Stellungnahme Verkehrsuntersuchung Fährverbindung Cuxhaven

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Stellungnahme Verkehrsuntersuchung Fährverbindung Cuxhaven
Prof. Dr. Peter Kuhbier
FREIE UNIVERSITÄT BERLIN
Institut für Statistik und Ökonometrie
29.10.2004
Stellungnahme
zur
Verkehrsuntersuchung Fährverbindung Cuxhaven – Brunsbüttel:
Ermittlung des Verkehrsaufkommens und Auslegung des Fährsystems
der
Baltic Marine Consult
1. Ausgangssituation
Es liegt nahe, dass BMC eine solche Untersuchung mit den „Betriebserfahrungen mit Fähren auf der Untersuchungsrelation“ (Abschnitt 1.2) beginnt. Allerdings erschöpfen sich die
Erkenntnisse daraus auf 5 Zahlen, die die Beförderungsleistungen in 5 Kategorien im Jahre
2000 beziffern und auf zwei graphische Darstellungen, die die Beförderungsleistungen (im
Jahre 2000) einmal nach Monaten und einmal nach Wochentagen im Sommer bzw. in den
Monaten September/November untergliedern. Nun wurde von BMC zwar keine betriebswirtschaftliche Untersuchung verlangt, für eine sinnvolle Analyse wäre aber zumindest ein Vergleich über mehrere Jahre notwendig gewesen (auf der Relation hat ja schon einmal ein Fährbetrieb von 1969 bis 1981 und einmal von 1999 bis 2001 bestanden). Denn daraus hätte man
z. B. erkennen können, ob der Fährbetrieb zunehmende oder abnehmende Akzeptanz erfahren
hat, was sowohl für Prognose zukünftiger Verkehrsleistungen wichtig zu wissen gewesen
wäre als auch für die Beurteilung des zweimaligen Scheiterns, denn die dafür angegebenen
Begründungen hören sich sehr pauschal an. Hätte man darüber hinaus auch die zu den Beförderungsströmen gehörenden Einnahmenströme herangezogen, dann hätte man Informationen
dazu erhalten, welche Kategorien essentiell für das Überleben einer solchen Fähre sind und
darauf spezielle zukünftige Akquisitionsbemühungen abstellen müssen (für eine Fähre, die
größere Kapazitäten für Lastwagen vorsieht, sind sicherlich Touristen und Radfahrer weniger
bedeutend). Hier sind eine Unmenge von potentiellen Informationsquellen ignoriert worden.
Weitgehend verschenkt worden sind auch die Möglichkeiten, die direkte Befragungen
potentieller Kunden geliefert hätten. Befragungen hätten an Tankstellen, Rastplätzen, Autohöfen usw. der Quellorte, für die die Überlegungen der Tabelle 3 gelten sollen, gemacht werden
müssen – mit dem Ziel heraus zu finden, ob die Fahrer für ihre Tour die Verbindung Brunsbüttel-Cuxhaven gewählt hätten, wenn sie schon bestehen würde. Tatsächlich gibt es eine
Menge hervorragender Literatur zu statistischen Wahlhandlungsmodellen, die gerade Anwendung in der Verkehrsplanung finden und die es ermöglichen empirisch heraus zu finden, welche Charakteristika die befragten Personen dazu bringen, in einer Situation, in der sie zwischen verschiedenen Alternativen wählen können (das sind hier z. B. die drei alternativen
Routen der Tabelle 3), genau die eine, für die sie sich entschieden haben, zu wählen. Eine
Befragung an der Fähre Glückstadt-Wischhafen kann das nicht leisten, denn da haben sich die
Fahrer ja schon entschieden.
2. Theoretische Modelle (Abschnitt 2.1)
Stattdessen haben die Autoren der Studie es vorgezogen, ein mathematisches Optimierungsspiel zu spielen. D. h. sie haben für verschiedene Ausgangsorte (Ahlhorner Heide, Leer, Bremerhaven) und verschiedene Zielorte (Brunsbüttel, AD HH-Nordwest, Itzehoe, Rendsburg,
Flensburg) drei alternative Routen (via Wischhafen, via HH, via Cuxhaven Fähre) daraufhin
untersucht, welches die zeitlich kürzeste bzw. die kostengünstigste Verbindung ist – und das
getrennt für Pkw und Lkw. Nun kann man sagen, dass solche Überlegungen für Touristen,
Sonntagsfahrer, Einmal- oder Wenigfahrer überhaupt keine Rolle spielen (eine Klientel, die
für die betrachtete Fähre offensichtlich von größerer Bedeutung ist), denn die suchen ja gerade nach abgelegenen Routen oder touristischen Zielen, für die Zeit- und Kostenüberlegungen nicht im Vordergrund stehen. Für den Lastwagen- und Berufsverkehr von entscheidender
Bedeutung ist aber das Zusammenspiel aus Zeit, Kosten und der Varianz dieser Größen. Jeder, der morgens und abends eine längere Strecke von und zur Arbeit fahren muss, wählt auf
die Dauer eine Strecke, auf der er mit hoher Wahrscheinlichkeit immer weitgehend dieselbe
Zeit einhalten kann, weil nur das eine zuverlässige Planung möglich macht. Es sind eben nicht
nur die Kosten und die Zeit. Ein Fahrer wird nicht die zeitlich kürzeste oder kostengünstigste
Route durch Hamburg wählen, wenn er bei jedem vierten oder sechsten Mal mit einer halben
oder ganzen Stunde Stau rechnen muss. Wie bei Anlagestrategien spielt nicht nur der zu erwartende Ertrag, sondern auch das Risiko (die Streuung, die Varianz, die Volatilität) eine
wichtige Rolle. So ist es wahrscheinlich zu erklären (was die Autoren der Studie eher mit
Verwunderung feststellen, S. 17), dass die „Route über Glückstadt-Wischhafen für keine der
betrachteten Relationen im Referenzfall die zeit- oder kostengünstigste ist“, obwohl – könnte
man hinzu fügen – diese Route doch sehr gut frequentiert wird. Es ist eben eine andere als die
von den Autoren der Studie herangezogenen Zielfunktionen, nach der diese Route ausgewählt
wird.
3. Analyse des Verkehrs über die Fährverbindung Glückstadt-Wischhafen (Abschnitt 2.2 und folgende)
Die in diesen Abschnitten dargestellten Untersuchungen und Folgerungen sind höchst problematisch. Schon der Ausgangspunkt der Untersuchungen (die Stichprobenauswahl) ist nicht
nachvollziehbar. Es wurde „der Verkehr an zwei mittleren Werktagen von Mittag zu Mittag
beobachtet“ (S. 20). Der Begriff „mittlerer Werktag“ ist und wird nicht definiert. Sind das nun
Werktage in der Mitte der Woche oder sind das Werktage mit mittlerem Verkehrsaufkommen? Eher zufällig findet man zwei weitere Aussagen: „Die Beobachtungstage lagen zwar
außerhalb der Ferienzeit, sie erfassen dennoch bereits den beginnenden Urlaubsverkehr“ und
„Nach Aussagen der Beschäftigten der Fähren war der Verkehr an den Beobachtungstagen
schwächer als im Mittel, möglicherweise geschuldet den ungünstigen Witterungsverhältnissen
…“ (S. 20). Hieraus kann der Leser vielleicht schließen, dass es sich um aufeinander folgende
Werktage in der Woche vor Ferienbeginn mit ungünstigen Witterungsverhältnissen handelt.
Eine korrekte Untersuchung liefert aber selber korrekte Angaben. Wie immer aber man auch
diese Defizite beurteilt, sicher ist, dass man aus den Zählungen an diesen beiden Tagen keinerlei statistisch korrekte Hochrechnung auf das Jahresverkehrsaufkommen machen kann:
Man könnte zwar ein gewisses Vorwissen (etwa aus den in Abb. 1 und 2 wider gegebenen
Erkenntnissen, die man aus den Daten der ehemaligen Fähre Brunsbüttel-Cuxhaven gewonnen hat) benutzen, um zu vermuten, dass das Aufkommen an diesen Vorurlaubstagen größer
als der Durchschnitt ist, aber um wie viel und was auf den einsetzenden Urlaubsverkehr zurück geht oder was dem schlechten Wetter geschuldet ist, über all das kann man keine verlässlichen Angaben und damit auch keine Hochrechnung machen (nur angemerkt sei, dass die
Autoren auch dazu keinerlei konkrete Angaben machen).
Die Benutzung des Vorwissens von Jahres- und Wochensaisonalitäten würde korrekterweise eine Stichprobenziehung aus 12*7=84 Klassen, d. h. an 84 Tagen (einem zufällig ausgewählten Mo, Di, Mi usw. im Januar, einem zufällig ausgewählten Mo, Di, Mi, usw. im Februar usw., usw.) verlangen. Zusammenfassung von homogenen Monaten und/oder Wochentagen, ein orthogonales Stichprobendesign (falls es existiert) usw. könnten die Zahl der Klassen (Stichprobentage) erheblich reduzieren, aber nicht auf zwei Tage und schon gar nicht
auf die beiden ausgewählten. Tatsächlich kommt es noch schlimmer: Auch auf die Hochrechnungen aus der Straßenverkehrszählung an der Zählstelle in der Fährzufahrt Glückstadt
ist nur wenig Verlass. Hier wurde an sechs Tagen gezählt (an 2 Werktagen außerhalb der Ur-
laubszeit, an 2 Sonntagen und an 2 Urlaubswerktagen (bezeichnend für den Umgang mit Statistiken in der Studie ist, dass dort immer nur von Urlaub statt von Urlaubswerktagen die
Rede ist). Für eine repräsentative Stichprobe ist das immer noch sehr (zu) wenig. Aber eine
verlässliche Hochrechnung an der Fähre Glückstadt-Wischhafen ist auch gar nicht das Ziel
der Verkehrszählung 2000, sondern es geht um eine Hochrechnung für Gesamtdeutschland
oder auf Länderebene mit der man etwa Fragen nach den zu erwartenden Gesamteinnahmen
aus der einzuführenden Maut für Lkw oder den Gesamteinnahmen aus einer Erhöhung der
Öko-Steuer und vieles andere mehr beantworten möchte. Zwei einfache und für jeden einsichtige Beispiele sollen das verdeutlichen.
1. Beispiel: Wenn man eine verlässliche Schätzung über die Wahrscheinlichkeit, mit der
an 1000 im Einsatz befindlichen Roulettetischen die Farbe rot eintritt, durchführen
möchte, dann kann man an jedem der Tische 5 Beobachtungen machen – das sind insgesamt 5000 Beobachtungen, mit denen man schon eine recht genaue Schätzung vornehmen kann. An den einzelnen Tischen können aber alle denkbaren Kombinationen
eintreten, z. B. auch fünfmal hintereinander zero oder rot. Eine Hochrechnung an diesen beiden Tischen würde also einmal die Wahrscheinlichkeit null für rot und einmal
die Wahrscheinlichkeit eins für rot nahe legen, was offensichtlich jedem Vorwissen
von einem fairen Roulettetisch widersprechen würde (aber für eine verlässliche Wahrscheinlichkeitsbestimmung sind eben die Fallzahlen an den einzelnen Tischen auch
viel zu klein und eine Bestimmung der Eintrittswahrscheinlich an ihnen war auch
nicht das Ziel).
2. Beispiel: Bei einer Bundestagswahl liegt, nachdem alle Stimmabgaben ausgezählt
wurden, eine Totalerhebung vor, die damit auch absolut verlässlich ist. Seit Jahren ist
es aber der Ehrgeiz von ARD und ZDF, schon möglichst früh eine verlässliche Hochrechnung vorzulegen, und – wie man sich erinnern wird – gelang das in den letzten
Jahren sehr gut. Grundlage dafür ist eine ausgeklügelte Menge von über ganz
Deutschland verteilten repräsentativen Wahllokalen, deren Ergebnisse zu Hochrechnungen herangezogen werden, nachdem die allerersten Hochrechnungen noch auf Befragungen vor diesen Lokalen beruhen. Obwohl die Hochrechnungen für ganz
Deutschland sehr gut sind, können die Hochrechnungen, die man z. B. aus den Wahlergebnissen in einem Wahllokal in Cottbus oder Limburg für diese Städte macht, total
daneben liegen, weil die Zahl der ausgewerteten Stimmen viel zu klein ist.
Im Falle der Fähre Glückstadt-Wischhafen werden seit Jahrzehnten tägliche Aufzeichnungen
gemacht und zu Monatstabellen zusammengestellt, so dass für jedes Jahr Totalerhebungen
vorliegen. Es fällt dem Leser der Studie angesichts der vorangegangenen Erläuterungen mehr
als schwer, den folgenden Satz zu verstehen (S. 31): „Die bei der Zählung ermittelten Werte
sind deutlich höher als die vom Fährbetreiber angegebenen 600 000 Fahrzeuge, sie sind jedoch als unabhängig mit einer bewährten und geprüften Methodik ermittelte Daten als eindeutig zuverlässigere Quelle anzusehen“. Hier mangelt es den Autoren der Studie entweder
am Verständnis der statistischen Methodik oder es soll dem Fährbetreiber Manipulation der
Daten unterstellt werden.
Tatsächlich sind die Verhältnisse bei der Straßenverkehrszählung 2000 entsprechend
kompliziert wie im 2. Beispiel, weil die zeitliche Verteilung der Fahrzeuge und ihre Verteilung auf Typen an jeder Zählstelle unterschiedlich sein können – nur in der Gesamtheit ergibt
sich ein verlässliches Bild. So gesehen zeigen sich die statistischen Schwächen auch in der
Bemerkung der Autoren auf S. 21: „Die ermittelte Fahrzeugstruktur entspricht der in der
Straßenverkehrszählung 2000 festgestellten….“ Zunächst ist unklar, ob sich diese Bemerkung
auf die Gesamtstruktur in der Straßenverkehrszählung 2000 bezieht oder auf die an der
Fährstelle Glückstadt- Wischhafen ermittelte Struktur. In jedem Falle ist das aber ohne
genauere Analyse so nicht einsichtig und es gibt nach der gerade gemachten Ausführung auch
überhaupt keinen Grund dafür, dass die Fahrzeugstruktur an der Fährstelle GlückstadtWischhafen mit der Gesamtstruktur übereinstimmen sollte.
4. Überlegungen zur Wartezeit
In der Studie finden sich eine Reihe von Äußerungen zu Wartezeiten an der Fährlinie
Glückstadt-Wischhafen (z. B. Abschnitt 2.3). Dazu wird aber immer wieder betont, dass die
Datenlage schlecht sei, dass „keine systematischen Erhebungen über Wartezeiten vorliegen,
…“, dass „… die Bedienungsfrequenz bedarfsabhängig zwischen 2 und 3 Abfahrten pro
Stunde in jeder Richtung variiert wird, darüber aber keine statistischen Angaben vorliegen,
…“ dass „ … die Auslastungsentwicklung nur grob geschätzt werden kann.“ usw. Dennoch
gipfeln die Überlegungen in dem relativ deutlichen Satz (S. 30): „Bei einem tagesdurchschnittlichen stündlichen Aufkommen von mehr als 300 Pkw-Einheiten treten längere Wartezeiten (> 30 min.) regelmäßig auf. Dieser Wert wird gegenwärtig wahrscheinlich an mehr als
100 Tagen erreicht.“ Das kann man so nicht machen: Erstens sind die angegebenen Aufkommensdaten zu hoch geschätzt, weil sie (wie wir im vorangegangenen Abschnitt gesehen
haben) mit einer unzuverlässigen und für den gewünschten Zweck nicht geeigneten Methode
erhoben worden sind (solange nicht das Gegenteil bewiesen worden ist, muss von den vom
Fährbetreiber gelieferten Daten ausgegangen werden) und zweitens muss einer solchen Aussage auch eine breitere und systematisch erhobene Datenbasis zugrunde gelegt werden. Dieser
Punkt ist insofern für den Auftraggeber der Studie nicht unbedeutend, weil damit ja die Hoffnung genährt werden soll, dass „ein Teil des Aufkommens [der Fährlinie Glückstadt-Wischhafen] durch die neue Relation abgezogen wird, …“ In diesem Zusammenhang lohnt es sich
vielleicht noch, eine zusätzliche skeptische Betrachtung einzubringen: Tabelle 18 auf S. 42
zeigt, dass bei der zweiten Alternative, für die das Vorhandensein zweier schneller Schiffe
angenommen wird, die insgesamt beanspruchte Zeit für eine Überfahrt (50 min. Fahrzeit plus
2*10 min. Be- und Entladungszeit) 70 min. beträgt, so dass die mittlere Wartezeit schon bei
35 min liegen würde, wenn man unterstellt, dass die Autos gleichverteilt über die Zeit bei der
Fähre ankommen würden. Es wird auch nicht wesentlich besser, wenn man diese Annahme
nicht macht. Insbesondere unter dem von den Autoren stark in den Vordergrund gerückten
Aspekt, dass die Fähre vielleicht besonders deswegen gewählt würde, weil dort die nach 4,5
Stunden Lenkzeit gesetzlich vorgeschriebene Pause von 45 min. genommen werden könnte,
muss folgende Überlegung angestellt werden: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein
Lastwagenfahrer bei 4,5 Stunden vorheriger Fahrzeit seine Ankunft auf exakt 10 min. vor
Abfahrt der Fähre (zum Beladen) einrichten kann. Ist er dann nur 10 min. verspätet, verpasst
er die Fähre und muss 60 weitere Minuten Verzögerung in Kauf nehmen. Er wird deshalb
einen Sicherheitspuffer von mindestens 15 min. vorsehen müssen. Dann beträgt aber die
durchschnittliche Aufenthaltszeit an der Fähre auch schon 85 min. (50 min. Fahrzeit plus
2*10 min. Be- und Entladungszeit plus 15 min. Sicherheitspuffer). Es ist fraglich, ob unter
diesem Aspekt das Lenkzeitregelungsargument noch sehr zugkräftig ist. Bei den beiden
anderen Alternativen ist die Wartezeit noch erheblich höher. Will man also die Wartezeit zu
einem schlagenden Argument machen, dann müsste man eine wesentlich solidere
Vergleichsuntersuchung vorlegen.
5. Zusammenfassung
Man kann viele Details in der Studie kritisieren, die nicht alle von so großer Bedeutung sind,
aber wesentlich sind die folgenden Punkte:
1. Es fehlt für eine vernünftige Einschätzung der Chancen der neuen Relation eine detaillierte Untersuchung der Charakteristika des Scheiterns der früheren Versuche. Dies
war vielleicht nicht die Aufgabe der Studie, aber sie ist unerlässlich und hätte dann
eigentlich der Studie vorausgehen müssen.
2. Es fehlt eine empirische Untersuchung der Charakteristika, nach denen die
Verkehrsteilnehmer sich für eine der möglichen Routen, insbesondere der beiden Fähren entscheiden. Die auf den geringsten Kosten oder der kürzesten Fahrzeit beruhende
Argumentation greift zu kurz. Die Autoren selbst führen auf S. 18 mit der durch die
Lenkzeitregelung geforderten Pause ja auch ein völlig andersartiges Argument auf.
Dagegen liefern Befragungen an der Fährlinie Glückstadt-Wischhafen zu den Motiven
der Wahl wenig, weil hier nur Fahrer auftauchen, die sich schon entschieden haben.
3. Die auf den von den Autoren der Studie selber durchgeführten oder aus der
Straßenverkehrszählung vorgenommenen Hochrechnungen sind unhaltbar. Solange
nicht das Gegenteil bewiesen worden ist, müssen die Zahlen des Fährbetreibers als
verlässlich gelten. Hier scheinen sich einige Animositäten aufzutun. So findet sich auf
S. 14 der eigenartige Satz. „Der Preis für Glücksstadt-Wischhafen wurde nach von
Spediteuren erhaltenen Auskünften eingesetzt.“ Gibt es denn keine Preisliste?
4. Alle zu den Wartezeiten an der Fährlinie Glückstadt-Wischhafen gemachten Aussagen
haben im Grunde genommen keine Datenbasis und da, wo sie sich auf die Hochrechnungen berufen, sind sie falsch. Außerdem fehlt eine Gegenüberstellung bzw. ein
Vergleich mit Wartezeiten an der neuen Relation und den angebotenen Ausstattungen
mit Schiffen. Die hier in Abschnitt 5 angestellten Überlegungen zeigen, dass die
erhoffte Attraktivität der neuen Relation im Hinblick auf die Lenkzeitregelungen so
kaum gegeben ist – im Gegenteil, die Aufenthaltszeiten an der neuen Relation können
in ungünstigen Fällen sehr schnell einen negativen Faktor darstellen.
5. Insgesamt offenbart die Studie einen erschreckenden Mangel an statistischen
Kenntnissen. Zu den schon angeführten kritischen Bemerkungen sei dies noch einmal
an einem weiteren Details demonstriert:
• Die Abbildungen 12 bis 14 zeigen Scatter-Diagramme, in die (vermutlich nach
dem Kleinst-Quadrate-Prinzip berechnete) Geraden eingezeichnet wurden,
daraus werden Aussagen über den funktionalen Zusammenhang gemacht. In
einem solchen Fall gehört eine formelmäßige Angabe der berechneten Geraden, insbesondere natürlich deren Steigungsparameter und seiner Standardabweichung zur Überprüfung, ob der Steigungsparameter signifikant von null
verschieden ist, sowie eine Angabe des Bestimmheitsmaßes bzw. der F-Statistik zur Überprüfung, ob überhaupt ein signifikanter Zusammenhang zwischen
den betrachteten Größen besteht, zum Standard. Z. B. wird für die „Geschwindigkeitsgerade“ (blau) in Abb. 13 die Aussage getroffen wird, dass „Die durchschnittliche Geschwindigkeit deutlich gewachsen ist.“ Eine Nachschätzung
dieser Geraden (dieselbe Gerade (rot) gibt es noch einmal in Abb. 12 und beide
Graphiken enthalten ein Schiff mit der Geschwindigkeit null) ergibt (Standardabweichungen in Klammern unter den Koeffizienten):
Geschwindigkeit = 9,49 + 0,25 Baujahr
(2,14)
(0,127)
R2 = 0,109
F = 3.9
• Der Steigungsparameter ist zum 5%-Niveau gerade nicht mehr signifikant,
aber zum 6%-Niveau, was man tolerieren kann. Von einem deutlichen
Wachstum kann also kaum die Rede sein, zumal der Erklärungswert des gesamten Zusammenhanges gerade mal bei knapp 11% Prozent liegt und ebenfalls nur zum 6%-Niveau signifikant ist. Eine Graphik dieser Art ist also einer
Interpretation nur zugänglich, wenn man über alle notwendigen Informationen
verfügt. Alle anderen Geraden stellen keine signifikanten Zusammenhänge dar.
Prof. Dr. Peter Kuhbier. FREIE UNIVERSITÄT BERLIN, Institut für Statistik und Ökonometrie, Garystr. 21, 14195 Berlin