Vom Leben in einem Pulverfass

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Vom Leben in einem Pulverfass
two to one
Vom Leben in einem Pulverfass
23.8.2013
Liebe/r Mitreisende/r
Seit fast drei Monaten arbeiten und leben wir jetzt schon im Libanon. Es
ist eine Zeit, die uns auf jeden Fall noch lange in Erinnerung bleiben wird
mit all ihren schönen und schwierigen Seiten. Denn die Geschichten, die
wir hier erleben, sind von einer ganz anderen Intensität, die Spannungen
aus der gesamten Region sind deutlich spürbar, und die Lage bleibt
gerade deswegen beunruhigend unstabil.
Es ist und bleibt eine unvergessliche Erfahrung, in und um Beirut tätig zu
sein, aber zeitgleich ist es auch ein beklemmendes Gefühl, wenn man sich
plötzlich nicht mehr frei bewegen kann und sich jedes mal Gedanken
machen muss, wo es nun aus welchen Gründen sicher oder eben
gefährlich sein könnte, wo man wie gekleidet hinfahren darf und welche
Orte es ganz zu meiden gilt.
In unserem Quartier scheint die Welt in bester Ordnung, doch nur ein
paar wenige Kilometer weiter südlich ist erst letzte Woche wieder eine
Autobombe detoniert und hat über 20 Menschenleben gefordert. Auch im
Norden und Osten von Beirut sind diese Woche einige ähnliche Anschläge
verübt worden, alleine zwei davon heute in Triopolis mit angehend 50
Toten.
Ganz im Süden hatten andere verantwortungslose, radikale Spatzenhirne
gestern zudem den Entschluss gefasst ein bisschen Öl ins Feuer zu
giessen, und nach über zweieinhalb Jahren Ruhe in der Region, erneut
Bomben nach Israel gefeuert. Die Antwort von israelischer Seite liess
selbstverständlich nicht lange auf sich warten und heute, gerade während
wir in Shatila, einem palästinensischen Flüchtlingslager in Beirut, tätig
waren und uns durch die engen Gassen kämpften, haben Kampfjets aus
Israel ein anderes Flüchtlingslager von Palästinensern nur wenige
Kilometer weiter südlich von uns angegriffen. Verletzt wurde bei dieser
Aktion nach verschiedenen Quellen aber niemand.
Damit wurden nun aber zusätlich zu Syrien mit dem Giftgas-Anschlag
von gestern und den Geschehnissen in Ägypten auch hier im Libanon
eine rote Linien übertreten, und die Lage im nahen Osten spitzt sich
langsam aber sicher bedenklich zu. Es wird ungemütlich.
c/o Weiersmüller/Felber
Ennetbürgerstrasse 49
CH-6374 Buochs
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Viele Situationen, in welchen unsere persönliche Sicherheit direkt gefährdet war, gab es bisher
aber zum guten Glück noch nicht, nur die ewigen und zuspitzenden Spannungen machen uns oft
zu schaffen. Man spürt es, die Luft ist voll davon, und es braucht nur noch den berühmten letzten
Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Missgunst, Misstrauen, Angst, Unverständnis,
Fremdenfeindlichkeit und Fanatismus sind alle schon da und überall zu finden.
Doch betrachtet man die momentane Lage des geplagten Landes zwischen Israel und Syrien, so
gleicht es trotzdem einem Wunder, dass dieser berüchtigte Tropfen noch nicht gefallen ist und
das Zusammenleben trotz allem noch einigermassen funktioniert. Man stelle sich mal vor: Vier
Millionen Libanesen, viele davon mit schweren Kriegstraumata, 400 000 frustrierte Palästinenser,
die seit über fünfzig Jahren weder in die Gesellschaft integriert werden noch jemals zurück in ihre
Heimat können, zusammen mit einer unüberschaubaren und anhaltenden Welle an Millionen von
verzweifelten syrischen Flüchtlingen, denen das gleiche Schicksal wie den Palästinensern droht,
und die den Libanesen Wohnraum und Arbeit streitig machen. Das alles vermischt mit vielen
weiteren Minderheiten und Glaubensgemeinschaften vor allem aus dem Irak, Kurdistan, Kuwait,
den Philippinen, Äthiopien, Indien und Sri Lanka, alle Wand an Wand auf engstem Raum
zusammen und eingegrenzt zwischen einem Bürgerkrieg des grossen Bruders Syrien und der
militärischen Grossmacht Israel, welche mit unruhigen Finger am Abzug die Lage beobachtet und
beeinflusst, das nennt man dann wohl Pulverfass.
Wie lange sich dieser wild zusammengewürfelte Haufen an Glaubensgemeinschaften mit ein
paar Anschlägen und Vergeltungsakten zufrieden gibt und die Funken nicht aufs ganze Fass
übergreifen steht in den Sternen. Die Dämonen des Kriegs strecken auf jeden Fall seit Monaten
immer weiter ihre Arme aus, schleichen gierig umher und die Pufferzone der wunderschönen
Bekka-Ebene, welche das grosse Blutvergiessen bisher einigermassen ferngehalten hat, könnte
schon morgen unter ihrer Herrschaft liegen. Die jüngsten Bombenattentate in Beirut und Tripolis
sowie die Anschläge von und aus Israel haben diese Dämonen nur noch zusätzlich angefeuert.
Doch wie schon früher mal erwähnt: Solange die Lage im
Libanon nicht völlig eskaliert, werden wir hier weiter unserer
Arbeit nachgehen und unseren Beitrag zu einer friedlichen
Lösung der Spannungen geben, was alles in allem eigentlich
eine sehr erfüllende Aufgabe ist, auch wenn es nicht immer
einfach ist.
Persönlich und auch für „two to one“ ist die Zeit trotz und
auch gerade wegen all der Spannungen enorm bereichernd: Es
gibt viele engagierte Hilfsorganisationen, mit welchen wir hier
zusammenarbeiten, noch mehr ambitionierte Künstler/Innen,
die bald schon ihre Ware auf unserer Plattform anbieten, und
auch unser Wirken im Namen des Friedens wird hier sowie
bei uns selbst auf verschiedensten Ebenen seine Spuren
hinterlassen. So schnell möchten wir hier nicht fort und wenn
alles nach Wunsch verläuft lässt unsere Weiterreise nach
Jordanien noch knapp zwei Monate auf sich warten.
Bis es soweit ist werden wir jetzt also auch weiterhin einmal die Woche an einer Schule im
palästinensischen Flüchtlingslager Shatila unterrichten und kooperieren mit der
dahinterstehenden Organisation „najda now“ sowie dem Schweizer Verein „Solidarité - Libanon Suisse“, wobei wir verschiedene Projekte dieser Organisationen besuchen und darüber berichten.
Zudem arbeiten wir mit einer Kooperative, die Frauen aus randständigen Gruppen hilft ihr
eigenes Unternehmen aufzubauen, und werden vielleicht bald schon einige ihrer Artikel auf
unserer Plattform anbieten, und die Arbeit der Frauen in den Dörfern dokumentieren. Daneben
widmen wir uns all den restlichen Projekten im Rahmen von „two to one“, besuchen, kooperieren
und unterstützen verschiedenste Künstler/Innen, und ich (Philipp) versuche der arabischen
Schrift und Sprache mächtig zu werden, was aber noch ein langer und ausgiebiger Kampf werden
dürfte.
In den wenigen freien Momenten, die wir haben, lernen wir das Land so gut es geht kennen,
fahren raus in die Natur oder in andere Städte, was oft einer Reise in ein anderes Land
gleichkommt und bereiten uns auf die nächsten Etappen vor. Viel Zeit zum Entspannen bleibt
nicht, zuviel geschieht im Moment und zu viel gibt es zu tun.
Was „two to one“ angeht, haben wir´s jetzt wohl geschafft, alles zu definieren und aufzubauen,
aber den künftigen Verein sowie unser eigenes Unternehmen in eine selbstfinanzierende
Richtung zu lenken ist noch ein langer Weg. Jetzt geht es erstmal darum, mehr Aufmerksamkeit
zu generieren, Berichte in Zeitungen und Zeitschriften zu landen und natürlich sämtliche der
sieben Projekte weiter auszubauen.
Falls Du uns nun dabei gerne unterstützen möchtest, dann kannst Du das auf eine ganz einfache
Art und Weise tun: Hilf uns auf dem Weg in die Öffentlichkeit: Sprich mit Freunden, Familie,
Bekannten, Verwandten und Fremden über unser Vorhaben, like, share, twitter, blogge und poste
über uns, teil deine Erfahrungen, Kontakte, Ideen, Kritik, Vorstellungen, Träume sowie Gedanken
und fordere Sticker und Postkarten zum Verteilen an!
Wir und „two to one“ sind dir dankbar und wünschen Dir alles Gute und nur das Beste auf
Deinem Weg! Friede, Liebe, Glück, Gesundheit, Erfolg und viele bereichernde Momente!
Fühl dich herzlich gegrüsst aus dem turbulenten Libanon
Philipp
und
Antje

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