht
Spezialfall:
Schenkungsteuer bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
§
Auseinandersetzung zwischen den Erben ist für ErbSt regelmäßig unbeachtlich.
§
Schenkungsteuerpflicht tritt aber ausnahmsweise ein, wenn im Rahmen der
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein Erbe ohne rechtlichen Grund
(Auflage, Anordnung des Erblassers) mehr erhält, als ihm zusteht. Dann liegt eine
Schenkung des einen Erben an den anderen Erben vor.
13
Die Erbengemeinschaft: ErbSt-Recht
Beispiel:
Der verwitwete Erblasser E verstirbt ohne letztwillige Verfügung. Erben sind die
beiden Söhne A und B. Der Nachlass besteht aus zwei Grundstücken X (Wert
500.000 €) und Y (Wert 700.000 €). Die Söhne vereinbaren, dass A das Grundstück
X und B das Grundstück Y erhält.
Lösung:
Beide Söhne erben zu je 50 %. Es entsteht eine Erbengemeinschaft. Aus dem Erbfall
haben A und B jeweils 600.000 € (vor Abzug bestehender Freibeträge) zu versteuern
(Stkl. I). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Erbfalls.
Da B bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ohne Rechtsgrund 1/12
(100.000 €) mehr erhält als ihm erbrechtlich zusteht, liegt eine zusätzliche
Schenkung von A an B in Höhe von. 100.000 € vor (Stkl. II). Abzustellen ist auf den
Zeitpunkt der Auseinandersetzung.
14
Die Erbengemeinschaft: ErbSt-Recht
Technische Abwicklung
§ Jeder an einem Erbfall Beteiligte ist bei Aufforderung des Finanzamts
verpflichtet, eine ErbSt-Erklärung abzugeben, § 31 I ErbStG.
§ Mehrere Erben und sonstige Beteiligte (Vermächtnisnehmer,
Pflichtteilsberechtigte, etc) können eine gemeinsame ErbSt-Erklärung abgeben,
§ 31 IV ErbStG.
15
Die Erbengemeinschaft: ESt-Recht
§
§
§
§
§
16
ESt-pflichtig sind die „Gesellschafter“ der Erbengemeinschaft (Miterben).
Die Erträge der Erbengemeinschaft sind auf Ebene der Gesamthandsgemeinschaft
einheitlich und gesondert festzustellen und den Miterben entsprechend ihrer
Erbquote persönlich zuzurechnen.
Die Zuordnungsbeträge fließen sodann in die individuelle Einkommensbesteuerung
der Miterben ein.
Vorhandene Verlustvorträge des Erblassers gehen unter.
Bei der Erbengemeinschaft sind die Einkünfte im Grundsatz derjenigen Einkunftsart
zuzurechnen, der sie bereits beim Erblasser zuzurechnen waren.
Ausnahme: Miterbe ist Kapitalgesellschaft (Kapitalgesellschaften erzielen immer
Einkünfte aus Gewerbebetrieb).
Die Erbengemeinschaft: ESt-Recht
Zurechnung von Einkünften aus Vermächtnissen
§
Problemstellung: Vermächtnisnehmer sind keine Erben. Sie haben nur einen
schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehrung des Vermächtnisses
nebst den Früchten ab dem Erbfall.
Zivilrechtlich ist die Erbengemeinschaft bis zur Auskehrung Inhaber
des Vermächtnisvermögens nebst den Früchten.
Dies hätte zur Folge, dass die Erbengemeinschaft die Früchte
einkommenversteuern muss, obwohl sie der Vermächtnisnehmer
beanspruchen kann.
§
Lösung des BFH: Die Früchte werden zunächst der Erbengemeinschaft zugerechnet und
von den Miterben versteuert. Mit Auskehrung an den
Vermächtnisnehmer tritt ein rückwirkendes Ereignis ein und die
Besteuerung tritt (rückwirkend) beim Vermächtnisnehmer ein, bei der
Erbengemeinschaft/ Miterben wird eine entsprechende Korrektur
vorgenommen.
§
Gleiches gilt im Falle einer vollzogenen Teilungsanordnung.
17
Die Erbengemeinschaft
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
18