Einheitskasse Ja oder Nein?
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Einheitskasse Ja oder Nein?
Department of Economics Einheitskasse Ja oder Nein? Podiumsdiskussion der Akademie Menschenmedizin 5. Juni 2014, Zentrum Karl der Grosse, Zürich Prof. Dr. Konstantin Beck Leiter CSS-Institut für empirische Gesundheitsökonomie www.css-institut.ch 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 1 Department of Economics Zu meiner Person – Ja, ich war 20 Jahre Versicherungsmathematiker der CSS und bin Leiter des CSS Instituts – Ja, ich bin Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Zürich und anderen Hochschulen – Nein, meine Aussagen decken sich nicht zwingend mit der politischen Haltung der CSS Versicherung 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 2 Department of Economics Totalumbau eines funktionierenden Systems? – Mega Fusion von 60 Versicherern in 26 Kassen – Kreation von dutzenden von Zusatzversicherern mit entsprechend vielen Schnittstellen – Das Projekt kostet 1,75 Milliarden (Fachhochschule Winterthur) – Mehrere Jahre Übergangszeit 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 3 Department of Economics Das System funktioniert – Alle Einwohner haben Zugang zu guter Gesundheitsversorgung (auch die tiefen Einkommen) – Das System wickelt pro Jahr 85 Mio. Rechnungen ab (Wachstum von 150% seit 1996 ist kein Thema) – Das System entwickelte zusammen mit den Ärzten die kostensparenden Managed Care Modelle – Das System ist schuldenfrei! – Das System bietet Wahlfreiheit bei Ärzten und Kassen! 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 4 Department of Economics Das System ist nicht perfekt – Steigende Kosten – Gefahr der Risikoselektion (?) – Intransparenz (?) 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 5 Department of Economics Reduktion Verwaltungskosten? – Einsparung gemäss Sax: -1,4% oder Fr. 41.- pro Kopf – Fazit Sax: «Kurzfristig können mit der öffentlichen Krankenkasse keine substantiellen Prämienreduktionen erwartet werden.» 5% (S. 30) – Zudem fehlen die neuen Zusatzkosten 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 6 Department of Economics Zusätzliche Verwaltungskosten? – Trennung Grund- und Zusatzversicherung: Wenn zwei sich scheiden, steigen die Kosten bei beiden (7 Mio. neue Policen, 130 Mio. zusätzliche Leistungs- und Prämienrechnungen) – Provisionen für Versicherungsmakler belasten die Zusatzversicherung - nicht aber die Grundversicherung – 91% der Mutationen bleiben erhalten (Geburt, Tod, Wechsel von Wohnsitz oder Zivilstand, Einwanderung etc.) – Netto-Effekt über alles wahrscheinlich 0% ! 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 7 Department of Economics Sind Monopole effizienter? BSV, Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2011 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 8 Department of Economics Einsparung bei den Leistungskosten? - Nach Sax: 10% - 20% Einsparung dank Vernetzung der Ärzte (staatliches Managed Care – vom Volk verworfen) - Das entspricht 55’000 bis 107’000 abgebauten Stellen Obwohl Managed Care Modelle Erfolge vorzuweisen haben, werden sie «von Politik und Versicherern* stiefmütterlich behandelt. Nur dank innovationsfreudiger Pioniere wurden sie überhaupt aufgebaut und weiter entwickelt.» (Anna Sax, S. 82) Fazit: Managed Care gibt es nur dank freiem Wettbewerb *) Versicherer verkauften 4,8 Mio. Managed-Care-Policen 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 9 Department of Economics Aufhebung der Gewaltenteilung Art. 117 / 3 (neu): Deren Organe werden namentlich aus Vertretern des Bundes, der Kantone, der Versicherten und der Leistungserbringer (!) gebildet. - Leistungserbringer sind Ärzte, Spitäler, Physiotherapeuten, etc., d.h. alle Organisationen, die Geld von der Einheitskasse beziehen - Auch der Kanton ist Leistungserbringer wegen der Kantons-Spitäler - Einheitskasse hat zwar mehr Verhandlungsmacht aber auch einen Zielkonflikt; Gewaltentrennung fehlt ________________________________________________________________________________________________________ 10 Prof. Dr. Konstantin Beck Department of Economics Und was ist mit den Prämien? Art. 117 / 4 (neu): Die Agenturen legen die Prämien fest, ziehen sie ein und vergüten die Leistungen (Text gekürzt). - Ist die Handlungsautonomie wirklich gross genug, um kostendeckende Prämie durch zu setzen? Auch im Wahljahr? - Schulden der IV: 14 Mia Franken. Art. 117 (…): Die Prämie «wird aufgrund der Kosten der sozialen Krankenversicherung berechnet.» - Kasse mit Defizitgarantie? ________________________________________________________________________________________________________ 11 Prof. Dr. Konstantin Beck Department of Economics Und das sagt SP – Bundesrat Berset: «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass mit der Initiative die Kosten des Gesundheitswesen nicht gesenkt werden. Überhaupt beinhaltet die Initiative keine einzige kostensenkende Massnahme» 10.10.12, 10 vor 10 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 12 Department of Economics Ein schludriger Initiativ-Text «Für jeden Kanton wird eine einheitliche Prämie festgelegt; (Les primes sont fixées par canton) Prämie steigen - für die Landbevölkerung Zürichs (unbestritten) - für bis zu 61% der Kantonseinwohner, die einen günstigen Versicherer gewählt haben (unbestritten) - für alle, die sich für ein Sparmodell entschieden haben (77% der Versicherten) (BAG, Daten 2012) ________________________________________________________________________________________________________ 13 Prof. Dr. Konstantin Beck Department of Economics Trifft es die Schwächsten? Gemäss Studie Kieser: Gleiche Prämie Kinder und Erwachsene Kinder tragen heute ihre Kosten (1,3 Milliarden). Initiativtext führt zu Mehrkosten bei allen Kindern von 3,2 Milliarden. : Alleinerziehend mit drei Kindern, Hausarztmodell, ohne Unfalldeckung, Franchise 300 und 0, Kanton Solothurn, 2012 + 187% 10.06.14 / + CHF 8389.20 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 14 Department of Economics Problem der Risikoselektion? Position der CSS-Versicherung von 1996 : Der Versicherer, der sich auf Risikoselektion spezialisiert, gewinnt in diesem Markt. Der soziale Versicherer, der Gesunde und Kranke gleich und fair behandelt, hat erhöhtes Konkurs-Risiko! Kurz: Fairness wird bestraft, asoziales Verhalten belohnt. Seit 1996 kämpften CSS, Visana, Helsana & Swica für einen besseren Risikoausgleich. Am 21. März 2014 akzeptiert das Parlament diesen Vorschlag! 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 15 Department of Economics Effekt des neuen Risikoausgleichs Anna Sax: Nur 30% des Risikos wird durch den neuen Risikoausgleich erklärt (SGGP-Podium vom 20.5.14) Ergänzung Beck: 50% sind reiner Zufall und können nicht für Risikoselektion missbraucht werden: D.h. 80% der Risikounterschiede werden abgefangen. Gewinn aus Selektion werden um 91% reduziert. 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 16 Department of Economics Ein sozialer Quantensprung Mit der Verbesserung des Risikoausgleichs macht diese Branche einen Quantensprung weg von einer asozialen hin zu einer fairen und sozialen Krankenversicherung. 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 17 Department of Economics Das System sei intransparent? SMUV-Kasse «KK57» trotz sehr gesundem Versichertenbestand innert drei Jahren im finanziellen Abgrund; 16 Mio. Reserven vernichtet; Management wird ersetzt und Kasse saniert. Fazit Regierungsrat Maillard (Mitarbeiter von KK57 und Initiant): Der Wettbewerb kann nicht funktionieren! Doch: Wettbewerb rettete 10’000 Versicherte vor unfähigem Management Wer auf der Autobahn die Handbremse zieht, muss sich nicht wundern, wenn das Auto schleudert! Zurück zur Intransparenz: Mit einem Blick ins Internet kann die ganze Entwicklung dieser Kasse minutiös nachvollzogen werden! 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 18 Department of Economics Fazit • Die Krankenversicherung von heute funktioniert gut. Sie garantiert den sicheren Zugang zu lebensnotwendiger Gesundheitsversorgung. • Bestehende Mängel können reformiert werden. • Die Einheitskasse ist ein hoch riskantes Experiment mit unsicherem Ausgang. • Sie löst kein bestehendes Problem, schafft aber zahlreiche neue. 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Seite 19 Department of Economics Weiterführende Literatur Konstantin Beck (Hrsg.) Risiko Krankenversicherung – Risikomanagement in einem regulierten Krankenversicherungsmarkt, Bern (Haupt) 3. Auflage, 2013. Konstantin Beck: Sackgasse Einheitskasse – Warum die Monopolisierung der Krankenversicherung in die Irre führt, Zürich (Orell Füssli), 4. Auflage 2013 / Französisch Slatkin-Verlag / Italienisch auf www.nocassaunica.ch 10.06.14 Prof. Dr. Konstantin Beck Sackgasse Einheitskasse Seite 20